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1 DAS VERLORENE LEBEN DES HERZENS

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Durstig sind jene Herzen, in denen durch die Berührung Gottes tief innen die Sehnsucht erwacht ist.

A. W. Tozer

Nachdem wir einige Jahre auf unserer geistlichen Reise unterwegs sind, wenn die Wellen der Vorfreude, die den Beginn jeder Pilgerschaft kennzeichnen, allmählich im Dienst und der Geschäftigkeit der mittleren Jahre des Lebens verebben, spricht mitten in allem, was wir tun, eine Stimme zu uns. Da fehlt etwas in alledem, sagt sie. Da ist noch mehr.

Oft kommt die Stimme mitten in der Nacht oder in den frühen Morgenstunden, wenn wir unser Herz am wenigsten im Griff haben und am verwundbarsten sind. Anfangs verkennen wir die Quelle dieser Stimme und nehmen an, es sei nur Einbildung. Wir schütteln unser Kissen auf, drehen uns um und schlafen wieder ein. Tage, Wochen, sogar Monate vergehen, und die Stimme spricht wieder zu uns: Bist du denn nicht durstig? Hör auf dein Herz. Es fehlt etwas.

Dann lauschen wir, und was wir hören, ist … ein Seufzen. Und unter dem Seufzen ist etwas Gefährliches, etwas, das sich anfühlt, als wäre es untreu und illoyal gegenüber der Religion, der wir dienen. Wir spüren eine Leidenschaft tief in uns, die das Programm, nach dem wir leben, vollkommen über den Haufen zu werfen droht; sie fühlt sich zügellos und wild an. Beunruhigt machen wir kehrt und gehen hastig davon wie eine Frau, die mehr fühlt, als sie will, wenn ihre Augen denen eines Mannes begegnen, der nicht ihr eigener ist.

Wir sagen uns, dass diese leise, leidenschaftliche Stimme ein Eindringling sei, der sich bei uns einschleichen konnte, weil wir nicht sorgfältig genug unsere Religion praktiziert haben. Auch der Pastor scheint dieser Einschätzung zuzustimmen und ermahnt uns von der Kanzel aus, treuer zu sein. Wir versuchen die Stimme durch äußerliche Aktivitäten zum Schweigen zu bringen und verdoppeln unsere Anstrengungen im christlichen Dienst. Wir schließen uns einer Kleingruppe an und lesen ein Buch darüber, wie wir ein effektiveres Gebetsleben entwickeln können. Wir lassen uns schulen, um im Evangelisationsteam der Gemeinde mitzuarbeiten. Wir sagen uns, dass die Freudlosigkeit, die wir empfinden, während wir unsere religiösen Aktivitäten steigern, ein Zeichen geistlicher Unreife sei, und wir tadeln unser Herz für seinen Mangel an Eifer.

Eine Weile später wagt die Stimme in unserem Herzen wieder zu uns zu sprechen, diesmal beharrlicher. Hör mir zu – da fehlt etwas in alledem. Du sehnst dich nach einer Liebesaffäre, nach einem Abenteuer. Du bist für mehr geschaffen worden. Du weißt es genau.

Als der junge Prophet Samuel in der Nacht hörte, wie die Stimme Gottes nach ihm rief, konnte er sich Rat holen bei seinem priesterlichen Mentor Eli, der ihm sagte, wie er antworten sollte. Doch selbst so brauchte er drei Male, um zu erkennen, dass es Gott war, der ihn rief. Statt die Stimme zu ignorieren oder zurückzuweisen, hörte Samuel endlich zu.

In unserer modernen, pragmatischen Welt haben wir meistens keinen solchen Mentor, sodass wir nicht verstehen, dass es Gott ist, der in unserem Herzen zu uns spricht. Nachdem wir den Kontakt zu unserer tiefsten Sehnsucht verloren haben, erkennen wir die Stimme nicht mehr und auch nicht den Einen, der uns durch sie ruft. Frustriert darüber, wie unser Herz ständig unser pflichtbewusstes christliches Leben sabotiert, bringen die einen die Stimme zum Schweigen, indem sie ihr Herz auf dem Speicher verschließen und es nur noch mit dem Wasser und Brot der Pflicht und Schuldigkeit versorgen, bis es fast tot ist und die Stimme nur noch schwach und leise erklingt. Doch manchmal in der Nacht, wenn unsere Abwehr erlahmt, hören wir sie immer noch rufen, ganz leise – ein fernes Flüstern. Kommt dann der Morgen, schreien wieder die Aktivitäten des neuen Tages nach unserer Aufmerksamkeit, und der Klang des leisen Rufens geht darin unter und wir gratulieren uns selbst dazu, dass wir endlich das Fleisch überwunden haben.

Andere lassen sich darauf ein, unserem Herzen einen Platz auf dem Trittbrett zu gewähren, wenn es uns nur in Ruhe lässt und das Boot nicht zum Schaukeln bringt. Wir versuchen in unserer Arbeit aufzugehen oder „uns ein Hobby zuzulegen“ (was sich beides bald wie eine Sucht anfühlt); wir haben eine Affäre oder entwickeln ein farbenfrohes Fantasieleben, gefüttert von Groschenromanen oder Pornographie. Wir lernen unsere Freude zu haben an den saftigen Intrigen und den Geheimnissen der Gerüchteküche. Wir achten darauf, genügend Abstand zwischen uns und anderen zu halten, sogar zwischen uns selbst und unserem Herzen, um den pragmatischen Agnostizismus zu verbergen, den wir leben, jetzt, nachdem unser inneres Leben von unserem äußeren Leben getrennt worden ist. Nachdem wir unser Herz derart beschwichtigt haben, sind wir dennoch gezwungen, unsere geistliche Reise aufzugeben, weil unser Herz nicht mehr mit uns kommen will. Es ist gefangen in den kleinen Genüssen, die wir ihm erlauben, um es uns vom Leib zu halten.

Ganz leise wirbst du um mein Herz

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