Читать книгу Die Chroniken von Gor 26 - Die Zeugin - John Norman - Страница 13

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Ich wälzte mich im Halbschlaf herum.

Vorübergehend hatte ich, wie so oft, damit gerechnet, an einem Ort aufzuwachen, an dem ich schon einmal gewesen war, einer ehemaligen Wohnung oder in einem vertrauten Raum.

Ich lag auf dem Bauch. Normalerweise spürte ich die Laken und mit den Fingerspitzen darunter die gewohnte Matratze.

Dann war alles wie immer.

Jetzt aber schien ich auf etwas Hartem zu liegen, keiner Matratze, einer weniger nachgiebigen, unbequemeren Oberfläche.

Ich hielt die Augen geschlossen. Licht brannte, aber es war mir unangenehm. Wie dumm von mir, ich hatte vergangene Nacht vergessen, die Vorhänge zu zuziehen …

Mannigfaltige Erinnerungen, besser gesagt Scheinerinnerungen, schwirrten in meinem Kopf umher und drängten sich in mein träges Halbbewusstsein.

Ich erkannte keinen Unterschied mehr zwischen Traum und Wirklichkeit, falls dieser überhaupt existierte.

Ich hatte etwas Eigenartiges geträumt, irgendwie war ich auf einem fremden Planeten gelandet, wo man meinesgleichen für bestimmte Zwecke verwendete.

Ich musste einen klaren Gedanken fassen. Was für ein aberwitziger Traum dies doch war!

Ich sah noch die Ketten und hörte Peitschen knallen, war von Mädchen umgeben, denen es ähnlich wie mir erging. Ich entsann mich, in einem dürftig ausgeleuchteten Korridor gekniet zu haben, gemeinsam an einer langen Halskette mit weiteren Mädchen, darüber hinaus in Handschellen und mit Fußfesseln. Außerdem wusste ich noch, dass ich meine Lippen inbrünstig und fügsam auf die Peitsche eines Mannes gedrückt hatte, der sich erheblich von allen abhob, die ich kannte. Ich hätte nie gedacht, dass es jemanden wie ihn tatsächlich gab. In diesem Traum traten viele wie er in Erscheinung. Nein, auf jener Welt herrschte kein Mangel an ihresgleichen!

Ich rutschte unruhig herum.

Auf dem Planeten unterhielt man sich zudem in einer fremden Sprache, wobei man von mir und den übrigen Mädchen erwartete, dass ich sie schleunigst lernte.

Und wie wir uns ins Zeug legten dies zu tun, daran konnte niemand zweifeln! Immerhin waren es nicht wir, denen die Peitschen gehörten.

Unter solchen Bedingungen lernt man sehr schnell, so viel steht fest.

Der Traum kam mir äußerst real vor ... die langwierige Ausbildung, der Pferch und alles, was dazugehörte.

Mir kamen die Tränen, als ich an den Mann dachte, dessen Peitsche ich in diesem vorgeblichen Traum geküsst hatte. Nach anfänglicher Zärtlichkeit und Langmut war er sehr ruppig mit mir umgegangen. Wie er mich von sich gewiesen hatte, verspottet und verstoßen, getreten und mit dem Handrücken geschlagen ... auf die Fliesen geworfen und zornig an einen anderen Kerl verwiesen, manchmal sogar mit Gewalt und voller Ungeduld, nachdem ich in Ketten gelegt worden war! Andererseits musste ich während meiner Ausbildung an jenem Ort eine Menge gelernt haben. Es kam nur selten vor, dass man uns Kleider anzog, höchstens, wenn wir beigebracht bekamen, wie wir uns in bestimmter Kleidung benehmen sollten und dass wir uns ihrer umso eleganter, provokativer entledigen mussten. Dort hatte ich eine Menge über mich selbst erfahren, aber zu meiner Bestürzung und Beschämung auch, was Männer mir antun konnten und wie ich mich in ihren Armen veränderte, aber irgendwann begann ich, mich dafür zu erwärmen.

Wie beängstigend, dieser Traum war! Wie peinlich, wie schrecklich festzustellen, dass man ohnmächtig ist und zugleich erstaunlich wollüstig! Ich war sehr betreten und schämte mich, als ich erfuhr, dass diese sehr intime, brisante und vertrauliche Information in öffentlichen Dokumenten über meine Person verzeichnet war.

Das Licht wirkte gleißend auf mich. Obwohl ich die Lider geschlossen hielt, taten meine Augen weh.

Hatte ich tatsächlich vergessen, die Vorhänge zu schließen?

Ich musste endlich wach werden.

Nun fiel mir wieder ein, wie ich in einen Raum bestellt worden war. Darin warteten Männer, teils Bewohner des Hauses, teils Fremde. Ich trat vor ihnen auf und wurde hinterher bewertet. Man traf Abkommen. Ich musste etwas trinken. Noch unter meiner Kapuze drohte ich, das Bewusstsein zu verlieren. Ich legte den Hinterkopf unter dem Stoff auf den Boden. Halb geistesgegenwärtig nahm ich wahr, dass man meine Glieder bewegte und Ketten anbrachte. Mir kam es fast vor, als geschehe dies einer anderen Person. Ich zitterte ein bisschen und spürte die Ketten, die wirklich an meinem und keinem anderen Körper befestigt waren. Letzten Endes war ich wie weggetreten. Anscheinend durchlebte ich anschließend einen Albtraum voller Wendungen. Einmal muss ich, wie ich beim Abtasten der Umgebung ermittelte, in einem niedrigen, engen und mit Drahtwänden ausgestatteten Raum gelegen haben, quasi wie auf einer Gitterpritsche. Es stank erbärmlich und schwankte wie auf einem Schiff. Andere, Leidensgenossinnen offenbar, heulten und stöhnten ringsum. Wegen des Geruchs und der schwankenden Bewegungen befürchtete ich, mich in die Kapuze übergeben zu müssen, doch schließlich verlor ich erneut das Bewusstsein.

Danach fand ich mich in einem Wagen aus Metall wieder. Man hatte mir abermals etwas über den Kopf gestülpt und mich mit kurzen Ketten gesichert. Manchmal wurde mir heiß, dann wieder kalt. Wenn ich wach war, schlang ich mir so gut es ging die Decke um meinen Oberkörper, die man mir zum Wärmen gegeben hatte. Irgendwann dämmerte ich immer wieder weg. Gelegentlich zog man mir die Kapuze herunter und weckte mich, indem man mir ins Gesicht schlug, oder ich wurde von allein so weit wach, dass ich essen und trinken konnte. Hinterher driftete ich abermals dahin. Eventuell mischte man mir in diesem Traum Drogen in die Nahrung. Ich wusste nicht, wo ich mich befand oder wohin die Reise ging. In gewisser Weise kannte ich mich genauer gesagt selbst nicht, denn irgendwie hatte ich das Gefühl, meiner Identität beraubt worden zu sein. Ersichtlich war mir nur, dass ich mich im Gegensatz zu früher verändert hatte. Mein altes Ich war in meiner einstigen, verschwundenen Heimat zurückgeblieben, und all dies lag nun hinter mir. Wer war ich, was war ich, was sollte aus mir werden? Diese Fragen, so befürchtete ich, beantwortete auf dieser Welt nicht ich selbst. Andere entschieden über mich.

Schließlich verließ der Wagen die ebene Straße. In unregelmäßigen Abständen, aber wiederholt, stieg der Weg an oder das Gefährt ratterte und holperte, wobei ich mir üble Blessuren zuzog. Einmal wäre es beinahe umgekippt. Endlich nach Tagen oder Wochen kamen wir an unserem wie auch immer gearteten Bestimmungsort an. Dort fesselte man mich wieder an Händen und Füßen, bevor ich die Wagenketten loswurde. Als Nächstes wickelte man mich fest in eine Decke und schnürte sie zu. Es war nicht dieselbe, unter der ich im Wagen gelegen hatte. Jene wurde verbrannt, wie ich glaubte, und das Fahrzeug zur Säuberung geschrubbt. Somit hinterließ ich wenige oder überhaupt keine Spuren darin. Meinen Körpergeruch mochte man, so weit machbar, mehr oder weniger vollständig tilgen, damit kein Tier meine Fährte aufnehmen konnte. Den Sinn hinter diesen Maßnahmen verstand ich nicht wirklich. Meine Überstellung an diesen Ort wurde wohl aus unerfindlichen Gründen geheim gehalten. Gefesselt und eingewickelt hob man mich von der Ladefläche. Eine Zeit lang trug mich jemand auf einer Schulter, wobei mein Kopf nach hinten hing, was mir vorkam, als müsste es so sein, egal wie beschämend und entwürdigend ich es selbst finden mochte. Am Ende dieser Odyssee ließ man mich auf einer hölzernen Plattform nieder. Selbst unter der Decke lag ich nur leidlich bequem, doch wenig später kam ich in eine Art von Korb, der groß und schwer sein musste. Zwei Gurte, einer an meinen Knöcheln und einer am Hals, hielten mich darin gefangen. Der Korb maß annähernd ein Yard im Quadrat. Derart gesichert und in die Decke gehüllt, waren meine Beine angezogen. Die Kapuze behielt ich weiterhin auf dem Kopf.

