Читать книгу Die Chroniken von Gor 26 - Die Zeugin - John Norman - Страница 14

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Was aber, wenn ich mit ihnen um die Gunst eines Herren buhlen müsste? Dann läge der Fall anders, und jede wäre sich selbst die Nächste.

Plötzlich hörte ich von Weitem, ohne etwas zu sehen, ein Geräusch. Es kam von rechts und klang nach einem Vogel.

Wieder packte ich das Gitter und lehnte mich dagegen, schaute hoch in die entsprechende Richtung, aber es gab nichts zu entdecken.

Zwar hatte ich den Schrei mit einem Vogel in Verbindung gebracht, doch selbst auf die Distanz hin war er mir so unbändig vorgekommen, dass dies eigentlich nicht infrage kam.

Kurz darauf wiederholte sich das Geräusch, dieses Mal deutlich näher.

Abermals drängte ich mich gegen die Öffnung, erkannte aber immer noch nichts außer dem Himmel und den Wolken.

Was verursachte bloß diesen Lärm?

Meine Gedanken schweiften wieder ab zu einigen Männern, denen ich auf der Erde begegnet war. Wie würden sie wohl aussehen, wenn sie statt der hinderlichen, seltsamen Kleider, die ihre Kultur ihnen aufzwang, natürlichere Gewänder anzögen, beispielsweise die Tunika oder, wie ich es manchmal im Haus gesehen hatte, Robe und Mantel verschiedener Art. All diese Stoffe ließen sich im Handumdrehen zur Seite werfen, um den nackten Leib anmutig und verwegen zur Ertüchtigung zu enthüllen, für Rennen, zum Ringkampf oder Baden, vor dem Waffengang oder dem Verkehr mit einer wie mir. Während ich es vollkommen plausibel fand, die Frauen meiner Welt, jedenfalls manche, in Gedankenspielen die Kleider anzuziehen, die ich hier trug, wirkte es irgendwie dumm oder unschicklich, sich die Männer der Erde im Zwirn derer auf Gor vorzustellen. Dies passte einfach nicht zu ihnen. Vielleicht konnten sie sich ordentlich damit herausputzen, aber taten sie dies dann auch aus voller Überzeugung? In Anbetracht dessen, was sie darstellten, waren sie solchen Gewändern meiner Meinung nach nicht würdig, aber möglicherweise tat ich meinen ehemaligen Nachbarn damit Unrecht. Bestimmt gab es auch auf der Erde irgendwo echte Männer. Der Hauptunterschied war wohl nicht biologisch, sondern eher kulturell bedingt. Im Pferch etwa hatte ich einen Trunk zu mir nehmen müssen, der zur Verhütung diente, soweit ich wusste. Dies lässt darauf schließen, dass die einheimischen Männer zeugungsfähig sind, wenn sie Frauen von der Erde besteigen, also gehören wir trotz erheblicher Diskrepanzen faktisch derselben Spezies an. Den entscheidenden Faktor im Vergleich zwischen den Männern von hier, die so selbstbewusst und kühn, ungezwungen, stark und frei sind, sowie jenen aus meiner Heimat, die so wenig mit den hiesigen gemein haben, muss man deswegen vorwiegend der jeweils anderen gesellschaftlichen Anpassung zuordnen. Auf der Erde fürchtet man die Natur, sperrt sich dagegen und nimmt sie nur verzerrt wahr. Dort ist die Zivilisation der Feind der Natur. Hier akzeptiert man sie indes und hält sie in Ehren. Sie wird weder geleugnet noch verfremdet dargestellt. Zivilisation und Natur stehen auf Gor im Einklang miteinander. Hier obliegt es den Menschen nicht, das Natürliche herabzuwürdigen, zu verdammen und zu bekämpfen, was pathologische Folgen nach sich zieht; er ergänzt sie vielmehr und drückt sie in ihrer ganzen Reichhaltigkeit und Vielfalt über sich selbst aus, macht sie noch erhabener und stattet sie mit den Errungenschaften von Brauchtum, Sitte und Organisation aus.

Jetzt vernahm ich das Geräusch wieder, dieses Mal noch näher und unheimlich anzuhören. Es kam von rechts, und der Verursacher war bestenfalls noch hundert Yards entfernt. Es war ein schreckliches Krächzen oder Kreischen, als handle es sich um einen Vogel. Ich war so entsetzt, dass ich augenblicklich erstarrte. So stand ich nun am Gitter und war außerstande, mich zu rühren. Ich hielt vor Angst schlagartig den Atem an. Meine Hände verkrampften sich am Metall. Von rechts nach links flog nun ein paar Yards über der Höhe, auf der sich der Vorsprung erstreckte, im Abstand von rund siebzig Yards eine riesenhafte Kreatur, die einem Habicht ähnelte. Ein monströser, titanischer Vogel mit unfassbaren Körpermaßen. Die Spanne seiner Schwingen mochte gut vierzig Fuß betragen! Etwas so Schreckliches, wie die Größe, Geschwindigkeit, Wildheit und Kraft lässt sich kaum vermitteln ... die Gräuel und die eindeutig raubtierartigen Absichten dieses Wesens. Was ich aber am wenigsten fassen konnte, offenbarte sich in den wenigen Augenblicken, als es durch mein Sichtfeld huschte: Dieses Untier trug Zaumzeug und einen Sattel, in dem eine Gestalt mit Helm saß – ein Mann! Ich fiel fast in Ohnmacht hinter den Gittern.

Nun konnte ich froh sein, dass sie mich vor der Außenwelt trennten.

Der Mann, der das geflügelte Monster ritt, hatte nicht zum Berg, dem Vorsprung oder meiner Zelle geschaut.

Was hier lag, schien ihn gar nicht zu bekümmern.

Klar, welche wichtigen Dinge, die es wert waren, dass man sie beachtete, sollte es hier schon geben?

Ich klammerte mich an das Portal, ansonsten wäre ich in Ohnmacht gefallen.

Solche Männer lebten hier!

Mir wurde schwindelig.

Männer, die solche Geschöpfe beherrschten!

