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Kapitel 6

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Grenzschützer

Wie Räuber Hotzenplotz höchstpersönlich lag das dürre Ding auf dem Sofa des Wohnzimmers und schnarchte in Boxershorts und Tanktop vor sich hin. Einzig eine lange, aus einem braunen Lederband bestehende Halskette, an dessen Ende ein hübscher azurblauer Stein in Sichelform funkelte sowie eine Vielzahl an Armbändern mit kleinen einzigartigen Anhängern, bekleidete den Rest ihres Körpers. Es seien Andenken ihrer Abenteuer, hatte sie erzählt.

»Guten Morgen, du Holzfäller«, sagte Jonathan, der nun schon einige Minuten lang im Türrahmen stand.

Luna öffnete langsam ihre völlig verklebten und schweren Augenlider. Sie konnte immer noch nicht fassen, dass sie wirklich hier war. Sie würde es nie zugeben, doch sie fing an, sich wohlzufühlen. Ein Umstand, der sie deutlich irritierte und noch wusste sie nicht, ob sie bereit war, dieses Gefühl zuzulassen.

»Was heißt hier bitte Holzfäller?«, gähnte das zerrupfte Knäuel vor sich hin.

»Raus aus den Federn und frisch machen. Dann gibt es auch Frühstück für dich.«

»Grrrr, was machst du denn für ’nen Stress?«, knurrte Luna und zog sich die Decke tief ins Gesicht.

»Ich dachte, es interessiert dich, dass ich heute früh bereits die Sphärenbrille von Herrn Barnes abgeholt habe.«

Da schlug sie die Decke zurück und erhob sich schwerfällig wie ein Untoter.

»Du hast da etwas Sabber im Gesicht, weißt du?«

Luna kommentierte seine Anmerkung mit einem finsteren Blick und fuhr sich durchs zerzauste Haar. Eigentlich sollte sie die Nachricht, dass Jonathan die Brille hatte in Begeisterung versetzen. Stattdessen machte sich eine schwermütige Traurigkeit in ihr breit, die sie nicht so recht einordnen konnte, und das nervte sie wiederum. Vielleicht war es auch einfach morgendliche Unlust. Luna fand keine richtige Antwort darauf, während sie ihre müden Knochen an ihm vorbei ins Badezimmer schleifte. Etwas stimmte nicht. Seine Mimik war angespannt. »Wenn du die Brille hast, warum machst du dann ein Gesicht, als hätte dir jemand das Milchgeld geklaut?«

Jonathan brummte in sich hinein und schwieg.

Lunas Blick fuhr an ihm auf und ab. »Shit! Sag bloß, jemand hat dir Sphärenbrille geklaut?«

»Nein. Das ist es nicht. Geh erst mal duschen, dann reden wir.«

Sie fixierte ihn mit den Augen. »Am Arsch. Sprich, was ist passiert?«

»Hmm, wo soll ich anfangen? Wie wahrscheinlich ist es, dass sich Mitglieder des Netzwerks als Grenzschützer ausweisen?«

»Null Prozent. Das Netzwerk agiert entweder komplett verdeckt oder scheißt auf Tarnungen jeglicher Art. Wieso?«

»Weil ich auf dem Heimweg eine Begegnung mit zwei unangenehmen Herrschaften hatte, die offenbar nach dir suchen.«

Lunas Augen weiteten sich. »Und die sagten, sie kommen vom Grenzschutz? Wie sahen die aus?«

Jonathan hob ratlos die Hände. »Wie die Blues Brothers, nur in gruselig. Fahle Gesichter. Starre Mienen.«

Shit! Das waren Greys. Luna hatte mit denen zwar noch nie direkt zu tun, aber sie kannte die Geschichten und das reichte. Sie setzte ein Pokerface auf, um sich ihre Anspannung nicht anmerken zu lassen. »Was hast du denen gesagt?«

Er hat dich sicherlich verraten. Warum sollte er das auch nicht? Wer bist du schon für ihn? Hau ab, solange du noch kannst!, flüsterte die Stimme in ihrem Kopf.

»Nun, sie wollten wissen, wo du bist. Leider konnte ich dazu nichts sagen, weil ich dich davongejagt und seither nicht mehr gesehen habe.« Jonathan war schon etwas stolz auf diese grandiose Leistung.

