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4. DIE OSTEOPATHIE IN DER APOSTOLISCHEN SUKZESSION DER MEDIZIN46

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Abschlussrede vor der Januarklasse 1899. Journal of Osteopathy (V), 1899, S. 421–431.

Heute Abend trete ich vor Sie, um Ihnen meine Glückwünsche und die meiner Kollegen zu diesem glücklichen Ereignis in Ihrer Lebensgeschichte zu übermitteln. Nach 20 Monaten sorgfältigen Studiums und geduldigen Wartens haben Sie diesen Höhepunkt in Ihrer Berufslaufbahn erreicht – und nun sind Sie bereit, hinaus in die Arena des professionellen Lebens zu gehen, um an der Heilkunst teilzuhaben. Meine Grüße gehen an Sie in dem Geist eines Menschen, der nicht nur in Ihren Studien, sondern auch beim Beginn Ihrer Berufslaufbahn Sympathie für Sie empfindet. Unsere freundliche Sympathie und unsere ungebrochene Kameradschaft möge Sie mit dem ehrlichen Wunsch begleiten, dass Sie erfolgreich sein und dass Ihre Berufslaufbahn für Sie und für uns als Ihre Lehrer ehrenvoll sein wird. Und natürlich, dass Sie das Ansehen der Wissenschaft der Osteopathie erhöhen mögen.

Wenn wir uns die Geschichte der Heilkunst vergegenwärtigen, dann begegnen wir überall Kontroversen und bitterem Kampf. Überblicken wir diese Kämpfe, sind wir geneigt zu fragen, wie weit sich die Neuzeit über die bloße Routine toter Orthodoxien erheben konnte und die Probleme der Medizin im Licht der modernen Wissenschaft und deren verbesserter Methoden betrachten kann. Zuerst müssen wir lernen, dass wir es mit Sachverhalten zu tun haben, mit den Tatsachen des Lebens, statt mit bloßen Worten. Mithin muss alles, was erreicht wird, auf die Kategorie der persönlichen Beobachtung zurückgeführt und somit in das frische und lebendige Licht der Fakten und der Natur gestellt werden. Dies stellt den modernen Geist der wissenschaftlichen Forschung dar, durch welche wir alleine aus den toten Dogmatismen der Vergangenheit auferstehen können, um im Wissen und in der Kunst fortzuschreiten. Dieser Geist ist vom Labor, vom Sektionssaal und vom Krankenhaus durchtränkt. Um ihn zu erlangen, wird vor Ihnen das weite Feld der Naturgeschichte geöffnet, denn nur darin lernen Sie, dass es eine wahre und zentrale Einheit in der Natur gibt, die wir geneigt sind, aus dem Blick zu verlieren, wenn wir uns auf bestimmte Abschnitte des Studiums allzu sehr spezialisieren. Sogar bei einfachen Objekten, wie etwa den Blütenblättern einer Blume, entdecken wir praktischere und bildendere Weisheiten als in den gesamten scholastischen Behauptungen über ein Jahrtausend hinweg. Während des Mittelalters und fast in der gesamten Antike bezeichnete die wissenschaftliche Methode genau das Gegenteil davon. Die Scholastik sollte dem Geist das Abstrakte präsentieren und vom Abstrakten sollte weiter auf die Tatsachen geschlossen werden. Oft entsprachen die Tatsachen aber nicht der Realität und dann endete der Prozess in einer nichtssagenden Phraseologie. Auf diese Weise führten Demokrit und Lukrez die wesentlichen Prinzipien aller Sachverhalte auf das Zusammentreffen von Atomen zurück. Das Studium der Medizin war für lange Zeitalter an den Nominalismus gebunden, also an das Studium von Worten und von Anschauungen des Geistes, die den Platz von Symptomen und Ursachen der Krankheit einnahmen. Das Ergebnis dieses okkulten Nominalismus besteht in der Polypharmakologie der Neuzeit. Dunkle Anschauungen erfordern die dunklen Qualitäten der Medikamente. Dieser Okkultismus wurde nur allmählich abgelegt, was eher durch das Studium äußerer Objekte als durch Anschauungen oder fantasievolle Ansichten geschah. Vesalius legte im 16. Jahrhundert das Fundament für das Studium der modernen Anatomie, ihm folgten eine lange Reihe berühmter Anatomen, die Harvey den Weg bereiteten.

Andere Wissenschaften wurden durch die Begeisterung von Galileo befeuert, der es als Erster wagte, von unabhängigen Tatsachen im Blick auf die Astronomie zu sprechen. Allein die Medizin war in den vergangenen Jahrhunderten ein Bummler. Die Heilkunst wird weiterhin in großem Maß von Präzedenzfällen geprägt. Hauptsächlich deswegen, weil die Medizin in der Antike imprägniert worden ist und ihre Prinzipien aus einer vorchristlichen Periode entnimmt. Heute verwendet die alte Schule der Medizin diese insofern, als sie die Sprache von Knidos übernimmt und der Prognostik des Hippokrates folgt. Wir erkennen inzwischen jedoch, dass wir in einem neuen Zeitalter des Wissens, des höheren Lebens und der höheren Anschauungen leben. Und in diesem Geist erhebt die letzte Tochter der Wissenschaft, die Osteopathie, ihr Haupt und beansprucht, Erbin all dessen zu sein, was in der Geschichte der Heilkunst gut war. „Wer nach den wichtigen Dingen des Lebens strebt, der strebt auch nach einem tugendhaften und gleichmütigen Geist“, sagte der chinesische Weise. Es ist in diesem Zeitalter des Fortschritts unmöglich „[…] umherzugehen in einem Wirbel nichtigen Staubes.“