Ich taumelte rückwärts und legte die Finger um meinen Hals. Eigentlich musste ich eine Fessel tragen, aber da war nichts! Ängstlich zog ich noch einmal den Saum meines knappen Kleides nach unten. Ich wollte mich jetzt gründlicher bedecken, warum auch immer, doch diese Mühen waren angesichts der Kürze des Stoffes logischerweise zwecklos. Durch die Tunika befühlte ich mein Brandzeichen. Die leichte Einbuchtung war weiterhin spürbar und identifizierte mich vor jedermann als Sklavin, der sich mit solchen Angelegenheiten auskannte. Schließlich berührte ich meinen Hals erneut mit den Fingerspitzen. Er war nackt, aber bestimmt nicht mehr lange an einem Ort wie diesem, wo es solche Männer gab. Auf einmal ergaben einige Erinnerungsschnipsel, die ich von der Reise hierher bewahrt hatte, mehr Sinn. Vor einiger Zeit war ich an Händen und Füßen gefesselt, in eine Decke gewickelt und vermutlich in einem Korb angeschnallt worden, dann hatte ich das Gefühl, durch die Luft getragen zu werden, Flügelschläge zu hören, und markante Schreie, die nun, da ich es mit eigenen Augen sah, nur von einem solchen Biest, einem Transportmittel, stammen konnten.

Der Riesenvogel versetzte mich in einen Schockzustand.

Hier durften mich Männer zu ihrem Eigentum machen – hier, wo es solche Wesen gab und Menschen, die damit herumflogen.

Ich fürchtete mich, denn ich wollte nicht an ein solches Tier verfüttert werden.

Andererseits war es eher unwahrscheinlich, dass ich dazu gekauft und hergebracht worden war, zumal augenscheinlich von sehr weit weg.

Wie sollte ich mir aber nun erklären, dass ich, seltsamer- und unerklärlicherweise sexuell erregt war?

Ich kehrte zur Öffnung zurück und hielt mich abermals an den Stäben fest.

Meine Freundinnen kamen mir wieder in den Sinn. Ob sie manchmal auch noch an mich dachten? Fragten sie sich gelegentlich nicht auch, was aus mir geworden sei? Ich wusste, ich war nicht mehr dieselbe wie früher, sondern gänzlich anders. Was würden sie davon halten, mich jetzt so zu sehen, in diesem Fetzen und an einem solchen Ort gefangen, mehr noch: als Tier und Eigentum eines Mannes hinter Gittern? Sie kämen wohl nie darauf, dass ich nun nichts mehr mit ihrer einstigen Bekannten zu tun hatte, sondern dass ich mich drastisch abhob, von einer Halsfessel abhing und gebrandmarkt war. Konnten sie fassen, dass ihre Freundin nun folgen, dienen und Lust spenden musste? Nein, vermutlich begriffen sie so etwas nicht, während ich es nur allzu gut tat. Ich fand es ungemein erregend hier zu sein, auch und gerade als Sklavin.

Ich hatte den Riesenvogel in seiner prachtvollen Urgewalt und Rohheit gesehen, ebenso seinen Reiter, dem ich nicht aufgefallen war, weil er die Zelle nicht beachtete. Wie exotisch mutete diese Welt an! Sie war so schön, so aufregend und spannend, vor allem aber extrem anders. Und ich befand mich als Unfreie in ihr. Zitternd schmiegte ich mich ans Gitter und spekulierte noch einmal darüber, ob meine Freundinnen nicht doch etwas von dem verstehen würden, was eine Frau wie mich auf einem solchen Planeten ausmachte. Jetzt erschien es mir nicht mehr gänzlich ausgeschlossen, immerhin waren auch sie weiblich.

Ausgehend davon kam ich darauf, wie es wohl sei, zum Konkurrenzkampf mit ihnen anzutreten. Dessen würdig waren sie zweifellos alle. Was, wenn es auch sie hierher verschlug? Dann mussten wir einander wohl unverhofft als Gegenspielerinnen betrachten. Ja, bestimmt. Jede würde sich bemühen, die Beste und Gefälligste zu sein. Gemeinsam und doch allein in Seide mit Halsreif hinter Schloss und Riegel unserer lauschigen Quartiere, blieben wir möglicherweise befreundet, schwatzten, tratschten und tauschten private Geheimnisse aus. Bloß vor den Männern würden wir nicht anders können, als wie Sklavinnen zu streiten. Was würde sich hinterher ändern, sobald wir wieder unter uns waren?

»Er mag mich lieber!«, »Nein, tut er nicht!«, »Hast du gesehen, wie er mich angeschaut hat?«, »Nichts mitbekommen.«, »Ich will diesen Seidenschal!«, »Nein, den darf nur ich anziehen!«, »Oh, du hast beim Bedienen wunderbar ausgesehen auf Knien!«, »Ich tat, was ich musste.«, »Nein!«, »Doch!«, »Sklavenfleisch, du!«, »Kettenmädchen!«, »Sklavin, Sklavin!«, »Ich bin diejenige, die das Tanzen lernen soll!«, »Aber nur wie eine Sklavin!«, »Natürlich, Dummkopf. Was denkst du, sind wir sonst?«, »Vorgestern hat der Herr nur mich auf seine Felle bestellt.«, »Gestern aber nicht!«, »Da war der Herr abgelenkt.«, »Eigentlich sollen wir ihn ablenken!«, »Ich kann das am besten!«, »Bemühe dich oder du wirst ausgepeitscht, Sklavin.«

