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Ich lag bäuchlings mit dem Rücken zur hinteren Wand auf dem Boden der Bergzelle, hatte die Beine weit gespreizt und die Arme seitwärts über dem Kopf ausgestreckt. Aus einer solchen Position kann man sich nicht schnell erheben. Ich zählte langsam und laut bis tausend. So etwas macht man, während sich die Tür einer Zelle zum Schließen senkt, denn man weiß nicht, ob und wie lange ein Wachmann lauscht, um zu prüfen, ob sein Befehl befolgt wird. Deshalb tut man dies ruhig und klar verständlich bis tausend, dann darf man aufstehen und die Schalen mit Speisen, das Wasser sowie den frischen Abfallbehälter nehmen, die unmittelbar am Eingang deponiert worden sind. Wann man sie wieder dort abstellen muss, erfährt man anhand eines Signals: Ein hängender Klangstab irgendwo vor der Zelle wird angeschlagen, woraufhin man das leere Porzellan und den Abfall vor das Gitter trägt und eine vorgeschriebene Position am Boden einnimmt, ausgestreckt mit Blick in die Zelle hinein zum Zeichen der Hilflosigkeit. Am Morgen nach meiner ersten Nacht in der Zelle erhielt ich diese Anweisungen. Eine weibliche Stimme erteilte sie mir von draußen, doch wem sie gehörte, erfuhr ich nicht. Bisher hatte ich noch keinen meiner Wärter zu Gesicht bekommen. Ich wusste nicht, ob die Stimme einer Freien gehörte oder einer Leibeigenen, für die ich mich selbst auch weiterhin hielt, obwohl ich vorerst keine Halsfessel trug. Wahrscheinlicher schien mir Letzteres, weil freie Frauen auf diesem Planeten bestimmt keine so niederen Pflichten wie die Beaufsichtigung Gefangener übernehmen. Soweit ich wusste, nachdem ich zwei von ihnen im gepflegteren Bereich des Pferchs erlebt und meine Schlüsse aus Bemerkungen oder derben Witzen von Wachleuten gezogen hatte, waren freie Frauen bornierte, elitäre und verbitterte Genossinnen, zudem verhätschelt und herrschsüchtige. Außerdem war ich von mehreren Wärtern gewarnt worden, besonders auf mein Benehmen zu achten, wenn solche Frauen zugegen waren, da sie sich daran erfreuten, sadistische Neigungen auszuleben, kleinlich und jähzornig gegenüber meinesgleichen zu sein, da sie uns aus sicherlich nachvollziehbaren persönlichen Gründen verschmähten und auf das Äußerste hassten.

»Wie anders sie doch sind im Gegensatz zu uns!«, flüsterte ich einmal leise im Pferch, was ein Wachmann mit einem: »Nicht allzu anders«, quittierte.

»Nackt und mit Halsreif auf Knien«, ergänzte ein zweiter, »unterscheiden sie sich nicht die Spur von dir.«

Diese Worte waren Balsam für meine Seele, denn ich hatte bereits kurz vorher Ähnliches spekuliert, obwohl ich natürlich nicht auffällig hervorkehrte, dass die Wache mit meiner Sichtweise übereinkam. Es ist eine Sache, wenn ein Mann so etwas behauptet, eine gänzlich andere aber, wenn es eine Sklavin tut. Ich glaubte zwar nicht, dass er mich züchtigen würde, konnte es aber auch nicht mit Bestimmtheit sagen, also schwieg ich lieber. Froh war ich trotzdem darüber. Da er mich angrinste, ging ich davon aus, dass ich dies weniger gut verbarg, als ich gedacht hatte. Wie dem auch sei, kam ich unbescholten davon.

Wie verächtlich und fürstlich die Freien in Erscheinung traten, wunderschön gekleidet und verschleiert! Viele, so sagte man mir, trugen Plateaus unter ihrem Schuhwerk, die zwischen acht und zehn Zoll hoch waren, vermutlich um sich größer zu machen, als sie waren, und natürlich zum Schutz ihrer Pantoletten vor Schmutz, etwa auf matschigen Wegen oder eben in einem klammen Pferch. Die beiden, die ich gesehen hatte, waren allerdings mit »Straßenpantoffeln« gekommen. Damit rutscht man in einem Pferch wohl weniger leicht aus, denn das Pflaster dort ist stellenweise feucht oder sogar richtig nass. Wenn man barfuß geht, wird einem das umso deutlicher bewusst. Wie würdevoll und hübsch sie anmuteten in ihren Roben und mit ihren Schleiern!

Damals schaute ich einer versehentlich kurz in die Augen.