Was für ein seltsamer Traum!

Mir war, als würde dieser Korb fliegen! Manchmal glaubte ich, Luft rauschen zu hören, als würde sie vom Schlag gewaltiger Schwingen verdrängt. Ein anderes Mal drang lautes Krächzen wie von einem Vogel an meine Ohren. Es kam mal von oben, vorne und der einen oder anderen Seite. Der nächste Bewusstseinsverlust ließ nicht lange auf sich warten.

Ich nahm mir fest vor, wach zu werden, und zwar in meinem eigenen Bett auf meinem Heimatplaneten.

Das Licht war so hell, selbst durch meine geschlossenen Lider. Wie dumm von mir, die Vorhänge offen zu lassen …

Ich lag auf dem Bauch und drückte die Finger auf die Liegefläche, um die Laken und darunter die vertraute Matratze zu fühlen. Leider ruhte ich auf etwas Hartem, keiner Matratze, sondern etwas weniger Nachgiebigem, Unbequemeren.

Licht brannte, aber es war mir unangenehm. Das Licht kam allerdings aus der falschen Richtung. Eigentlich sollte es mich von hinten links anstrahlen, wenn ich dort lag, wo ich zu liegen glaubte, denn in dieser Richtung befand sich mein Schlafzimmerfenster. Die Helligkeit traf mich jedoch von vorne links. Irgendwie musste ich mich also im Schlaf umgedreht haben. Ich hatte die Orientierung verloren. Nichts schien mehr zu sein, wie es einmal gewesen war. Vieles fühlte sich anders an.

Je eindeutiger die Gewissheit, dass ich wach wurde, desto schlimmer wurde meine Angst.

Ich war noch nicht bereit, meine Augen zu öffnen.

An eine besondere Einzelheit meines Traumes erinnerte ich mich jedoch sehr deutlich: Man hatte mir ein Band angezogen; ich trug fast von Anfang an einen leichten, funkelnden Stahlhalsreif, der etwa anderthalb Zoll breit war und eng anlag. Sein Verschluss befand sich im Genick.

Ich öffnete die Augen immer noch nicht, weil ich mich fürchtete. Ganz langsam schob ich die Finger hinauf an meinen Hals, bis ich ihn mit den Fingerspitzen berührte. Er war nackt!

Ich versicherte mich noch einmal. Kein Halsreif!

Ich trug ihn nicht mehr, war den Ring und jegliche ähnliche Vorrichtung los. Mein Hals blieb unbeschwert; kein gewundener, verschlossener und unbiegsamer Stahl beengte ihn.

Nein, ich hatte keinen Halsreif mehr an.

Meine Befindlichkeit zu beschreiben, erwies sich als schwierig.

Sollte ich mich nicht eigentlich freuen und erleichtert fühlen? Vielleicht, stattdessen aber lag ich auf befremdliche Weise zwischen Wachzustand und Schlaf da, während ich einen gemeinen Stich spürte, als hätte ich etwas verloren, das unersetzbar blieb. Es war eine Ahnung von Abgeschiedenheit und Alleinsein. Eine Welle des Kummers, kalt und gräulich, stieg in mir empor, ein verlorener, qualvoller Schrei der Entfremdung und Seelenpein.

Mit einem Mal schien ich jegliche Bedeutung verloren zu haben, ein Nichts zu sein, doch kurz darauf strengte ich mich an, Freude zu empfinden, wie es sich eigentlich schickte. Schnell wies ich mich selbst zurecht, um meine Emotionen im Zaum zu halten, sie zu korrigieren und in geordnete Bahnen zu lenken, damit sie wieder im Einklang standen mit dem Regelkanon, dem ich zeit meines Lebens unterworfen gewesen war.

Ja, ich fühlte mich erleichtert! Wie wunderbar nun alles war!

Natürlich, ich hatte bloß schlecht geträumt! Es gab nichts, worüber ich mir Sorgen machen musste. Es war vorbei. Jetzt durfte ich die Augen öffnen.

Bloß war die Fläche, auf der ich lag, weder weich, noch entsprach die Beschaffenheit des Materials zwischen meinen Fingern der von Baumwolllaken. Außerdem stimmten die Lichtverhältnisse nicht, also musste ich mich im Schlaf herumgewälzt haben. Irgendetwas war nicht in Ordnung.

Der Traum kehrte vor meinem geistigen Auge zurück – die Unruhe, der metallene Wagen, die Ketten, die Kapuze und der Korb sowie der Wind, der zwischen seinen groben und steifen Maschen hindurchgeweht war.

Zum ersten Mal seit Tagen glaubte ich, einen klaren Kopf zu haben. Jetzt wähnte ich mich nach langer Zeit wieder in einer Verfassung, die mir vertraut und ureigen vorkam. Ich fühlte mich nicht mehr konfus oder gestört und hatte auch keine Kopfschmerzen. Wie lange ich geschlafen hatte, wusste ich nicht, möglicherweise eine beträchtliche Weile.

Dennoch: Der Untergrund war nicht angemessen, der Punkt, von dem aus das Licht einfiel, nicht der richtige.

Also ließ meine Orientierung doch noch zu wünschen übrig.

Als ich die Augen aufschlug, hielt ich vor Schreck die Luft an. Ich begann, unbeherrscht zu zittern: Mein Bett war aus Stein!

Deshalb hatte es sich so ungewohnt angefühlt. Es gab keine Laken, keine Matratze. Ich lag auf steinernem Grund!

Ich rutschte auf die Knie und stützte mich mit den Händen ab.

Wie es schien, befand ich mich in einer Art Höhle, die in den Fels eines Berges oder Kliffs gehauen worden war. Ich schaute zum Eingang dieses Ortes, denn von dorther kam das Licht.

Fenster gab es hier keine, sondern nur diese eine breite Öffnung. Sie war symmetrisch, wie ein Portal, also bestimmt nicht natürlich entstanden. Ihre Form entsprach ungefähr einem Halbkreis oder umgedrehten U. Die Schwelle war waagerecht, die Seiten mehr oder minder senkrecht und der obere Rand gewölbt. Sie mochte sechs bis sieben Fuß hoch und sieben bis acht Fuß breit sein. Außerdem war sie mit Gittern versehen, Stäben zwischen zwei und drei Zoll Dicke. Diese ergänzten im Abstand von etwa einem Fuß schwere Querstreben von jeweils annähernd einem Zoll Höhe.

Meine Sinne waren unvermittelt und ungemein scharf, zur Gänze wiedergekehrt. Ich trug eine knappe braune Tunika. Wie kam es dazu? Es war kaum mehr als ein Fetzen.

So etwas hätte ich niemals freiwillig angezogen.

Ferner wäre ich nicht darauf gekommen, mich irgendwo so nackt zu zeigen, so auffällig und unverblümt in einem solch geradezu skandalösen Aufzug!

Das Teil war zerfleddert und löchrig, äußerst kurz obendrein, furchtbar dünn und außerdem unten nicht abgeschlossen. Etwas anderes hatte ich nicht am Leib!

Ich geriet außer mir. Am liebsten hätte ich es mir vom Körper gerissen, aber sonst trug ich ja nichts.

Wer hatte gewagt, mich in so ein Ding zu stecken?

Für wen und für was hielt er mich?

Ich realisierte natürlich auch schlagartig, dass der Verantwortliche mich splitterfasernackt gesehen haben musste, was mich ängstigte und beinahe schwindlig machte. Wer auch immer dahintersteckte, konnte nur ein Mann sein. Einzig Männer vermochten, Frauen solche Stoffe aufzuzwingen oder dabei zuzuschauen, wie uns ein dritter unter ihrer Anweisung damit bedachte. Ob ihm gefiel, was er gesehen hatte? Ich kam mir unglaublich verletzlich vor. War ich im bewusstlosen Zustand benutzt worden?