Da dämmerte mir, dass es an diesem Ort noch andere Mädchen wie mich geben musste. Ich konnte nicht die einzige Frau hier sein. Im Pferch waren wir insgesamt zehn Gruppen zu jeweils sechzig Mädchen gewesen, die einem Peitschenmeister unterstanden. Manchmal lernten die Gruppen gemeinsam, dann wieder unabhängig voneinander unter der Ägide unterschiedlicher Ausbilder, die kamen und gingen, um sich schlugen und verschiedene Benimmregeln einführten. Einige wiesen uns in Spezialfächer oder Ähnliches ein. Wir alle waren von der Erde gekommen. Sobald wir begannen, die neue Sprache zu lernen, konnten wir uns, falls erlaubt, auch verständigen. Man erfuhr viel über seine Leidensgenossinnen, zumal sich fünf von uns in der Muttersprache Englisch mitteilten und viele es als zweite oder dritte Fremdsprache verstanden. An der Kette im Korridor waren wir allerdings schon früh während der Lehre getrennt worden. Neben mir stammte noch eine der fünf Muttersprachlerinnen aus Amerika, zwei weitere aus England und eine aus Australien. Ferner hörte man Französisch, Deutsch, Niederländisch, Italienisch, Griechisch, Spanisch, Mandarin, Kantonesisch und Japanisch. Der überwiegende Teil der Eingepferchten, einer insgesamt großen Zahl, setzte sich aus Einheimischen zusammen. Wir Erdenmädchen bildeten folglich eine verschwindende Minderheit und fanden jene von dieser Welt anhand dessen, was wir von ihnen erhaschten, fast unwirklich schön. Trotzdem glaubten wir nicht, weniger wert zu sein als sie, besonders je länger die Ausbildung dauerte. In ihrem Zuge wird man natürlich selbst ansehnlicher, nicht nur weil man lernt, sich richtig zu bewegen oder generell auf sein Äußeres zu achten. Nein, meiner Einschätzung nach gibt es etwas Entscheidenderes: Findet man sich allmählich in seiner angemessenen Rolle innerhalb der natürlichen Ordnung zurecht, da Stress und Verwirrung nachlassen, findet man gleichzeitig zusehends zu sich selbst, dringt Schritt für Schritt bis zum wahren Kern vor. Schönheit kommt von innen, wie schon das Sprichwort sagt. Unter unseren Ausbildern befanden sich sogar Mädchen von Gor, ebenfalls Sklavinnen. Sie trugen auch einen Halsreif und unterstanden den gleichen Regeln. Der Unterricht war abwechslungsreich gestaltet und brachte uns unter anderem die Hauswirtschaft nahe. Wie man Brot backt, das Nähen oder Wäschewaschen. Zu anderen Gelegenheiten fühlten sich zumindest die Frauen von der Westhalbkugel vor den Kopf gestoßen, zum Beispiel wenn es darum ging, wie man Männer richtig badete – eines der ersten Lernelemente – oder geschickt züngelte. Letzteres erweist sich als besonders nützlich, wenn man die Hände am Rücken verschränken muss. Ich erwähne dies alles aber in erster Linie um deutlich zu machen, wie viele wir im Pferch gewesen waren. Neuankömmlinge, naiv und unwissend, krümmten sich furchtsam in ihren Ketten, wie wir es ebenfalls zu Beginn getan hatten, und bereits besser ausgebildete Mädchen verschwanden, sehr wahrscheinlich in andere Kerker, wo sie auf ihre Zurschaustellung und Veräußerung warten mochten. Den neuen Mädchen gegenüber fühlten wir uns himmelweit überlegen, hatten aber stets die Furcht davor im Hinterkopf, wie es uns selbst ergehen würde, sobald wir wie alle Fortgeschrittenen aus der behüteten Umgebung des Pferchs entfernt wurden. Welches Schicksal in dieser fremden, ungewohnten Welt auf uns wartete, konnten wir uns kaum ausmalen.

Nein, ich konnte nicht die einzige sein, vielmehr musste es unzählige Frauen wie mich hier geben. Meinesgleichen fielen auf diesem Planeten eine feste Rolle und ein bestimmter Platz zu. Dass Erdenbewohner jedoch stärker vertreten waren, nahm ich nicht an, wenngleich wir weniger selten auftauchten, als es vormals der Fall gewesen sein mochte. Wir hatten mitbekommen, dass uns einige Männer sogar bevorzugten. Im Laufe der Jahre hatte sich ein Markt für uns aufgetan, wenn auch im überschaubaren Umfang. Unsere Vorgängerinnen hier hatten bewiesen, dass wir Reize besaßen – und zwar beträchtliche, wie man hörte.

Wie gesagt, konnte man nicht alle Frauen hier über einen Kamm scheren. Ich erwähnte bereits zwei spezielle Frauen, die mit Führer und unter Bewachung, die sauberen und eher vorzeigbaren Teile des Pferchs besichtigten. Allem Anschein nach handelte es sich um gern gesehene Gäste. Sie waren prunkvoll gekleidet und sogar verschleiert. Gut möglich, dass sie als Teilhaber des Unternehmens fungierten, aber sicher war ich mir nicht, denn über so etwas hielt man sich uns gegenüber bedeckt. Wir mussten uns ausgestreckt vor ihnen auf den Bauch legen, nackt bis auf die Halsfessel. Für sie waren wir nichtiger als Unrat; Tiere oder verabscheuungswürdiges Gezücht, jeglicher Beachtung vonseiten solch erhabener Menschen unwürdig. Ich weiß noch genau, als eine an mir vorbeiging und ich den majestätischen, wirbelnden Saum ihrer schillernden Robe sah, und ich mich fragte, ob sich der darunter verborgene Knöchel nicht blendend in Sklavenstahl fügen würde. Eine solche Fessel stand ihr bestimmt gut, wieso auch nicht? Immerhin war auch sie eine Frau. Nachdem sie fort war, traute ich mich wieder hinzusehen. Ich hob den Kopf ein Stück weit vom feuchten Stein und schaute den beiden nach. Sie trugen gleich mehrere Schleier, und ihre Opulenz, ihr erschöpfend prunkvolles Ornat wirkte reichlich umständlich. Wie perfektionistisch, wie vermessen und arrogant sie waren! Hoben sie sich so deutlich von uns ab? Ich war geneigt, dies zu bestreiten. Man brauchte sie bloß entkleiden, was ich mir in meiner Verärgerung ausmalte, und zum Niederknien zwingen, ihnen eine Halsfessel anlegen und den einen oder anderen Peitschenhieb versetzen. Dann, so glaubte ich, würden sie genauso zügig wie ich Folge leisten und sich verzweifelt anbiedern. Verstanden sie nicht, dass Männer von Natur aus unsere Herren waren und für sie wie für uns entscheiden konnten, ob wir Ketten und Halsreif trugen?

Rechtlich jedoch und gesellschaftlich, institutionell und kulturell waren wir wirklich nicht wie sie. Zwischen uns klaffte ein weiter Abgrund.

Ich will kurz weiter auf das Duo eingehen und erzählen, was geschah, als sich eine von ihnen umdrehte, um sich mit mir anzulegen. Sie hatte wohl gesehen oder gespürt, dass ich es wagte, den Kopf zu heben und ihnen nachzuschauen. Eventuell glaubte sie, meine Gedanken lesen zu können, und fand sie ungebührlich für eine Sklavin. Letztlich konnte sie aber, kaum wahrnehmbar im Vorbeigehen, einfach nur irgendetwas entdeckt haben, was ihr an mir nicht passte. Vielleicht war ich so neugierig sie zu sehen, weil ich auf diesem Planeten noch keiner Freien begegnet war, dass ich überstürzt einen Haltungsfehler machte, mich etwa im falschen Winkel krümmte, die Handrücken nicht sachgemäß neben mir auf dem Stein ruhen ließ oder die Stirn nicht auf den Boden drückte. Es konnte sich letzten Endes auch um eine Eigenart ihrerseits handeln, einen stichprobenartigen, taktischen Zug zur Bewertung der Qualität unserer Ausbildung. Ich weiß es nicht und halte es auch für unbedeutend.