Es geschah im Pferch, als ich den beiden Freien hinterherschaute, nachdem sie vorbeigegangen waren. Die erste drehte sich um und ertappte mich dabei, wie ich ein wenig den Kopf anhob. In diesem Moment beobachtete ich, wie ihr Körper vor Zorn steif wurde, während die Augen über dem farbigen Stoff ihres Gewands erkalteten und von Hass zeugten. Sofort legte ich mich wieder völlig flach auf den Bauch, streckte die Arme gerade am Körper aus, sodass die Handrücken auf dem Stein lagen, und drückte die Stirn gegen den Boden. Dann versuchte ich, mich nicht zu bewegen, zitterte aber, weil ich mich fürchtete. Sie kehrte zurück und baute sich vor mir auf. Da lag ich nun, lang gestreckt und wehrlos als das, was ich war – eine Sklavin auf dem Bauch. Ich bedeutete Nichts, sie hingegen Macht und Schönheit. Kümmerlich und zitternd steckte ich in dieser ausweglosen Situation und hoffte, dass sie niemandem auftrug, mich zu prügeln. Sie blieb eine Weile vor mir stehen. Ich wagte nicht mich zu rühren und atmete kaum. Einer der Wachleute wollte sie ablenken, indem er sie auf ein neues Modell auf einer der Lustbänke aufmerksam machte, aber sie verharrte weiter vor mir und sah auf mich herab, wie ich annahm. Er meinte dann: »Sie ist bloß eine ignorante Schlampe von der Erde.«

Ein anderer fügte hinzu: »Aber lernfähig.«

Ich dankte den beiden insgeheim. So großmütig hätten sie sich bestimmt nicht gezeigt, wäre ich unbeliebt gewesen. Ich erkannte, dass sie mich beschützen wollten, was meine Angst aber nicht minderte, auch weil sie es eben für notwendig hielten, mir zu helfen. Was mochte die Frau mit mir anstellen, wenn man sie walten ließ, wie ihr der Sinn stand?

»Auf die Knie!«, bellte sie.

Ich raffte mich auf und nahm eine weniger grazile Haltung an, als ich es hätte tun können, solchen Respekt hatte ich vor ihr. Ich spürte ihren gewaltigen Widerwillen und ihre Verachtung.

»Beine spreizen!«, befahl sie streng. »Weiter!«

Ich fügte mich unverzüglich.

Mir kamen die Tränen. Ob man vor einem Mann oder einer Frau kauert, macht einen extremen Unterschied aus.

»Eine von der Erde ist sie also?«, hakte sie nach.

»Jawohl«, versicherte man ihr.

»Das habe ich mir gleich gedacht«, behauptete sie. »Von dort kommen nur wertlose Dummchen.« Ich bewegte mich immer noch nicht.

»Ja, sie kann nur von der Erde stammen«, sinnierte sie im ätzenden Ton. »So etwas erkennt man leicht. Seht bloß, wie glanzlos, wie hässlich sie ist. Liebreiz und Ausgeglichenheit gehen ihrer Haltung gänzlich ab. Man braucht nur einen Blick auf sie zu werfen und weiß, woher sie kommt. Frauen von der Erde sind furchtbar minderwertige Ware! Welcher echte Mann erwärmt sich ernsthaft für sie? Kein Wunder, dass man auf den Märkten Witze über sie reißt. Mangelhaft in allen Belangen! Die Erde gibt einen ausgelaugten, trockenen und undankbaren Boden ab, um Sklavinnen hervorzubringen. Ich werde nie begreifen, warum man sich die Mühe macht, dieses Gesindel zu fangen. Auf der Erde gibt es nichts von Interesse einzuholen, höchstens ärmliches Mittelmaß, wenn man viel Glück hat, allenthalben ein durchschnittlich attraktives Mädchen. Frauen von der Erde sind schäbige Güter, drittklassige Verkaufsgegenstände und Ramsch. Im besten Fall wird ein Gör für Topf und Tiegel daraus, eine Sklavin für niedere Arbeiten, etwa zum Saubermachen, Wäschewaschen oder Ähnliches. Mir erschließt sich nicht, was Männer an ihnen finden. Jeglicher Vergleich mit Goreanerinnen wäre vermessen. Schaut euch nur diese unwissende, anmaßende kleine Zofe an, diesen bedeutungslosen Batzen Talg. Wie sie in ihrem Halsreif zittert! Ich glaube, eine Abreibung mit der Peitsche und ein heißes Eisen wird ihr nicht schaden.«

»In Pferch 2 der Sektion Ba-Ta haben wir mehrere neue männliche Leibeigene«, erfuhr sie von dem Mann, dessen Peitsche ich geküsst hatte.