Auf Lunas Stirn erschienen nachdenkliche Falten und sie kratzte sich am Hinterkopf. »Du hast mich echt nicht verraten?«

»Nein.«

»Aber die waren von der Regierung.«

Jonathan zuckte mit den Achseln. »Na ja, ich hatte die Wahl zwischen den Men in Black-Imitatoren und meiner aus der Zukunft stammenden Tochter. Am Ende war es eine Fünfzig zu Fünfzig Münzwurfentscheidung«, witzelte er.

Luna holte aus und boxte ihn leicht auf die Schulter. »Arsch. Wieso hast du dich für mich entschieden?«

»Ich glaube, das lag daran, wie unglaublich seriös und freundlich diese beiden Herren gewirkt hatten. Übrigens, gern geschehen. Jetzt bist du dran. Wer waren die und warum suchen die dich?«

Luna zögerte kurz. Sie biss sich auf die Unterlippe und dachte darüber nach, wie sie ihm das jetzt am besten erklären sollte.

»Grenzschutz trifft es eigentlich ganz gut«, erklärte sie dann. »Sie halten Welten, die noch nicht für das große Ganze bereit sind, frei von unautorisierten Besuchern und sorgen dafür, dass niemand, der etwas gesehen hat, zu viele Fragen stellt.«

Jonathan runzelte die Stirn. »Welten, die noch nicht bereit sind?«

»Ach, das betrifft hauptsächlich industriell geprägte Menschenwelten. Du weißt schon, wegen solcher Kleinigkeiten wie Machtgier, Intoleranz gegenüber allem, was anders ist, und den gelegentlichen Genoziden, die daraus entstehen. Das Übliche halt.«

»Aha. Dann sind diese Grenzschützer also eine Art Ordnungshüter für Parallelwelten?«

»Könnte man fast so sagen, ja. Nur mit ’nem echt großen Stock im Arsch und absolut keinem Sinn für Humor.« Sie schüttelte sich bei der Vorstellung. Die armen Wesen, die keinen Humor hatten, taten ihr schon irgendwie leid. »Meinst du, sie haben dir geglaubt?«

Jonathan schnalzte wenig überzeugt. »Das würde mich wundern. Es wirkte eher so, als würden sie mir für meine Aussage gern eine reinhauen.«

Luna kräuselte die Lippen. »Die erwarten deinen Anruf, richtig?« Jonathan nickte. »Ich sag’s nicht gern, aber die werden wissen, dass ich noch hier bin.«

»Woher?«

»Die haben ihre Methoden.« Luna kniff die Augen zusammen. Würde mich nicht wundern, wenn es Frau Dierks war, die mich angeschissen hat. Die alte Schabracke konnte mich noch nie leiden, dachte sie und widmete sich wieder ihrem Dad. »Wir sollten uns auf jeden Fall nicht mehr viel Zeit lassen, bis wir losziehen. Kriegen die uns, lassen sie mich verschwinden und werden dafür sorgen, dass du davon überzeugt bist, dass das alles nie passiert ist.«

Jonathans Augenbrauen schossen in die Höhe. »Das können die? Kannst du denen nicht einfach sagen, was passiert ist? Dass du vom Netzwerk bist und wir nach denen suchen?«

Luna lächelte verschmitzt. »Ja, das Netzwerk und die Greys, sind nicht die besten Freunde, fürchte ich. Zugegeben, es könnte etwas damit zu tun haben, dass das Netzwerk die Arbeit der Greys nicht sonderlich ernst nimmt. Sie werden eher als Putzkolonne betrachtet, die hinter dem Chaos aufräumt, welches das Netzwerk von Zeit zu Zeit hinterlässt. Aber das ist natürlich nur so ’ne Vermutung.«

»Also werden wir die nicht zum letzten Mal gesehen haben«, grummelte Jonathan.

»Vermutlich nicht«, antwortete Luna mit einer mindestens genauso ernsten Miene. »Ich lass mir was einfallen, versprochen.«

»Wahnsinnig toll. Sei mir nicht böse, aber das sind die Momente, in denen ich mich so richtig über deine Anwesenheit freue, weißt du das?«, murrte Jonathan missmutig. »Ich geh dann mal Frühstück machen.«

»Uh, seht mich an, mein Leben ist plötzlich kompliziert geworden, seit ich eine Tochter habe.« Mit diesen Worten wandte sich Luna in einer eleganten Drehbewegung dem Badezimmer zu und verschwand darin.

Tales from Haven

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