Wie dem auch sei, kehrte sie plötzlich zu mir zurück, als ich den Kopf noch nicht wieder hingelegt hatte.

Auf frischer Tat ertappt! Ich sog ruckartig die Luft ein und verfluchte mich selbst, bevor ich die Stirn wieder niederdrückte. Aber es war zu spät: Meine falsche Haltung war aufgeflogen, und mein nassforsches Verhalten augenfällig. Neugierde, so sagt man, geziemt sich nicht für eine Kajira. Dennoch fragte ich mich, wer auf dieser weiten Welt wohl mit mehr Schwung und Ernst nach Wissen strebt und neuen Erfahrungen freudiger entgegensieht als wir. Dies liegt in der Natur der Frau an sich und ist umso normaler für uns, die weiblichsten aller Frauen. Später werden Sie mehr davon erfahren, denn es wirft noch mehr Licht auf die goreanische Gesellschaft.

Natürlich betrafen mich solche Frauen hier nicht. Sie gehörten definitiv in einen eigenen Nimbus, während ich mich auf solche festlegte, die meiner Halsreifweite entsprachen. Mit ebendiesen würde ich wetteifern.

Seltsam, was aus mir geworden war, dachte ich.

Was hätten Sandra, Jean, Priscilla und Sally gedacht, wenn ich in ihrem Beisein so angezogen vor einem Mann gelegen hätte, um Aufgaben zu verrichten? Nun, in meiner Lage hätten sie sich genauso beeilt, den Anforderungen zu entsprechen.

Man musste schließlich immer die Ketten und Peitschen im Hinterkopf behalten.

Angenommen aber, sie ertappten mich so in der sicheren alten Welt, festsitzend in jener tristen Umgebung hinter sprichwörtlichen Mauern – würden sie erschrecken und einen Schock erleiden, sich entrüsten oder grämen? Was, wenn sie bemerkten, wie willig, eifrig und freudig ich all dies machte? Nun, irgendwie mussten sie wohl ein wenig anders reagieren, und sei es auch erst nach kurzer Verzögerung. Nämlich nicht konsterniert oder traurig, sondern, wenn sie ehrlich waren und zunächst einigermaßen beklommen, mit einem verständigen Schaudern, dann unsagbar aufgeregt wegen ihrer Einsicht. Ich konnte mir vorstellen, dass sie meine Freizügigkeit beneideten, das Natürliche, Schöne und die Richtigkeit all dessen. War ihnen all dies wirklich so fremd? So schwer zu verstehen ist es doch gar nicht. Hatten sie sich nicht selbst oftmals an einem solchen Ort gewähnt, wenn auch nur in ihrer Fantasie? Ich sah sie deutlich vor mir, jede Einzelne mit Halsfessel, wie sie sich gegenseitig verstohlene Blicke zuwarfen und dann frohgemut unter sich schauten, ohne sich wieder zu trauen, einander in die Augen zu sehen.

Sie müssen verstehen: Wir haben in unserer Position eben keine andere Wahl. Dass wir uns auf Botengängen und beim Wäschewaschen an einem Fluss oder öffentlichen Becken begegneten, war ebenfalls vorstellbar; würden wir dann nicht über jene diskutieren, die absolute Ansprüche an uns stellten? Tief im Herzen würden mich meine Freunde, so sie Bescheid wüssten, durchaus beneiden wegen meiner Freiheit und Fähigkeiten auf diesem Planeten. Es war nicht weniger als naturgemäß, dass wir solchen Männern gehörten! Kein Wunder, dass sie uns trennten … unsere Gruppe wurde damals aufgelöst, woraufhin keine mehr mit den übrigen zu tun hatte. Für jede stand ein individuelles Schicksal, eine andere Bestimmung in Aussicht. Jede musste sich nun hoffnungsfroh auf einen Mann einlassen, und zwar nicht ein und denselben. Was hatten sie schon gemein, außer dass wir ihnen gehörten und uns zur Gänze in ihrer Gewalt befanden?

Sei es drum: Meine Freundinnen waren nicht hier.

Eigenartig, wie ich mich gewandelt hatte …

Innerlich wusste ich aber, dass ich im Grunde schon immer so gewesen war.

Es wurde dunkel und außerdem kalt, weshalb ich froh um die Decke in meiner Zelle war.

Ich vermisste meine Bekannten. Ich wünschte mir, sie wüssten um meine Freiheit und mein Glück, obwohl ich auch hier natürlich nicht vor Schrecken und Gefahren gefeit war. Es lief mir eiskalt den Rücken hinunter, als ich mich des großen Vogels im Flug entsann, in dessen Sattel jener unbekannte Krieger mit Helm gesessen hatte. So ein Mann war bestimmt nicht leicht zufriedenzustellen und verfügte noch dazu gewiss über Peitschen. Die Fülle und Schönheit des Lebens begeisterte mich, und ich fühlte mich hier menschlicher, selbst hinter den Gittern in dieser entlegenen Bergzelle, als ich es jemals auf meinem Heimatplaneten getan hatte.

Ich war übermütig, aufgeregt und quicklebendig!

Ferner fühlte ich mich trotz des Brandzeichens, der Tunika und dieses Verlieses mit seinen Gitterstäben weniger eingeschränkt denn je.

Die anderen Frauen, die hier gefangen sein mussten, wussten bestimmt mehr als ich, nicht nur über diese Welt und ihre Sitten, sondern auch über die Kunst, Männer zu befriedigen. Ich kam gerade erst aus dem Pferch, und die Ausbildung, der Lernprozess geht nie zu Ende, wie man uns zu verstehen gegeben hatte. Zur Perfektion gelangen wir also nie, und die Männer unterscheiden sich erheblich voneinander!

Ich fürchtete die anderen Frauen nicht, denn ich war mir sicher, mithalten zu können.

Im Pferch war ich sehr beliebt gewesen.

Sollten meine Schwestern ruhig neidisch auf mich sein! Während der Lehre hatte ich wahrlich einen Eindruck vom Futterneid erhalten, aber es war mir egal. Wurde ich eben verachtet! Hatten sie mich nicht unterstützt, durften sie auch keine Hilfe von mir erwarten. Behielten sie ihre Geheimnisse für sich, legte auch ich keine offen, es sei denn, wir feilschten und verhandelten darüber. Man sieht, solche Überlegungen sollten Frauen wie wir durchaus anstellen. Mitunter sorgen wir deshalb für Heiterkeit unter den Männern. Was sind sie doch für Tiere!