Die Frau drehte sich zu ihm um und schien, sobald sie ihn sah, zu erschrecken. Sie hatte ihn zuvor bestimmt nicht richtig erkannt. Der Mann, der so übel mit mir umgegangen war, wirkte trotz seiner unauffälligen Sprechweise dennoch kraftvoll und stattlich wie ein typischer Goreaner. Ich fand keinen unter den Wachen ansehnlicher, hatte eigentlich nie einen schöneren Mann gesehen. In seiner Nähe wurde ich immer schwach. Seine Peitsche war die erste, der ich auf dieser Welt meine Lippen aufgepresst hatte. Von solchen Kerlen erbitten sich Frauen zu gern einen Halsreif! Wieso war er nur so gemein zu mir? Ich wollte ihm nur als Sklavin gefallen. Die Freie verhielt sich nun wie ausgewechselt.

»Oh?«, sagte sie neckisch.

»Ich weiß nicht, ob es dich interessiert«, begann er, »aber es handelt sich um Seidensklaven mit feinen Zügen, gleichmäßigen Proportionen und Charme. Sie sind höflich, einfühlsam und harmlos, gewiss bestens ausgebildete Diener für eine Frau.«

»Ah!«, stöhnte sie, als ob sie mehr erfahren wollte.

Ich zuckte mit keinem Muskel und kniete fast steif da, die Beine weiterhin gespreizt. Ihrem Blick wich ich aus, denn man mag es einer Sklavin als Frechheit auslegen, wenn sie direkt in die Augen einer freien Person schaut, es sei denn, sie besitzt eine eindeutige Erlaubnis.

Plötzlich hatte sie mich völlig vergessen.

»Sie gehören zu der Sorte, mit der eine Ehrendame über ihr Tagewerk plaudert, ihr Schaffen und ihr Sinnen, mit dem sie den neuesten Schwank austauscht und der Vertrauenssachen für sich behält. Sie sind bestens darauf geeicht, Männchen für eine Frau zu machen. In Seide würden sie sich trefflich an deinem Sklavenring machen. Du könntest sie stolz auf Botengänge schicken, zur Pflege deiner Quartiere bestellen und Freunden aufwarten lassen.«

»Maskulin benehmen sie sich aber nicht, oder?«, fragte sie. »Ich finde solche Gebaren offensiv und vulgär.«

Was für eine Lügnerin … Obwohl sie bekleidet war, konnte ich geradezu spüren, wie ihr nackter Leib darunter in der Gegenwart dieses Mannes bebte.

Welchen Reiz mochte sie auf einen wie ihn ausüben, außer dass er bei ihrem Anblick mit dem Gedanken spielte, sie zu packen, auszuziehen und in einen Käfig zu sperren, um sie später zu verschachern?

»Fürchte dich nicht«, beschwichtigte er. »Sie wurden gerade wegen ihrer Wesensart ausgesucht, und diese spricht für gute Frauensklaven.«

Mir war klar, dass sie solche Kerle als Frau mit normalem Hormonhaushalt gering schätzen musste.

»Bewahre«, erwiderte sie. »Wir sollten sie uns ansehen.«

»Folg mir, wenn du möchtest«, bot er an.

Dann wandte sie sich ab. Ich war froh darüber, dass er sie ablenkte. Mich hatte sie zum Glück vollkommen vergessen!

Dem Wachmann lag wohl einiges daran, das Aufgebot seines Hauses vorzustellen.

Ich drehte den Kopf ein wenig. Sie folgte dem, dessen Peitsche ich geküsst hatte, und verließ meinen Bereich. Er schaute sich überhaupt nicht nach ihr um. Ich sollte mich über diese Wendung freuen, denn ich war nur knapp einer definitiv unangenehmen Situation entronnen. Zum Glück hatte er sie pflichtbewusst und ungeduldig, wie er war, an den vorgesehenen Ablauf ihrer Besichtigung erinnert. Wie gut, dass ihm dies eingefallen war, obwohl es bestimmt nur ein Zufall zu meinen Gunsten gewesen war. Zugleich überraschte mich eine unhaltbare Woge des Hasses und der Eifersucht auf diese Frau, da er ihr angeboten hatte, ihm zu folgen. Dies tat sie relativ zügig und demütig, wie ich fand, und auch den anderen Wachen mochte es nicht entgangen sein.

Die andere freie Frau begleitete sie.

Jetzt waren sie fort.

»Wie würde sie wohl auf dem Auktionsblock aussehen?«, fragte einer der Wächter.

»Nicht übel, schätze ich«, antwortete sein Gefährte.

»Glaubst du, sie kann tanzen?«, wollte ein weiterer Wächter wissen, was man bejahte. »Jedenfalls könnte man es ihr beibringen«, schob jemand nach und der nächste erwiderte: »Sie braucht einen Halsreif und eine Kostprobe der Peitsche.«

Der letzte stimmte zu. »Das brauchen sie alle«, meinte er.