Allmählich kehrte die Erinnerung wieder. Einiges stand mir nun sehr real vor Augen.

Mir dämmerte, dass ich keine Frau mehr war, die vergewaltigt werden konnte. Ein Tier konnte gebraucht werden, aber nicht missbraucht.

Andere durften nun über mich bestimmen, wie sie wollten.

Prompt und unwiderstehlich drängte sich mir ein Gedanke auf, der mich in meiner Verwirrung schockierte: Ich sollte mich an und für sich nicht wegen des Lumpens ereifern, den ich trug, sondern froh sein wie über ein Geschenk, eine milde Tat und Geste der Nachsicht, da ich immerhin ein verschwindend knappes Textil tragen durfte! Es gewährte mir zumindest ein wenig Schutz. Hatte ich solchen überhaupt verdient? Nein, nicht im Geringsten, weder dies noch etwas anderes. Folglich musste ich von ganzem Herzen dankbar für dieses bisschen Stoff sein. Immerhin hätte man es mir nicht geben müssen. Hatte ich nicht im Pferch in meinem Traum, falls es wirklich ein solcher gewesen war, wiederholt um einen Hauch von Seide gebeten?

Was war ich?

Insgeheim schien ich die Antwort zu kennen.

Die Wirkung meines Betäubungsmittel hatte nun nachgelassen, doch zurück blieben Konfusion und Unsicherheit: Was war geschehen und was nicht, was war Traum, was Realität?

Hatte ich das Haus, den Pferch, den Wagen und die bizarre Reise in kalter, zugiger Höhe nur fantasiert?

Träumte ich vielleicht immer noch, schwebte im Delirium oder war verrückt?

Die Droge, die man mir verabreicht hatte, trug gehörig zu meiner Verwirrung bei. Unterstand ich immer noch ihrem Bann, ohne dass ich es wusste?

Nein, so kam es mir nicht vor.

Der Felsen, das enge Gitter und die weite, in der Ferne aufragende Landschaft muteten sehr wirklich an.

Ich suchte nach etwas, das meine Befürchtungen bestätigte oder entkräftete.

Wo war ich?

Hatte ich mich, wie ich erwartete, zu einer anderen Person gewandelt? War mein Dasein, wie vermutete, radikal auf den Kopf gestellt worden?

Ich musste es erfahren!

Ich setzte mich auf die Hacken und tastete noch einmal nach meiner Kehle. Dort lag kein Halsreif an! Fieberhaft, als sei ich irr, raffte ich den Saum der kleinen braunen Tunika, um mein linkes Bein bis zur Hüfte zu entblößen. Also doch, ja!

Da war es, das winzige, liebreizende Zeichen, eingebrannt in meinen Oberschenkel direkt unter dem Becken. Ich trug es am Leib, es markierte mich! Bezüglich dieses winzigen, hübschen Symbols gab es kein Vertun. Wie schön es war! Es zeichnete mich aus, war mein Brandzeichen. Ich besaß tatsächlich eines; ich war gebrandmarkt worden.

Wieder auf allen vieren zitterte ich und brach fast zusammen, lachte und weinte abwechselnd. Ausgelassenheit, Freude und Erleichterung überkamen mich. Diese Regungen aus meinem tiefsten Inneren wallten hoch wie Licht oder Lava, als habe jemand Fensterläden geöffnet oder Sonnen aufgehen lassen, gleich Wellen und Fluten, Goldschätzen und Wirbelstürmen oder Feuersbrünsten – mächtig, unwiderstehlich, unschätzbar wertvoll!

Das Gefühl des Verlusts, der Abgeschiedenheit und des Alleinseins war plötzlich aufgehoben. Ich wandelte nicht mehr losgelöst von mir selbst einher, ohne mein Ich zu kennen. Verstummt war nun der Schrei der Entfremdung und Seelenpein. Ich sah mich nicht auf meine frühere Bedeutungslosigkeit und Nichtigkeit zurückgeworfen, in der ich mein wahres Selbst verleugnet hatte, weil es mir verleidet wurde, derweil ich eine falsche Identität heucheln und konform gehen musste mit Stereotypen, von außen aufgezwungenen und meinem Wesen nicht entsprechend. Hier stand mir frei, das zu sein, was ich war; hier durfte ich fühlen – wirklich fühlen! Hier brauchte ich nicht zu leben wie in einem Versteck, geschützt vor Sonne und Regen, sondern erfuhr die Wahrheit unverschleiert und nicht verzerrt wie im Wirren vorgeschriebener Gesetzeskataloge. Hier gab es eine Wirklichkeit zum Anfassen wie Gras oder Baumrinde. Schnell setzte ich mich wieder aufrecht hin, schaute mich hastig um und schob den Saum der knappen Tunika wieder hinunter. Was, wenn mich jemand beobachtete? Auch wir haben einen Begriff von Sittsamkeit! Ich strich den Stoff mit gewisser Würde glatt, die uns, wie ich im Zuge meiner Ausbildung erfahren hatte, gar nicht erlaubt war.

Ich fasste die Umgebung genau ins Auge.

Ich war hier, wirklich und wahrhaftig, um welchen Ort es sich auch immer handelte. Meine albtraumhafte Reise hatte ein Ende gefunden.

Nun wusste ich mit Bestimmtheit, dass ich betäubt worden war, genauso wie ich es beim ersten Mal erkannt hatte, damals weit weg in jenem Haus. Soweit ich es erfassen konnte, wirkte das ominöse Mittel jetzt aber nicht mehr, denn ich erkannte wieder, woran ich war und fühlte mich nicht länger benebelt. Man hatte zwangsweise eine Weile mit der Verabreichung der Dosis ausgesetzt. Außerdem trug ich keine Kapuze mehr, und auch die Ketten fehlten. Sogar der Halsreif war entfernt worden, ich hatte allerdings keine Ahnung von seinem Verbleib. Die Betäubung war meiner Ansicht nach gar nicht notwendig. Mein Haupt zu verhüllen und die Verwahrung in jenem Metallwagen hätte genügt. Man hätte mich praktisch sogar mit offener Ladefläche befördern können, weil ich in Ermanglung genauer Kenntnisse über diesen Planeten sowieso nicht erkannt hätte, wohin wir fuhren. Warum bloß hatte man meinetwegen solche Vorkehrungen getroffen? Die Männer hatten mich nicht einmal direkt angesprochen und nur selten in meinem Beisein miteinander geredet. Manches hatte ich aufgeschnappt. Phrasen und Unterhaltungsschnipsel, während ich im Drogendunst dahingedämmert hatte, aber nur sehr wenig und nichts, was irgendeine meiner Fragen beantwortet hätte: Wohin brachte man mich und wieso? Welches Schicksal blühte mir? Was wollten sie mit mir anstellen und zu welchem Zweck war ich hier? Warum setzte man mich nicht wenigstens über meinen Verbleib in Kenntnis? Worin bestand schon der Unterschied, ob ich es wusste oder nicht?

Wie ich erfahren sollte, ließ man Mädchen wie mich für gewöhnlich im sprichwörtlichen Dunkel tappen.

Wie dem auch sei: Jetzt war ich hier, wo auch immer hier genau war.