DER HÖHEPUNKT DER GESAMTEN MEDIZINISCHEN GESCHICHTE

Jetzt tritt die Osteopathie auf und beansprucht den Bereich nicht als Wiederherstellung irgendeiner verlorenen Kunst, nicht als Aufbau irgendeines mystischen Systems, sondern zeigt sich vor der Welt und der medizinischen Profession als der Höhepunkt der gesamten Geschichte der Medizin. Als Graduierte müssen Sie sich daran erinnern, dass Sie mit der dynamischen Wissenschaft Schritt halten müssen. Ständige Sorge und Unterbrechungen, die Ihr Berufsleben mit sich bringt, tragen dazu bei, Ihre auf unermüdliches Studium gerichtete Aufmerksamkeit zu schwächen. Ärzte jedenfalls neigen dazu, Letzteres aufzugeben und in Routine zu verfallen – durch das Vernachlässigen des Studiums wissenschaftlicher Literatur bzw. durch hastiges Querlesen selbiger. Deshalb ist der Arztberuf der alten Schule in seinem gegenwärtigen schlechten Zustand, weil es so leicht ist, das erstbeste Medikament zu verschreiben, ohne sich mit den Details auseinanderzusetzen. Man kann ja auch offensichtliche Symptome behandeln, ohne nach deren Ursache zu fragen. Diese Tendenz offenbart jedoch nachlässige Pflichterfüllung und der Arzt entschuldigt dies mit einem Mangel an Zeit. Wir betonen hiermit, dass jeder osteopathische Arzt verpflichtet ist, die Zeit zu finden oder sich sonst die erforderliche Zeit zu nehmen, um seine Arbeit ordentlich auszuführen. Es ist ein Gebot der intellektuellen und moralischen Notwendigkeit für all jene, die ausgebildete und fortgeschrittene Osteopathen sein möchten, sich auf dem Stand der aktuellsten Literatur der Wissenschaft zu halten. Wie Bacon sagt:

„Lesen macht einen vollständigen Menschen, Konferieren einen bereiten Menschen und Schreiben einen genauen Menschen.“

Diese Genauigkeit ist eine der seltensten Eigenschaften beim Experten der medizinischen Diagnose. Die Medizin stellt über alle Verzweigungen des Wissens die Empfindung und den Ausdruck des Zeitalters dar. Sie umfasst nicht nur die Wissenschaft und das Wissen des Zeitalters, sondern auch das Unwissen des Zeitalters. In jeder Epoche stellen wir das Hervorragen besonderer Wahrheiten fest, das Abstrakte geht dem Konkreten voraus aufgrund der Tatsache, dass der Geist gewöhnlich in sich selbst arbeitet, bevor er auf die äußere Welt zu wirken beginnt.

Die medizinische Wissenschaft geht nun von der Kindheit ins Mannesalter über, sie sammelt die fruchtbaren Verallgemeinerungen der Vergangenheit, um sie der induktiven Untersuchung zu unterwerfen, die zu ihrer Überprüfung notwendig ist. Bezogen auf die Osteopathie versuchen wir, eine Kunst auf eine Wissenschaft zurückzuführen. Die einzelnen Elemente werden in unseren Händen in eine zukünftige Form gebracht. Obgleich wir nur den mageren Umriss einer edleren und höheren Struktur sehen können, wird sich durch diesen Aufbau dennoch eine größere Wissenschaft erheben als irgendsonst in der vergangenen Geschichte der Medizin.

„Dem Vater aller Zeitalter wollen wir diese Zukunft mit demütiger, doch mutiger und unbeugsamer Hoffnung verpflichten.“

Die Osteopathie stellt für uns alle ein faszinierendes Studium dar, weil wir darin mit den Details unseres physischen und mentalen Lebens beschäftigt sind.

DIE FUNDAMENTALEN PRINZIPIEN DER OSTEOPATHIE

Die Bezeichnung Osteopathie wurde der neuen Wissenschaft von Dr. Still aufgrund der Tatsache verliehen, dass die Dislozierung der Knochen den ersten Platz in der Ordnung seiner Entdeckung von Ursachen oder Läsionen einnahm, welche die Krankheitszustände hervorrufen. Wie jede Bezeichnung, die einer neuen Wissenschaft verliehen wird, umfasst auch diese nicht alles, was die neue Wissenschaft beinhaltet. Doch zeigt sie den Keimpunkt an, von dem aus die neue Wissenschaft startete. Die Osteopathie stellt eine neue Sichtweise im Bereich der klinischen Wissenschaft dar. Die Praxis der gesamten Medizin wird nicht allein durch Symptomatologie und Verschreibung eines medizinischen Medikaments abgedeckt. Osteopathisch bedeutet sie die Entdeckung der Ursache bzw. Ursachen von Krankheit.

Pathologische Zustände können wir knapp unter drei Überschriften zusammenfassen:

(1)Dislozierungen von Knochen, Knorpel, Ligament, Muskel usf. ;

(2)Störungen der Flüssigkeiten des Organismus, darunter des Bluts und der Lymphe sowie anderer Sekretionen des Körpers;

(3)Störungen und Fehlanordnungen des Nervensystems, darunter der Zentren, Ganglien, Plexus und Fasern.