Auf dieser Welt kam ich nicht umhin, mich unheilbar, unaussprechlich und tiefgehend feminin zu fühlen. Auf Erden war ich mir meines Geschlechts sowie dessen Wichtigkeit, Wunder und Zierde nie so bewusst gewesen. Es war besonders, rühmlich und zart, anders als das maskuline. Zum ersten Mal in meinem Leben, und erst auf diesem Planeten, freute ich mich, eine Frau zu sein. Vergessen nun, dass das grundlegende Faktum meiner Existenz absurder- und fälschlicherweise als irrelevant verdrängt worden war; aufgehoben, der kulturell geprägte Wahnsinn, unechte Identitäten vorzutäuschen. Hier zelebrierte ich mein Anderssein im Vergleich zum Mann und akzeptierte erstmals voller Ausgelassenheit, was ich war.

Ich hielt mich an den Stäben fest.

Oh, die anderen Frauen sollten nur kommen. Ich sagte ihnen den Kampf an – um Sympathien, um Aufmerksamkeit und Geschenke wie die ruppige Liebkosung einer Männerhand oder einen Happen zu essen, den man uns zuwerfen mochte, wenn wir neben einer Tafel angekettet waren wie manchmal während der Ausbildung, als die Wachen geschlemmt hatten. Ich nehme es mit jeder auf! Ich war beliebt! Ich fürchtete niemanden! Dann dachte ich wieder an Sandra, Jean, Priscilla und Sally. Sie waren hübsch, sie würden Geld einbringen, wenn man sie versteigern würde. Was würde passieren, wenn wir uns im selben Haus wiedertrafen? Ich malte es mir aus, wie ich es schon einmal getan hatte.

Wir wären allesamt Sklavinnen. In einer solchen Lage, in Seidengewändern mit Eisenhalsreif und dergleichen würden wir uns schnell anfeinden, selbst wir, die einst miteinander befreundet gewesen waren. Zuvor hatte es ja keinen Mann gegeben, der Zwietracht säen, oder Keile zwischen uns treiben konnte, doch hier war dies der Fall, und der betreffende Mann gehörte wohl der Sorte an, die typisch für Gor war! Dann würden zwischen uns die Fetzen fliegen! Jede von uns würde sich darum bemühen, sein Liebling zu werden. Wir würden um seine Aufmerksamkeit heischen, Berührungen einfordern und uns an den Fuß seines Bettes ketten lassen! Wie eifersüchtig und wütend wir aufeinander werden mussten! Ja, bald hassten wir uns vielleicht sogar! Beklommen und wachsam mochten wir auf Knien warten, bis man einer von uns für die Nacht einen Ring anlegte und sie in die Quartiere des Rechtsinhabers schickte. Daraufhin konnten wir uns nur zornig auf unseren Matten unter den Decken wälzen und auf eine benachbarte Bettstatt schauen, die leer war.

Dass ich mit meinen Freundinnen konkurrieren musste, war aber nicht zu erwarten, worüber ich froh war, da sie auf dieser Welt entsprechend angelernt sein würden, also auch ernsthafte Gegnerinnen abgaben, hochintelligent und aufs Köstlichste verlockend. Höchstwahrscheinlich kam ich nie dazu, mich gegen Frauen aus meiner früheren Heimat behaupten zu müssen. Es gab bestimmt keine weiteren mehr, und wenn, dann nicht viele. Mit großer Sicherheit würde ich hier mit Einheimischen hadern.

Es war nun fast ganz dunkel.

Ja, mit Frauen von diesem Planeten sollte ich wetteifern, und zwar nach Kräften, so viel stand fest. Ich hatte eine Ausbildung genossen und die Wachen verführt, ausgenommen den Mann, dessen Peitsche ich geküsst, den ich besonders ehrgeizig gebauchpinselt hatte, sogar bis zu dem Punkt, dass es mir Kummer bereitete.

Ich fürchtete die Unfreien auf diesem Planeten keineswegs.

Sie sollten ruhig erfahren, was eine Unfreie von der Erde vermochte!

Völlig furchtlos war ich allerdings nicht. Falls mich die anderen Frauen nicht mochten und schlecht behandelten oder wenn sie mir nicht halfen: Konnte mein Leben dann am Pranger stehen? Was, wenn sie Lügen über mich verbreiteten, etwa indem sie den Männern erzählten, ich hätte Gebäck entwendet oder etwas in dieser Art? Ich wollte nicht gezüchtigt und schon gar nicht umgebracht werden. Sollte ich also vorgeben, ihre Freundin zu sein? Dies war wohl sicherer. Die Männer umwerben, konnte ich dann ja auf verstohlene Weise. Würden die anderen Verdacht schöpfen? Bestimmt, denn sie waren nicht anders gestrickt als ich, und außerdem entging ihnen gewiss nicht, wie die Herren auf mich reagierten. Falls ich berechtigten Anlass zur Klage gab, weil ich nicht jederzeit befriedigte, auch wenn die anderen Frauen zugegen waren, was dann? Wiederum liefe ich Gefahr, geschlagen oder erschlagen zu werden.

Oh ja! Einen grausamen Moment lang wusste ich weder ein noch aus.

Dann ging ich in mich: Wer saß letztendlich am längeren Hebel? Die Männer, wer sonst? Und zu welchem Zweck war ich in diese Welt gebracht worden? Welchen Sinn hatte mein Leben jetzt? Ich musste Männern dienen und gefallen! Dafür allein war ich nun da. Die Männer sollten mich vor den Weibsbildern beschützen. Diese wurden nämlich zwangsläufig und erwartbar zu meinen Rivalinnen. Die beste Überlebensstrategie bestand also darin, die Frauen zu ignorieren, sie praktisch zu missachten und mich darauf zu konzentrieren, den Männern einen möglichst klaglosen Dienst zu erweisen. Das Ergebnis mochte dann so oder so ausfallen. Ich durfte mir nicht selbst ein Bein stellen und nichts anderes, als glanzvolle Leistungen erbringen. Ich musste nach Herausragendem streben, zumal ich den Männern ja nicht bloß um meiner Sicherheit willen gefallen wollte, weil ich überleben musste, oder mir eine bessere Behandlung, schmackhaftere Speisen und einen bequemeren Zwinger wünschte. Auch nicht, weil ich eitel war beziehungsweise des Machtgefühls wegen, das ich dann gegenüber meinen Nebenbuhlerinnen empfinden würde. Nein, ich tat es allein deswegen, weil wir Frauen waren und sie Männer. Ich wollte auf diesem Planeten ganz ich selbst sein. Er war der erste Lebensraum, in dem mir dies möglich zu sein schien.