Wie seltsam, dass ich auf einmal wieder Angst bekam. Ich befand mich an diesem Ort und in der Gewalt Unbekannter. Der schalen Welt, von der ich entführt worden war, konnte ich mittlerweile durchaus etwas abgewinnen. Wäre ich doch bloß unter meinen eigenen Decken, in meinem eigenen Bett aufgewacht wie so oft zuvor, einfach in einer bekannten Umgebung …

Ungeachtet seiner Verlogenheit und Heuchelei, seiner ermüdenden Vortäuschungen und abgeschmackten Selbstgefälligkeit – war jener Planet kein verlässlicherer und sichererer Fleck? Die Übel dort erschienen mir zumindest größtenteils auf tröstliche Art behäbig und unscheinbar, so unterschwellig wie mikroskopisch kleine Dosen Gift in Speisen, die nur über lange Zeiträume hinweg bedrohlich sind, gleich tödlichen Gasen, die sich in der Atmosphäre sammeln, Molekül um Molekül. Es war auch wirklich so, dass sich meine Mitmenschen durch Scheuklappen und in ihrem egoistischen, ach so wichtigen Tun dazu bereit erklärten, unseren Planeten sterben zu lassen. Die Leute auf dieser Welt hingegen würden die Zerstörung ihrer Umgebung wohl nie hinnehmen. Die Natur und ihre Weisheiten bedeuten ihnen schlichtweg zu viel. Dementsprechend hin- und hergerissen fühlte ich mich. Ich wäre auf meinem trostlosen, grauen und verschmutzten Planeten unbestritten sicherer verblieben, wenn ich mich den vorherrschenden Werten angepasst und nur ja nichts hinterfragt oder gefühlt hätte und weder auf Erkenntnis noch auf Wissen erpicht gewesen wäre. Jetzt kam es mir irgendwie unerklärlicherweise gelegen, dass ich an diesem Ort gelandet war. Zwar stand für mich fest, dass hier genauso wie in meinem alten Zuhause Risiken lauerten, doch diese waren, wie ich annahm, zumindest weithin wägbar, so ähnlich wie die Zähne eines Löwen oder die Spitze einer Stichwaffe. Zudem erinnerte ich mich daran, dass die Frage eher akademischer Natur war, denn ich weilte nicht auf der Erde, sondern hier, im Guten wie Schlechten, ob es mir passte oder nicht.

Gerade hatte ich mich damit abgefunden, dass die kleine braune Tunika mein einziges Kleidungsstück blieb. Vorübergehend war mir dies peinlich gewesen, und ich hatte mich darüber geärgert, war sogar zornig geworden, denn damit war ein letzter Rest meiner alten Welt zutage getreten.

Jetzt aber empfand ich Dankbarkeit.

Fürwahr, ich trug eindeutig Kleider, an welchen sich Männer erfreuten.

Was für Tiere sind sie doch, welch herrschsüchtige, kontrollierende, befehlshaberische Kreaturen!

Mir war es jedoch gleich. Ganz plötzlich gefiel es mir, schön zu sein und dies auch hervorzukehren. Warum sollte man nicht stolz sein, wenn man gut aussieht, selbst wenn man von Männern zu ihrer Befriedigung dazu gezwungen wird, es zu zeigen? Gefällt es uns denn nicht, gesehen zu werden, wie sie es wünschen? Tun wir nicht der natürlichen Ordnung Genüge, wenn wir uns so zur Schau stellen, wie die Männer es mögen? Man muss seine Schönheit doch nicht verbergen, nur weil Hässliche Anstoß daran nehmen könnten. Hier ließen uns die Männer, falls wir mit dem Gedanken spielten, so etwas nicht durchgehen – aber welche hübsche Frau täte dies? Mittlerweile erfreute ich mich meiner Anmut und war richtiggehend unverfroren. Gleichzeitig erkannte ich aber auch die Schattenseiten, denn so machte man Männer auf sich aufmerksam und erregte sie. Schließlich entsprechen wir ihrem naturgemäßen Beuteschema. Auf einem Planeten wie diesem bleibt eine hübsche Frau oder zumindest eine wie ich nicht im Unklaren darüber, ob man sie begehrt, sie weiß, dass sie angreifbar ist und leider auch, wie ich fürchte, in großer Gefahr schwebt.

Im Pferch hatte ich auch gelernt, dass nicht alle Frauen dieser Welt meinesgleichen ähnlich sind. Damals wusste ich aber noch nicht, ob es viele dieser anderen gab, denn zu jener Zeit waren mir nur zwei untergekommen. Ich hatte sie im Pferch gesehen, geringschätzig und in ihrer ganzen Pracht. Wie geziert, wie hochmütig und kritisch sie einhergegangen waren! Ich werde später noch einmal kurz auf sie zurückkommen.

Auch für solche Frauen mochte dieser Planet ein prekäres Terrain sein.

In jedem Fall verstanden die Männer hier etwas davon, wie man Frauen kleidete, zumindest solche wie mich, falls sie sich bemüßigt sahen, ihnen überhaupt etwas anzuziehen.

Der Halsreif war verschwunden. Ich fragte mich, wie man mich davon befreit hatte.

Jawohl, ich dachte an Befreiung.

Aus heutiger Sicht ist mir unklar, wie ich seiner Bürde entgangen war.

Bislang, wie der Leser vielleicht bemerkt hat, zierte ich mich davor, meinen Status und die Bedingungen, unter denen ich bis zu diesem Augenblick auf diesem Planeten lebe, explizit zu erörtern. Vielleicht war dies närrisch, aber ich nehme an, meine Leser – falls mir eine Veröffentlichung dieser Zeilen gegönnt wird – sind nicht auf den Kopf gefallen. Ich schreibe natürlich in einer Sprache von der Erde, weil ich kein Goreanisch kann, weder lesen noch schreiben. Dass ich es je lerne, steht nicht in Aussicht. Man zieht es anscheinend vor, dass ich hier Analphabetin bleibe. Dies sind die meisten Frauen oder, mit Hinblick auf unseren Stand besser gesagt, Mädchen wie ich.

Möglicherweise haben Sie als Leser keine rechte Vorstellung von der Situation, in der ich mich auf dieser Welt befinde, und tun sich sogar schwer damit, sie nachzuvollziehen.

Ich kann es nicht wissen.

Jedenfalls sollte mittlerweile deutlich geworden sein, dass ich eine Kajira oder Sa-fora bin … doch nein! Wie sollte es? Man verzeihe mir bitte. Der Leser kennt diese Worte ja nicht, obzwar er meine Lage zweifelsfrei konkret umschreiben kann.

Meine Ausführungen über Ketten, Halsfesseln und dergleichen sind wohl aufschlussreich genug. Falls jemand Anstoß daran nimmt: Ich tue es nicht. Ich liebe all dies und finde meine Erfüllung darin, mein Glück und meine Freude! Mögen viele dies erniedrigend finden, und vielleicht ist es das auch, so halte ich es für eine köstliche, wertvolle und verzückende Erniedrigung. Ich würde sie nicht missen wollen, blühe in ihr auf und gedeihe, würde mein Leben dafür einsetzen, sie zu wahren.

Sie ist ein Ausdruck von Zartheit, Feuer, Gewissenhaftigkeit und Gehorsam. Von Dienstbarkeit, Anmut und Liebe.

Sie macht mich glücklich, erfüllt mich zur Gänze, steht mir perfekt und kehrt die vollkommene Frau in mir hervor, die ich auf andere Art niemals sein könnte.

Der Ausdruck Sa-fora bedeutet lapidar »Kettentochter« oder »Tochter der Kette«, wohingegen sich Kajira die weit geläufigste goreanische Bezeichnung für das, was ich bin, mit »Sklavin« übersetzen lässt, wie Sie als Leser längst geahnt haben sollten.

Ja, Sklavin! Die männliche Form lautet Kajirus, der Plural Kajirae beziehungsweise Kajiri. Da Kajira mit weitem Abstand am häufigsten verwendet wird, um eine Sklavin zu bezeichnen, würde ich die Übersetzung »Sklavenmädchen« als Beste anführen.

Mit einem Halsreif werden natürlich alle Frauen zu »Mädchen«. Bei den Unfreien auf Gor handelte es sich überwiegend um Frauen. Die männlichen sind zumeist Arbeiter, etwa auf Feldern oder unter Tage in Steinbrüchen, Bergwerken oder an Straßen, immer in Ketten und unter Androhung von Peitschenhieben. Manche Frau hält sich Männer als Seidensklaven, aber dies geschieht selten. Aus goreanischer Sicht schickt sich Sklaverei vor allem fürs schwache Geschlecht, nicht für das starke.

Ein Sprichwort, das logischerweise Männer geprägt haben, besagt, dass alle Frauen Sklavinnen sind, bloß fehle einigen noch der Halsreif. Jetzt weiß ich im Gegensatz zu damals, dass es nicht wenige freie Frauen auf Gor gibt; genauer gesagt sind sogar die meisten von ihnen frei, wobei eine Stadt namens Tharna eine Ausnahme darstellt. Weshalb genau, kann ich Ihnen aber leider nicht sagen.

Kehren wir nun zu meinem Bericht zurück.

Hatte mich jemand befreit?

Sicher, mein Brandzeichen trug ich nach wie vor am Schenkel, doch daran ließ sich ja nichts ändern. Ich schaute zu dem dichten Gitter am Portal.

Es deutete nichts daraufhin, dass ich frei war.

