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5. AMERICAN SCHOOL OF OSTEOPATHY
ОглавлениеJournal of Osteopathy (5), 1899, S. 551–556.
Hier die Kurzfassung jener Geschichte, Philosophie und Praktiken, welche das letzte Kapitel der Geschichte der Medizin umfasst: „Weg von den Medikamenten, zurück zu den natürlichen Heilmitteln!“ So lautet der Wahlspruch aller fortschrittlichen Ärzte.
Die Welt verändert sich fortwährend, und in den Höhen, die auf revolutionäre Bewegungen folgen, ist das Neue in Wissenschaft, Forschung und Wahrheit ständig das Zentrum der Wahrnehmung. Gesundheit bezeichnet ein inhärentes Prinzip und das Begehren nach ihr ist eine angeborene Sehnsucht der gesamten Menschheit. In einem gesunden Organismus erneuert sich der Körper beständig selbst und stellt wieder her, was im Abnutzungsprozess des Lebens verloren geht. Sobald der Körpermechanismus durch Deformation, Krankheit oder Erschöpfung aus der Balance gerät, tritt der Wunsch nach Gesundheit in den Vordergrund. Dieses erweckt das Interesse des Patienten, und er sucht nach den besten Kunstfertigkeiten, welche die moderne Wissenschaft bei der Anstrengung einwickelt hat, die Gesundheit wiederherzustellen.
Dieses Begehren seitens der Betroffenen und Leidenden hat die Nachfrage in der Gegenwart nach naturheilkundlich denkenden Ärzten geschaffen, Ärzten also, die den Körper als einen vereinten Organismus behandeln, in dem heilende und regenerierende Mächte, Kräfte und Prozesse ruhen, die hinreichend sind, um Erkrankungen des Körpers zu heilen. Aufgrund dieser Nachfrage gründete Dr. A. T. Still, der Entdecker des neuen Systems der Heilung, die American School of Osteopathy als College, um diese neue diagnostische und heilende Wissenschaft zu lehren. Er war davon überzeugt, dass ein Gott, der hinreichend weise und mächtig gewesen sei, das menschliche Lebewesen zu erschaffen, auch hinreichend weise und vorausschauend sein müsse, den Körper mit jenen erforderlichen Prinzipien der Vitalität auszustatten, die den Mechanismus und die Entwicklung seiner Funktionen und Fähigkeiten kontrollieren würden. Nachdem er diese Tatsachen und Prinzipien erkannt hatte, begann Dr. A. T. Still 1887 die neue Wissenschaft seine Söhnen zu lehren.54 Die American School of Osteopathy ist ein Ergebnis von Dr. Stills Entdeckungen und seinem Versuch, anderen das Wissen dieser Wissenschaft und Heilungskunst, wie von ihm selbst formuliertd, weiterzugeben. Daher ist die American School die einzige wahre Still-Schule der Osteopathie.
1892 wurde eine Charta erarbeitet und die erste reguläre Klasse mit 18 Studenten und Studentinnen etabliert. Alles begann in einem einstöckigen Blockhaus mit zwei Räumen. Schon bald wuchs die Schule und ein neues dreistöckiges Ziegelgebäude wurde gegenüber dem Blockhaus errichtet. Danach wurde dieses Gebäude drei Mal erweitert, um den wachsenden Erfordernissen der Institution zu entsprechen. Inzwischen ist die Schule zu einem großen wissenschaftlichen College mit allen verfügbaren Anwendungen, Apparaten und wissenschaftlichen Methoden gewachsen, die bei der Lehre der Wissenschaft und Kunst der Heilung genutzt werden.
1894 wurde eine weitere Charta entsprechend den Gesetzen in Missouri verabschiedet, welche Bildungsinstitutionen betreffen. Das Ziel und der Gegenstand des Colleges auf seiner gegenwärtigen Grundlage bestehen in der Reform der Medizin und der Chirurgie, um so die wahre Wissenschaft von Medizin und Chirurgie in Harmonie mit den Lehren der Natur zu bringen und auf diese Weise eine wahre naturheilkundliche medizinische Schule aufzubauen.