Ich fragte mich: Konnten sich Frauen wie ich, die von der Erde stammten, nicht für viele oder wenigstens ein paar Männer hier als reizvoll herausstellen? Wir kamen aus einer sexuellen Wüstenei her, waren ausgetrocknet und ausgehungert, dass Männer wie diese existierten, hätten wir nicht gedacht. Nie zuvor war uns gestattet worden, unser Selbst nach außen zu kehren.

Ich ließ nicht von den Stäben ab. Die letzten Sonnenstrahlen erstarben langsam.

Schließlich legte ich die Ellenbogen auf eine Querstrebe und ließ meine Unterarme aus dem Portal hängen, dann verschränkte ich sie und schmiegte meine linke Wange an sie.

Nachdem ich zum Schluss all dieser Überlegungen gekommen war, fühlte ich mich verträumt und zuversichtlich.

Jawohl, Grabenkämpfe waren unvermeidbar.

Damit hatte ich keine Probleme. Die anderen sollten sich hüten, denn ich schreckte nicht vor ihnen zurück. Sie hatten keine Chance gegen mich! Ich war exzellent, das wusste ich. Im Pferch hatte ich einen guten Ruf. Jedes Mädchen muss sehen, wo es unterkommt. Darüber hinaus hatte ich dringende, unabweisbare Bedürfnisse, die es zu stillen galt, und letztlich trachtete ich schlicht danach, zu überragen und die Spitze zu bilden!

Es gab nichts, was ich fürchten musste.

Plötzlich brauste von rechts her aus der Dämmerung, so ungestüm, so rasend schnell, mit feurigen Augen in einem riesigen, dreieckigen Schädel von vielleicht zwei Fuß Breite dieses Ding auf das Gitter zu. Ein abscheuliches Knirschen ertönte, es stieß dagegen, kratzte daran, ich sprang zurück und schrie. Es biss nach den Stäben, seine weißen Fänge schabten am Metall, die pickende Schnauze stieß ein Fauchen aus, aber es kam nicht hindurch. Immer wieder ertönte das Grollen. Ich fiel rückwärts, drehte mich dabei um und kreischte auf. Panik ergriff mich, auf Händen und Knien sah ich es, lang und gedrungen wie ein gigantisches Pelzknäuel gleich einer Schlange oder Echse. Das Ding hatte sechs Beine, schob die Schnauze unter die ebenerdige Querstrebe des Portals und versuchte es aufzustemmen, um mich zu holen. Ich brüllte!

Mir war es nicht gelungen, das Gitter nur einen Zoll weit anzuheben.

Das Maul an diesem schrecklichen Dreieckskopf, der am Halsansatz etwa zwei Fuß breit war, drückte die Stäbe drei bis vier Zoll hoch, bevor sie gegen einen Riegel, eine Stange oder einen Haltehebel stießen. Das Ding schaffte es nicht, darunter hindurchzukommen, aber auch für mich war der Spalt zu schmal. Wütend rammte es das Gitter mit der Schnauze und ließ die Höhle hinter mir mit Wellen seines erzürnten Gebrülls beben. Ich legte mich auf den Bauch und hielt mir die Ohren zu. Ich erschauderte. Das Portal knarrte, als sich das Untier mit seinem gesamten Gewicht dagegen warf. Ich weinte, während die ganze Zelle unter dem Zorn der Kreatur erzitterte. Sie kam nicht durch. Als es ruhig wurde, nahm ich die Hände vom Kopf und öffnete die Augen. Das Tier war verschwunden!

Ich hatte meine Motorik nicht mehr unter Kontrolle und zitterte reflexartig. Selbst wenn ich gewollt hätte, wäre ich nicht auf die Beine gekommen. So etwas hatte ich noch nie zuvor gesehen, und es war bereits im Dunkeln schlimm genug, obwohl ich kaum etwas davon erkannt hatte. Es wirkte wie ein dunkler, übergroßer und wutentbrannter Schatten, der nach mir trachtete. Ich fing an zu schluchzen. Die Gitterstäbe hatten standgehalten! Vorerst war ich nicht in der Lage, mich ihnen zu nähern. Man hätte wohl Taue oder Ketten zur Hilfe nehmen müssen, um mich dorthin zu bewegen, vielleicht auch das Fingerschnippen eines Rechtehalters. Egal, das Portal hatte es überstanden! Ich hätte ihm glatt persönlich danken können. Bald war ich wieder weitestgehend gefasst und erhob mich, unstet schwankend, auf alle viere. Vorsichtig kroch ich zum Gitter, achtete aber darauf, Abstand zu wahren. Dann schaute ich in beide Richtungen, entdeckte aber keine Spur des Monstrums.

Dabei hatte ich doch geglaubt, es gäbe nichts zu befürchten.

Immer noch unfähig zu laufen, krabbelte ich auf Händen und Knien zurück in den hinteren Teil des Gewölbes.

Das Portal hatte gehalten!

Es war längst finster, und ich fror. In der Zelle war es frisch geworden, wie es in diesen Gefilden sicherlich üblich war, selbst in Sommernächten. Ich nahm die Decke zur Hand und wickelte mich ein. Zuletzt kniete ich nur da und starrte auf das Gitter.

Die Decke begünstigte, dass mich ein herumschnüffelndes Tier schnell entdecken konnte, das war mir bewusst.

Welche andere Möglichkeit blieb mir denn?

Ich musste mich zudecken, es war kalt. Nein, Alternativen gab es nicht und ich wollte nicht erfrieren.

In dem Korb damals war ich mit einer anderen Decke ausgestattet worden, aber die lag nun, weiß der Teufel wo. Hoffentlich hatte man sie zwischenzeitlich für andere Mädchen verwendet. Bestimmt durchdrang mein Geruch diese Zelle ohnehin, nachdem ich darin gelegen und herumgegangen war. Auf diesem Planeten durfte ich kein Schuhwerk tragen, weil es hieß, dies sei Verschwendung bei Tieren. Zudem meint man, dies erleichtere unser Verständnis dafür, dass wir eben Tiere sind, und zugleich hebt es uns praktischerweise von unseren Gegenpolen ab, den freien Frauen. Am Ende lassen wir uns aber vor allem einfacher verfolgen, wenn wir barfuß sind, da wir Spuren hinterlassen, egal wo wir auftreten, vor allem Fettoder Feuchtigkeitsflecke vom Einreiben unserer Fußsohlen.

