Читать книгу Die Chroniken von Gor 26 - Die Zeugin - John Norman - Страница 10

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»Auf deinen Bauch«, hatte ein Mann gesagt.

Ich kam dem Befehl nach.

Dass jemand einem solchen Befehl nicht augenblicklich nachkommt, ist in dieser Welt unvorstellbar, zumindest nicht jemand wie ich.

Und so lag ich nun auf meinem Bauch, auf den bunten Fliesen in einem der Verkaufsräume des Pferchs.

Natürlich streckt man sich dabei nicht einfach auf dem Bauch aus. Es gibt viele verschiedene Arten, diese Position einzunehmen, und alle bringt man uns bei. Andere Frauen, Frauen, die nicht sind wie wir, haben davon vermutlich keine Ahnung. Aber natürlich könnte man es auch ihnen beibringen.

Hört man in diesem Haus jenen Befehl, egal von wem, dreht man den Kopf auf die linke Seite und legt die Arme neben den Körper, mit den Handflächen nach oben. Bei einem anderen Befehl überkreuzen wir die Hände hinter dem Rücken, und auch die Knöchel. Dieser Befehl wird manchmal gegeben, wenn man gefesselt werden soll. Falls es jemandem gestattet oder befohlen wird aufzublicken, was bisweilen furchterregend sein kann, ruhen die Arme für gewöhnlich neben dem Körper, die Hände auf Höhe der Schultern, und dann hebt man seinen Oberkörper. Der Bauch selbst bleibt natürlich in Berührung mit dem Untergrund, auf dem man liegt. Dem Gras, dem Kies, dem Staub, den Fliesen, welcher Art der Boden auch immer ist. Doch es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, ebenso wie beim Knien, beim Gehen, beim Hasten, beim Dienen oder beim Kriechen auf den Fellen. Selbst wenn man jemandem die Peitsche bringen soll, gibt es verschiedene Arten, dies zu tun. Während unserer Ausbildung lernen wir viele Dinge, wie Sie sich vorstellen können. Sie umfasst selbst die unauffälligsten Nuancen unserer Haltung, die unscheinbarsten Bewegungen und Gesten. All das wird uns so lange gelehrt, bis es uns zur zweiten Natur wird, bis wir uns dieser Dinge kaum oder überhaupt nicht mehr bewusst sind, wenn wir sie tun – bis sie zu einem Teil von uns geworden sind. Der Unterschied zwischen uns und den Frauen, die nicht so sind wie wir, könnte nicht größer sein. Was weniger offensichtlich ist und daher einer Erklärung bedarf, ist, dass auch unter uns, unter denen, die sind wie ich, Unterschiede bestehen. Das hat oft mit der Art der Ausbildung zu tun. Eine, die ausgebildet ist, wird normalerweise, sofern es keine anderen auffälligen Unterschiede gibt, mehr geschätzt als eine, die noch nicht ausgebildet ist, und eine, die wirklich gut ausgebildet ist, wird mehr geschätzt als eine, die nur eine gewöhnliche Ausbildung durchlaufen hat. Wenn ich sage, dass wir mehr geschätzt werden, meine ich das natürlich auf eine praktische, sachliche Weise. In der Regel zeigt es sich darin, wie viel die Männer für uns bezahlen.

»Sie bäuchelt gut«, erklärte jemand.

»Ist sie schon lange im Pferch?«, fragte ein anderer Mann.

»Nein, noch nicht lange«, antwortete der, der zuerst gesprochen hatte.

»Hat sie Fortschritte gemacht?«, fragte ein dritter.

»Sie hat ausgezeichnete Fortschritte gemacht«, erklärte der erste.

»Kann sie verstehen, was wir sagen?«, fragte jemand.

»Ja«, erklärte ein weiterer Mann.

»Dann ist sie ja ziemlich intelligent«, meinte einer der Männer. Seine Stimme kam mir nicht bekannt vor. Ich glaubte nicht, dass ich ihn kannte. Natürlich hatte ich mich nicht umgesehen, und wenn man auf dem Bauch liegt, den Kopf auf die Seite gedreht, ist das keine gute Position, um seine Umgebung zu mustern. Außerdem blicken wir nur selten in die Gesichter und Augen solcher Männer, auch, wenn wir stehen, arbeiten oder dienen.