Damit übereinstimmend umfasst die klinische Osteopathie:

(1)Wissenschaftliche Manipulationen, die darauf abzielen, die Dislozierungen in den knöchernen bzw. Gewebestrukturen des Körpers anzupassen.

(2)Wissenschaftliche Manipulationen, die dazu bestimmt sind, die Störungen im Kreislauf der Körperflüssigkeiten zu richten und ihren Normalzustand wiederherzustellen, insbesondere bei Zuständen des Bluts und Mängeln im Blutkreislauf.

(3)Wissenschaftliche Manipulationen, die das Nervensystem mit seinen Fasern, Plexus, Ganglien und Zentren ansprechen mit dem Ziel, gestörte Nervenzustände anzupassen, das allgemeine System oder seine normalen Teile zu tonisieren, trophische Zustände der Nerven und Muskeln zu fördern und eine normale Korrelation der psychischen mit den physiologischen bzw. vegetativen Funktionen des menschlichen Systems zu stimulieren.

Der gesamte Körper besteht aus funktioneller Aktivität. Mithin gibt es keinen Abfall oder etwas Überflüssiges – und es gibt keinen Platz im Körper für irgendeinen anomalen Zustand. Also führt die leichteste Abweichung von der normalen Struktur zu einer Störung der organischen Aktivität und kann auf diesem Weg zu unermesslichem Leid im Nerven- und Muskelsystem führen. Theoretisch geht die Osteopathie von einem Idealkörper aus, dessen knöchernes Gerüst vollkommen angepasst und fein angeordnet ist, dessen Muskeln sorgfältig an ihren Ursprüngen und Ansätzen befestigt sind, dessen Blut frei in jedem Teil jedes Organs und Gewebes zirkuliert und dessen Nervenkraft das assimilierende und lebensspendende Prinzip im gesamten Körper darstellt. Es besteht eine physiologische Sympathie zwischen allen Teilen des Körpers – und diese Sympathie beruht auf Nervenkraft. Die Gesetze der Nervenenergie stellen die Prinzipien zur Verfügung, aufgrund derer diese ununterbrochene Sympathie erhalten werden kann. Und zugleich erklären sie alle möglichen Abweichungen vom Gesundheitsstandard. Die Ordnung im System muss in Harmonie mit diesen Gesetzen wiederhergestellt werden.

Osteopathie betrachtet den menschlichen Körper mithin als vollkommenen Mechanismus. Alle seine Teile müssen in einer harmonischen Beziehung zueinander stehen und so miteinander vereinigt sein, um eine vollkommene Einheit zu bilden. Verhält es sich anders, befindet sich der Körper in einem Krankheitszustand. Um die wissenschaftlichen Prinzipien der Osteopathie anwenden zu können, ist es notwendig, beim Behandeln einer Krankheit ein genaues Wissen über Struktur und Funktionen sowie über die Beziehungen der verschiedenen Teile dieses Mechanismus und des Mechanismus als Ganzem aus der Perspektive der Chemie, Mechanik, Anatomie, Physiologie, Psychologie sowie der morbiden Anatomie und Pathologie des Körpers, seiner Gewebe und seiner Organe zu besitzen. Nur auf diese Weise sind wir in der Lage, die Gesetze zu entdecken, welche den Normalzustand des Körpers regulieren, und die verfügbaren Ressourcen der Natur herauszufinden, welche die osteopathische Behandlung abrufen kann. Die Osteopathie erfasst jene natürlichen Heilmittel im Körper bzw. jene wesentlichen menschlichen Prinzipien, die auf der Grundlage der Mechanik anwendbar sind. Sie erfasst jene bioplasmatischen und Stoffwechselzustände, die im normalen Gleichgewicht die Grundlage der Gesundheit bilden und die Mittel zur Anpassung von Dislozierungen, Fehlanordnungen und gestörten Zuständen bereitstellen. Der Zweck Ihrer Ausbildung an dieser Schule besteht darin, dies ebenfalls zu erfassen.

OSTEOPATHISCHE THERAPIE AUF DEM WEG

Das grundlegende Prinzip der Osteopathie besteht darin, dass bei voller Gesundheit jedes Körpergewebe und jede Struktur ihre Rollen ohne Unterbrechung ausführen. Die Körperstruktur stellt das Gerüst dar, auf dem die anderen Körpergewebe aufgebaut und an dem sie befestigt sind. Mithin wird durch die Osteopathie das knöcherne Gerüst zum Aufbau von Orientierungshilfen für die physische Untersuchung und als Mittel verwendet, um dislozierte Teile des Körpers wiederherzustellen. Mithin werden die Knochen zur Grundlage der operativen Manipulation, sodass die osteopathische Manipulation nicht der Heilung der Knochen dient, sondern das Medium der therapeutischen Operation ebenso darstellt wie Wasser in der Hydrotherapie als Medium für Wärme und Kälte dient. Die Osteopathie erkennt das fundamentale Prinzip, dass für den gesunden oder kranken Körper keine äußere Medikation notwendig ist. Das gilt nicht für natürliche Ernährung, die erfahrungsgemäß als wesentlich für die Selbsterhaltung und die Wiederherstellung der existierenden Gewebe sowie für die Schaffung neuer Gewebe im Kontext der allgemeinen Desintegration und Auflösung des körperlichen Bioplasmas angesehen wird. Die Ernährung liefert die nutritive Grundlage für ein gesundes und kräftiges System. Dies stellt ein Grundprinzip der osteopathischen Therapie dar. Gute Nahrung in hinreichender Menge, nicht im Übermaß und hinreichend variiert, zusammen mit Übung der Muskeln und normaler Atmung stellen die osteopathischen Theorien zur Ernährung und Bewegung dar.