Wieder strich ich den Saum meiner dürftigen Tunika glatt. Sie war unheimlich kurz, kaum mehr als ein Tüchlein, und kündete genauso wenig von Freiheit. Wie gesagt fehlte ein unterer Abschluss, was für Sklavengewänder normal ist. Der köstliche, feuchte Intimbereich der Sklavin bleibt für gewöhnlich unbedeckt. Sie muss ihrem Herrn stets bereitstehen und sich dessen andauernd bewusst sein. Diese Tatsache trägt dazu bei, dass sie sich verletzbar fühlt, und schürt oder intensiviert die ohnehin schon übermäßige Emotionalität ihrer Art und verleiht ihr eine beträchtliche Tiefe. Die Sklavin muss jederzeit für ihren Herrn bereit sein, ob tagsüber oder nachts, überall und auf jegliche Art und Weise, die er verlangt. So vergisst sie auch nie, was sie ist. Nur zweimal während meiner Ausbildung hatte ich beim Bekleiden und dem Anlegen von Seide ein Gewand getragen, das am Unterleib geschlossen war. Das erste war nichts weiter als ein langes, schmales Seidentuch in Rechteckform gewesen, das man vorne unter der Bauchkordel befestigt, zwischen den Beinen durchgeführt und dann fest hochgezogen wieder unter die Kordel geschoben hatte. Bei dem anderen handelte es sich um die aufwendigere turianische Camisk.

Diese ist wie ein umgekehrtes T geschnitten, wobei die beiden Schenkelseiten schräg abstehen. Sie wird mit einer einzigen Schnur gebunden. Diese befestigt das Kleidungsstück an drei Punkten, im Nacken, hinten und vorn an der Taille. Das Kleidungsstück wird im Nacken befestigt, fällt an der Vorderseite hinab und geht zwischen den Beinen hindurch. Die Seitenteile legen sich um die Hüften. Es verdeckt den Brand, lässt aber den Rücken offen.

Es gibt auch Camisks, die sich seitlich schnüren lassen, falls erlaubt, oder rückseitig Verschließbare, in denen die Figur der Sklavin einerseits weniger deutlich sichtbar ist, andererseits aber auch betont wird. Wir müssen wissen, wie man solche Gewänder anzieht, und es zufriedenstellend selbst tun, wenn man uns eine zuwirft. Die turianische Camisk unterscheidet sich von einer herkömmlichen, die sich nämlich auf wenig mehr als ein textiles Rechteck mit einem Loch in der Mitte beläuft, durch das man den Kopf steckt. Man zieht sie über und zurrt sie an den Hüften fest, zumeist nach einer oder mehr Wicklungen mit Binderiemen. Normale Camisks reichen bis kurz über die Knie und verdecken nie den Brand, alle sind sehr offenherzig. Man erwartet nahezu ununterbrochen von uns, sofort für unseren alleinigen Inhaber verfügbar zu sein.

Und ja, dies hilft uns sehr dabei zu begreifen, was wir sind!

Ich strich den Saum der Tunika noch entschiedener und noch bewusster glatt. Bei solch knappem Stoff muss man penibel darauf achten, wie man sich bewegt. Eine anmutige Haltung in solcher Kleidung bekommt man beigebracht, ebenso kleine Besonderheiten, zum Beispiel in die Hocke zu gehen, um heruntergefallene Gegenstände aufzunehmen.

Trotz der Kürze des Stoffs war ich natürlich froh, dass man mir eine Tunika gestattet hatte. Dies war schließlich keine Selbstverständlichkeit. Ich wusste auch, dass man sie mir mit nichts weiter als einem Fingerschnippen abnehmen konnte, was mich ein wenig verdross. Ich versuchte, eine Zeit lang, mich über die Tunika aufzuregen, weil sie mein einziges Kleidungsstück war, noch dazu so kurz und kaum mehr als ein Lumpen, doch ehrlich gesagt kam ich nicht umhin, Gefallen an ihr zu finden. So war es: Ich freute mich darüber, so etwas zu tragen. Darin hob ich mich von anderen Frauen ab; Männer fanden mich darin aufregend, und dagegen wusste ich nichts einzuwenden. Ich fühlte mich ganz Frau. Zudem stachelten solche Kleider auch mich auf, falls dies noch nicht bemerkt worden sein sollte. Ich fand sie erregend und liebte es, sie anziehen zu dürfen.

Allein, der Halsreif fehlte. Hatte mich jemand befreit?, fragte ich mich abermals.

Die Tunika verhieß das Gegenteil, auch das vergitterte Portal. Ich hielt es für ratsam, mich so zu benehmen, wie ich es gelernt hatte, auf jeden Fall bis eindeutig feststand, dass ich wirklich frei war. Ich erschauderte. Zweimal im Rahmen meiner Ausbildung hatte ich die Peitsche zu spüren bekommen, jeweils mit einem einzigen Hieb. Mir war nicht danach, diese Erfahrung noch einmal zu machen.

Hatte mich jemand befreit?

Letztendlich musste ich über diese absurde Vermutung lachen. Die Männer hier entsprachen nicht jenen auf meinem Planeten. Solche, wie sie würden eine wie mich nie im Leben freilassen. Sie mochten uns als das, was wir waren – ihr Eigentum.

Auf dieser Welt war ich ebendies. Punkt aus.

Schließlich erhob ich mich und trat vor das vergitterte Portal. Ich hielt mich an den Stäben fest. Die Landschaft draußen war atemberaubend schön. Ich sah Berge, viele der Spitzen waren verschneit.

Ich betrachtete sie ehrfürchtig.

Bisher hatte ich nicht bemerkt, wie hübsch diese Welt war.

Nun gut, wo war ich denn bislang auch herumgekommen? In Pferchen, verschiedenen Räumen und Zwingern. Nachdem man mir die Kapuze abgenommen hatte, konnte ich einen Blick in das Innere des abgeschlossenen Käfigwagens erhaschen, aber mehr nicht.

Ich schaute auf, an der Decke gab es einen schmalen rechteckigen Schlitz, durch den sich das Gitter, wie es aussah, wie ein Tor heben ließ. Irgendwo befand sich garantiert ein Mechanismus mit Gewichten und Gegengewichten. Nach außen hin konnte man das Portal nicht öffnen, und dies war auch gut so, denn wie ich von meiner Warte aus erkannte, belief sich der Platz vor der Öffnung auf einen schmalen Vorsprung, kaum breiter als ein Yard. Angesichts der Berge fernab befürchtete ich, der Sturz von diesem Felssims aus ins Tal könne tödlich ausgehen. Ich ging in die Hocke, um zu probieren, ob ich stark genug war, die Gitter hochzuziehen. Ich packte mit beiden Händen eine der Querstreben und legte mich ins Zeug, konnte das Metall aber kein Stück bewegen. Dass es mir einfach so gelang, hatte ich eigentlich auch nicht erwartet, aber davon, es wenigstens ein bisschen anzuheben, war ich ausgegangen, wenigstens einen Zoll wegen der vermuteten Gegengewichte. Diese wären dann an einer gewissen Stelle hängen geblieben, beispielsweise einem Schloss, Riegel oder Halter. Leider ließ sich das Gitter wirklich keinen Spaltbreit öffnen. Falls die Mechanik tatsächlich auf Gegengewichten beruhte, musste man mehr Kraft aufbringen, um sie zu bewegen.

Ich drehte mich um, weil ich den Raum oder die Höhle, in der ich eingesperrt war, ins Auge fassen wollte. Er maß rund zwanzig Fuß in der Tiefe, war ungefähr fünfzehn Fuß breit und acht bis zehn hoch. Von einem Verlies konnte demnach keine Rede sein. Selbst für eine Zelle kam mir das Gewölbe zu geräumig vor. Ich glaubte nicht, dass es dazu gedacht war, jemanden wie mich gefangen zu halten. Mühelos hätte man mehrere Männer darin unterbringen können. Mauern und Decke waren kantig, nicht ebenmäßig. Man hatte diesen Unterschlupf in den massiven Stein gehauen. Ich ging weiter hinein, um einen zweiten Ausgang zu suchen, etwa eine kleinere Eisentür im hinteren Bereich, wurde aber nicht fündig. In manchen Kerkern, die für meinesgleichen entworfen wurden, gibt es in breiten Toren kleinere Türen oder Gatter. Durch diese können dann im Bedarfsfall Männer eintreten, ohne sich ducken zu müssen, man führte Sklavinnen durch die kleinere Luke hinein oder auch heraus. Dies funktioniert nur, wenn wir auf allen vieren kriechen oder auf dem Bauch robben, falls dies verlangt wird. Man erachtet dies als nützlich, um uns unseren Status zu vergegenwärtigen und es ist natürlich schwieriger, durch einen solchen Zugang auszubrechen. Außerdem lässt sich eine Sklavin, wenn sie auf Händen und Knien oder dem Bauch hinein beziehungsweise herauskommt, leichter an eine Leine legen. Ich spreche allerdings wie gesagt von Zellen, obwohl ich mich besser mit Zwingern auskenne. Diese sind normalerweise ziemlich eng, weshalb man nicht aufrecht darin stehen kann. Meistens verfügen sie über Gitterwände, sodass wir für unsere Bewacher stets sichtbar bleiben.