Dann schauten sie zu mir.

Ich bemühte mich, eine anständige Haltung anzunehmen und hörte die Wächter sagen: »Mach dir nichts aus dem, was sie gesagt hat.«, »Du bist hübsch.«, »Wer hübsch ist und wer nicht bestimmen immer noch wir.«

»Darf ich sprechen?«, fragte ich.

»Nein.«

»Wir kennen sie«, behauptete einer.

»Ihr Versprochener nahm Reißaus«, wusste jemand zu berichten, »nachdem er sich in ein reizendes Mädchen von der Erde verliebt hatte.«

Das fand ich großartig, obwohl es sich eher nicht für mich schickte. Ihr zukünftiger Lebensgefährte hatte eine wie mich bevorzugt, ein Mädchen von der Erde, gegenüber einer Frau wie ihr! Wie bezeichnete sie uns noch gleich? Als Ramsch?

Ich schweifte wieder einmal ab. Hatte dieser Geselle die Sklavin schlicht genommen oder gekauft, in ihrem Sinne oder gegen ihren Willen? Hatte sie gelächelt, posiert und sich als Leibeigene angeboten, weil er ihr höchst reizvoll vorkam? Hatte sie ihm Freuden versprochen, die über das Interesse oder den Horizont von Freien hinausgingen?

Meinesgleichen, das wissen Sie als Leser, sind zu manchen Wundertaten in der Lage.

So oder so: gut für die Sklavin!

»Wenn Erdenfrauen nicht heißblütig, begehrenswert und hübsch wären, also keine erstklassigen, wirklich fabelhaften Sklavengüter, würde man sie nicht nach Gor bringen«, erläuterte ein Wächter.

»Richtig«, stimmte ihm einer zu.

Ich wollte mich erkenntlich zeigen, meine Freude über ihre Worte bekunden, ihnen Tausende Fragen stellen!

»Darf ich sprechen ... darf ich sprechen?«, stammelte ich.

»Nein«, hieß es wieder nur.

Also blieb ich still.

Das Dröhnen des Klangstabes ertönte, was bedeutete, dass unser Unterricht weiterging.

Mich ärgerte es, dass die Freie mit dem Wächter allein war, wenngleich ich mir keine Sorgen machen musste: Er würde sie nicht anrühren. Sie begleitete ihn ja nicht als Sklavin, ohne Kleider und mit einem Halsreif, die man einfach so gegen die Gitterstäbe drücken und hochheben konnte, um sie für ihren Hauptzweck zu benutzen, während ihre Füße in der Luft hingen: zur Befriedigung eines Herrn.

Schließlich marschierten wir mit im Nacken verschränkten Fingern zum Ausbildungssaal zurück. Das tut man, damit die Brüste straff bleiben und die Hände den Halsreif berühren.

Dies war mein erster Eindruck vom Krieg zwischen Freien und Sklavinnen. Ich sollte ihn nie vergessen.

Als ich bei tausend angelangt war, stand ich auf, ging zum Gitter und schaute hinaus. Seit vorhin hatte sich nicht viel verändert: Da waren die Berge, der Vorsprung und die Wolken. Ich nahm das Essensgefäß und den Wasserbecher, beide frisch gefüllt, und stellte sie an ihren angestammten Platz, links hinten in die Zelle. Sehr zu meiner Freude hatte man mich mit drei Stückchen Trockenobst bedacht, bei dem es sich dieses Mal um eine Frucht namens Larma handelte. Den gesäuberten Abfallbehälter trug ich zurück an die hintere rechte Wand. Wegen der Geräusche, die ich gehört hatte, glaubte ich, dass zwei Wagen draußen vorgefahren waren, einer hinter dem anderen, zuerst der für die Fäkalien, dann jener mit Lebensmitteln und Wasser. Obwohl ich es nicht genau wusste, nahm ich darüber hinaus an, dass je eine Frau auf einem der Wagen fuhr. Allerdings hatte ich nur eine Stimme vernommen, kurz zum Befehl und ohne dass ich etwas gesehen hatte. Tags darauf antwortete sie sogar mit einem einzelnen Wort auf eine Bitte meinerseits, als ich wie befohlen dalag und an die hintere Wand schaute. »Nein«, sagte sie. Ob sich ein Mann in der Nähe aufhielt, ließ sich nicht ermitteln, aber ich schätze schon, weil das Portal hörbar mühelos geöffnet worden war. Ich hatte ja, es war mittlerweile ein paar Tage her, selbst versucht, das Gitter nur einen Zoll hochzuheben, bis es vielleicht gegen einen Riegel oder eine Schließvorrichtung stieß, aber meine Mühe war vergebens gewesen. Das sechsbeinige Tier hatte es mit der Schnauze drei, vier Zoll weit nach oben gedrückt und es bis zu dem besagten Riegel oder Mechanismus hochgeschoben.

