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1. PSYCHOLOGIE UND OSTEOPATHIE

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Journal of Osteopathy (V), 1898, S. 67–72.

Ich bin gebeten worden, einen Artikel für das vorliegende Journal zu schreiben.30

Wenn man versucht, die Physiologie aus osteopathischer Sicht so zu erklären, wie wir sie durchnehmen, bleibt wenig Zeit für ernste und tiefe Studien jenseits dieses Themas. Für den Osteopathen kann es jedoch keinen bedeutenderen Gegenstand geben als die Physiologie, weil angewandte Physiologie für die osteopathische Medizin Materia medica und Therapie zugleich ist. Der Herausgeber des Medical Brief stellt fest:

„Kein Arzt, der nicht gründlich mit der Physiologie vertraut ist, kann ein guter Diagnostiker oder Therapeut sein.“

Das früheste Stadium jeder Krankheit besteht stets in einer leichten Abweichung von der normalen Funktion. Diese kann sich beispielsweise übertrieben zeigen, und dann liegt ein ausgesprochen anomaler und pathologischer Zustand vor. Wenn irgendein professioneller Mensch ein unabhängiger Denker sein sollte, dann ist es wohl der Arzt. Niemand kann Wissen sein Eigen nennen, bis es Teil seiner Natur wird. Und nur derjenige besitzt tatsächliches wissenschaftliches Wissen, der dieses Wissen durch persönliche Erfahrung erworben hat. Es spielt keine Rolle, wie bedeutend die Autorität ist, die man zitiert. Sofern zur Autorität nicht die subjektive Erfahrung des Zitierenden hinzukommt, wird letzterer schlicht zur Maschine. Ein Automatismus im Bereich der Osteopathie ist sogar noch gefährlicher als im alten medizinischen Bereich. Es versteht sich von selbst, dass es einen gesunden Zustand gibt, wenn das System einschließlich Körper und Geist strukturell und funktionell vollkommen und ohne Durcheinander ist. Taucht jedoch irgendeine Abweichung auf, muss der Osteopath sie entdecken, um letztlich erfolgreich behandeln zu können. Eine unvollkommene Diagnose impliziert, dass die Behandlung zum Experiment wird.

Die Wissenschaft der Medizin beschränkt sich eben nicht auf das Verschreiben von Medikamenten und auf die Kenntnis von Arzneimitteln. Das ist eine degenerierte Vorstellung von Medizin. Die Wissenschaft der Medizin befasst sich mit der Erhaltung und Verlängerung menschlichen Lebens und mit der Heilung jener anomalen Zustände oder Krankheiten, die das Leben schwächen oder zerstören. Die Medizin hat in ihrer Geschichte verschiedene Heilungsprinzipien verfolgt. Zuerst war sie mit der Priesterherrschaft verbunden und bestand aus bestimmten zeremoniellen Observanzen. Später bestand sie aus bestimmten magischen Praktiken, die den abergläubischen Charakter des Volkes bestärkten. Bis heute glaubt man von bestimmten Formen und Rezitationen, sie besäßen medizinische Kraft. Bei der aktuellen Definition der Wissenschaft der Medizin bin ich überzeugt, dass sie weit genug reicht, um auch die Osteopathie zu umfassen, denn ich glaube, dass die Osteopathie ein Teil der Wissenschaft der Medizin ist. Und die Osteopathie sollte das Wort Medizin in seinem ursprünglichen Sinn beanspruchen, nämlich im Sinne von Heilung. Im Bereich der Wissenschaft der Medizin gibt es drei große Wissensbereiche: Anatomie, Physiologie und Pathologie. Die Anatomie ist die Wissenschaft von der Organisation oder der Struktur des menschlichen Systems. Die Physiologie ist die Wissenschaft vom organisierten Leben in seinen verschiedenen Funktionen und die Pathologie jene, die sich mit den anomalen Zuständen des menschlichen Lebens befasst. Daher bildet die Physiologie die mittlere Wissenschaft in dieser Trinität der Wissenschaften.