Seit diese kleine Schule vor ungefähr sieben Jahren startete, wurden 335 Graduierte entlassen, die ihre gewählte Profession mit markantem Erfolg in den gesamten Vereinigten Staaten praktizieren. Mit jedem Schuljahr expandiert die American School of Osteopathy. Das neue Semester, das am 1. Februar begonnen hat, ist eines der blühendsten und vielversprechendsten Semester. Über 600 Studenten werden inzwischen betreut und die neue Klasse umfasst 130 von ihnen. Die Arbeit in diesem Semester schreitet gegenüber den bisherigen stetig fort. Demonstrationen der Anatomie, Geburtshilfe und der Histologie bzw. Pathologie sowie mikroskopische Schnitte werden im Unterricht per Laterna magica55 gelehrt und besprochen. Die Ernährungslehre wurde hinzugefügt, sodass die Studenten eine korrekte Anschauung der Ernährung im Allgemeinen und die Anwendung der Ernährungsprinzipien in Gesundheit, Krankheit und Erholung gewinnen. Die osteopathische Therapie, jener so bedeutende Teil der osteopathischen Arbeit, wird in kleinen Abschnitten und unter persönlicher Anleitung jedem einzelnen Studenten vermittelt.
Andere Schulen behaupten, dass sie überlegene Fähigkeiten besäßen und überlegene Kurse gäben. Unsere Schule versucht nicht, andere Schulen und deren Methoden zu kritisieren. Sie beansprucht lediglich, die erste Schule des ursprünglichen Gründers der Wissenschaft der Osteopathie zu sein, deren Präsident er gegenwärtig ist. Dr. A. T. Still ist der Gründer der Osteopathie und Vater des Organisationsplans der American School. Das Ziel von Dr. A. T. Still, seinen Söhnen und der Mitglieder der Fakultät besteht darin, die Osteopathie in ihrem ganzen Umfang zu lehren. Sie erkennen, dass dabei der Anfang mit Chemie, Anatomie und Physiologie gemacht werden muss, sodass der Student durchgehend mit dem menschlichen Körper in seinen winzigsten Strukturen und funktionellen Beziehungen vertraut wird. Damit sind sie in der Lage, den Körper osteopathisch so zu untersuchen, wie ein Mechaniker einen Mechanismus untersuchen würde, um den Zustand des Körpers zu diagnostizieren, und die Vorsorge und Therapie der Natur bei der Normalisierung des belebten menschlichen Mechanismus anzuwenden.
Obgleich diese Schule die Osteopathie unterrichtet, akzeptiert sie, dass die Studenten die osteopathischen Maßnahmen nicht ohne ein angemessenes Wissen über Anatomie, Histologie, Chemie, Physiologie, Pathologie, Symptomatologie, Ernährung, Psychologie und Chirurgie anwenden können. Einige Colleges behaupten, das Erlernen osteopathischer Techniken für eine osteopathische Ausbildung genügt. Jedermann weiß aber, dass dies erst nach Erlangen eines gründlichen Wissens im Bereich Anatomie und Physiologie des Körpers möglich ist. Es ist schlicht unmöglich, etwas zu praktizieren, das man nicht wirklich verstanden hat. Zwei Semester, angefüllt mit theoretischer und praktischer Arbeit, die auf einer durchgehenden Erfassung der Anatomie und Physiologie des Körpers gründen, repräsentieren die echte Osteopathie, im Gegensatz zum Besuch von Kurzausbildungen, in denen lediglich mechanischer Aktionismus, ohne vorbereitende Kenntnis und entsprechende Einweisungen, vermittelt wird.
Geschäftlich lohnt sich die Osteopathie aufgrund der hohen Nachfrage. Dies hat dazu geführt, dass vergleichsweise wenig Graduierte seriöser Colleges praktizieren. Der Markt wird von Fälschungen überschwemmt, die jedoch beim Erscheinen der ‚echten‘ Osteopathen verdrängt werden. Da die Menschen letztlich doch immer zu den qualifiziertesten Praktikern gehen, wird an dieser Schule folglich der Grundstein sowohl für Ihre beruflich, als auch Ihre finanzielle Sicherheit gesorgt. Sogar die Ärzte der alten Schule kommen, um einen Kurs für Postgraduierte in Osteopathie zu belegen, weil sie erkennen, dass sie mit dem Fortschritt der Wissenschaft und der Heilkunst Schritt halten müssen, um Erfolg zu haben. Keine Profession bietet vergleichbare Anreize für die heutigen Männer und Frauen wie die Osteopathie.