Zwei Frauen brachten meiner Einschätzung nach nicht die nötige Kraft dafür auf, und falls doch, dann nicht so leicht, wie es nun der Fall gewesen war. Eine andere Möglichkeit bestand darin, dass es einen Hebel oder etwas Ähnliches gab, der mir nicht aufgefallen war, aber das Öffnen vielleicht vereinfachte, sodass auch ich ohne Hilfe dazu in der Lage gewesen wäre. Außerdem mochte es sein, dass man von außen Gewichte anbringen konnte, um das Portal einfacher hochzuziehen. So brauchte man nicht die Kraft eines Mannes oder eines monströsen Wesens, das ich gesehen hatte. Falls es einen Hebel gab, hatte ich jedoch nichts gehört, was auf seine Betätigung hindeutete, und auch die Verwendung von Gewichten wäre mir bestimmt aufgefallen. Einen weiteren Grund für die Beteiligung eines Mannes sah ich in der Tatsache, dass die Befehlsgewalt von Frauen für gewöhnlich auf Männer zurückgeht, die selbige letzten Endes überhaupt erst gewähren. Zwei wie ich, die niedere Dienste ausüben, müssen doch von einem Mann beaufsichtigt werden, nicht wahr? Vielleicht waren die zwei sogar auf dem Wagen angekettet. Ich mochte es mit einer oder mehreren meines Geschlechts aufnehmen, aber nicht mit einem Mann. Vor diesem könnte ich auch weder davonlaufen, da mein Körper aus welchen Gründen auch immer von Natur aus nicht dazu geschaffen ist, noch würde ich mich je aus seiner Umklammerung winden können, sobald er mich zu fassen bekommt. Auf den Vorsprung, so nahe bei den Zellen, mussten die Männer eventuell gar nicht aufpassen. Wohin sollte man schließlich fliehen? Außerdem war da noch das Tier. Nun, irgendwo steckten die Kerle jedenfalls.

Ich kehrte wieder einmal zu den Stäben zurück und sah hinaus.

Ich wusste immer noch nicht, ob ich meine Hände beim Essen benutzen durfte. Diese Information war nicht bei dem zur Sprache gekommen, was ich als meine Einweisung bezeichnen würde. Dabei handelte es sich nur um bestimmte Direktiven und Regeln für meine Gefangenschaft, die verlesen worden waren. Als ich am zweiten Tag flach mit ausgestreckten Armen und Beinen auf dem Boden lag, während ich nach hinten schaute, bat ich um die Erlaubnis zu sprechen. Es gab so viel, was ich wissen wollte ... wo ich war, und andere Dinge; nicht nur Kleinigkeiten wie die Antwort auf die Frage, ob ich meine Finger zur Nahrungsaufnahme gebrauchen durfte.

»Darf ich sprechen?«, flehte ich.

»Nein«, bedeutete man mir.

So musste ich den Mund halten. Nein hieß unumwunden Nein. Ich sah ein, dass diejenige, die gesprochen hatte, strenge Autorität über mich ausüben durfte. Ich musste ihr gehorchen wie einem Mann, denn was ihr Rückhalt gab, war die Macht eines ebensolchen.

Ich stand am Gitter.

Wie Sie als Leser längst wissen, bittet jemand wie ich normalerweise um Erlaubnis, das Wort zu erheben, und darf es nicht von sich aus tun. Ebenfalls sollte klar sein, dass diese Erlaubnis nicht zwangsläufig erteilt wird.

In diesem Fall muss man eben schweigen.

Diese landläufige Gepflogenheit erweist sich für einen Herrn als äußerst praktisch, und außerdem gibt es kaum etwas, das uns so drastisch vergegenwärtigt, unter welchen Bedingungen wir leben.