Im hinteren Bereich stieß ich auf etwas Stroh und eine Decke, was mich freute. Letztere war dick und aus schwarzem Stoff, hielt also zweifellos warm. Ferner zählte ich drei Gefäße, zwei davon aus schlichtem, gelblichem Ton. Sie sahen zerbrechlich aus und hatten angeschlagene Kanten, vielleicht handelte es sich um ausgedientes Geschirr aus irgendeiner Küche. Das letzte Gefäß war schwerer und aus einer Art weißem Porzellan. Die beiden gelben Behälter standen auf einer Seite, diesem gegenüber. Ich trat näher, um sie genauer zu untersuchen. Eine der zwei gelben Gefäße, eine flache Schale, enthielt einen Brocken Brot und etwas Getreidebrei. Als ich genauer hinschaute, entdeckte ich, wie angenehm, auch ein paar Scheiben Trockenobst darin. All dies steht üblicherweise auf unserem Ernährungsplan, und wir wissen es sehr zu schätzen. Das andere Gefäß, das von mir aus gesehen links stand, nachdem ich dem Portal den Rücken gekehrt hatte, war höher und ähnelte einem Becher. Man hatte es mit Wasser gefüllt. Rechter Hand im hinteren Teil des Gewölbes stand wie gesagt das größere Stück aus einem porzellanähnlichen Material. Ich schätzte mich glücklich, all dies bereitgestellt bekommen zu haben, denn üblich war dies mitnichten.

Ich fragte mich wieder, an welchem Ort ich verweilte.

Als ich zurück zum Portal gegangen war, blickte ich wieder verzückt nach draußen und weidete mich an der Schönheit des Gebirges.

Ich wurde neugierig auf meine Umgebung, also packte ich die Stäbe erneut und drückte mein Gesicht gegen sie. Den Kopf konnte ich wegen ihres geringen Abstands jedoch nicht hindurchstecken. So presste ich abwechselnd eine Wange dagegen, um jeweils nach links oder rechts zu schauen und mehr über die Landschaft zu erfahren. Zu dumm, dass ich nur einen Teil des schmalen Vorsprungs, der sich auf der einen Seite erstreckte, ausmachen konnte. Ich stemmte meinen ganzen Körper gegen das Gitter. Dass ich die Härte des Metalls deutlich an meinen weichen Rundungen spürte, war mir unangenehm. Ich wurde unruhig, warf mich aber trotzdem fester gegen das Portal. Dahinter fühlte ich mich so unsagbar hilflos. Es war unnachgiebig, so hart und unwirtlich, stellte mich vor vollendete Tatsachen. Ich war eingesperrt! Die Figuren, Bilder und Symbole, die ich an den Wänden entdeckte, kamen mir rätselhaft vor. Die Härte der Stäbe, mein zarter Leib … alles wirkte so anders und ergänzte sich doch irgendwie unterbewusst. Wie kräftig das Gitter war, wie stark, ja geradezu perfekt! Ich presste die Wangen, meinen gesamten Körper dagegen, glücklich, ausgelassen und lobpreisend im Wissen darum, dass ich es niemals überwinden würde.

Letztlich ließ ich es bleiben und hielt mich nur noch beidhändig fest. Die Kammer oder Höhle, davon ging ich wie erwähnt aus, war nicht für eine wie mich geschaffen. Sie erschien mir zu riesig und übertrieben sicher. Meinesgleichen steckte darin genauso nachhaltig fest wie Männer. Obwohl ich viel kleiner als meine Häscher war, die sich nicht im Traum zwischen den Stäben hindurchzwängen konnten, galt dies auch für mich, denn sie waren schlichtweg zu dicht nebeneinandergesetzt worden.

Von der Stelle aus, an der ich stand, sah ich abgesehen vom Vorsprung und den Bergen in der Ferne nichts, hatte aber dennoch das Gefühl, meine Zelle sei nicht die einzige in diesem Felsen. Dies mochte durchaus möglich sein. Vielleicht gab es entlang des Simses weitere und oberhalb einen zweiten Pfad mit noch mehr Zellen, dann eventuell sogar unter mir, denn ich sah diese Bereiche ja nicht. Plötzlich kam mir der Gedanke zu rufen, wovor ich aber am Ende zurückschreckte. Womöglich tat ich gut daran, denn Frauen wie ich unterstehen einer strengen Disziplin. Ich war mir unsicher, ob ich es tun sollte oder nicht, da ich keine Redeerlaubnis erhalten hatte. Während der Ausbildung hatte man mir zweimal mehrere Tage lang das Sprechen untersagt. In solchen Fällen hat man große Mühe, seine Bedürfnisse mit Gesten, Glucksen oder Ähnlichem mitzuteilen, etwa wenn man hungrig ist, seine Notdurft verrichten muss oder Ähnliches.

Jawohl, diese Zelle hielt Männer als auch Frauen in sicherer Verwahrung, auch Tiere, selbst große. Ob bereits welche darin gesteckt hatten? Ich meine natürlich andere als meine Art. Nun richtete ich meine Aufmerksamkeit wieder auf den weißen Behälter dicht an der hinteren rechten Wand. Ich war froh, ihn zu haben. Man erwartete, dass ich ihn benutzte. Man lernt, Frauen genauso wie andere Tiere, solcherlei zu verwenden ... Kisten, Abflüsse und Vergleichbares. Ich verfügte natürlich bereits über Zellenerfahrung. Falls kein Behälter in der Nähe ist, und man nicht mehr zurückhalten kann, ist dies oftmals äußerst misslich. Führte uns kein Wärter zu einem entsprechenden Ort, an dem man sein natürliches Geschäft verrichten durfte, war ich bewandert genug, mich dafür in die hintere rechte Ecke zurückzuziehen. Es ist nicht sonderlich angenehm, mit dem Gesicht beinahe in die eigenen Fäkalien gestoßen zu werden und dann auf allen vieren, während man an den Haaren gezerrt wird, in jenen Teil des Raumes zu krabbeln, wo der Wärter bedeutungsvoll auf den richtigen Abort zeigt. Man lernt schnell, die Ausbildung schlägt im Nu an.

Ich spähte hinaus auf die Bergzüge und umklammerte die Stäbe.

Auf diesem Planeten galt ich als Tier. Ich musste gehorchen, war gebrandmarkt und konnte mit einem Halsreif versehen werden. Man durfte mich kaufen und verkaufen. Mit mir geschah, was anderen im Sinn stand. Ich war auf diese Welt entführt und zu diesem Schicksal berufen worden.

Die Berge dort draußen sahen wunderbar aus.

Ich hätte gern gewusst, wo ich mich aufhielt. Betrübt war ich nicht.

