Читать книгу Big Ideas. Das Politik-Buch - John Farndon - Страница 20
ОглавлениеMITTELALTERLICHE POLITIK
30–1515
UM 30 N. CHR.
In der römisch-katholischen Tradition wird der Apostel Petrus als erster Bischof von Rom verehrt; seine Nachfolger heißen Päpste.
380
Kaiser Theodosius I. macht das Christentum zur offiziellen römischen Religion.
622
Mohammed schreibt die Verfassung von Medina und etabliert die erste islamische Regierung.
900
Durch al-Kindi gelangen klassische griechische Texte, unter anderem von Platon und Aristoteles, nach Bagdad.
306 N. CHR.
Konstantin I. wird der erste christliche Kaiser des Römischen Reiches.
UM 413
Augustinus von Hippo nennt Regierungen ohne Gerechtigkeit große Räuberbanden.
800
Karl der Große wird zum Kaiser gekrönt: Damit wird das Heilige Römische Reich begründet.
UM 940–950
In Der Musterstaat überträgt al-Farabi platonische und aristotelische Ideen auf einen idealen islamischen Staat.
UM 980–1037
Avicenna übernimmt Elemente der rationalen Philosophie in die islamische Theologie und schafft Raum für neue politische Ideen.
1095
Christen brechen zum Ersten Kreuzzug auf, um Jerusalem und das Heilige Land zu erobern.
1300
Thomas von Aquin definiert die christlichen und die Kardinaltugenden; er unterscheidet zwischen natürlichem, menschlichem und göttlichem Recht.
1377
Ibn Khaldun vertritt die Meinung, es sei Aufgabe der Regierung, Ungerechtigkeit zu vermeiden.
1086
König Wilhelm I. von England gibt das Domesday Book in Auftrag, ein umfassendes Reichsgrundbuch und Lehensregister.
1100
Heinrich I. von England proklamiert die Charter of Liberties. Sie soll die Macht des Monarchen einschränken und Machtmissbrauch verhindern.
1328
Marsilius von Padua unterstützt den römischdeutschen Kaiser Ludwig IV. und damit die weltliche Seite im Machtkampf gegen Papst Johannes XXII.
1513
Niccolò Machiavelli schreibt Der Fürst. Damit legt er den Grundstein für die moderne politische Wissenschaft.
Seit seinen Anfängen im 1. Jahrhundert v. Chr. wuchs das Römische Reich, seine Herrschaft erstreckte sich auch auf Europa, das mediterrane Afrika und den Nahen Osten. Auf dem Höhepunkt seiner Macht stand es im 2. Jahrhundert n. Chr. Zu der Zeit drohte die Kultur des Römischen Reiches mit ihrem Wohlstand und ihrer Stabilität die Werte der Gelehrsamkeit und Philosophie, die in den alten Republiken gepflegt wurden, zu ersetzen. Gleichzeitig fasste eine neue Religion im Reich Fuß: das Christentum. Das politische Denken in Europa war im nächsten Jahrtausend von der Kirche geprägt.
Im 7. Jahrhundert trat eine weitere mächtige Religion auf den Plan: der Islam. Er verbreitete sich von Arabien nach Asien und Afrika und beeinflusste das politische Denken im christlichen Europa ebenfalls.
Der Einfluss des Christentums
Römische Philosophen wie Plotin kehrten zu den platonischen Ideen zurück, die neoplatonische Bewegung beeinflusste vor allem die frühchristlichen Denker. Augustinus von Hippo etwa interpretierte Platons Ideen im Licht des christlichen Glaubens und beschäftigte sich beispielsweise mit dem Unterschied zwischen göttlichem und menschlichem Recht.
Im heidnischen Römischen Reich hatte es wenig Raum für Philosophie gegeben und im frühen christlichen Europa wurde das politische Denken dem religiösen Dogma untergeordnet. So gerieten die Vorstellungen der Antike in den Hintergrund. Dabei spielten die Kirche und das Papsttum eine wesentliche Rolle, denn Europa wurde im Mittelalter praktisch von der Kirche regiert. Diese Situation wurde im Jahr 800 durch die Schaffung des Heiligen Römischen Reiches unter Karl dem Großen gefestigt.
Islamischer Einfluss
Währenddessen etablierte Mohammed in Arabien eine neue Religion mit imperialistischer Zielsetzung: Der Islam setzte sich schnell als politische und religiöse Macht durch. Anders als das Christentum war er offen für weltliches politisches Denken und förderte die Gelehrsamkeit sowie das Studium von Texten nicht muslimischer Denker. Überall im islamischen Reich wurden Bibliotheken eingerichtet, um die klassischen Texte zu bewahren. Gelehrte verbanden die Vorstellungen Platons und Aristoteles’ mit der islamischen Theologie. Städte wie Bagdad wurden zu Zentren der Gelehrsamkeit; al-Kindi, al-Farabi, Ibn Sina (Avicenna), Ibn Ruschd (Averroes) und Ibn Khaldun traten als politische Theoretiker auf.
Inzwischen war in Europa die Bildung zur Domäne des Klerus geworden, der islamische Einfluss brachte frischen Wind in das Denken. Im 12. Jahrhundert erreichten die Texte, die islamische Gelehrte erhalten und übersetzt hatten, christliche Gelehrte. Das geschah vor allem in Spanien, wo beide Glaubensrichtungen nebeneinander existierten. Die Nachricht von der Wiederentdeckung verbreitete sich in der christlichen Welt und trotz des Argwohns der Kirchenvertreter gab es einen Ansturm, nicht nur die Texte zu übersetzen, sondern auch die dazugehörigen islamischen Kommentare.
Schwierige Fragen
Eine neue Generation christlicher Philosophen machte sich mit dem klassischen Denken vertraut. Thomas von Aquin versuchte, aristotelische Vorstellungen in die christliche Theologie zu integrieren. Damit wurden Fragen aufgeworfen, denen man zuvor aus dem Weg gegangen war, etwa zum Gottesgnadentum und zum Unterschied zwischen weltlichem und göttlichem Recht.
Die Einführung des weltlichen Denkens in das geistige Leben wirkte sich ganz erheblich auf die Entwicklungen im Heiligen Römischen Reich aus. Nationalstaaten forderten ihre Unabhängigkeit und Herrscher gerieten in Konflikt mit dem Papst. Die Autorität der Kirche wurde hinterfragt, Philosophen wie Aegidius Romanus und Marsilius von Padua mussten sich für die eine oder die andere Seite entscheiden.
Gegen Ende des Mittelalters stellten neue Nationen die Autorität der Kirche infrage – und die Menschen begannen, die Macht ihrer Herrscher zu hinterfragen. In England war König Johann gezwungen, einen Teil seiner Macht an die Barone abzutreten. In Italien wurden dynastische Tyrannen durch Republiken ersetzt, beispielsweise in Florenz, wo die Renaissance begann. Dort schockierte Niccolò Machiavelli, wirkungsvoller Vertreter des Renaissancedenkens, die Welt mit einer politischen Philosophie, die in ihrer moralischen Haltung durch und durch pragmatisch war.