ABB. 6: JOHN M. LITTLEJOHN AM SCHREIBTISCH IN KIRKSVILLE (1898)
Unmittelbar nach Amtsantritt in Kirksville im Jahr 1898 beginnt Littlejohn mit vertieften medizinischen Studien und seinen bis heute unerreichten publizistischen und lehrenden Aktivitäten. Er zeichnet nicht nur verantwortlich für die Etablierung vier der bedeutendsten Fachzeitschriften seiner Zeit und die Anhebung des Ausbildungsstandards weit über universitäre Vorgaben, sondern bereist schon 1898 Europa, um dort die Osteopathie vorzustellen. Schließlich gründet er 1917 mit der British School of Osteopathy die erste Osteopathieschule außerhalb der Vereinigten Staaten überhaupt.
WAS DIE OSTEOPATHIE IST
Die Osteopathie ist eine Wissenschaft bzw. Methode, um Krankheiten zu behandeln, die zuerst von Dr. A. T. Still 1874 entdeckt wurde. Dr. Still schloss,
„[…] dass ein natürlicher Blutfluss Gesundheit ist; dass Krankheit die Wirkung einer lokalen oder allgemeinen Störung des Blutes ist; dass die Erregung der Nerven die Muskeln dazu veranlasst zu kontrahierten und den venösen Fluss des Blutes zum Herzen einzuengen; und dass die Knochen als Hebel benutzt werden können, um den Druck auf Nerven, Venen und Arterien zu erleichtern.“ 56
Das geltende Recht von Missouri, Vermont, Nord und Süd Dakota, Michigan, Iowa, Illinois und Tennessee erklärt die Osteopathie zu „[…] einem System, einer Methode oder Wissenschaft des Heilens.“
ABB. 7: AMERICAN SCHOOL OF OSTEOPATHY – DIE ERSTE OSTEOPATHIESCHULE (1894)
In diesem Gebäude unterrichteten A. T. Still und W. Smith die erste Osteopathieklasse.
Die Osteopathie ist für immer mit dem Namen von Andrew Taylor Still verbunden. Dr. Still war ehemals allopathischer Arzt und Chirurg in der Bundesarmee. Vor über 40 Jahren erkannte er, dass die gewöhnlich verwendeten Heilmittel bei der Behandlung von Krankheiten unzureichend waren. Dann formulierte er die Anschauung, dass das menschliche System eine von ihrem Schöpfer vollkommen gestaltete Maschine sei. Sofern diese Maschine in einem Zustand angemessener Anpassung gehalten werde, sei sie fähig, mit der Zeit Schritt zu halten und eine längere Periode der Existenz zu bestehen. Nachdem er vier Kinder trotz der besten Kunstfertigkeit und Medikamentengabe aufgrund spinaler Meningitis verloren hatte, suchte er in der Natur Trost für sein trauerndes Herz und fand in den Knochen das Rohmaterial für den Aufbau seiner Wissenschaft. Er stellte fest, dass im Kontext der skelettalen Struktur nahezu beliebig Manipulationen durchgeführt werden konnten, um sämtliche Organe zu stimulieren und in ihre Funktionen zu normalisieren. Nachdem er für mehrere Jahre am Experimentiertisch der Natur gearbeitet hatte, schloss er, dass er eine neue Wissenschaft gefunden habe – und diese neue Wissenschaft des Heilens nannte er Osteopathie.
Das Grundprinzip der Osteopathie besteht darin, dass sämtliche Körpergewebe und Strukturen in einem gesunden Organismus kontinuierlich verbunden sind. Daher verwendet die Osteopathie das knöcherne Rahmenwerk diagnostisch, um physische Referenzpunkte zu finden und dislozierte Teile des Körpers anzupassen. Dr. Still zufolge dienen die Knochen bei der Manipulation lediglich als Medium der therapeutischen Aktion.
ABB. 8: ERSTE OSTEOPATHIEKLASSE (1894)
Die erste Osteopathieklasse bestand überwiegend aus den Familienmitgliedern von Still und einigen seiner ehemaligen Patienten.
