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Kapitel 3

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Ermittlungen

Plymouth, England:

Der kleine beschauliche Hafen des wenig bekannten Fischerdorfes in der Nähe von Devonport hatte nicht viel zu bieten. Die Stege waren morsch und überall stank es nach Algen und Fischinnereien. Einzig eine kleine Kneipe mit dem Namen The Sturmey Archer gab es neben einer noch kleineren Hütte, in welcher der fangfrische Fisch zum Weiterverkauf an Touristen und Einheimische angeboten wurde.

Es war Nacht und seichter Nieselregen benetzte das aufgedunsene, blasse Gesicht eines korpulenten Mannes im klassischen, schwarzen Anzug, nebst cremefarbenem Hemd, passender Krawatte und Melone. Er blickte durch seine Sonnenbrille zum Nachthimmel hinauf und nahm einen tiefen Atemzug. Er stand vor der stählernen Tür zum Steuerhaus eines kleinen Fischkutters mit dem Namen Old Faithfull und wartete. Seine Hände steckten in den Taschen seiner Hose, um die roten Pusteln auf seiner Haut zu verstecken und sich vom Kratzen abzuhalten.

Dürre Finger, einer ebenso dürren Hand schnippten vor seinem Gesicht.

»Mister Preston, konzentrieren Sie sich!«, erhob sich die Stimme der zweiten, hageren Gestalt, die neben Mister Preston stand. Der Mann war etwas mehr als zwei Köpfe größer als Mister Preston und trug einen identischen Anzug. Sein fahles Gesicht zeichnete tiefe Furchen und ausgezehrte Wangen. Auch er war beinahe schon leichenblass.

Der korpulente Mister Preston räusperte sich und hielt sich den Magen, als hätte er Sodbrennen. »Ich bitte um Verzeihung, Mister Grimm. Die Gischt und die See versetzen mich immer in Erinnerungen an die Heimat. Das lässt mich hin und wieder sentimental werden.«

Mister Grimm blickte Mister Preston regungslos an. »Verstehe. Wie lange ist es her, dass Sie dort waren?«

»Etwa zehn Jahre und bei Ihnen?«

»Etwas mehr. Wollen wir dann?« Mister Grimm drehte sich zur Tür und klopfte mit überraschend kräftigen Hieben gegen den Stahl.

Bomm, bomm –, bomm, bomm.

Wenige Augenblicke später drehte sich der äußere Riegel und die Tür öffnete sich. Ein blonder, bärtiger Mann Ende vierzig stand im dunkelblauen Rollkragenpullover und gelber Gummistiefelhose in der Tür und starrte die beiden Männer im Anzug fragend an.

Mister Grimm erhob seine ruhige, aber dominante Stimme. »Mister Dunn? Mister Kelvin Dunn?«

Der Mann in der Tür zögerte. »J-ja? Wie kann ich helfen?«

Mister Grimm hob seine Mundwinkel mit künstlicher Freundlichkeit, griff in sein Jackett und holte einen Ausweis hervor. »Ich bin Mister Grimm, der korpulente Herr zu meiner Rechten ist Mister Preston. Wir sind vom Grenzschutz und haben ein paar Fragen an Sie. Hätten Sie daher kurz Zeit?«

Mister Dunn runzelte die Stirn, sah den Ausweis an und nickte. »Klar. Kommen Sie ruhig rein. Hier ist es wenigstens trocken.« Er ließ die beiden eintreten, schloss die Tür hinter sich und setzte sich wieder auf seinen Kapitänsstuhl. Kelvin ergriff sein Glas Scotch von der blinkenden Steuerarmatur vor ihm und schaltete den kleinen, braunen Reisefernseher aus. »Was hat einer meiner Männer diesmal angestellt? Wieder mal Schmuggel?«

Mister Preston und Mister Grimm sahen sich schweigend an und wandten sich synchron Mister Dunn zu.

»Weiter Weg von Puerto Rico nach Plymouth, finden sie nicht? Vor allem für so ein kleines Schiff wie Ihres«, fragte Mister Grimm herausfordernd.

Dunn nippte an seinem Scotch. »Und? Ich bin hier aufgewachsen. Kommt hin und wieder vor, dass wir hier ankern.«

Mister Prestons Miene verhärtete sich unter den großen Gläsern seiner dunklen Sonnenbrille. »Sie waren das letzte Mal vor über einem Jahr hier! Das ist wohl kaum die Definition von hin und wieder?!«, knirschte er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.