»Betrachtet man, was sie ist und wo sie herkommt, ist sie wirklich sehr intelligent«, sagte ein Mann.

»Gut«, meinte der Mann, der zuvor gesprochen hatte. Offensichtlich war er in Begleitung von drei oder vier anderen, die ich nicht kannte. Zumindest bezweifelte ich, dass ich sie kannte. Sie kamen von außerhalb des Hauses, dessen war ich mir sicher.

»Sie hat von der politischen Situation keine Ahnung?«, fragte der Mann, der mir fremd war.

»Nein«, hörte ich.

»Sie ist von dieser Welt, die Erde genannt wird«, sagte jemand.

»Gibt es diesen Ort wirklich?«, fragte einer der Männer, die ich nicht kannte.

»Ja«, versicherte man ihm.

»Eine Quelle großartiger Waren«, fügte jemand hinzu.

»Und sie ist erst vor Kurzem in unserer Welt angekommen?«, fragte wieder einer.

»Vor Kurzem Ja«, lautete die Antwort.

»Sie war in den Pferchen?«, wollte einer der Fremden wissen.

»Seit ihrer Ankunft hat sie sie nicht verlassen«, erklärte ein Mann.

Das entsprach der Wahrheit. Ich wusste nur wenig über diese Welt, in die man mich gebracht hatte.

»Seid ihr interessiert?«, fragte einer der Männer, die ich kannte, einer aus dem Haus.

»Sie soll aufstehen und sich drehen«, verlangte man.

Ich hörte ein Fingerschnippen.

Rasch erhob ich mich und drehte mich vor den Männern um die eigene Achse.

»Interessant«, kommentierte jemand.

»Verschränke die Hände hinter dem Kopf!«, befahl einer der Männer aus dem Haus.

Ich tat, wie mir geheißen.

»Beug deinen Rücken.«

Mein linker Fuß war leicht vorgeschoben, mein Körper nach hinten gebeugt, mein Rücken gebogen, die Hände hinter dem Kopf verschränkt.

»Ja«, sagte ein Mann, »interessant.«

»Auf den Bauch«, sagte der, der mich zuerst angesprochen hatte.

Sofort legte ich mich wieder auf den Bauch, so wie zuvor, den Kopf nach links gedreht, die Arme nach unten am Körper, die zarten Handflächen nach oben gerichtet, entblößt.

Ich vermutete, dass man den Männern, die von außerhalb des Hauses kamen, nicht mehr zeigen wollte, nicht, wenn sie nicht darum baten, sich nicht bis zu einem gewissen Grad verpflichteten und kein konkretes, eindeutiges Interesse zeigten. Die Männer des Hauses waren Experten, was derartige Verkaufstaktiken betraf.

»Vielleicht sollten wir uns noch ein paar weitere Mädchen ansehen«, meinte eine der Personen, die ich nicht kannte.

»Wir haben Waren aus verschiedenen Städten, Dörfern und Bezirken, die hier von Zeit zu Zeit ankommen«, erklärte der Mann aus dem Haus. »Wir können euch ein exzellentes Exemplar aus Besnit anbieten, mit blonden Haaren, das bis zu ihren Knöcheln reicht.«

»Es muss eine Barbarin sein«, sagte einer der Fremden ungeduldig. Er schien unter denen, die ich nicht kannte, der Höchste zu sein.

»So habe ich das auch verstanden«, sagte der Mann aus dem Haus.

»Es muss doch noch andere Barbarinnen geben«, warf einer der Fremden leise ein.

»Ja, wir haben mehrere«, erklärte der Mann aus dem Haus. »Aber ihr habt sie euch doch schon gestern Nacht alle im Lampenschein angesehen, während sie in ihren Zwingern schliefen. Und ihr habt euch für diese entschieden, wenn ich mich nicht irre.«

Ich lag still auf dem Boden. Dass ich und die anderen Mädchen gestern Nacht, während wir geschlafen hatten, beobachtet worden waren, hatte ich nicht gewusst. Natürlich hätten wir aber auch nichts dagegen tun können.