Mittlerweile darbte ich seit fünf Tagen in der Zelle. Während der vergangenen Tage hatte ich wiederholt einen oder mehrere der riesigen Vögel gesehen. Sie waren über dem Tal, das zwischen dem Gebirge lag, in dem ich gefangen gehalten wurde, und jenen in der Ferne, erschienen und wieder verschwunden. Manchmal vermittelten sie einen Eindruck von unheimlicher Geschwindigkeit, wenn sie zum Beispiel links fortflogen, ein anderes Mal glitten sie mit anscheinend müheloser Präzision vorüber, gelegentlich auch in Formation. Zweimal eilte ich zum Portal, als ich ein Trommeln hörte, und entdeckte rund zwanzig dieser geflügelten Monster in der Luft. Jeder zweite Schlag ihrer Schwingen erfolgte im Einklang mit dem Rhythmus. Einmal kreiste eine gewaltige Schar, bestimmt zweihundert der Geschöpfe, in verschiedenen Manövern umher. Sie schlugen mitunter abrupte, gewagte Haken, stiegen rasend schnell auf und ab oder teilten sich in kleinere Gruppen auf und vereinten sich wieder unter schrillem Geschrei, als sammelten sie sich zum Angriff auf ein Beutetier, aber dann und wann auch träger in gemächlicherer Formation, zu einem fast feierlichen Konzert heller Pfeiftöne. Dann kam es mir so vor, als schaute ich auf einen Exerzierplatz, bloß am Himmel. Manche der Tiere, die auftauchten und wieder fortzogen, trugen Körbe an ihrem Geschirr, entweder offen oder geschlossen. Bestimmt waren es solche, wie der, in dem man mich hergebracht hatte, und natürlich fragte ich mich gleich wieder, ob nicht auch andere wie ich als Fracht in diesem Kommen und Gehen auftauchten.

Es geschah irgendwann, dass rund zehn Vögel in ungeordneter Reihe zurückkehrten, wobei einige offensichtlich arge Mühen hatten, in der Luft zu bleiben und mehrere Reiter zusammengesunken im Sattel saßen. Manche trugen Bandagen, waren also eindeutig verwundet, andere hatten sich auf dem Rücken ihrer Tiere festgebunden, wahrscheinlich aus Trotz und nicht willens, der Entkräftung durch ihre Wunden nachzugeben. Einige Vögel verfügten über zwei Reiter, denen zum Teil Waffen, Helme oder Schilde abhandengekommen waren. Ich sah, wie das lange Haar des einen oder anderen im Wind flatterte.

Wie war dieser Ort beschaffen? Vielleicht wurde im Tal, das mir verborgen blieb, Ackerbau betrieben oder Zucht, und Tiere grasten dort. Ja, womöglich hielten diese Menschen Vieh, dort unten oder sogar an den Hängen auf abgelegenen Wiesen in der Höhe, die zu Sommerweiden gehörten. Von meiner Zelle aus hatte ich allerdings den Eindruck, dass die Wirtschaftsformen, die an diesem Ort geläufig waren, über die schlichte Landarbeit des Hirten und Ackerbauers hinausging. Öfter sah ich Reiter mit vollgepackten Sitztaschen und hinten oder am Knauf des Sattels festgebundenen Säcken zurückkehren, mal zu zweit oder zu dritt, mal auf zehn bis zwanzig Vögeln. Sie brachten goldene Gefäße mit und Kandelaber, die in der Sonne funkelten, während sie an Seilen befestigt am Sattel pendelten. Hin und wieder hatten sie auch gänzlich andere Beute gemacht – lebende, üppige und nackte Frauen mit ausgezeichneter Figur, die beidseitig mit Händen und Füßen an Sattelringen gefesselt oder einfach nur rücklings über den Sitz gelegt worden waren. Dabei hatte man ihnen die Hände über dem Kopf zusammengebunden und an einem Ring an der rechten Seite des Sattels befestigt. Der Anblick dieser Gefangenen erregte mich sehr. Wie viele würde man behalten und weitergeben wie Gold und Silber auf unterschiedlichen Märkten? Ich fragte mich, wie viele von ihnen Frauen wie ich waren und vielleicht wenige Tage zuvor noch schwere, aufwendige und wunderschön verschnörkelte Gewänder mit Schleier getragen hatten wie jede Freie auf diesem Planeten. In einer Tunika, gebrandmarkt und der Peitsche unterworfen wie ich, sahen sie einer drastischen Veränderung in ihrem Leben entgegen. Da sie allesamt nackt waren, fiel es den Männern leicht, ihre Qualität einzuschätzen. Wie mochten sie sich fühlen, die ehemals freien Frauen, die sich zweifellos unter ihnen befanden? Einige waren gewiss betrübt zu erfahren, dass ihr objektiver Wert unter jenem der Frauen lag, die sie einst gering geschätzt hatten, da sie nun zu deren Kategorie gehörten. Manche mochte es beunruhigen, dass sie nun einen objektiven Wert besaß, der in gleicher Weise und im selben Umfang jenen einiger Frauen überstieg, die sie vormals verachtet hatten. In jedem Fall zierten sie sich bestimmt nicht davor, auf einmal so abgeschätzt zu werden. Schließlich waren sie Frauen.