Mir war nicht nur kalt, sondern ich hatte auch Angst, und die Decke verhieß einen gewissen Schutz, Geborgenheit, Wärme und Sicherheit.

All dies ist einem Mädchen lieb und teuer.

Mit meiner Kleidung, falls man sie als solche bezeichnen wollte, war ich gezwungen, die Decke zu verwenden. Das hatten diejenigen, durch deren Hand ich in diese Zelle gelangt war, zweifelsfrei mit einkalkuliert. Wie souverän wir kontrolliert und abgefertigt werden! Mein Geruch blieb in den dunklen Falten des dicken Stoffes erhalten, aber ich musste mich nichtsdestoweniger in ihn hüllen. Es gab keinen anderen Weg.

Ich brauchte die Decke, denn ich wollte nicht frieren.

Ich wurde gleichgültig. An Flucht dachte ich überhaupt nicht. Wohin konnte man sich auf dieser Welt auch schon zurückziehen?

Später sollte ich endgültig begreifen, was ich bis dahin nur ahnte, nämlich dass es für meinesgleichen hier kein Entrinnen gibt. Wir sind und bleiben Sklavinnen, bis unser Herr das Gegenteil proklamiert, doch auf diesem Planeten geht ein geflügeltes Wort um, wonach nur ein Narr eine Sklavin freilässt. Ich bin geneigt, dem zuzustimmen. Wer das Glück hat, eine Leibeigene zu halten, sollte sich nicht anderweitig orientieren. Dies hat natürlich nichts damit zu tun, dass der Herr uns verkaufen oder tauschen kann.

Ich dachte wieder an das Monster, welches an dem Gitter gerüttelt hatte. Ein Säugetier wie dieses, vorausgesetzt es war eins, kannte ich bisher nicht. Es hatte einen langen kräftigen Körper, schauerlich anzusehen. Sein Gewicht schätzte ich auf fünfzehnhundert Pfund, und es hatte sechs Beine, das hätte ich schwören können.

Kaum zu fassen, dass so etwas existierte.

Mein Fehler bestand wohl darin, dass ich Teile meines Körpers – Ellenbogen und Unterarme – aus dem Portal gestreckt hatte. Ja, das war es, was ich falsch gemacht hatte. Es bestand Grund zu der Annahme, dass ich in meiner Zelle in diesem Felsen nicht allein war. Auf verschiedenen Pfaden mochte man einhundert solcher Löcher im Berg erreichen, und ganz gewiss waren manche davon auch besetzt. Allerdings hatte ich nicht gehört, dass dieses Tier an anderen Eingängen gewütet oder sonst jemanden angegriffen hatte.

Woher wusste ich, dass es nicht bloß Bergwild war, das es auf der Pirsch an diesen Vorsprung verschlagen hatte?

Mehrere Gründe sprachen dagegen, doch es gab auch ein stichhaltiges Argument zur Bestätigung. Ging ich recht in der Annahme, es sei auf der Jagd gewesen, musste das Sims zu seinem Revier gehören, und dann hätte es mittlerweile wissen müssen, dass es die Stäbe nicht überwinden konnte. Stattdessen hätte es sie beschnuppert und höchstens daran gerüttelt, um zu prüfen, ob sie gesichert waren, doch seine Aufregung und sein Zorn passten nicht dazu. Zweitens mussten sich Menschen in dieser Gegend aufhalten, wenigstens zeitweilig, Menschen mit Waffen oder besser gesagt Jäger. Einem solchen Tier würden sie nicht gestatten, dieses Gebiet regelmäßig ungehindert zu durchqueren, sondern es vielmehr vertreiben oder erlegen.

Dass es sich nicht bloß um ein Wildtier handelte, das hungrig auf Nahrungssuche zum Vorsprung gestreift war, klang folgerichtig, solange man jene eine Kleinigkeit außen vorließ, die ich angedeutet habe.

Sie macht alle Hypothesen zunichte: die Tatsache, dass die Kreatur ein Halsband trug. Dieses war mindestens einen Fußbreit, mit einem herabhängenden Ring und Stacheln versehen. Er diente wohl zum Schutz gegen Artgenossen und andere Tiere. Dass es nach Einbruch der Dunkelheit eingetroffen war, ließ an eine Art Wachhund denken, der bei Nacht auf dem Vorsprung umherging. Mich grauste es bei dem Gedanken daran, was dieses Ding mit einer wie mir anstellte, wenn es sie im Finsteren vor einer Zelle fand. Davon, auch nur ein Körperteil durch das Gitter zu stecken, war also dringend abzuraten. Bestimmt hatte ebendies die Attacke des Geschöpfes heraufbeschworen.

Und ich war so dumm zu glauben, es gäbe nichts zu befürchten.

Doch, Wesen wie dieses!

Bestimmt konnte man sie auf unsereins abrichten, damit sie uns rissen und einfingen. Ich ahnte, dass sie unermüdliche, tüchtige und hartnäckige Jäger waren.

Durfte jemand wie ich da noch hoffen davonzukommen?

Nicht genug, dass ich dürftig angezogen war und gebrandmarkt, nicht zu vergessen die Aussicht auf eine neue Halsfessel!

Die Decke um meine Schultern hatte den Geruch zweifellos bereits aufgenommen, genauso wie die andere, in die ich zum Transport eingewickelt gewesen war. Die Zelle an sich musste nach mir riechen!

Ich schluchzte wieder.

Mein Gedanke schweifte wieder zu dem Tier zurück.

Vielleicht halfen sie hier dabei, die Ordnung zu wahren.

Ich wollte nicht an eines verfüttert werden!

Warum aber hätte man ein solches Geheimnis aus meiner Überführung machen und eine so weite Strecke zurückgelegen sollen, nur um mich dann einer Kreatur wie dieser zum Fraß vorzuwerfen, jenem Raubvogel, der wie ein gigantischer Habicht aussah? Nein, das wäre völlig widersinnig. Zu diesem Zweck hätte man mich nicht geschätzt und gekauft – aber weshalb hatte man es eigentlich getan? Ich glaubte nicht, dass dem die übliche Motivation zugrunde lag, wie es bei Auktionskäufen, beim Schachern und Tauschen der Fall war. Meine Käufer hatten konkrete Ansprüche gestellt, denen man in ihrer Gesamtheit – nebenbei bemerkt – nur schwerlich genügen konnte, da sich selten ein einzelnes Handelsgut anbot, das alle Anforderungen dieser Art auf einen Schlag erfüllte. Sie wollten eine Frau von der Erde, die einigermaßen oder noch besser außergewöhnlich begabt im Erlernen von Sprachen war, insbesondere jener des Rechtehalters. Zugleich durfte sie quasi überhaupt nichts von dieser Welt und ihren Bräuchen verstehen. Sie sollte anscheinend nichts wissen von den Städten und Ländern, der Geografie, Geschichte und Politik. Konkret suchten sie wohl eine, die eigentlich noch nie aus dem Pferch gekommen war.

