Читать книгу Big Ideas. Das Politik-Buch - John Farndon - Страница 13
ОглавлениеDIE KRIEGSKUNST IST VON ENTSCHEIDENDER BEDEUTUNG FÜR DEN STAAT
SUNZI (UM 544–UM 496 V. CHR.)
IM KONTEXT
IDEENLEHRE
Realismus
SCHWERPUNKT
Diplomatie und Krieg
FRÜHER
8. Jh. v. Chr. Das goldene Zeitalter der chinesischen Philosophie beginnt, die »Hundert Schulen des Denkens« entstehen.
6. Jh. v. Chr. Konfuzius entwickelt die Rahmenbedingungen für eine Zivilgesellschaft, die auf traditionellen Werten beruht.
SPÄTER
4. Jh. v. Chr. Chanakyas Rat an Chandragupta Maurya trägt zur Errichtung des Maurya-Reiches in Indien bei.
1532 Niccolò Machiavellis Der Fürst wird fünf Jahre nach seinem Tod veröffentlicht.
1937 Mao Zedong schreibt Über den Guerillakrieg.
Im späten 6. Jahrhundert v. Chr. war die »Zeit der Frühlings- und Herbstannalen« in China vorbei. Eine Ära friedlichen Wohlergehens und die Blütezeit der Philosophie gingen zu Ende. Man hatte sich auf die Moralphilosophie oder Ethik konzentriert. In der politischen Philosophie, die darauf aufbaute, ging es um den moralisch richtigen Weg, wie der Staat seine inneren Angelegenheiten organisieren sollte. Auf dem Höhepunkt dieser Entwicklung brachte Konfuzius die überlieferten Tugenden in eine Hierarchie ein, oben stand das Staatsoberhaupt, die Verwaltung übernahmen Gelehrte.
Zum Ende der »Zeit der Frühlings- und Herbstannalen« hin ging die politische Stabilität verloren und die Spannungen zwischen den chinesischen Staaten wuchsen. Ihre Anführer mussten deshalb nicht nur innere Angelegenheiten regeln, sondern auch Angriffe der Nachbarn abwehren.
Militärstrategie
Militärberater waren auf einmal ebenso wichtig wie zivile Bürokraten, die Militärstrategie griff auf das politische Denken über. Das einflussreichste Werk zu diesem Thema ist Die Kunst des Krieges, geschrieben vermutlich von Sunzi, einem General in der Armee des Königs von Wu. Dort heißt es: »Die Kunst des Krieges ist für den Staat von entscheidender Bedeutung. Sie ist eine Angelegenheit von Leben und Tod, eine Straße, die zur Sicherheit oder in den Untergang führt. Deshalb darf sie unter keinen Umständen vernachlässigt werden.« Das war ein klarer Bruch mit der politischen Philosophie der Zeit. Möglicherweise wurde hier zum ersten Mal deutlich formuliert, wie wichtig Krieg und militärische Informationen sind und dass sie zu den Staatsangelegenheiten zählen. In Die Kunst des Krieges geht es darum, das Wohl des Staates praktisch zu sichern. Während sich die früheren Denker mit der Struktur der Zivilgesellschaft befasst hatten, konzentrierte sich diese Abhandlung auf internationale Politik. Es wurden Fragen der öffentlichen Verwaltung diskutiert, und zwar allein zum Zweck der Planung und Durchführung von Kriegen.
Die Terrakotta-Armee aus dem Grab des Kaisers Qin Shihuangdi. Sie zeigt, wie wichtig Qin das Militär war. Er lebte 200 Jahren nach Sunzi und zählte zu den Kennern von dessen Werken.
Sunzis detaillierte Beschreibungen der Kriegskunst wurden als Rahmenvorgaben für jede Art von politischer Organisation gesehen. Er führte darin eine Reihe von Prinzipien auf, die bei der Planung eines Feldzugs zu berücksichtigen sind. Dazu gehörten neben Wetter und Gelände der moralische Einfluss des Herrschers, die Qualitäten des Generals und die Disziplin der Soldaten. Diese »Prinzipien des Krieges« lassen sich auf jede hierarchische Struktur mit einem Herrscher an der Spitze übertragen. Das Oberhaupt lässt sich von seinen Generälen beraten, denen er Befehle erteilt und die ihrerseits die Truppen organisieren. Für Sunzi ist es auch dessen Aufgabe, moralisch die Führung zu übernehmen. Das Volk muss davon überzeugt werden, dass es um eine gerechte Sache geht. Führen sollte der Herrscher durch sein Vorbild; diese Idee hatte Sunzi mit Konfuzius gemeinsam.
Die fünf Grundlagen der Kriegsführung
Der Weg (Dao) erlaubt Soldaten, mit ihren Herrschern einer Meinung zu sein.
Generäle müssen an den Himmel denken: Er ist Yin und Yang und der Wechsel der Jahreszeiten.
Ein Stratege muss an die Erde denken: ob hoch oder niedrig, nah oder fern, offen oder begrenzt.
Befehlsgewalt zeigt sich durch Weisheit, Integrität, Mitgefühl und Mut.
Gute Organisation und die richtige Befehlskette führen zu Disziplin.