Ich biss mir auf die Unterlippe, als ich sie mit mir verglich. Wir alle konnten an einer Wand aufgestellt und gemustert werden. In meiner alten Heimat galt ich sozusagen als unbezahlbar in dem Sinn, dass ich nichts wert war. Hier jedoch wusste ich um meinen Wert, einen besonderen praktischen Wert, der auf dem Preis beruhte, den Männer für mich zu zahlen bereit waren. Er änderte sich natürlich je nach Lage des Marktes.

Nein, an diesem Ort lebte mitnichten eine primitive Gesellschaft, die sich im Hüten von Tieren und Anbau von Pflanzen auf Feldern und dergleichen verdingte; dahinter steckte viel mehr als dies, wie ich glaubte. Es war im übertragenen Sinn ein Adlerhorst.

Ich dachte daran, wie ich mich selbst wahrnahm.

Wie toll und außergewöhnlich hatte ich mich auf der Erde gefunden, dann war ich entführt und hierher gebracht worden. Auf Gor wurde ich auf meinen Platz verwiesen, nicht im politischen Sinn, sondern auf meinen wahren Platz.

Mein Leben hatte sich von Grund auf verändert.

Seit meiner Ankunft auf dieser Welt war mir mehr oder weniger bewusst, was ich hier sollte. Im Pferch wurde dies deutlich. Ich lernte Kochen, Saubermachen, Nähen und Waschen, zahlreiche häusliche Aufgaben eben, zu denen für jede Frau natürlich auch das Dienen und Lustspenden gehört. Dabei und im Zusammenhang mit zahllosen noch wichtigeren Modalitäten – sinnlichen, intimen Angelegenheiten – habe ich, wie ich mir anmaße, großes Geschick bewiesen, vor allem angesichts meiner erst kurzen Zeit auf diesem Planeten. Ich lernte, wie man sich richtig bewegt, steht und hinkniet; ich lernte, die Parfums und Kosmetika dieser Welt zu benutzen, Seide und Eisen zu tragen; ich lernte, Männern zu gefallen, und damit meine ich: wirklich zu gefallen. Wie anders war all dies im Vergleich zu meiner früheren Heimat!

So kam es, dass sich mein Leben veränderte.

Ich wurde hergebracht und an meinen rechtmäßigen Platz verwiesen. Hier fand ich mich als Eigentum wieder, das in allen Belangen dem Willen anderer unterworfen war.

Was aber sollte ich nun an diesem Ort, hier in den Bergen, tun?

Ich war heimlich hergebracht worden.

Ich war nicht an einen Sattel geschnallt worden wie die anderen Mädchen, die ich sah, jeweils an einer Seite zur Wahrung des Gleichgewichts, nicht rücklings und hilflos über den Sattel geworfen, praktisch als Vorzeigeware mit an Ringe gefesselten Händen und Knöcheln. Ich stammte nicht einmal von dieser Welt.

Ich war kein Bauernmädchen, das man auf dem Feld überrascht hatte, oder eine reiche Frau, die hier geboren und aus ihrem Gemach entführt worden war. Ich stellte keine Beute in dem Sinn dar wie sie. Man hatte für mich gezahlt.

Was tat ich hier?

Zumindest teilweise befand ich mich an diesem Ort, um für meinesgleichen typischen Zwecken zu dienen. Dies fand ich anhand der Gebaren und Interessen jener, deren Aufsicht ich unterstellt war, heraus. Dieser Fremden, meiner mutmaßlichen Käufer, von denen ich im Pferch begutachtet worden war, wobei ich nackt, bis auf die Halsfessel, zu posieren hatte.

Die Dienste, für die zu verrichten man mich hergebracht hatte, waren jedoch gewiss nicht nur die obligatorischen für eine wie mich. Dahinter steckte definitiv mehr.

Ich dachte über all das nach, während ich am Gitter stand.

Ich kam von weither, eine Frau aus einer sehr anderen Welt, wo Banalität und Heuchelei herrschten, wo man den schönen Schein wahrte und das Authentische, das Ehrliche fürchtete und sich vor Erkenntnis und Emotionen zierte. Für wie einzigartig, bewundernswert und schlau hatte ich mich dort gehalten, bis mich ein Mann wahrscheinlich mehrere Männer sahen und die Entscheidung trafen, mich hierher zu verschleppen. Jetzt war ich nichts weiter als eine Kajira und jemandem zugehörig. Ich grübelte: Hatte ich etwas verbrochen, das dieses Los bedingte? Vielleicht war ich versehentlich gegen die falsche Person gestoßen oder hatte mich zu einer verhaltenen Äußerung des Zornes hinreißen lassen, einen nur flüchtigen Ausdruck der Verärgerung in meinen Zügen gezeigt. Es war auch möglich, dass irgendetwas an meinem Benehmen darauf hingedeutet hatte, dass ich einbildet und selbstverliebt war, einen vermessenen Anspruch auf Überlegenheit stellte oder subtil verächtlich wirkte.