Sie spielt jedoch eine weitaus größere Rolle, als gemeinhin angenommen. Die Physiologie hat nicht nur eine Auswirkung auf den Bereich der Medizin, sondern auch auf den der Psychologie und durch die Psychologie auf den gesamten Bereich der Bildung. Die Physiologie erläutert und erklärt weitgehend psychische Zustände. Denn die wahre Psychologie gründet auf der Physiologie. Die mentalen Zustände und Aktivitäten sind nur insoweit von Wert als sie Veranschaulichungen und Offenbarungen der physiologischen Beziehungen und Zustände sind. Die psychischen Zustände des Lebens werden nicht nur im Bereich der Bildung, bei den Anpassungen an das Studium, sondern auch im Studium und der Diagnose mentaler Krankheiten und bei vielen Nervenkrankheiten dargestellt. Die Physiologie des Gehirns, des Rückenmarks und des gesamten Nervensystems liegt am Fundament jeder wahren Theorie des Lebens. Das gilt zuallererst für das physische Leben bei seiner Erhaltung, Verlängerung und bei der Behandlung von Krankheitszuständen. Und auch im Blick auf das mentale Leben und sogar des höheren moralischen und spirituellen Lebens. Ein korrektes Wissen der Physiologie, das im Bereich der Psychologie angewendet wurde, hat die älteren Anschauungen und Pläne für die Bildung obsolet gemacht und die moderne natürliche Schule entstehen lassen, die so viel dazu getan hat, wahre Pläne für die Bildung und wahre Methoden des Studiums zu entwickeln. Sollen wir im Bereich der Medizin nicht nach der gleichen Reform Ausschau halten, nach einer, die Physiologie in ihren gesamten Auswirkungen so lehrt, dass sie uns jene wahren Funktionen des differenzierten menschlichen Lebens zeigt, die aus einer Anzahl von Organen bestehen, welche alle unabhängig und doch zu einem einzelnen Leben vereinigt sind?

Betreten wir den höheren Bereich der Psychophysiologie, geht es uns um die Tatsache, dass der Geist die dominierende Kraft ist und dass in einem gesunden physiologischen Körper nichts anderes als ein gesunder Geist diesen kräftigen Zustand des Körpers sicherstellen kann, der von allen so begehrt wird: Gesundheit und Glück. Wir müssen erkennen, dass wir bei der Behandlung anscheinend rein körperlicher Krankheiten nicht die Tatsache übersehen dürfen, dass die Psychopathologie den Bereich der mentalen Krankheit eröffnet und bestimmte Geisteszustände enthüllt, ohne deren Überwindung es unmöglich ist, körperliche Krankheiten zu heilen.31 Dieser weite Bereich steht vor der Osteopathie offen. Und wir glauben, nicht zu viel zu behaupten, wenn wir sagen, dass dieser Bereich nur durch das Tor der osteopathischen Physiologie und Psychologie betreten werden kann. Mit dieser Überzeugung stellen wir eine kurze Zusammenfassung des psychologischen Aspekts des menschlichen Lebens vor und beleuchten die zukünftige Bedeutung des psychopathologischen Aspekts.

Die Physiologen haben ihre Untersuchungen weitgehend auf die verschiedenen Teile des Zentralen Nervensystems begrenzt, ohne zu versuchen, irgendwelche Pläne bezüglich der systemischen Abläufe im Ganzen zu formulieren. Das hat in der Physiologie eine Tendenz hervorgerufen, die Bedeutung der Spezialisierung der Funktion zu überschätzen. Dabei wird die Tatsache übersehen, dass es eine Solidarität und Einheit der Aktion seitens des gesamten Systems gibt. Es ist wahrscheinlich, dass jede aktive Operation des Nervensystems das gesamte menschliche System beeinflusst. Auf diese Weise muss es eine beständige Aktivität seitens der Nervenzellen geben, die von kontinuierlichen Impulsen begleitet wird, welche in die Zellen eintreten und sie verlassen. So entsteht die Grundlage „[…] der Kontinuität der bewussten Erfahrung.“ Hinter dem Bewusstsein liegt aus einer morphologischen Perspektive zumindest die anatomische Struktur des Nervensystems. Doch bislang war noch niemand in der Lage, das Problem ihrer Beziehung zu lösen. Mit der Entwicklung physiologischer Theorien hat sich – nachdem die sensorischen und motorischen Bereiche lokalisiert worden sind – der Bereich des Bewusstseins immer weiter nach oben bewegt, bis er, wie ein Physiologe es formulierte, seine Zuflucht im einzig verbleibenden Bereich genommen hat, nämlich im anterioren Teil der grauen Substanz des Kortex.