Die wesentlichen Prinzipien der Osteopathie sind als zweifache Regel aufgestellt:
(1)„Gesundheit ist natürlich. Krankheit und Tod zwischen Geburt und natürlichem Tod sind unnatürlich.“
(2)„Alle körperlichen Störungen sind das Ergebnis mechanischer Behinderung des freien Kreislaufs vitaler Flüssigkeiten und Kräfte.“
Die Osteopathie hat das experimentelle Stadium verlassen. Sie ist jetzt ein bewiesenes System der Heilung. Und der osteopathische Kliniker belegt dies mit seinen Ergebnissen als einziger Rechtfertigung. Die Osteopathie erzielt diese Ergebnisse, weil sie eine Natur verwendet und unterstützt, der eine besondere Kraft innewohnt. Und diese Kraft der Natur ist die heilsamste, weil sie natürlich ist.
ABB. 9: FAKULTÄT DER A.S.O. (1895)
Wie bei den ‚Knochensetzern‘ üblich, übernahmen v. a. die Kinder von Still den Unterricht der nachfolgenden Klassen.
Entsprechend sind auch die Kräfte des Körpers gleichermaßen regenerativ, sodass aus osteopathischer Sicht weder Massage, noch Medikamentengabe noch irgendeine Art künstlicher Behandlung erforderlich ist, sondern schlicht die Anwendung dessen, was im Labor des Lebens verborgen liegt. Heilmaßnahmen, die ebenso mit jener angeborenen feinen Lebenskraft im Körper arbeiten, die also eine enge Verwandtschaft mit dem Leben pflegen und keine feindschaftlichen Eigenschaften körperfremder Substanzen besitzen, können in modifizierter Form assimiliert werden.
Die Osteopathie beruht auf der genauen Kenntnis anatomischer Strukturen und physiologischer Körperfunktionen. Die Natur hat im Körper bestimmte Lebenskräfte, vitalisierende Flüssigkeiten und vitalisierende Prozesse und Aktivitäten platziert, die im harmonischen Einklang miteinander das normale Gleichgewicht des Körpermechanismus aufrechterhalten; jede Störung dieser Kräfte, Flüssigkeiten oder Prozesse und jede Störung ihrer Aktivität, Zirkulation oder Distribution bewirkt einen Mangel an Harmonie und eine Störung der Ordnung des Körpers. Osteopathische Manipulationen zielen darauf ab, diese zu ihrem Normalzustand zurückzuführen, sodass der Körper sein normales funktionelles Gleichgewicht und die entsprechende Form wiedererlangen kann. Die Osteopathie behauptet also, dass das Leben durch Lebenskräfte, vitalisierende Flüssigkeiten und Prozesse revitalisiert und gestärkt werden kann. Die Krankheit wird entfernt oder zurückgedrängt, weil die anomale strukturelle Anordnung verschwindet, welche die Disharmonie im Körper erzeugt und die normale funktionelle Aktivität verhindert.
ABB. 10: NEUES SCHULGEBÄUDE DER A.S.O. (1897)
Osteopathie boomt, und der Bedarf an neuen Unterrichtsräumen ist geradezu erdrückend. Daher muss bereits wenige Jahre nach Gründung der A.S.O. substanziell ausgebaut werden.
DER UMFANG DER OSTEOPATHIE
Der Name Osteopathie wurde der neuen Wissenschaft durch Dr. Still aufgrund der Tatsache verliehen, dass die Fehlstellung der Knochen auf seiner Entdeckungsreise zunächst den ersten Platz im Katalog der Ursachen oder Läsionen einnahm, welche Krankheitszustände hervorrufen. Wie jede andere Bezeichnung, die einer neuen Wissenschaft verliehen wird, umfasst sie inzwischen nicht mehr alles. Doch bezeichnet sie nach wie vor den Kern, von welchem aus die neue Wissenschaft startete. Die Osteopathie stellt eine Wissenschaft der Pathologie und eine neue therapeutische Wissenschaft dar, denn die Praxis der Medizin kann nicht auf Symptomatologie und die Verschreibung von Medikamenten beschränkt werden.
ABB. 11: ERSTES OSTEOPATHIEKRANKENHAUS (1897)
Entscheidend für die praktische Ausbildung jener Zeit war die Möglichkeit, in eigenen klinischen Räumlichkeiten zu praktizieren.