Der Erfolg der Osteopathie hängt davon, ob die Interaktionen zwischen den Nervensystemen und Organen und Geweben des Körpers vollkommen harmonieren. Ebenso müssen die erforderliche Wiederherstellung der vollkommenen Zirkulation in den Organflüssigkeiten, die vollkommene Aktionsfreiheit aller Lebenskräfte und die Entfernung aller Behinderungen der ununterbrochenen Aktivität durch Knochen, Muskeln und Gelenke erfolgen. Darin weicht die osteopathische Schule der Medizin von allen anderen Schulen ab. Die Osteopathie behauptet, dass sie die Erbin des gesamten medizinischen Wissens ist, das in den Zeitaltern von allen anderen Schulen angesammelt wurde. Und sie steht zu der Aussage, dass der Gebrauch von Medikamenten als heilende Agenzien einen Therapiefehler darstellt. Ihr Prinzip ist es, dass korrektes Wissen über die und eine wissenschaftliche Anwendung der anatomischen, physiologischen und hygienischen Mechanismen der menschlichen Natur die therapeutische Grundlage der Erhaltung der Gesundheit und der Vorsorge gegen Krankheiten und für die Heilung derselben bilden.

Dieses Eingreifen der Osteopathie erscheint – insbesondere im Blick auf die langwierigen Konflikte bezüglich des Wertes und des Gebrauchs verschiedener Medikamente – angemessen, um den Bereich der Therapie für sich zu beanspruchen. Sogar die regulären Ärzte verlieren das Vertrauen in die Allheilkraft der Pharmazieprodukte. Die Osteopathie geht aber noch über diesen Schritt reiner Skepsis hinaus, indem sie fest davon ausgeht, dass der Gebrauch von Medikamenten einen Nachteil für das System und eine unwissenschaftliche Methode beim Versuch, Krankheiten zu heilen, darstellt. Sie behauptet, dass die menschliche Natur einen vollkommenen natürlichen Organismus darstellt, der in sich selbst die Heilmittel der Natur hat und folglich die Ressourcen für die erholenden, regenerativen und präventiven Aktivitäten des Körpers besitzt. Krankheit wird schlicht als eine Störung, eine Fehlanordnung bzw. ein anomales Wachstum betrachtet, sodass die Wiederherstellung von Gesundheit das Beseitigen einiger behindernder Elemente, die Anpassung eines gestörten Zustands oder die Entfernung eines nicht notwendigen Anhängsels einschließt. Ob die Störung nun mentaler oder physischer Natur ist:47 Die Osteopathie behauptet, dass die Anwendungen dieses natürlichen Prinzips die Störung und ihre Wirkung auf Geist oder Körper entfernen wird. Jeder Krankheitszustand wird von Symptomen, Zeichen oder pathologischen Zuständen auf ihre primäre Ursache im Kontext mit einem Nerv, Muskel, Blutgefäß, Knochen usf. zurückgeführt. Sobald die Ursache lokalisiert ist, unterstützen wir die Natur mit der Absicht, eine Restitution der normalen Funktion zu erreichen. Durch eine derartige Harmonisierung der Kräfte der Natur, Anpassung der strukturellen Beziehungen, Aufbau der normalen funktionellen Aktivität im Nerven-, Kreislauf-, Verdauungs-, Sekretions- und Exkretionssystem und durch Entfernung der Behinderungen des freien Spiels der Nervenkraft und des freien Kreislaufs von Blut und Lymphe wird ein physiologisches Fundament für einen gesunden Zustand von Geist und Körper gelegt.

Man hat festgestellt, dass die Dislozierung oder Luxation eines Körperteils, egal ob es sich dabei um einen Knochen oder einen Muskel handelt, einen Druckzustand48 im Kontext eines Nerven oder der Nerven und eines Blutgefäßes verursacht, was zu einer Unterversorgung des betroffenen Bereichs mit nutritiven Elementen und Nervenkraft führt. Bei spinalen Läsionen treten hierbei Verdrehungen oder Krümmungen der Wirbel bzw. der Wirbelsäule auf, die einen direkten Druck auf die Nervensubstanz und eine Abschneidung der Zirkulation einschließen und einen mehr oder weniger degenerativen Zustand von Nerven und Muskeln bewirken. Nach einem gut bekannten physiologischen Prinzip tritt eine Degeneration naturgemäß bei Abschneidung des trophischen Zentrums vom versorgenden Nerv ein. Die Degeneration findet vom Zentrum des trophischen Einflusses aus statt. Dass Druck auf einen derartigen Nerv in Form eines Tumors, einer Luxation usf. einen derartigen Zustand hervorrufen kann, ist sogar eine physiologische Maxime. Das Entfernen einer solchen Ursache wird mit Sicherheit das beseitigen, was die Degeneration hervorruft, und prima facie dazu beitragen, den Normalzustand wiederherzustellen. Der Einfluss des Drucks im Kontext der osteopathischen Diagnose beruht auch auf dem physiologischen Prinzip, dass die Stimulierung eines Nerven durch hinreichend mechanische Kraft dessen Substanz pathologisch verändern kann. Die Empfindlichkeit bestimmter Teile des Körpers im Kontext von Schmerz ist weiterhin physiologisch durch die Tatsache erklärbar, dass die weiße Schicht der Nerven mit besonderen nervi nervorum periphericorum ausgestattet ist. Dies allerdings nur in den sensiblen Nerven für die Schmerzempfindung. Folglich zeichnen sich die verschiedenen Nervenbahnen durch unterschiedliche Sensibilität aus, was teils als Schutz der Nerven vor gefährlichen Einflüssen, teils als Signal einer derartigen Störung der normalen Nervenfunktionen dient.