»Ihr habt die Papiere gesehen«, sagte einer der Männer des Hauses nun, »ihr habt die Berichte gesehen und mit den Lehrern und den Ausbildern gesprochen.«

»Sie haben noch weitere Barbarinnen«, meinte der zaghafte Mann aus der Gruppe der Fremden.

»Wir haben nicht mehr so viele wie früher«, sagte der Mann aus dem Haus. »Sie werden aufgeteilt, und wir bekommen nur einen Teil von ihnen. Und für einige von ihnen haben wir bereits Bestellungen, wenn sie hier eintreffen. Manche schicken wir ohne Ausbildung fort, direkt an andere Häuser und dergleichen. Ihr müsst verstehen, dass solche Waren während der letzten paar Jahre, seitdem jeder von ihrem Wert weiß, sehr viel beliebter geworden sind.«

»Und auch teurer«, bemerkte einer der Fremden gereizt.

»In bestimmten Fällen, ja«, gab er zu.

»Seid ihr sicher, dass ihr eine Barbarin haben wollt?«, fragte einer der Männer aus dem Haus.

»Ja«, lautete die Antwort.

Daraufhin fuhr der Mann, der unter denen des Hauses der Wortführer war, fort: »In Anbetracht eurer Wünsche glaube ich, dass diese hier wirklich die beste Wahl für euch ist.«

Schweigen folgte.

»Ihr müsst verstehen«, erklärte der Wortführer des Hauses dann, »dass es nicht leicht ist, eure Wünsche zu erfüllen. Ihr wollt jemanden, der nichts von dieser Welt weiß, aber sprachlich begabt ist. Wer allerdings in der Sprache begabt ist, weiß in der Regel, was in dieser Welt vor sich geht.«

»Ist sie intelligent?«

»Ja, durchaus – wenn man, wie gesagt, in Betracht zieht, woher sie kommt und was sie ist.«

»Lasst uns darüber nachdenken«, schlug einer vorsichtig vor.

»Wir haben sie gesehen. Wir haben ihre Papiere und alles überprüft«, meinte der Fremde, den ich für den Wichtigsten seiner Gruppe hielt.

»Wir haben mehrere hier«, sagte der Wortführer der Männer aus dem Haus. »Ihr könnt sie euch noch etwas genauer ansehen, als ihr es bereits getan habt, wenn ihr wünscht. Aber ich glaube wirklich, dass diese hier für eure Zwecke am besten geeignet ist. Sie sollte eure Ansprüche erfüllen. Ich denke, sie würde sich ganz hervorragend machen.« Dann fügte er noch hinzu: »Ich kenne mich aus mit der Ware, die wir gegenwärtig hier haben.«

»Ihr könntet euch aber auch die Ware eines anderen Hauses ansehen«, schlug ein anderer Mann vor.

Mehrere Sekunden herrschte Stille.

»Kommt es euch nur auf die von euch genannten Kriterien an?«, fragte der Wortführer des Hauses.

»Wie meinst du das?«, fragte ein Mann.

»Wenn ihr mir gestattet, würde ich gerne hervorheben, dass dieses spezielle Angebot besondere Qualitäten hat«, erklärte der Wortführer des Hauses. »Sie ist mehr als nur die intelligente Barbarin, die ihr wünscht. Sie ist in kurzer Zeit unserer Sprache einigermaßen mächtig geworden und kennt sich auch nicht in politischen Dingen aus.«

»Was für Qualitäten?«, fragte jemand.

»Qualitäten, die über das hinausgehen, was sich euren Sinnen darbietet. Dinge, die man nicht sehen kann.«

Lachen folgte.

Und ich lag immer noch vor ihnen.

»Sind solche Qualitäten für euch von Interesse?«, fragte der höchste Mann aus dem Haus.

»Sind sie nicht immer von Interesse?«, warf jemand ein.

Mehr Gelächter folgte.

»Aber sollte sie nicht vor allem den Zweck erfüllen, zu dem man Wesen wie sie für gewöhnlich kauft?«, fragte einer der Fremden.