»Was mein Kollege sagen will, ist, dass wir es äußerst seltsam finden, dass Sie ausgerechnet jetzt hier vor Anker gegangen sind«, unterbrach ihn Mister Grimm. »Und wir fragen uns, ob das einen bestimmten Grund hatte.«

Mister Dunn zuckte mit den Schultern und nahm einen weiteren Schluck aus seinem Glas. »Wie wäre es, wenn Sie mir einfach sagen, was Sie suchen? Dann kann ich vielleicht behilflich sein.«

Mister Grimm hob künstlich eine Mundfalte. »Nett, dass Sie fragen. Wir suchen nach einer illegalen Einwanderin. Etwa ein Meter sechzig, bis ein Meter siebzig groß, zierliche Gestalt, rot-weiß gescheckte Locken. Haben Sie so jemanden zufällig in letzter Zeit gesehen, Mister Dunn?«

Mister Dunn grunzte abfällig und goss sich ein weiteres Glas ein. »So ist das also. Ja, Paddency Lederer. Sie hat in Puerto Rico auf meinem Schiff angeheuert. Wollte kein Geld, nur eine Überfahrt nach Europa. Das passte, da ich gerade eine Tour hierher geplant hatte.«

»Welch ein glücklicher Zufall«, bemerkte Mister Grimm zynisch. »Mister Dunn, hat sie Ihnen zufällig ein Dokument vorgelegt, das ihre Identität bestätigt? Einen Ausweis, vielleicht?«

Dunn stockte. »N-nein. Aber so genau überprüft man in unserem Gewerbe auch niemanden. Nicht immer zumindest. Was hat sie denn angestellt?«

Mister Preston trat einen Schritt näher an Dunn heran. »Wollen Sie damit sagen, dass Sie dieses Mädchen einfach auf Ihrem Schiff arbeiten ließen, in der Annahme, dass schon alles okay ist?!«, knurrte Preston.

Mister Grimm hob wortlos eine Hand und zwang Mister Preston damit erneut zur Ruhe. »Ich bitte vielmals um Entschuldigung. Hatten Sie keinerlei Zweifel an ihrer Identität oder ihren Beweggründen ausgerechnet, auf Ihrem Schiff anzuheuern?«

Dunn erhob erneut sein Glas. »Zugegeben, ich war etwas skeptisch, ja. So ein junges Ding unter einer Gruppe alter Seebären – pfft! Das kann auch schnell mal schiefgehen, wenn sie verstehen, was ich meine. Aber Mann! Konnte die anpacken! Die Kleine hat so manch einen Matrosen ganz schön alt aussehen lassen, sage ich Ihnen.« Dunn blickte aus dem Fenster in die verregnete Nacht. »Jederzeit würde ich die Kleine wieder auf mein Schiff lassen.«

»Sicher doch«, erwiderte Mister Grimm gleichgültig. »Hat sie zufällig gesagt, weshalb sie so dringend nach Europa wollte? Hatte sie ein Ziel genannt?«

Dunn runzelte die Stirn.

»Natürlich. Sie war ein quirliger, kontaktfreudiger Sonnenschein. Hat allen von den fantastischen Abenteuern rund um ihren Vater erzählt. Ein bisschen wie Pipi Langstrumpf, nur rauer und weniger kinderfreundlich.« Dunn lächelte. »Kennen sie Pipi Langstrumpf?«

Mister Grimm verschränkte die Arme hinter seinem Rücken und zwang sich zu einer freundlichen Miene. »Tut mir leid, leider nein. Was hat sie noch gesagt?«

Dunn kniff ein Auge zu und betrachtete die beiden Gestalten, wie sie einfach nur dastanden und sich kaum rührten. Er schüttelte den Kopf und stellte sein leeres Glas ab. »Allen Anschein nach ist ihr Vater eine echte Legende unter irgendwelchen Wanderern. Ich wusste nicht einmal, dass es unter denen sowas gibt. Die spazieren doch nur so herum. Na ja, so richtig verstanden habe ich das eh alles nicht. Sie hat wohl auf einer ihrer Wandertouren einen Fehler gemacht und muss jetzt ihren Vater, Jonathan, besuchen, um das wieder geradezubiegen. Irgendwie sowas.«

Mister Grimm horchte auf. »Und sie hat Wanderer gesagt? Interessant.« Er schenkte Mister Preston einen flüchtigen Blick, dieser schüttelte seinen aufgedunsenen Kopf kaum merklich. »Mister Dunn? Erzählen Sie ruhig weiter. Alles, was Sie uns sagen, hilft uns.«

Kelvins Miene verfinsterte sich und er goss sich erneut einen Tropfen Brandy ein. »Was wollen Sie denn noch alles wissen?«, murrte er.