Nun kennen Sie die Grundprinzipien der neuen Wissenschaft der Osteopathie, mit denen wir Sie nun entlassen, damit sie durch Sie verbreitet und angewendet werden mögen. Wir entlassen Sie in dem vollen Vertrauen darauf, dass sie

„Menschen sind, die ihre Rechte und Pflichten kennen, und wissen wie sie die Rechte bewahren können.“

ALTE PRINZIPIEN, ANGEWENDET MIT NEUEN METHODEN

Viele Menschen betrachten die Osteopathie als Auswuchs der Christlichen Wissenschaft, der Vertrauensheilung oder der suggestiven Therapie. Doch gibt es nichts Mystisches oder Hypnotisches in der Osteopathie. Die fundamentalen Prinzipien der Osteopathie sind das gemeinsame Eigentum der Menschheit, wie es in der Geschichte der physiologischen und anatomischen Forschung entwickelt worden ist. In diesen physiologischen Prinzipien wird nichts Neues behauptet, sieht man davon ab, dass sie lediglich neu verpackt werden. Neu an der Osteopathie ist allerdings deren Behauptung, dass diese Prinzipien mittels wissenschaftlicher Manipulation angewendet werden sollen. Der menschliche Körper wurde gerieben, mit Massage behandelt, gebürstet und Schwingungsbewegungen ausgesetzt. Doch all diese Methoden sind im Vergleich zum Versuch der Osteopathie unwissenschaftlich. Wir lokalisieren jeden wesentlichen Orientierungspunkt des Körpersystems mit der Absicht, die entferntesten Teile des Organismus und sogar die verborgensten Anteile des Gehirns auf jenen Bahnen zu erreichen, welche die Natur selbst zum Erreichen dieser Teile zur Verfügung gestellt hat. Mithin muss die osteopathische Behandlung unter Anleitung jenes Geistes durchgeführt werden, der in der Lage dazu ist, selbst die winzigsten organischen Beziehungen im Organismus einzuschätzen. Wie die Finger des Pianisten für die leichteste Dissonanz des Tons empfindlich sein müssen, so müssen die Finger des Osteopathen für die leichteste Anomalie empfindlich sein, sobald sie sich über den Körper bewegen.49 Mithin verlangt die Wissenschaft der Osteopathie von Ihnen nicht nur die umfassende Kenntnis der wissenschaftlichen Bewegungen und Manipulationen, sondern ebenso die Wissenschaft sensibelst geschulter Palpation.

Auf dem osteopathischen Banner ist das Motto eingraviert: „Gesundheit ist natürlich, Krankheit ist unnatürlich.“ Das Banner der Wahrheit und Gesundheit möge lange in den Brisen flattern und die Natur im medizinischen Bereich repräsentieren.


ABB. 5: JOHN MARTIN LITTLEJOHN (CA. 1898)

Littlejohn und seine beiden Brüder reformieren innerhalb weniger Wochen das gesamte Curriculum der A.S.O. und heben den Standard der Ausbildung auf ein für damalige Verhältnisse hervorragendes wissenschaftliches Niveau.

DIE ABSTAMMUNG DER SCHULE AUS DER LINIE DES HIPPOKRATES

Ich glaube, für die Osteopathie ist die Zeit gekommen, um bezüglich ihrer Position im Bereich der Wissenschaft Stellung zu beziehen. Die Zeit der Erprobung und Vorbereitung ist nun nahezu oder gänzlich abgeschlossen. Sofern die Osteopathie nicht jenem Vergessen anheimfallen will, dem viele momentanen und vorübergehenden Auswüchse der Wissenschaft zum Opfer gefallen sind, muss sie sich zu ihrer Überzeugung bekennen und wie ein unerschütterlicher und unbeweglicher Fels stehen. Die Welt ist neugierig und möchte wissen, wofür wir einstehen. Sie sind die Männer und Frauen, die dabei helfen müssen, diese Frage zu lösen. Verfallen Sie nicht in die schwachen Plattitüden bloßer mechanischer Maschinisten. Begreifen Sie vor allem, dass Sie mit der Wissenschaft verheiratet sind und dass Sie sich einer edlen Wissenschaft, einer wunderbaren Profession und der Sache der Freiheit und Humanität in lebenslanger Hingabe verschrieben haben. Kein Mensch, keine Gruppe von Menschen, keine einzelne Profession oder ein Teil einer selbst konstituierten Profession besitzt das Recht, sich anzumaßen, allein den Anspruch erheben zu können, Krankheiten zu behandeln. Sofern es irgendetwas gibt, dass von jenen Pionieren der Freiheit tief in das Erbe der Wahrheit der westlichen Hemisphäre eingeschrieben wurde, welche die Kultur der Alten Welt aufgrund der Tyranneien der alten Zeit verließen, dann ist es die Wahrheit, dass die Freiheit stets und für immer keiner Zulassung bedarf. Daher wollen wir für unsere Profession beanspruchen, dass wir nicht von der apostolischen Sukzession der medizinischen Bruderschaft seit den Tagen des Hippokrates bis heute abgeschnitten sind, dass wir nicht aus der Vaterschaft und Bruderschaft der Medizin exkommuniziert wurden, sondern dass wir uns in der linearen und legitimen Abstammung jener Erben befinden, die in jedem Zeitalter als wahre Ärzte den Anspruch erhoben haben, Krankheiten zu heilen bzw. jene anomalen Zustände zu verhüten, welche die Mitglieder der menschlichen Familie mit Krankheit und Tod bedrohen.