»Ja«, fügte ein anderer hinzu.

»Ich versichere euch, dass sie auch dann eine ausgezeichnete und lohnenswerte Anschaffung wäre, wenn man sie nur aus den üblichen Gründen kaufen würde.«

»Dann erfüllt sie diese Kriterien also trotzdem?«

»Aber gewiss«, antwortete der Mann aus dem Haus.

»Sie soll uns etwas zeigen«, meinte der Wortführer der Fremden.

»Präsentiere dich.«

Geschmeidig erhob ich mich auf die Füße, dann drehte ich mich herum, den Kopf gesenkt, und legte die Hand auf die linke Schulter. Natürlich war ich nackt, aber wäre ich in eines der Seidengewänder gekleidet, hätte sich an dieser Stelle die Schlaufe befunden, welche den Stoff gelöst hätte. Man hatte mir beigebracht, das Seidengewand elegant abzustreifen. Diesmal musste ich freilich nur so tun, als ob. Meine Hände bewegten sich so, als würden sie die Schlaufe lösen, dann trat ich anmutig aus der imaginären Seide, die nach dem Öffnen der Schlaufe zu meinen Füßen hinabgeglitten wäre. Anschließend wandte ich mich den Fremden zu, kniete mich vor sie, in einer unterwürfigen Position, den Kopf auf dem Boden, die Handflächen ebenfalls.

»Sie sieht gut aus in dieser Position«, kommentierte ein Mann.

»Das tun sie alle.«

Schon seit Jahren, seit der Zeit vor meiner Pubertät, hatte ich natürlich gewusst, dass Männer Gesten der Unterwürfigkeit und des Gehorsams erwarteten, aber nie, außer vielleicht in meinen Träumen, hätte ich erwartet, mich in einer derartigen Lage wiederzufinden wie der gegenwärtigen, in der ich solchen Erwartungen unterworfen war und mich ihnen entsprechend benehmen musste.

»Beginne«, sagte der Erste der Männer aus dem Haus.

Ich erhob mich wieder auf die Füße und gehorchte der Aufforderung, indem ich begann, mich zu bewegen. Zuerst vor dem einem der Männer, dann vor dem Anderen, beginnend natürlich mit demjenigen, den ich instinktiv für den Höchsten unter den Fremden hielt. Ich sah es an seiner Position, in der Mitte der Gruppe und daran, dass er einen Schritt vor den Anderen stand. Außerdem in seinem Blick, der auf meinem Körper ruhte und den ich nur einen kurzen Moment zu erwidern wagte. Ich bewegte mich der Reihe nach vor den Männern, kam näher und entfernte mich wieder, manchmal scheinbar unwillig, oder als ob ich schüchtern wäre, dann wieder auf provokante rebellische oder freche Weise, aber natürlich immer nur ein wenig und betont spielerisch, denn wenn so etwas zu echt wirkt und falsch verstanden wird, bekommt man schnell die Peitsche zu spüren. Es ist mehr eine symbolische Herausforderung, die als solche dargeboten und eindeutig als solche zu erkennen sein muss, denn es ist bekannt, dass selbst so spielerische Gesten fortgewischt und zerschmettert werden können, und dann findet man sich plötzlich auf seinen Knien wieder, wo man hingehört, sich vor Grauen windend, unterwürfig, wie es sich für eine wie mich gehört.

