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Eine neue Stufe der Öffentlichkeit: Lukas 6,12ff

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Ab Kapernaum (4,31) berichtet Lukas von einem wachsenden Echo unter der Menge, den Kranken und Steuereintreibern. Bald beginnt die Reaktion des religiösen Establishments mit Einwänden gegen Jesu Autorität, Sünden zu vergeben (5,21), und gegen seinen schlechten Umgang (5,30). Beinahe von Beginn an sucht die Opposition ihr Heil im verärgerten Ränkeschmieden (6,11). Lukas betont, dass Jesus „in diesen Tagen“ nach einer langen Nachtwache zwölf Schlüsselpersonen aussuchte – die Erstlinge eines erneuerten Israel. Seine Antwort auf die organisierte Opposition ist die ausdrückliche Gründung einer neuen sozialen Wirklichkeit. Neue Lehren sind keine Bedrohung, solange der Lehrer alleine steht; eine Bewegung dagegen, die seine Persönlichkeit in Zeit und Raum verlängert und eine Alternative zu den vorgegebenen Strukturen bietet, fordert das System heraus, wie bloße Worte es nie könnten.60

Zwar mag das Funktionieren dieses inneren Kreises dem Zusammenleben anderer Rabbis mit ihren Lieblingsjüngern verwandt sein, doch bei seiner Gründung geht es um mehr. Ihre Zahl, die Nacht im Gebet,61 die darauffolgende zeremonielle Verkündigung von Weherufen und Seligpreisungen – all das dient der Dramatisierung einer neuen Stufe der Öffentlichkeit. Die Öffnung über das Judentum hinaus, die in der Synagoge zu Nazareth vorausgesagt wurde, beginnt nun; die „Küste von Tyros und Sidon“ ist auf dieser weiten Ebene vertreten. Trotz der vielen Parallelen zur Bergpredigt liegt der Schwerpunkt bei Lukas woanders. Im Kontrast zu den Seligpreisungen stehen Weherufe nach Art der Bundeszeremonien im alten Israel. Die Seligpreisung gilt den Armen, nicht nur den Armen im Geiste; den Hungrigen, nicht nur denen, die nach Gerechtigkeit hungern. Die Beispiele aus dem sexuellen Bereich (Mt 5,27–32) fehlen; nur persönliche und wirtschaftliche Konflikte dienen als Hinweis auf den neuen Weg, auf dem genommenes Gut nicht zurückgefordert und die Schuld vergeben wird. Wie beim Jubeljahr und im Vaterunser werden Schulden als das paradigmatische soziale Übel angesehen. Kurz gesagt: Die Ankündigung in der Synagoge wird wiederholt und in Einzelheiten geschildert, diesmal auf einer strukturierten sozialen Basis (zu der sowohl die gläubige Menge als auch der harte Kern gehören)62 und im Angesicht der Masse („vor den Ohren des Volkes“, 7,1). Eine Ethik, die sich leiten lässt durch die beiden Kernpunkte der Nachahmung, des Nachvollzugs von Gottes grenzenloser Liebe zu seinen rebellischen Kindern (6,35f) und der auffälligen Verschiedenheit zum normalen „Naturrechts“-Verhalten anderer („Welchen Dank habt ihr da? Auch die Sünder …“, 6,32–34, Jerusalemer Bibel), ist nur zu begreifen, wenn das neue Zeitalter bereits begonnen hat und wenn die Neuartigkeit dieser Zeit ökonomisch realisierbar ist.

Die Politik Jesu

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