DAS RECHT DER OSTEOPATHIE AUF SCHUTZ DURCH DAS GESETZ

Wir müssen die Betrachtung von zwei Problemen angehen:

(1)Worin besteht die Bedeutung der osteopathischen Profession – und

(2)was ist als Vorbereitung notwendig, um diese Bedeutung zu bewahren und so auf Dauer unsere Profession zu etablieren, die für so viele in der menschlichen Rasse ein Segen war und ist?

Die erste Frage kann im Licht unserer Beziehungen zu

(1)den Krankheiten beantwortet werden, die wir behandeln können, dem Nutzen, den wir jenen bringen, die von solchen Krankheiten betroffen sind, und zu den therapeutischen Prinzipien, die wir bei deren Behandlung anwenden. Meine Anschauung von Therapie kann vielleicht mit den Worten Hiltons erklärt werden:

„Unter Therapie verstehe ich keine Maßnahme, die auf Medikamentenwirkung setzt, sondern eher den Einfluss dessen, was ich als natürliche Therapie zu bezeichnen wage.“

Die medizinische Therapie besitzt eine Geschichte, von der wir uns nicht vollkommen abschneiden wollen. Die Osteopathie glaubt, dass eine neue Klassifikation der Krankheiten auf der Grundlage einer neuen Ätiologie möglich ist und dass bei der Anwendung der osteopathischen Therapie insbesondere natürliche Heilmittel verfügbar sind. Die Natur besitzt sicherlich die Kraft zur Wiederherstellung, denn der Herr der Natur hat „[…] dem Menschen eine erholende Kraft gegenüber den Unfällen und Missgeschicken seiner unsicheren Existenz eingepflanzt.“ Hilton bezeichnet Wachstum als Typus der Regeneration, welche die angeborene Fähigkeit der Gewebe bezeichnet, sich selbst wiederherzustellen. Unter Wachstum verstehen wir also jene Stoffwechselprozesse, die kontinuierlich Ab- und Aufbau bestimmter Elemente als Grundlage der tatsächlichen, in jedem Organ und Gewebe des Körpers vor sich gehenden Regenerationsprozesse bewirken.

(2)Diese Frage muss im Licht unserer allgemeinen Beziehungen zur Öffentlichkeit beantwortet werden. Obgleich wir die Öffentlichkeit nicht blenden dürfen, müssen wir unsere Profession vor allem in den Herzen und Gefühlen der Menschen verankern. Keine populäre und erfolgreiche Bewegung verdient es, grundlos abgelehnt zu werden. Das wesentliche Fundament unserer Nation sind die Menschenrechte. Was nicht dem Volksinteresse dient, entspricht nicht der Absicht unserer Verfassungsväter, und was das Volk seiner Rechte beraubt und auf Monopolbildung setzt, ist verfassungswidrig.50

(3)Diese Frage muss im Licht unserer Beziehungen zu den Gesetzen, der Verfassung unserer Nation und der nationalen Identität der einzelnen Staaten behandelt werden. Alles, was illegal und verfassungswidrig ist, muss letztlich weggefegt werden. Unsere Nation ist fundamental verfassungsorientiert und sofern die Osteopathie eine Stellung einnehmen will, darf sie nicht vergessen, dass sie eine verfassungsgemäße Position einnehmen muss. Eine andere Politik mag zwar eine vorübergehende Lösung schaffen, doch letztlich sind wir gezwungen, das Gesetz zu beachten und uns nachhaltig einzuordnen. Das Gesetz zu bekämpfen bedeutet, Selbstzerstörung zu suchen. Die großen Kartelle werden allmählich unterminiert, weil sie im Widerspruch zu einer freien Verfassung aufgebaut sind. Ein medizinisches Medikamentenmonopol muss letztlich das Schicksal aller Monopole erleiden, weil Klassengesetzgebung verfassungswidrig ist und Klassenprivilegien Ungerechtigkeit einschließen. Die Rechte jeder freien Verfassung gelten für das gesamte Volk. Die Gesetzgebung dient also nicht dem Vorteil einer Klasse, sondern der gesamten Gemeinschaft; mithin müssen auch die medizinischen Gesetze verfassungsgemäß die Bürger schützen und ihnen Nutzen bringen. Die wahre Beziehung der Medizin zum Staat ist folglich, dass auch die medizinischen Gesetze dem Nutzen des Volkes dienen müssen. Zusätzlich gilt, dass der Staat aus Gründen der öffentlichen Ordnung bestimmte Regeln für all jene festlegen darf, die vom Staat als seine Ärzte in staatlichen oder nationalen Praxen beschäftigt werden. Dies berührt aber nicht das Recht der Menschen, im Krankheitsfall den Arzt ihrer Wahl zu konsultieren.