Dann gibt es da noch Bewegungen, die in ihrer Sinnlichkeit herausfordernd wirken können, wie eine laszive Auflehnung gegen die eigene Unterwerfung. Diese Sinnlichkeit kann auch auf andere Weise herausfordern, kann dazu einladen, die dargebotene Herrlichkeit des Körpers zu genießen. Außerdem gibt es natürlich noch Gesten des Bittens, des Bettelns und des Flehens. Und das sind nur ein paar von vielen, vielen Bewegungen. Einige davon hatte man mir beigebracht, andere waren mir schon sehr viel länger bekannt gewesen. Ich hatte sie im Geheimen vor Spiegeln geübt, wenn ich allein gewesen war. Sie entstammten den dunkelsten Winkeln meiner Bedürfnisse, und ich hatte sie entdeckt, von ihnen gezehrt wie von einem uralten Wissen. Manchmal hatte ich mich gewundert, woher ich derartige Dinge nur wusste. Hatte ich mich vielleicht vor langer Zeit, in einem anderen Leben, auf diese Weise bewegt? Vor dem Prinzen eines adeligen Hauses an den Ufern des Nils oder vor einem Kalifen in seinem kühlen, weißen Palast, der über den trägen Wellen des Tigris aufragte oder vielleicht im Anwesen eines Oligarchen irgendwo am Tiber? War dieses Wissen tief in den Zellen meines Körpers eingeschlossen, irgendwo zwischen den Mysterien von Genen und Chromosomen? Waren sie ein Teil meiner Natur, die sich über Tausende Generationen geformt und gefestigt hatten? Vielleicht war eine frühere Inkarnation meiner selbst denselben Impulsen gefolgt, als sie sich nackt und unterwürfig vor dem Feuer eines primitiven Jägers auf dem Boden gewunden hatte, auf dass er nicht den Stein in seiner Hand benutzte, auf dass er ihr gestattete, weiterzuleben. Wie bereitwillig, ja dankbar, hätte ich das harte Los akzeptiert und genossen, das er mir auferlegt hätte! Und auch hier, jetzt, an diesem Ort zeigte sich diese Seite meiner Natur wieder. Hier war ich fernab meiner Heimatwelt mit all ihrem Chaos, ihren Lügen und Widersprüchen. Ihrer Kargheit, ihrem Hass, ihrem Neid, ihrer Abneigung und ihrer so durch und durch negativen Einstellung, und es schien, als könnte ich nun sein, was ich wirklich war, ohne eine andere Rolle spielen zu müssen. Hier fühlte ich zum ersten Mal, dass ich ich war und nicht jemand anderes. Hätte ich mich in Theben so gefühlt, im ägyptischen Memphis, in Damaskus, Bagdad, Athen oder in Rom? Ich wusste es nicht. Doch hier, an diesem Ort, schien mir diese Möglichkeit sehr viel wahrscheinlicher. Es war, als wäre ich plötzlich eintausend verschiedener Leben gewahr geworden – Leben, die ich gelebt haben könnte, Leben, die ich vermutlich gelebt hatte. An einem anderen Ort wären diese Dinge durch die Schönheit eines biologischen Erbes verborgen gewesen, doch hier schien dieses Erbe in hellem Licht vor mir ausgebreitet, ein Schatz, der nicht länger vergraben oder verleugnet oder in dunklen Gewölben weggesperrt war, der vielmehr offen und für jeden sichtbar schillerte, damit man ihn bewundern, genießen und benutzen konnte.

Oh, es gibt unendlich viele derartige Bewegungen, und sie müssen fließend ineinander übergehen.

»Ah!«, hörte ich.

Ich legte mich hin und bewegte mich auf dem Boden, was oft der Höhepunkt einer solchen Vorführung ist.

Natürlich beendete ich meine Darbietung vor dem, den ich für den höchsten unter den Fremden hielt. Sie vor einem anderen Mann zu beenden, wäre nicht akzeptabel gewesen. Manchmal bewegt sich eine wie ich, wenn sie verliebt, unachtsam oder abgelenkt ist, etwas zu weitschweifig und führt ihre bedeutsamsten Bewegungen nicht vor dem Höchsten einer Gruppe von Zuschauern auf. Obgleich oft verständlich, kann das Verlangen, sich demjenigen zu zeigen, in dessen Besitz man gerne wäre, ihn auf sich aufmerksam zu machen und ihn zu erregen … nun, dieses Verlangen kann sehr gefährlich sein. So etwas kann zu Rivalitäten unter den Männern führen, zu Streit, sogar zu Duellen und Blutvergießen. Und für eine wie mich könnte es bedeuten, an den Pfahl gebunden und ausgepeitscht zu werden.