»Am liebsten alles, Mister Dunn«, erwiderte Mister Grimm steif. »Hat sie erwähnt, woher sie kommt? Wo sie vor Bolivien war? Weshalb sie glaubt, dass dieser Jonathan ihr helfen kann? Wo dieser Jonathan lebt? Verstehen Sie, Mister Dunn? Alles, woran Sie sich erinnern können, hilft uns bei unserer Arbeit.«

Dunn lehnte sich in seinen Stuhl zurück und warf einen flüchtigen Blick auf das Schiffsradar.

»Das sind ganz schön viele Fragen. Woher sie genau kam, kann ich wirklich nicht sagen, aber wo ihr Vater lebt schon. In Deutschland. Berlin, um genau zu sein.«

Mister Prestons Wangen liefen rot an. »Wo genau?! Berlin ist nicht gerade ein menschenleeres Kaff, wie dieses Nest hier!«

Dunn kratzte sich am Hinterkopf. »Lassen Sie mich überlegen. Sie erzählte etwas von einem Park, direkt vor dem Haus ihres Vaters. Sie ist dort als Kind wohl gerne spielen gewesen. L... irgendwas mit L. Es tut mir leid, ich würde gern mehr für Sie tun, aber ich komme nicht mehr drauf.«

Gelbe, große und perfekt sitzende Zähne traten aus Mister Grimms Mund hervor, als er lächelte. »Macht nichts, Sie haben uns bereits sehr geholfen, Mister Dunn. Vielen Dank für Ihre Kooperation. Sagen Sie, Ihre Mannschaft befindet sich nicht zufällig ebenfalls an Bord?«

Mister Dunn schüttelte den Kopf und wies mit dem Daumen aus dem Fenster zur schummrig beleuchteten Hafenkneipe. »Die sind alle im Sturmey Archer und lassen sich ordentlich volllaufen.«

Mister Grimm nickte. »Vielen lieben Dank, Mister Dunn. Mister Preston, würden Sie bitte?«

Mister Prestons Miene verzog sich zu einem unheilvollen Grinsen. »Aber mit dem größten Vergnügen.« Seine mit Pusteln bedeckte Hand packte mit einem kräftigen Ruck die Schulter von Mister Dunn. Dieser schrie auf, wand und krümmte sich vor Schmerzen. Er schlug und trat um sich und versuchte, mit aller Kraft, die Hand auf seiner Schulter loszuwerden. Dunn packte das Scotchglas, zerschmetterte es in einem Akt der Verzweiflung an Mister Prestons Kopf und schlug ihm die Sonnenbrille aus dem Gesicht. Blankes Entsetzen breitete sich in Kelvins Miene aus. Dort, wo Augen sein sollten, waren nur leere Hüllen – und Zähne.

Die Gegenwehr verstummte und Kelvins lebloser Kopf rollte auf die Brust. Wenige Augenblicke später ließ Mister Preston von dem mumifizierten Leichnam Dunns ab. Die Pusteln auf seiner Haut bildeten sich zurück und sein Gesicht wirkte deutlich vitaler und straffer als es noch vor einer Minute der Fall war.

Mister Grimm versenkte seine Hände in die Hosentaschen. »Hat es geschmeckt?«

Mister Preston rülpste ungeniert und rieb sich die Handfläche mit dem winzigen Maul voller spitzer Zähne in dessen Mitte. »Hatte schon bessere. Haben Sie sein entsetztes Gesicht gesehen?« Mister Preston kicherte.

Grimm verzog indes keine Miene. »Ja! Das habe ich wohl. Warum tragen Sie keine Prothesen, wie es laut Protokoll vorgesehen ist?«

»Rmmm! Ich hatte mal welche, keine Ahnung, wo ich sie verlegt habe. Fackeln wir das Schiff ab?«

»Nein. Erst genehmigen wir uns noch ein paar Drinks in der örtlichen Kneipe und schauen, was die Mannschaft von Mister Dunn zu dem Fall sagen kann. Danach wird es eine bedauerliche Explosion am Hafen geben und selbstverständlich keine Überlebenden.«

Mister Preston grinste dreckig, setzte sich seine Sonnenbrille wieder auf und beide verließen das Schiff.

Tales from Haven

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