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KOMMENTAR ZU KAPITEL 1 Die Möglichkeit einer messianischen Ethik Die Grundthese

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Bei einer Bestandsaufnahme der Reaktionen auf Die Politik Jesu muss der erste Schritt darin bestehen, den Debattenstand der neutestamentlichen Forschung zu betrachten, inwiefern Jesus im Grundsatz eine politische Person war. Unter den Fachtheologen gibt es im Detail immer noch tiefe Meinungsverschiedenheiten, doch weniger denn je wird behauptet, Jesus sei apolitisch gewesen. Ernst Bammel und C. F. D. Moule etwa, zwei der angesehensten Forscher der älteren Generation, veröffentlichten die Dokumentation eines umfangreichen Symposiums, Jesus and the Politics of His Day.19 Es ging ihnen vor allem darum, der extremen These von Brandon entgegenzutreten. Doch konnten sie es nicht vermeiden, ihm dabei auf halbem Weg entgegenzukommen.

Die umfangreiche Forschung auf diesem Gebiet20 und der dahinter stehende größere Forschungszusammenhang entstand nicht als Reaktion auf Die Politik Jesu. Manches reagiert, wie schon erwähnt, direkt auf die weiter reichende These Brandons21, Jesus sei zwar sehr politisch gewesen, doch auf ganz herkömmlich gewalttätige, staatsorientierte und militärische Weise.

Manche Forscher bearbeiten die Fragestellung: „War Jesus politisch?“ mit innovativen Methoden („postmodern“, poststrukturalistisch“ oder „soziologisch“), die es so in den 1960ern noch nicht gab. Was es heißt, dass jeder Leser eines Textes eine spezifische ihm eigene Perspektive hat, statt eine quasineutrale „Objektivität“ zu suchen oder zu behaupten, ist selbst Teil weitergehender Methodendiskussion. Diese Debatte hat sich seit 1970 geradezu wuchernd ausgebreitet. Ich will hier keine Einschätzung wagen, was diese neuen Interpretationsraster leisten können, doch sie werden keinesfalls zu dem vorkritischen, apolitischen Jesus zurückkehren.22

Die zu beobachtende Wiedergewinnung der politischen Dimension des Dienstes Jesu wurde gefördert durch spezifische Interpretationsperspektiven, besonders im breiten Spektrum verschiedener „Befreiungstheologien“. Als einigermaßen informierter Amateur auf diesem Gebiet habe ich dazu zwar eine Meinung,23 doch die These der Politik Jesu hängt nicht davon ab, ob ich auf dem neuen Themenfeld „Befreiungstheologie“ eigene Fachkompetenz behaupte. Grundvoraussetzung für die angemessene Lektüre jeden Textes ist die Empathie oder Kongenialität des Lesers mit der Intention oder dem Genre des Textes. Wir erwarten kaum, dass einer, der dem Fach Mathematik feindselig gegenübersteht, einen mathematischen Text als Experte liest. Einen Text der Gattung Evangelium unter der Grundannahme zu lesen, so etwas wie „Gute Nachricht“ könne es gar nicht geben, scheint ebenso unangemessen – ob es sich nun um eine echte Botschaft oder eben um diese Textgattung handelt.

Ich möchte mit diesen Bemerkungen nicht die zahlreichen kritischen Einwände gegenüber manchen allzu groben Vereinfachungen und Kurzschlüssen vom Tisch wischen, wie sie in Theologien unter der Überschrift „Befreiung“ auch formuliert wurden.24 Solche Kritik ist jedoch nur dann berechtigt oder angemessen, wenn sie Bezug nimmt auf den Text und dessen Kontext. Es kann nicht grundsätzlich als falsch angesehen werden, den Text des Neuen Testaments als Zeugnis einer Befreiungsbewegung zu lesen.

Die Politik Jesu

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