Ich hörte die Ausrufe der Männer, das scharfe Einatmen, die leisen Laute des Staunens und bewunderndes Gemurmel. Diese Geräusche entstammten der Gruppe der Fremden, doch auch den Männern des Hauses. Sie müssen verstehen: Eine wie ich kann eine gewisse Macht haben, auch wenn die ultimative Macht natürlich nicht in unserer Hand liegt.

Als die Darbietung beendet war, legte ich mich auf den Rücken, das linke Knie etwas weiter angewinkelt als das rechte, die Hände neben meinem Körper auf dem Boden, die Handflächen, wie es sich gehört, nach oben gerichtet. Die weiche Verletzbarkeit der Handflächen trägt ihren Teil zur Symbolik dieser Haltung bei. Ich drehte meinen Kopf nach rechts und blickte zu dem hinüber, der der Höchste war, ehe ich meinen Kopf wieder herumrollte und nach oben blickte. Über mir konnte ich die pockennarbige Decke sehen. Mein Haar umschmiegte meinen Kopf, und das Schimmern von Schweiß bedeckte meinen Körper. Ich atmete schwer.

»Sie ist wirklich schön«, sagte ein Mann.

»Ihr Aussehen hat sich stark verbessert, seit sie hier ist«, stellte der Wortführer aus dem Haus, der mir am nächsten stand, fest.

Ich lag da und fühlte ihre Augen auf mir.

Schon sehr früh, seit dem Moment, als ich in einer Reihe mit den anderen Mädchen aus jenem Korridor gekrochen war, mit einer Fessel um den Hals, war mir klar gewesen, was diese Männer in mir sahen, und von Anfang an war es mir verblüffend oder zumindest sehr merkwürdig vorgekommen. Ich hatte mich selbst auf meiner Heimatwelt, nie wirklich für wunderschön gehalten. Hübsch, bestenfalls. Ich schätze, ich habe feine, oder wie manche sagten, grazile Züge. Aber mein Körper entspricht in meiner Kultur nicht dem Ideal, verstehen Sie? Er ähnelt stark dem statistischen Durchschnitt. Beispielsweise bin ich weder außergewöhnlich groß, noch dick oder dünn. Ich habe keine außergewöhnlich langen Beine, und mein Körper ist wie der eines heranwachsenden Jünglings, würde man von den Brüsten absehen. Im Großen und Ganzen ist es einfach nur der Körper einer normalen Frau, so, wie Frauen sind, mehr nicht. Eine Agentur würde mich ganz gewiss nicht als Model auswählen, zumindest nicht, wenn sie nach einer Frau suchten, die die normalen Modelkriterien erfüllt. Wäre ich mit einer Kette an einen Pfahl gefesselt, ich könnte mich nicht herauswinden. Die Kette würde mich halten, mein Körper würde mich zu ihrer Gefangenen machen. Darum hatte ich mich nie für wunderschön gehalten.

Doch hier und jetzt fand ich mich in einer Kultur wieder, in der Schönheitsideale und Standards sich nach dem richten, was Frauen wirklich sind, nach der Hilflosigkeit ihres hormonellen Reichtums. Aus welchem Grund Männer sich den Körper einer Frau auch wünschen wie den eines Jungen, ehe er die Masse und Stärke des Mannesalters erreicht, hier gilt ein anderes Ideal. Auch wenn ich in schmalen, eng anliegenden Kleidern nicht so gut aussah wie ein Model, hatte ich doch, anfangs zu meiner Überraschung, später zu meinem Grauen und letztendlich schließlich zu meiner Zufriedenheit, ja, sogar Freude gelernt, dass ich etwas bin, das, bekleidet nur mit einem schmalen Streifen Seide oder einer Kette und zwei Armreifen, die Aufmerksamkeit eines Mannes erwecken und fesseln kann. Die meisten der anderen Mädchen an der Kette in jenem Korridor waren wie ich selbst gewesen, Frauen mit gewöhnlicher Figur. Nur zwei hatten den Körperbau eines Models gehabt, und sie, so schien es, waren für ein Haus, das sich auf ausgefallene Ware spezialisierte, hierhergebracht worden. Die Männer hatten ihnen kein großes Interesse geschenkt. Als ich zu begreifen begann, mit welchen Augen man mich und meinesgleichen mit unserer normalen Figur auf dieser Welt betrachtete, da begann ich, Mitleid für diese »Models« zu empfinden, die ich früher absurderweise aus der Ferne beneidet hatte. Wie schwer musste es angesichts ihrer früheren Erfahrungen für sie sein, zu erkennen und sich damit abzufinden, dass sie nun bestenfalls noch toleriert und schlimmstenfalls verachtet wurden.