Träge schob ich einen Arm zwischen die Gitter und streckte mich nach der Bergkette aus, sie war wirklich traumhaft schön. Danach zog ich den Arm zurück und hielt mich wieder am Metall fest, ich hatte keine Wachen oder Wärter entdeckt. Nachdem ich einen Schritt zurückgetreten war, zog ich die knappe Tunika hinunter, wodurch sie sich kurzzeitig straff über meinen Körper spannte. Dieser Vorgang, das Zupfen am Stoff, wie ich es gerade tat, verbunden mit einem schüchternen Gesichtsausdruck und entsprechend zögerlichem Gebaren kann als Provokation aufgefasst werden. Man verhält sich scheinbar zimperlich, betont dabei jedoch seine Figur. Auf diese Weise gibt ein Land seine Schätze preis und lädt quasi zu seiner Eroberung ein. Übrigens waren mir solche Gedanken bereits auf meinem Heimatplaneten durch den Kopf gegangen, obwohl ich mich dort nie so benommen hatte. Die passenden Kleider dazu hatte ich praktisch nur in meinen Träumen besessen, ganz zu schweigen von dem Umstand, dass ich dort ein Mensch gewesen war und kein Tier. Wen hätte ich so überhaupt aufstacheln können? Falls es auf Erden jemanden gab, der sich meiner hätte annehmen können, so bin ich ihm nie begegnet. Soweit ich weiß, war ich nicht angerührt worden, seitdem ich das Haus meiner Ausbilder verlassen hatte. Das Betäubungsmittel, vielleicht waren es auch unterschiedliche Drogen, hatte die Bedürfnisse meines Körpers weitestgehend unterdrückt. Doch jetzt, da es nicht mehr wirkte, war ich nicht nur wach und bei vollem Bewusstsein, sondern auch hungrig. Ich hätte mich bereitwillig an das Gitter gekniet, die Hände durchgestreckt und um etwas zu essen gebettelt. Wahrscheinlich hätte ich mich dabei nicht großartig anstrengen müssen. Die Wachleute im Haus hatten viel für mich übrig. Zumindest waren sie regelmäßig über mich hergefallen. Ohnehin wetteifern Frauen wie ich oft um die Berührungen von Männern. Möglicherweise sollten wir teilen, doch jede will eben auskosten, was sich für sie auftut, also legen wir uns entsprechend ins Zeug, um nicht zu kurz zu kommen. Die bittersten Kämpfe entbrennen zumeist zwischen »Schwestern«. Im Haus und in der Ausbildung hatte ich dabei einen offensichtlich ungewöhnlich großen Erfolg erzielt. Abgesehen von meinem unabhängigen Interesse an Männern bezweifle ich nicht, dass dieser Erfolg vor allem mit den raschen Fortschritten zusammenhing, denn ich zeigte mich stets bereit und lüstern. Diese Entwicklung war definitiv von Dauer und nicht mehr umkehrbar. Aufgrund meiner immer heftigeren Begierde und Hitze, weil ich meine Empfänglichkeit nicht kontrollieren konnte und in den Armen von Männern schwach wurde, wurde mir der allgemeinen Meinung zufolge wohl speziell zum Ende jener Zeit hin weit mehr Aufmerksamkeit zuteil, als meiner angemessen war. Dies störte die Ausbildung der anderen bis zu einem gewissen Grad und machte mich unter meinen Mitschülerinnen logischerweise nicht beliebter. Bisweilen steckte ich Schläge ein, und zweimal verprügelte man mich gründlich. Zu meiner Betrübnis hatte man die Wachen kurz vor meiner Entlassung sogar dazu gebracht, mich zu meiden. Ich konnte sie nicht mehr mit meinem Duft und Eifer von ihren Aufgaben ablenken, nicht mehr damit locken, wie leicht ich mich verführen ließ und weder mit meiner Schönheit kokettieren noch dringlich flehen. Ich schien bereit zu sein, meine Ausbildung abzuschließen, zumal es für die Männer galt, auch in anderen Bäuchen Feuer zu schüren. Die übrigen Mädchen mussten gleichsam zum Verlassen des Hauses fertiggemacht werden. Natürlich ignorierte man mich nicht gänzlich, da ich extrem darunter gelitten hätte, sondern beschränkte bloß meinen Gebrauch, rationierte mich also gewissermaßen. Offengestanden hielten sich aber nicht alle Wachen an die betreffenden Pläne und Warnungen. Wiederholt weckte mich nachts, wenn die anderen schliefen, ein leises Pochen am Gitter, woraufhin ich aus dem Zwinger gelassen wurde, um gleich davor im Schein einer dämmerigen Laterne zu dienen, bevor man mich wieder einsperrte. So dankbar ich hinausgekommen war, so widerwillig kroch ich stets zurück.

Jetzt hielt ich mich weiter an den Stäben fest und strahlte.

An diesem Ort musste es Männer ähnlich derer geben, die ich im Haus kennengelernt hatte.

Ich erinnerte mich daran, wie man die Wachen während der letzten Tage der Ausbildung meinetwegen scheu gemacht hatte. Zumindest rückblickend stimmte es mich heiter. Was die anderen Mädchen betraf, so wurden den Angestellten keine solchen Einschränkungen auferlegt. Sie galten einzig für mich! Wie besonders fühlte ich mich deswegen, und oh wie innig verlangte ich nach den Wachmännern! Ich flehte sie auf ergreifende Weise an – und wie ungeduldig, wie weinerlich konnte ich betteln, falls ich nicht schnell genug befriedigt wurde. Häufiger als einmal rutschte ich auf dem Bauch herum, küsste Füße und weinte, während ich darum bat, angefasst zu werden. Generell brauchte ich mich aber nicht zu bemühen, um zum Zuge zu kommen. Nicht wenige nannten mich eine Verführerin. In meiner Hitze hatte ich mich nach ihnen gesehnt, und sie waren Kraft ihrer Hoheit dazu übergegangen, sich regelmäßig an mir gütlich zu tun. Oh ja, ich war lüstern und hübsch dazu, von meiner schnellen Auffassungsgabe ganz zu schweigen. Bei meinen Unterrichtseinheiten schloss ich ausgezeichnet ab und gehörte gewiss zu den besten Schülerinnen. Trotzdem sollten sich die Wachen vor mir in acht nehmen! Was konnte ich dafür, dass ich so goldig aussah, wenn ich vor ihnen kniete? War es meine Schuld, dass sie sich für mich interessierten, fahrig wurden oder ihre Pflichten vernachlässigten? Sie mussten doch keine zusätzliche Zeit mit mir verbringen, sondern entschieden sich freiwillig dafür! Ich lachte, denn ich war sehr beliebt unter ihnen. Die einzige Ausnahme stellte jener Mann dar, der mich zum ersten Mal eine Peitsche küssen ließ und hinterher böse schikanierte, aber was interessierte mich das? Wer scherte sich schon um ihn? Ich war ein außergewöhnliches Mädchen, sonst hätten sie die Wachen zum Schluss nicht gemahnt, Abstand vor mir zu wahren. Sie durften sich nicht von meinem Quengeln und meinen optischen Reizen irreleiten lassen. Ich war bereit und hitzig, noch ehe man mir die Handschellen abnahm. Andere harrten ihrer Ausbildung, also hinaus mit mir!

Ich traute mir zu, jedem Mann gerecht zu werden, den ich an diesem Ort antreffen mochte. Hatte man mich nicht bewertet und bewusst gekauft, damit ich hier diente?

Ich war doch ausgebildet!

In meiner alten Welt war ich mir häufig nicht sicher gewesen, wie ich mich Männern gegenüber verhalten und auf sie beziehen sollte. Immerhin hatte ich einen Begriff vom Regelwerk der Neutralität und den unsinnigen, sich selbst widersprechenden Lehren von geschlechtlicher Gleichheit, propagiert von Menschen, die in etwa so viel von Logik besaßen wie Afterdrüsen. Nicht zu vergessen die pathetischen Absurditäten des sogenannten Peronismus – alles Fiktion, Lug und Täuschung, dünner spröder Kitt, der unsere flammende, tief greifende Unterschiedlichkeit verbergen sollte, die Realität der Sexualität eines jeden. Oh, wie es mich ermüdete und frustrierte, nur als Oberfläche zu dienen, ganz ohne Innenleben oder persönliche Wirklichkeit! Waren jene, die solche Dummheit predigten, selbst bloß eindimensionale Flächen, oder logen sie schlicht? Gab es zwei Sorten von Menschen, und eine davon war eben hohl? Falls ja, konnte man verstehen, dass sie davon ausgingen, ihre Artgenossen seien allesamt ebenfalls leer. Ich für meinen Teil glaubte aber nicht daran, unsere Gattung sei dermaßen flach und dumpf, auch keiner dieser Schwätzer war es. Für mich war jeder Mensch sehr, sehr wirklich, bloß schreckten einige davor zurück, dieser Tatsache auf den Grund zu gehen. Sie zu verdrängen und zu leugnen mochten manche für sicherer halten.

Ich schätzte die Tageszeit auf den Spätnachmittag. Ich umschloss die Stäbe fest mit den Fingern.