In der Medizin gibt es verschiedene Schulen und weil die Verfassung keine Diskriminierung im Namen bestimmter Personen erlaubt, erlaubt das geltende Recht keine Diskriminierungen im Namen einer Schule gegen eine andere. Die Verfassung von Großbritannien sieht vor, dass der Kronrat gegen alle Versuche eines Prüfungsgremiums einschrieten soll, den Prüfungskandidaten in Bezug auf irgendeine Theorie der Medizin oder Chirurgie Einschränkungen aufzuerlegen. Das geltende Recht von Missouri, Indiana und anderen amerikanischen Staaten sieht vor, dass nichts in den Medizingesetzen die Gesundheitsbehörde autorisieren darf, Inhaber echter Diplome irgendeiner Schule oder irgendeines Systems der Wissenschaft des Heilens zu diskriminieren.

Das also ist die juristische Interpretation der Gesetzgebung. Demnach existiert ein Unterschied zwischen einem gesetzlichen Privileg und einem verfassungsmäßigen Recht. Ersteres kann niemals dem zweiten widersprechen oder es gar aushebeln. Sofern die Osteopathie eine Schule oder ein System der Medizin ist und somit eine Methode der Heilung, besitzt sie das verfassungsgemäße Recht auf Schutz. Sofern sie keine Schule der Medizin ist, kann sie ein gesetzliches Privileg nur dort beanspruchen, wo derartige Privilegien existieren. Die Medizin wird weiterhin interpretiert, dass sie die gesamte Kunst der Heilung und jene Regeln mit einschließt, auf denen ihre praktische Tätigkeit beruht und die den Doktor der Medizin zu einem angemessenen Titel für den Osteopathen ebenso wie für den Allopathen macht. Die Encyclopedia Britannica definiert die Wissenschaft der Medizin als „[…] die Theorie von Krankheiten und Heilmitteln.“

UNSERE PRAXIS WIRD MIT RECHT ALS MEDIZIN BETRACHTET

Es ist unsere Pflicht, die Osteopathie nicht nur als Schule der Medizin zu bezeichnen, sondern diese Tatsache auch zu beweisen. Jeder Staat in der Union ist gesetzlich verpflichtet, gegen die Diskriminierung einer Heilwissenschaft gegenüber einer anderen vorzugehen. Dabei handelt es sich schlicht um eine gesetzliche und gesetzgeberische Anerkennung der verfassungsmäßigen Prinzipien der Republik und stellt daher ein verfassungsmäßiges Recht dar, das auch der osteopathischen Profession zusteht. Folglich befindet sich hier unser Schlachtfeld. Der einzelne Bürger darf nicht nur frei sein Leben und seine Freiheit genießen und sein Glück suchen, sondern es steht ihm auf frei, seiner gewählte Profession insoweit nachzugehen, als sie nicht gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstößt und die individuelle Freiheit von anderen Mitbürgern einschränkt. Versuchen die Osteopathen, eine neue Profession aufzubauen oder die Reihen der Quacksalberei zu vermehren? Nein. Können sie behaupten, dass sie durch den Gebrauch ihrer Therapie fähig sind, Krankheiten zu heilen und das Wohlbefinden und Glück einiger ihrer Mitbürger zu vermehren? Wenn ja, dann sind sie Ärzte und als solche mit den Schutzmaßnahmen und dem Schutz einer freien Verfassung sowie den gesetzlichen Privilegien versehen, welche denjenigen eingeräumt werden, die mit der Erhaltung und Förderung von Gesundheit und Glück befasst sind. Sofern Brüder derselben Profession uns tyrannisieren oder auf uns herumtrampeln, besteht ein verfassungsmäßiger Schutz, denn derartige Parteien machen sich einer schwächeren Form der Majestätsbeleidigung schuldig, weil sie gegen die souveränen Rechte eines souveränen Volks verstoßen. Wir wollen den Schlachtruf ausstoßen, dass jene, die uns am Ausüben unserer Berufung zur Heilung der Kranken hindern, gegen die souveränen Menschenrechte verstoßen, indem sie ihr Leben, ihre Freiheit und ihre Glück einschränken. Sie machen sich eines Verbrechens gegen die Menschheit schuldig und somit stehen die souveränen Menschenrechte auf unserer Seite. Was anderes hat den Kriegsruf des Patrioten Zola „Es lebe Dreyfus!“ in Frankreich erregt, als die Tatsache, dass ein tyrannisierendes Militär, anstatt Diener der Menschen zu sein, sich selbst die Position eines Herrschers anmaßt?