Die antiken Philosophen begrenzten den Geist nicht auf das Gehirn. Mit der Morgendämmerung der modernen Psychologie wurde das Zentrum der bewussten mentalen, emotionalen und volitionalen Phänomene mit der Medulla oblongata verbunden, in jüngerer Zeit werden sie weithin im frontalen Bereich des Kortex lokalisiert, weil dies der einzige Teil des Gehirns ist, der für ihre Lokalisierung frei geblieben ist. Sogar dann, wenn wir alle Veränderungen, die in diesem Bereich stattfinden, verstehen könnten, wären wir unfähig, die Kluft zwischen dem rein Subjektiven und dem Objektiven zu überbrücken. Noch viel weniger wären wir dazu in der Lage, die mentalen Phänomene in ihre vorausgehenden Ursachen aufzulösen. Die Physiologie hat sich hauptsächlich in zwei Schulen geteilt: Die eine materialisiert die mentalen Phänomene, indem sie ihnen ausschließlich physiologische und physische Ursachen zuschreibt, und die andere idealisiert sie, indem sie ihnen bildliche Bezeichnungen verleiht, die in Wirklichkeit keine Erklärungen der Phänomene selbst sind. Durch die Kombination beider Anschauungen besitzen wir eine fundamentale, physische und physiologische Grundlage für die ideale Interpretation dieser Phänomene. Wenn wir den Bereich des Transzendentalen betreten und hinter allen diesen Phänomenen, seien sie nun physisch oder mental, die Existenz einer metaphysischen Essenz voraussetzen, wird die Erklärung klarer. Denn diese Phänomene des Geistes und des Körpers sind schlicht Offenbarungen dieser inneren, tieferen und wahreren Existenz. Die Schwierigkeit hierbei ist, dass eine derartige Essenz, welche die Metaphysik mit der Seele identifizieren würde, in keiner Weise durch die Wissenschaft bewiesen werden kann. Bestenfalls ist es eine metaphysische Konzeption.

Auch ohne den Versuch zu unternehmen, diese Frage zu lösen, bleibt es eine wichtige physiologische Frage, ob die Physiologie irgendeinen Grund dazu hat, das Bewusstsein und die gesamten psychischen Phänomene im frontalen Bereich des Gehirns zu lokalisieren. Sofern wir die Tatsachen der vergleichenden Physiologie zutreffend interpretieren, beruht diese Theorie nicht auf harten Fakten. Die Physiologen lokalisieren im Gehirn die Sinnesempfindung. Mit anderen Worten: Hier münden all jene Impulse, die in Bewusstsein resultieren. Doch die anderen Teile des Nervensystems, welche die Impulse zu diesem Sensorium übertragen, können ebenso viel mit dem Bewusstsein zu tun haben wie das Sensorium selbst. Bei den niederen Tieren, deren Gehirnentwicklung sehr einfach ist – sie besitzen keine jener charakteristischen kortikalen Gehirnwindungen, die mit den mentalen Phänomenen beim Menschen verbunden sind –, stellen wir Bewusstsein fest. Diese Sichtweise basiert auf der vollkommenen Einheit des Körpers und insbesondere des Nervensystems. Diese Vorstellung beleuchtet die Schwierigkeit der vollständigen Lokalisierung verschiedenster, von der modernen Physiologie hervorgebrachter Funktionen.

In den frühesten Stadien der Zellentwicklung bemerken wir bereits die Stimulationsfähigkeit der Zelle, sobald sie bestimmten molekularen Veränderungen ausgesetzt ist. Diese Veränderungen führen zum Aussenden von Impulsen an andere Zellen und ebenso entlang der Nervenbahnen zur Oberfläche des Körpers. Wenn die funktionell mehr oder weniger ausdifferenzierte Ausgangszelle aufgrund ihrer Fähigkeit, Impulse zu empfangen und zu übermitteln, durch kontinuierliche Stimulation vollständig spezialisiert ist, sodass ihre Veränderungen an diese besondere Art der Stimulation angepasst werden, um auf derartige äußere Stimuli besser zu reagieren,32 treffen wir auf die ersten Anfänge des Bewusstseins und ebenso des Gedächtnisses. Bewusstsein ist auch hier nicht das Ergebnis von Veränderungen, die in den Zellen stattfinden, denn nicht einmal das Wissen um alle inneren Veränderungen würde Bewusstsein entstehen lassen, weil Bewusstsein nur im Kontext auch äußerer Offenbarungen auftritt. Einige haben dies unter der Annahme erklärt, dass Materie und Bewusstsein verbunden seien. Doch dies kann nicht sein, weil wir kein verbindendes Glied zwischen der physischen Materie und dem psychischen Bewusstsein finden. Mithin stellen wir zwei anscheinende Gegensätze fest, von denen keiner die Ursache des anderen oder von ihm verursacht ist. Die Verbindung wurde von einigen vervollständigt, die eine Energie irgendeiner Art mit der Verursachung des Bewusstseins äquivalent gesetzt haben. Energie ist jedoch eine physikalische Eigenschaft, wodurch eine bestimmte Materie oder Materien, die Kraft zu agieren besitzen. Diese Aktivität hängt von aktiven Veränderungen ab, die in den konstituierenden Elementen stattfinden. Sofern diese Veränderungen, von denen wir annehmen, dass sie sich in den Zellen vollziehen, auf der Basis molekularer Aktivität die Grundlage von Bewusstsein bilden, dann muss Bewusstsein eine materielle und keine psychische Qualität besitzen, denn das Ergebnis kann nicht mehr enthalten als die Ursache enthält. Dies schließt aber auch eine Erklärung des Bewusstseins durch einfache Substanzveränderungen oder Materiebewegungen aus.33