Es überrascht kaum, dass Sunzi großes Gewicht auf die Qualitäten des Generals legt. Er beschreibt ihn als »Bollwerk des Staates«. Seine Ausbildung und seine Erfahrung bilden die Grundlagen der Ratschläge, die er dem Führer des Staates gibt, er bestimmt also die Politik maßgeblich mit. Außerdem sind seine Fähigkeiten entscheidend für die Organisation der Armee. Der General steht an der Spitze der Befehlskette. Er ist verantwortlich für die Logistik und die Ausbildung sowie die Disziplin der Männer. Die Kunst des Krieges rät dazu, disziplinarische Maßnahmen rigoros durchzusetzen; neben harten Strafen bei Ungehorsam soll es aber auch Belohnungen geben.
Wissen, wann man kämpft
Während die Beschreibung der militärischen Hierarchie in Die Kunst des Krieges die Struktur der chinesischen Gesellschaft widerspiegelte, waren die Empfehlungen für die internationale Politik deutlich innovativer. Wie zahlreiche Generäle vor und nach ihm glaubte Sunzi, es sei der Zweck des Militärs, den Staat zu schützen und dessen Wohl zu sichern. Allerdings sollte ein guter General zunächst versuchen, die Pläne des Feindes zu durchkreuzen. Wenn das nicht gelingt, sollte er sich gegen Angriffe verteidigen, und erst als letzte Möglichkeit eine Offensive beginnen.
Sunzi sprach sich für eine starke Verteidigung und die Bildung von Allianzen mit Nachbarstaaten aus, um Krieg zu vermeiden. Auch weil ein kostspieliger Krieg beiden Seiten schadet, fand er es sinnvoller, sich friedlich zu einigen. Seine Begründung: Lange Feldzüge und Belagerungen belasten die Staatskasse sehr, sodass die Kosten häufig sogar den Vorteil eines Sieges übersteigen. Die Opfer, die das Volk bringen muss, belasten dessen Treue und lassen es an der moralischen Gerechtigkeit einer Sache zweifeln.
Der Einsatz von Spionen
Als Schlüssel zu stabilen internationalen Beziehungen sah Sunzi das Wissen über die Pläne des Feindes. Spione sollten die entsprechenden Informationen liefern. So konnten die Generäle bei Kriegsgefahr gut einschätzen, wie die Chancen des Herrschers auf einen Sieg standen. Weiter erklärte Sunzi: Das nächstwichtige Element im Informationskrieg sei die Täuschung. Trägt man dem Feind Falschinformationen zu, lassen sich Kampfhandlungen oft vermeiden. Außerdem riet er davon ab, den Feind im Kampf zerstören zu wollen, weil das den Sieg schmälern würde – und zwar sowohl in Bezug auf das Wohlwollen der unterlegenen Soldaten als auch auf die Gewinne aus den eroberten Gebieten.
»Wenn du den Feind und dich selbst kennst, brauchst du den Ausgang von hundert Schlachten nicht zu fürchten.«
Sunzi
Die große chinesische Mauer, begonnen im 7. Jh. v. Chr., diente zur Verteidigung neu eroberter Gebiete. Für Sunzi waren solche Maßnahmen ebenso wichtig wie die Angriffskraft.
»Man führt durch Vorbild, nicht durch Zwang.«
Sunzi
Die praxisnahen Ratschläge in Die Kunst des Krieges beruhen auf den moralischen Werten Gerechtigkeit, Angemessenheit und Mäßigung. Im Text heißt es, militärische Taktik, internationale Politik und Krieg existierten, um diese Werte zu erhalten, und sollten immer in Einklang mit diesen durchgeführt werden. Der Staat setzt seine militärische Macht ein, um diejenigen zu bestrafen, die ihn von außen schädigen oder bedrohen – so wie er Kriminelle im Innern bestraft. Wenn das auf moralisch gerechtfertigte Weise geschieht, ist der Lohn für den Staat ein glücklicheres Volk und der Gewinn von mehr Land und Reichtum.
Die Kunst des Krieges gewann großen Einfluss unter Herrschern, Generälen und Ministern der verschiedenen Staaten, die um ein vereintes chinesisches Reich rangen. Später war das Buch eine wichtige Grundlage für die Taktik von Revolutionären, darunter Mao Zedong und Ho Chi Minh. Heute ist Die Kunst des Krieges Standardlektüre an zahlreichen Militärakademien und in Kursen über Politik und Wirtschaft.
Sunzi
Er gilt als Verfasser der legendären Abhandlung Die Kunst des Krieges: Sun Wu (später bekannt als Sunzi) wurde vermutlich um 544 v. Chr. im chinesischen Staat Qi oder Wu geboren. Über sein frühes Leben ist nichts bekannt, aber als General im Dienst des Staates Wu führte er viele erfolgreiche Feldzüge gegen den benachbarten Staat Chu.
Sunzi wurde zum unverzichtbaren Militärberater König Helüs von Wu und schrieb seine berühmte Abhandlung als Handbuch für den Herrscher. Sie ist knapp gehalten und besteht aus 13 kurzen Kapiteln. Nach Sunzis Tod um 496 v. Chr. wurde sie überall gelesen: von den Staatsführern, die um die Kontrolle im chinesischen Reich kämpften, und von militärischen Denkern in Japan und Korea. 1782 wurde Die Kunst des Krieges erstmals in eine europäische Sprache übersetzt. Gut möglich, dass die französische Ausgabe Napoleon beeinflusst hat.
Hauptwerk
6. Jh. v. Chr. Die Kunst des Krieges