Heute ist die medizinische Profession, zu der wir gehören, ein Diener des amerikanischen Volkes. Und sofern es unter den Mitarbeitern dieses Heilungsdienstes Streit gibt, dann wird das Urteil der Geschworenen in der amerikanischen Bevölkerung, das auf der Verfassung sowie der Judikative beruht, die diese Gesetze interpretiert, als Widerhall lauten:

„Diskriminierung ist der Freiheit fremd!“

EINE SCHULE MUSS NACH IHREN EINZELNEN VERTRETERN BEURTEILT WERDEN

Was ist unsere Aufgabe? Es liegt an uns, zu behaupten und zu beweisen, dass wir das Recht auf den Rang und die Stellung von Ärzten besitzen, indem wir zuerst beweisen, dass unsere Wissenschaft heilend ist, dass sie der Menschheit bei der Verminderung jener Krankheiten hilft, deren Erbe das menschliche Fleisch ist, und dass unsere Methoden wissenschaftlich und im Vergleich mit anderen Methoden des Heilens erfolgreicher sind. Anschließend müssen wir beweisen, dass wir es in Bezug auf unseren Charakter, unsere Ausbildung und unseren geschulten Einblick in Krankheiten sowie in die Methoden, diese zu behandeln, wert sind, auf gleicher Ebene neben jenen zu stehen, die in der Vergangenheit die Position von Ärzten innehatten, ja dass wir sogar fähig sind, ihre Stelle einzunehmen. Folglich müssen wir unseren Standard an professioneller Kunstfertigkeit und unsere Ausbildungsqualifikationen weiter fördern. Nur so werden wir die Bewunderung der Welt erlangen und ihr zeigen, dass wir keine Scharlatane, Gaukler oder Wunderheiler sind, die die Gutgläubigkeit der Menschen ausnützen. Hierin und nur hierin liegt das Geheimnis des zukünftigen Erfolgs der Osteopathie.

Dies bezeichnet auch jene Überzeugung, die intuitiv und daher fast unwillkürlich die Bewegungen des berühmten Gründers unserer Wissenschaft und seiner frühen Mitarbeiter leitete.51 Es repräsentiert eine Weltsicht, die sich durch sein ganzes Werk zieht und sich in der Charta der ersten Schule der Osteopathie aus dem Jahre 1894 ausdrückt:52

„Das Ziel dieses Unternehmens besteht im Aufbau eines Colleges der Osteopathie, wodurch unser gegenwärtiges System der Chirurgie, Geburtshilfe und Behandlung von allgemeinen Krankheiten verbessert und auf eine rationalere und wissenschaftlichere Grundlage gestellt werden soll. Ebenso sollen die medizinische Profession gelehrt und solche Ehren und Grade gewährt werden, wie sie gewöhnlich von anerkannten medizinischen Hochschulen eingeräumt und verliehen werden. Alle Studenten erhalten ihren Grad als Diplom in Zeugnisform.“

Die Politik der Schule und der Zweck, für den wir als Fakultät Ärzte ausbilden, die kompetent genug sind, alle Probleme der heilenden Wissenschaft und Kunst zu behandeln, besteht darin „[…] derartige Wissenschaften und Künste zu lehren, wie sie gewöhnlich in medizinischen Hochschulen gelehrt werden, und darüber hinaus die Wissenschaft der Osteopathie.“53

Sollen wir die Flagge einholen, die unser geliebter Veteran, Dr. Still, mit seinen treuen Händen so kräftig erhoben und trotzig in die Brisen aufgerollt hat? Mit einem nahezu göttlichen, wissenden Vertrauen sah er voraus, welchen Stand die Osteopathie haben muss, wenn sie sich als eine heilende Profession behaupten will. Ich höre fast die Stimme von Dr. Still, wie sie sanft die unsterblichen Worte von Lady Barbara Fritchie widerhallen lässt, der Heldin von Fredricktown, als die Flagge der Union und der Freiheit gegenüber Stonewall Jackson geschwenkt wurde:

„Er lehnte sich weit auf seiner Fensterbank vor. Und schüttelte sie mit königlichem Willen heraus. ‚Schießen sie, wenn es sein muss, in diesen alten grauen Kopf, doch schonen Sie die Flagge Ihrer Wissenschaft‘, sagte er.“

Treten wir vor die Bevölkerung, stellen wir uns den Parlamenten und verantworten wir uns, wenn nötig, vor Gericht. Lassen Sie uns die Flagge der Osteopathie zusammen mit unserer ersten Unabhängigkeitserklärung vor unsere vorurteilsbeladenen, aber ehrenhaft irrenden medizinischen Brüder tragen, um deutlich zu zeigen, wer wir sind.

„Sei vor allem Dir selbst treu – und daraus folgt dann wie die Nacht dem Tag, dass Du zu keinem Menschen falsch sein kannst.“

Graduierte der Klasse vom Februar 1899, wir entlassen Sie mit dem Vertrauen, dass Sie in Ihrer Praxis die gleiche Pflichttreue offenbaren, die Sie im Klassenzimmer gezeigt haben. Es möge Ihr Ehrgeiz sein, die Leiden Ihrer Brüder und Schwestern zu mindern, und jene besser für das Leben vorzubereiten, die zurzeit dem Elend des Lebens unterliegen. Vergessen Sie bitte all die Fehler, die uns beim Unterrichten was wir aus Liebe zu Ihnen taten unterlaufen sein mögen. Aber vergessen Sie niemals unsere Sympathie und unser Vertrauen, das Ihnen überall hin folgen wird, wohin Sie auch gehen mögen. Und wir vertrauen unsererseits darauf, dass Sie in Zukunft der Wissenschaft der Osteopathie treu und stets loyal Ihrer Alma Mater gegenüber sein werden.

„Lebewohl – doch Erinnerung wird oft wiederkehren: Der geduldige Beifall, der jedes Thema begleitete, Und das herzaufhellende Lächeln, das jedes Gesicht beseelte.“

Das große Littlejohn-Kompendium

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