Bewusstsein ist daher unerklärbar, es sei denn, wir hypothesieren das Psychische, wie wir es auch mit dem Physiologischen tun. Beide bilden je in ihrer Sphäre die Grundlage ihrer eigenen Aktivität. Sofern wir das Nervensystem so betrachten, dass es aus einer Komplexität von Nervenmechanismen besteht, wobei jeder Mechanismus in seiner schlichten Form eine Aktivität mit einer Bewusstseinskomponente konstituiert, dann würde das gesamte Nervensystem aus der psychischen Perspektive eine komplexe Folge von bewussten Zuständen darstellen. Bewusstsein kann dann nicht nur bezogen auf das gesamte Gehirn existieren, sondern muss auch in allen Zellen vorhanden sein, die das komplexe Gehirn widerspiegeln. Sobald das Sensorium am Körper stimuliert wird, erfolgt eine Übertragung des Sinneseindrucks in das Zentrale Nervensystem und darauf hin eine reflektorische Bewegung. Dabei handelt es sich um eine nicht vom Gehirn ausgehende unwillkürliche Reflexreaktion. Und doch gibt es bei diesem Vorgang auch ein Bewusstsein der Veränderungen, die im Kontext der Rezeption und Distribution der Impulse stattfinden. Das Zentrum der Reflexreaktion außerhalb des Gehirns besitzt also eine enge Verbindung zu den Zellen in der grauen Substanz des Gehirns, sodass jeder sensorische Bereich des Körpers auch eine Verbindung mit einem Teil des Gehirns besitzt. Sinneseindrücke können ihrerseits reflektorische Reaktionen aus diesen zerebralen Zentren nach peripher und zu anderen Zentren bewirken, was zu unwillkürlichen Bewegungen führt; die Impulse können jedoch ebenso zu den volitionalen Kortexzentren verlaufen und willentliche Bewegungen auslösen. Jede willentliche Aktion ist daher im Wesentlichen ebenfalls eine Reflexreaktion, die von einer zeitgleichen bzw. vorausgegangenen afferenten Stimulation abhängt.

Sinneseindrücke, die auf die Zellen oder auf Kombinationen von Zellen einwirken, werden gespeichert. Auf diese Weise wird ein Gedächtnis als Grundlage für die Volition konstituiert; auf dieser Basis kann sie beim Auftreten von Impulsen agieren. Ergänzen wir dies mit der Tatsache, dass der Nervus opticus bei einer Bildprojektion auf der Retina die entsprechenden Impulse zu den für die Koordination zuständigen Corpora quadrigemina und weiter in den optischen Kortex überträgt. Dieses Bild erzeugt bei Einprägung in einer Zelle ein Erinnerungsbild, das ins Bewusstsein gerufen werden und eine Aktivität auslösen kann. Solche sensorischen Eindrücke können jedoch nicht nur das zerebrale Bewusstsein stimulieren, sondern ebenso die Koordinationszentren im Zerebellum. Es ist wahrscheinlich, dass sich sensorische Bereiche sowohl im Zerebrum als auch im Zerebellum befinden. Ist dem so, dann repräsentieren die Gehirnwindungen des Zerebrum und Zerebellum34 das willentliche Element bzw. den Sitz der regelmäßigen rhythmischen und unwillkürlichen Elemente aller Bewegungen. Werden durch die Aktivität eines Objekts oder von Objekten verschiedene Sinnesempfindungen als Stimuli auf verschiedene Teile der sensorischen Fläche hervorgerufen, beginnen molekulare Veränderungen in verschiedenen kortikalen Bereichen. Empfängt das Bewusstsein verschiedene Sinneseindrücke, können die eben genannten Bereiche über sie verbindende Assoziationsfasern so kombiniert werden, dass eine bestimmte Gewohnheit erzeugt wird. Diese kombinierten Impulse entsprechen dem mentalen Bild und können sodann Muskelbewegungen auslösen. Somit hängen die Bewegungen weithin von den stimulierenden Ursachen ab. Sind die Stimuli stark genug, verlaufen sie zu den Nervenzellen im Gehirn, wo sie aufgrund ihrer Stärke einen so lebendigen Eindruck auf die Zellen ausüben, dass der Eindruck auch dann noch fortdauert, wenn die Stimulation an sich aufgehört hat. Er kann infolge einer leichten äußeren oder inneren Stimulation wieder aufgerufen werden.