Doch es gibt Hoffnung für sie, ebenso wie es auf der alten Welt für uns Hoffnung gab. Wie einst wir, so werden nun auch sie angehalten, ihre physischen »Mängel« und ihre »Unansehnlichkeit« durch ihre Persönlichkeit, ihre Aufmerksamkeit und ihren Charakter zu kompensieren. Doch leidtun sie mir nicht. Denn ebenso wie es auch auf der alten Welt zweifelsohne Männer gab, die, wenngleich sie ihre echte Männlichkeit in dieser Kultur verbergen mussten, normale Frauen begehrten, muss es auch auf dieser Welt Männer geben, die sich für den hochgewachsenen »Modeltyp« mit den kleinen Brüsten interessieren. Wie gesagt, von zwei solchen Frauen, die man hierhergebracht hatte, wusste ich. Sie waren an dieselbe Kette gefesselt gewesen wie ich. Doch es ist schön herauszufinden, dass man in einer bestimmten Kultur als wunderschön gilt. Ich glaube, diese Kultur hier ist normaler als diejenige, aus der ich entführt wurde, denn hier sucht man Schönheit sinnigerweise innerhalb der normalen Dimensionen der Weiblichkeit und nicht an ihren Rändern. Das zeigt sich allein schon im wirtschaftlichen Aspekt, denn normal gebaute Frauen, vorausgesetzt natürlich, dass sie attraktiv und wunderschön sind, bringen für gewöhnlich die höchsten Preise. Oder, anders und einfacher ausgedrückt, die Männer auf dieser Welt zahlen, statistisch gesehen, mehr für diese Frauen. Ein oder zwei Punkte sollten hier noch angeführt werden, des Verständnisses wegen. Ich bin zwar klein, wie die meisten Frauen, aber ich bin nicht fett. Meine Figur wurde sozusagen innerhalb der eigenen Verhältnismäßigkeit »optimiert«, zumindest nach dem Dafürhalten dieser Männer. Ich selbst hatte keine Kontrolle darüber. Sie haben dafür gesorgt. Durch meine Ernährung, durch die Übungen, die sie mich machen ließen, durch den Schlaf, den sie mir gönnten, und derlei mehr. Hier im Haus habe ich keine Kontrolle über diese Dinge. Außerhalb des Hauses, so habe ich gehört, tragen Frauen wie ich, je nach ihrer Situation, selbst die Verantwortung für diese Dinge, wobei sie natürlich überwacht und gegebenenfalls auch bestraft werden. Und ebenso wie in diesem Haus scheint man auch außerhalb von diesen Frauen zu erwarten, dass ihr Körper bestimmte Kriterien erfüllt. Falls sie nachlässig und träge werden, bestraft man sie. Ein weiterer Punkt bezieht sich auf das, was einer der Männer sagte: dass mein Aussehen sich stark verbessert hätte, seitdem ich hier war. Das stimmt, wie Spiegel und Wachen bestätigt haben. Die wahrste Schönheit kommt natürlich von innen und vielen anderen Quellen. Sie kann sich entfalten, wenn man seine Hemmungen überwindet oder seine Ängste und inneren Widersprüche vergisst. Sie kann Zufriedenheit entstammen, der Freude, dem Gefühl der Erfüllung oder dem Glücklichsein. So etwas verändert zwangsläufig unseren Gesichtsausdruck, unsere Bewegungen, unsere gesamte Haltung und unser Verhalten. Die äußere Schönheit stammt stets aus dem Inneren. Und davon abgesehen gibt es natürlich noch die Seide, das Parfum, die Schminke und den Schmuck, die ebenfalls ihren Teil zu unserer Schönheit beitragen. Man erwartet, dass wir diese Dinge wissen, dass wir sie einsetzen, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Manchmal hatte ich gezittert, wenn ich sah, was sich mir im Spiegel darbot, wenn ich erkannte, auf welche Weise ein Mann darauf reagieren würde und doch wusste ich gleichzeitig, dass das immer noch ich war. Dass dieses billige, schamlose und dreiste Ding ich war, dass sie mein wahres Ich nicht überdeckten, sondern es nur hervorhoben. Natürlich können diese Hilfsmittel auch dezent und stilvoll aufgetragen werden und manchmal, wenn es gewünscht wurde, auch so subtil, dass selbst ich nicht mehr sagen konnte, welche Schminke oder welches Parfum ich aufgetragen hatte. Dann wieder gestand man uns nur einen Fetzen Stoff oder Seide zu und wies uns an, zu stehen, zu sitzen oder zu knien und lehrte uns auch, wenn nur allein das Haar gekämmt war, wunderschön zu sein. In den meisten Ausbildungsräumen gibt es Spiegel. So gewöhnen wir uns daran, uns jederzeit unseres Äußeren und seiner Wirkung auf andere bewusst zu sein. Außerdem ist es vor allem in den frühen Phasen der Ausbildung sehr hilfreich, wenn Dinge wie eine gute Haltung oder grazile Bewegungen uns noch nicht zur zweiten Natur geworden sind. Manchmal führte man mich und andere vor die Spiegel, gekleidet in einen Stoffstreifen oder in Seide, und befahl uns, dort zu stehen, zu knien oder zu sitzen und zu betrachten, wie und was wir wirklich waren. Ich blickte in den Spiegel und sah mich, wie ich wirklich war. Und das war nicht so, wie ich früher gewesen war. Ich war nun anders. Auf diese Weise hatte ich schließlich erkannt, dass ich außergewöhnlich schön war. Wenn ich in den Spiegel blickte, sah ich dort jemanden, der wunderschön war, aber manchmal machte mir der Anblick auch Angst, denn was ich in dem Spiegel vor mir sah, war nicht nur ein wunderschönes Wesen, sondern auch ein Wesen, dessen Schönheit nicht ganz ihm selbst gehörte. Teilweise gehörte es jemand anderem, so, wie auch dieses Wesen selbst jemand anderem gehörte.