Letztlich konnte auch es Folgendes sein: Man hatte mich entführt, damit sich ein Mann oder mehrere an dem ergötzen konnten, was ich nun war, ein Nichts und abhängig von jenen, die alle Rechte an mir besaßen. Ich musste nicht unbedingt eine größere Rolle spielen als die der Frau, die ich war, reizvoll für einen einzelnen oder mehrere Gutachter, weil ich gewisse Kriterien erfüllte, eventuell sogar vortrefflich. War dem so, hatte man mich entdeckt, vermerkt, verfolgt und beobachtet, aber weniger auf meinen damaligen Status geachtet als auf das Potenzial, das ich mit der entsprechenden Ausbildung in Zukunft nutzen konnte?

Wie, fragte ich mich nun, bewerteten jene, die sich mit solchen Sachverhalten herumschlugen und zweifellos ein Geschäft daraus machten, dieses Potenzial? Stellten sie sich vor, wie ich nackt oder in Seide aussah, während ich mich lasziv bewegte oder in Ketten am Boden lag? Woher wussten sie überhaupt, dass ich insgeheim hitzig und sexuell frustriert war, wo ich es doch vehement vor aller Welt zu verbergen versucht hatte? Verriet ich dies unbewusst Menschen, die es anhand einer bestimmten Bewegung oder Mimik erkannten? Für was hielten sie mich – einen ansprechenden Eigentumsgegenstand, der noch niemandem gehörte, dem der Herr fehlte?

Auf der Erde hatte ich mich zu Tode gelangweilt!

Wie trist war mir dort alles vorgekommen!

Wie unzufrieden und enttäuscht ich mich gefühlt hatte!

Ich war ein winziger Splitter in meiner alten Welt gewesen, hatte mich ohne Sinn hin und her bewegt, je nachdem wie die Wellen schwappten und der Wind wehte. Dann wurde die Entscheidung getroffen.

Ich gelangte hierher und lernte Seide und Eisen tragen.

In gewisser Weise fürchtete ich mich vor diesem Ort.

Andererseits hing ich nun nicht mehr in der Schwebe, sondern war geerdet wie die Gitterstäbe meiner Zelle. Die Wahrheit und die Wege der Natur blieben mir nicht länger verborgen. Hier sollte ich sein, was ich letzten Endes und tief in meinem Inneren immer schon gewesen war, ob ich es nun wollte oder nicht: feminin im wahrsten Sinne des Wortes.

Und dies stimmte mich durchaus nicht traurig.

Plötzlich schnellte ein weiterer großer Vogel über das Tal, dieses Mal nach rechts, von wo aus sie sich alle in die Lüfte erhoben, wie es schien.

Soweit ich es erkannte, trug dieser keine Beute, sondern Transportbehälter an langen Leinen. Der Reiter hatte keinen Panzer, das Tier war kleiner als das Gros und besaß kürzere Flügel. Solche, so sollte ich erfahren, eigneten sich besser für Ausweichmanöver, weil sie wendiger waren.

Wie waren die Männer hier? Welcher Schlag war es, der sich Waren wie mich zulegte? Wem würde ich am Ende persönlich gehören? Ich sehnte mich nach einem festen Besitzer, dem ich in Vollendung und von ganzem Herzen auf jede erdenkliche Art und Weise dienen konnte, aber hoffentlich als einziges Eigentum meiner Art. Leider, so fürchtete ich, hielten sich Männer wie diese stets mehrere wie mich. Würden sie sich überhaupt mit einer einzelnen Frau zufriedengeben? Was, wenn seine Lust oder sein Temperament mit ihm durchgingen? Ich wollte mich so geben, dass für meinen Besitzer kein Anlass bestand, sich noch jemanden zuzulegen, geschweige denn überhaupt an eine andere Sklavin zu denken. Waren wir nicht ohnehin teuer? Dies sprach doch als Argument dagegen, als Rechtehalter mehr als eine zu besitzen, wenigstens jeweils zur gleichen Zeit. Allerdings gewann ich angesichts dessen, was ich aus der Zelle mitbekam, den Eindruck, dass die Männer hier nicht zwangsweise für ihre Frauen zahlten, zumindest nicht für alle. Vielmehr schienen sie sie zu benutzen, wie sie Lust hatten.

Ich schauderte und hatte riesige Angst vor diesen Männern, die solche Monster wie diese imposanten Vögel beherrschten!

Ich war froh gelernt zu haben, wie man Seide und Halsreif trägt.

Dieser Ort, so schwante mir, war ein Adlerhorst.

Die Chroniken von Gor 26 - Die Zeugin

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