Dies ist die physiologische Erklärung für das assoziative Entstehen von Gewohnheiten, das einen ebenso bedeutenden Platz in der Psychologie einnimmt wie Gedächtnis und Erinnerung. Durch die beständige Wiederholung dieser Prozesse werden die Sinneseindrücke so eng mit dem Zellkörper verbunden, dass sie einen inhärenten Teil des Zelllebens bilden. Dieser kann von Generation zu Generation vererbt werden, was eine physiologische Erklärung für mentale Intuitionen erklärt. Sie repräsentieren folglich Modifikationen des Gehirns unter dem Einfluss der mentalen Entwicklung; jedes Gehirn stellt seine eigene Stufe des Fortschritts in der Evolution dar. Liegen zahlreiche und unterschiedliche Sinneseindrücke zugleich vor, stellen wir eine große Variation der Zellveränderungen und eine entsprechende Variation bei den mentalen Phänomenen fest. Sind diese Sinneseindrücke so im Gehirn fixiert, dass auch der Stimulus aus einem anderen Areal des Gehirns eine Reaktion bewirkt, besteht ein voll entwickelter mentaler Zustand. Auf diese Weise können die Bilder beispielsweise optisch oder palpatorisch erfasster Szenen in den Gehirnzellen gespeichert und durch einen mentalen Stimulus wieder abgerufen werden.

Manche Psychologen meinen, dass sie spontan erregt werden können. Dies entspricht jedoch wahrscheinlich nicht den Tatsachen. Was als spontane Erweckungen erscheinen könnte, hängt immer von einer schwachen und oft indirekten Stimulation ab. Das Sehen eines Objekts kann Sinneseindrücke ansprechen, die früher mit einem derartigen Objekt oder einem analogen verbunden waren. Oft reicht eine einfache Stimulation aus, um schlafende Sinneseindrücke zu wecken. So stellen wir fest, dass Phänomene, die zunächst als rein willentlich und willkürlich erscheinen, reflektorisch werden oder schließlich aufhören, mit der bewussten Volition verbunden zu werden. Beim Kind wird das Laufen beispielsweise erst durch beharrliche willentliche Anstrengungen möglich. Später werden diese Bewegungen ganz unbewusst ausgeführt. Auf die gleiche Weise können mentale Phänomene derart unbewusst werden, dass man manche Aktionen als instinktiv ausgeführt bezeichnet.

Es gilt allgemein als anerkannt, dass es unbewusste mentale Aktivitäten geben kann.35 Das Ergebnis dieser mentalen Aktion wird erst später bewusst. Die mentale Entwicklung impliziert den rezeptiven Zustand der Nervenzellen und ebenso die aktive Operation dieser Zellen bei den Veränderungen, die in der molekularen Entwicklung eingeschlossen sind. Diese werden etwa durch die Fähigkeit zur Selektion differierender Sinneseindrücke, durch Konzentration auf bestimmte Sinneseindrücke, durch die Aktivität der Zellen im Kontext der spezifischen Sinneseindrücke und durch die Kraft zur Assoziation dieser Sinneseindrücke reguliert.

Alle diese Elemente sind physiologisch über das Zentrale Nervensystem erklärbar und können durch Disziplin stabilisiert werden. Die Entwicklung des Gehirns hängt somit weitgehend von seiner richtigen Benutzung ab. Die Individuen unterscheiden sich in ihrer ursprünglichen Konstitution der Nervensysteme, was die verschiedenen Grade an Intelligenz und psychischen Initiativen impliziert. Diese beruhen jedoch primär auf einer vererbten Aneignung, die mit dem System von den Ahnen übermittelt wird.

Mithin ist jedem bei der Geburt nicht nur ein Körper, sondern auch ein Geist verliehen – die Grundlage des mentalen Charakters und der Entwicklung. Wenn der Mensch von diesem Anfangspunkt seiner mentalen Geschichte aus startet, wird seine weitere Entwicklung überwiegend durch Umwelt und Erziehung bestimmt. Auch die Willenskraft kann durch Übung verstärkt werden, wobei hemmende Einflüsse weitgehend auf Erziehung beruhen.

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