Ich lag vor den Männern, wie es sich gehörte, und blickte zur Decke hoch. Mein Haar umspielte meine Schultern. Ich versuchte noch immer, nach der Anstrengung der Darbietung wieder zu Atem zu kommen. Meine Brüste hoben und senkten sich.

»Ist sie temperamentvoll?«, fragte ein Mann.

»So hat das Haus es angegeben«, meinte einer der Fremden. Ich nahm an, dass er sich auf die Unterlagen über mich bezog.

»Wir müssen die Wachen anhalten, Abstand zu ihr zu halten«, sagte einer der Männer aus dem Haus.

Ich hielt die Augen in Richtung Decke gerichtet.

»Sie hat bereits gelernt zu flehen«, meinte jemand.

»Sie wurde angewiesen, die Hände innerhalb der Gitterstäbe ihres Zwingers zu halten«, fügte ein anderer hinzu.

»In ein paar Wochen wird sie völlig fügsam sein.«

Einer aus dem Haus kam zu mir herüber. »Nimm die Knie herunter.«

Ich gehorchte sofort, woraufhin er meinen Knöchel mit dem Fuß zur Seite drückte, sodass ich mit gespreizten Beinen dalag.

Mein Blick war weiter auf die Decke gerichtet.

Derjenige, der offensichtlich der Erste unter den Fremden war, näherte sich mir nun ebenfalls.

Ich sah auf, wandte die Augen dann aber schnell wieder ab. Ich wagte es nicht, seinem Blick zu begegnen.

Er ging wieder davon und ich stöhnte schwach.

»Habt ihr Interesse?«, fragte der Wortführer des Hauses.

»Wir nehmen sie«, antwortete der Anführer.

Die Chroniken von Gor 26 - Die Zeugin

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