Auf der Erde hatte ich nie gewusst, wie ich mich benehmen sollte, wenn Männer zugegen waren, und hatte nur schwerlich Kontakt zu ihnen aufbauen können. Was dies betraf, legte ich nur dürftige Kenntnisse an den Tag und umso größere Verwirrung. Keines der Geschlechter schien dort eine klare Identität zu besitzen. Wir verstanden den jeweils anderen nicht und waren einander fremd. Fast schien es so, als ob keine Realität für uns existierte ... als seien wir bloße Abbilder, Projektionen, Schatten oder Nebel. Auf diesem Planeten hingegen besaß mein Geschlecht wenigstens eine Identität, ein explizites, nachweisbares Selbst, eine handfeste Wirklichkeit. Hier war ich etwas, und zwar etwas sehr Konkretes, so greifbar wie das lebende Gestein ringsum oder das Gitter. Hier bestand keine Ungewissheit, hier wurden jegliche Zweifel aufgehoben, hier zerstob sich die Konfusion. Auf diesem Planeten ging ich vor Männern auf die Knie und diente ihnen, zeigte mich ihnen gefällig, so gut ich es konnte und auf alle Arten, die sie sich wünschten.

Ich hängte mich regelrecht an die Gitterstäbe. Wieder drückte ich meine linke Wange dagegen, dann sann ich über die Männer dieser Welt nach.

Auf welche andere Art konnte eine Frau wie ich eine Beziehung zu ihnen aufbauen? Sie fanden sicherlich Gefallen an mir, und ich war zuversichtlich, sie zufriedenstellen zu können. Schließlich wusste ich nun, wie man gegenüber Männern auftritt, ich kannte genau die beste Vorgehensweise, denn ich war eine Gelernte. Unsicherheiten, Zweideutigkeiten bestanden nicht mehr.

Der Dienst an den hiesigen Männern sollte mir keine Schwierigkeiten bereiten. Abgesehen von einem hatte ich alle im Haus beeindruckt. Wieso hasste mich dieser Kerl? Ärgerte er sich darüber, dass mir keine andere Wahl blieb, außer ich selbst zu sein?

Dass man Wachen wie jenen im Haus gebot, sie sollten mir gegenüber Obacht walten lassen, stand hier wohl außer Frage. Die Situation damals war eine besondere gewesen, da man die Lehrmittel vernünftig einteilen musste, denn auch andere wollten gründlich ausgebildet werden. Dies hier war offensichtlich sowieso kein Pferch, und selbst wenn ich mich irgendwie zu einschlägiger Bekanntheit aufschwingen sollte, würde wohl kaum jemand die Männer vor mir warnen. Das ergäbe keinen Sinn und würde vielmehr das Gegenteil bewirken, nämlich dass man mich umso häufiger einspannte. Falls sich jemand über mich beschwerte, dann andere Frauen, doch diese kümmern sich besser um ihre eigenen Angelegenheiten! Ich war allzeit bereit, mich der Konfrontation zu stellen.

Zuerst fand ich es skandalös, solche Gedanken zu hegen. Was war nur aus mir geworden? Aber, ich wusste es doch genau. Doch, ich war mir sicher, Männern klaglos aufwarten zu können.

Geistesabwesend lehnte ich mich ans Portal. So oder so würde ich mein Bestes geben. Insgeheim träumte ich seit jeher davon, mich Männern gefällig zu zeigen und sie zu hofieren. Für mich stand dies völlig im Einklang mit dem Lauf der Natur, war also stimmig und richtig. Mit einem Mal fand ich mich nun bemerkenswerterweise in einer Umgebung wieder, wo ich dazu gezwungen war, diesen Traum auch zu leben. Hier gab es keine Alternative, ich war dem Gesetz unterworfen und wollte nicht bestraft werden. Man könnte mich töten.

Ich griff erneut zu den Stäben und ließ den Blick über den schmalen Vorsprung, die schönen Berge und den unermesslichen, hellen Himmel, an dem zu fortgeschrittener Stunde einige Wolken vorüberzogen, schweifen.

Wie herrlich diese Welt doch war!

Noch einmal: Ich war darin bestimmt nichts Besonderes, noch weniger als ein Niemand.

Meine alte Heimat beschäftigte mich abermals – ihre Gebäude, Straßen und Wege, Zeichen und Menschenmassen. Viele von ihnen waren schlicht wunder- und wertvoll, andere verbittert und traurig. Ihr Kleidungsstil wirkte nun unnatürlich und exzentrisch auf mich, gleichsam ihre Eitelkeiten und feindlichen Gesinnungen. Die anstößige, widerwärtige Leere ihres Materialismus, der Missbrauch von veritablem Intellekt und aufrichtiger Emotion. Ein Gefühl von Nichtigkeit und Entfremdung herrschte vor, die zerstörerische, zwecklose Jagd nach zahllosen toxischen Rauschmitteln ging weiter, dazu die banale Zerstreuung durch elektronische Spielzeuge, weil man nicht willens war, in sich zu gehen oder vorauszuschauen in dieser Kultur des Egoismus, der Bequemlichkeit und der ständigen Ablenkung. Deswegen kam es mir eigentlich gelegen, dass ich hier aufgeschlagen war. Früher hatte man mir weismachen wollen, ich sei bedeutsam, so, wie man es jedem Menschen von der Erde erzählt, obwohl es nicht stimmt. Hier machte ich mir keine Illusionen darüber, ich wusste, dass ich unwichtig war, und durfte hoffen, irgendwann zumindest ein wenig Relevanz für jemanden zu besitzen. Um dies zu erfahren, muss man sich nicht gleich zum Maß aller Dinge stilisieren; ganz und gar nicht, nein.

Ich hatte sogar schon eine Halsfessel getragen, einen Stahlhalsreif, den ich nicht selbst hatte abnehmen können. Wie toll ich mir damit vorgekommen war!

Gefahren bestanden auch hier, oh ja, und ich wusste nicht, wie viele oder in welcher Form sie sich äußerten. Wie wenig ich doch wusste!

Dennoch war ich nicht unzufrieden, hier zu leben, und die Gefangenschaft machte mir eigentlich kaum etwas aus. Jemand wie ich musste damit rechnen, in eine Zelle gesteckt zu werden. Uns frei herum laufen zu lassen, schickte sich nun einmal gar nicht.

Alte Freundinnen zogen an meinem geistigen Auge vorüber. Wir hatten gemeinsam die Gegend unsicher gemacht und teilweise dieselbe Klasse besucht, aber wie ich nun über sie dachte, kam mir selbst recht interessant vor. Ich sah sie weniger in Situationen wie dereinst, etwa im Bus, im Unterricht beziehungsweise wie sie mit mir über die glatten Böden der weitläufigen Flure, Räume und Hallen dieser oder jener Einkaufspassage schlenderten, wo wir in grell ausstaffierten Restaurants aßen, die sich damit rühmten, ihre minderwertigen Menüs blitzschnell zu servieren. Nein, stattdessen stellte ich mir vor, wie sich diese Bekannten wohl anstellen würden, wenn sie, wie ich auf dieser Welt gestrandet wären. Welche Schau wäre Sandra, barfuß mit Riemen um den linken Knöchel, an dem in drei Reihen Glöckchen bimmelten? Stünde eine gewöhnliche Camisk Jean, während sie eine Karaffe Wasser auf dem Kopf balancierte, indem sie nur eine Hand zum Festhalten benutzte, wie man es unseresgleichen beibrachte? Priscilla würde bestimmt hinreißend aussehen in einem verschwindend kleinen Stück gelber Seide als einzigem Kleidungsstück, und Sally – die plump pummelige kleine Sally – mag vorerst nur einen Halsreif tragen und sich zu Füßen eines Mannes rekeln dürfen, weil sie früher so hysterisch und redselig gewesen war, stets selbstkritisch bis zynisch mit Hinblick auf den Gehalt ihrer eigenen Reize. Auf Knien soll sie das Fürchten lernen und begreifen, dass sie ihre Begehrlichkeit und Anziehungskraft damals ziemlich falsch eingeschätzt hat, dass in solchen Belangen vieles von der Gesundheit der Männer abhängt, ihrer Natürlichkeit und Macht. Sie sehen: Ich setzte für meine Freundinnen den Maßstab meiner neuen Heimat an. So fragte ich mich auch, welche Preise sie auf einem Auktionsblock erzielen mochten. Reizend machten sie sich gewiss alle aus, folglich auch mit einer Halsfessel. Deshalb musste ich davon ausgehen, jede Einzelne von ihnen würde gutes Geld einbringen.

Die Männer würden sich um sie reißen.

Die Chroniken von Gor 26 - Die Zeugin

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