Ich tastete mich durch die Zelle und stieß mit dem Finger an den Rand der niedrigen Schale. Ich wusste nicht, ob ich zu jener Zeit, an jenem Ort meine Hände zur Nahrungsaufnahme benutzen durfte oder nicht. Manchmal hatte man es uns im Pferch erlaubt, ein anderes Mal war es uns versagt. Nun war mir nicht klar, was ich machen sollte. Man tut generell gut daran, nicht allzu optimistisch zu mutmaßen, man sei zu etwas berechtigt, obwohl es gar nicht stimmen mag. Oft hatten meine Schwestern und ich auf dem Bauch liegend oder auf allen vieren gegessen und getrunken. Bisweilen musste man knien und das Gesicht in einen Futtertrog stecken, während die Hände in Eisen am Rücken ruhten. Mitunter, wenn wir unter den Tafeln feiernder Wärter angekettet waren und Happen zugeworfen bekamen, durften wir diese mit den Händen aufheben, aber nicht kategorisch. Häufig musste ich mich weinend von der Hand eines Mannes füttern lassen, während ich meine Wange an sein Knie presste, oft hob ich Krumen, die heruntergefallen waren, mit den Zähnen auf. Jetzt war ich mir ungewiss, also legte ich mich auf den Bauch und trank aus der Schale, indem ich mit der Zunge schleckte. Unter Berücksichtigung dessen, was ich war, schien mir dies die sicherste Wahl zu sein. Das Wasser war abgestanden und kalt. Wie lange es dort in dem Gefäß gestanden hatte, konnte ich nicht wissen. Den Brei und das Brot verzehrte ich auf ähnliche Weise, wohingegen ich das geschnittene Trockenobst für später aufsparen wollte. Dabei befürchtete ich nicht so sehr, dass man mich beobachtete oder Fett und andere Essensreste an meinen Fingern entdeckte, ja nicht einmal die Gefahr, später deswegen belangt zu werden, nachdem man meine Reaktion, meinen Gesichtsausdruck und meine Körperhaltung, anhand feinster Nuancen und Bewegungen gedeutet und ermittelt hatte, ob ich log oder nicht. Nein, eigentlich war der Grund ein schlichter: Ich konnte einfach nicht sichergehen, dass ich die Erlaubnis zum Essen mit den Händen hatte.

Es genügt, dass solche wie ich, diese Logik verstehen, andere tun es nicht.

Wer bereits den Gesetzen unterworfen war, begreift es, andere nicht.

Schließlich, nachdem ich auf dem Bauch ausgestreckt gegessen und getrunken hatte, ließ ich das Trockenobst für später liegen und kuschelte mich kniend in die Decke.

Es war jetzt noch kälter in der Zelle. Wie gut, dass ich die Decke hatte.

Ich realisierte, dass man sie mir jederzeit wegnehmen konnte, und hoffte, dies bliebe mir erspart. Ich wollte nicht in der Kälte auf dem Steinboden liegen, die Knie anziehen und die Arme um meinen Oberkörper schlingen müssen, weil ich nur mit der Tunika am Leib zitterte. Und die konnte man mir ebenfalls wegnehmen.

Was würde mit mir passieren? Was sollte ich tun?

Ich wusste es nicht, ich war davon ausgegangen, es gebe nichts zu befürchten.

Falsch gedacht.

Ich tastete im Dunkeln herum und stieß gegen die nächste Felswand mit ihrer körnigen Beschaffenheit.

Die Gefäße in meiner Zelle enthielten Nahrung, eines davon auch Wasser. Der größere Behälter, den ich nun links von mir sah, da ich in die Decke gehüllt Richtung Gitter schaute, war für Abfälle gedacht. Bei den Speisen in den kleineren, die beide an den Rändern abgeplatzt waren, handelte es sich wahrscheinlich um Reste aus irgendeiner Küche. Die Essensschale hatte einen Sprung, und der Abfallbehälter bestand aus einem Material, das wie Porzellan aussah. Metallhaltig war keiner der Stoffe, die man für sie verwendet hatte. Nirgendwo in der Zelle stieß ich auf Metall, das ich etwa als Werkzeug zum Graben verwenden konnte. Selbst ein Löffel blieb mir verwehrt, wenngleich mir dieser sowieso nicht geholfen hätte. Was hätte ich damit tun können, als vergeblich am Gestein zu kratzen, hinter dem ich eingeschlossen war? So kniete ich weiter im Dunkeln und drückte die Decke an mich.

Ich wusste weder, wo ich war, noch was man von mir erwartete.

In dieser Zelle war ich machtlos und bestens verwahrt. Unbekannte hatten mich vollständig in ihrer Gewalt.

Es war finster und kalt.

Was wollte man von mir? Nun bekam ich große Angst.

Plötzlich machte mein Körper sein natürliches Bedürfnis geltend, weshalb ich mich der Decke entledigte und umständlich zu dem größten Behälter krabbelte.

Wenige Augenblicke später war ich wieder auf meinen Platz zurückgekehrt.

Ich hatte den Behälter rechtzeitig erreicht. Dies ist stets wichtig, wenn man einer Strafe entgehen will. Ich hatte im Pferch gelernt, wie man solche Vorrichtungen oder andere Arten von Aborten benutzt. Falls keine zur Verfügung standen, musste man warten, oder benutzte, falls erlaubt, die hintere rechte Ecke eines Raumes.

Eine der ersten Lektionen im Pferch besteht darin, dass man sich einprägt, weder Würde noch Privatsphäre zu besitzen. Ich erinnerte mich an den Wachmann, der im Gegensatz zu den anderen, aus irgendeinem Grund, böse zu mir war und mich seine Peitsche küssen ließ. Er pickte mich mehrmals im Zorn heraus, wie es schien, um mich »auszuführen«. Dabei musste ich wiederholt an Abwasserrohren kauern und mich vor ihm erleichtern.

Obwohl ich Sklavin war, schämte ich mich dafür. Es war mir peinlich, es ausgerechnet vor dem tun zu müssen, der mir in dieser harten Welt von allen besonders am Herzen lag, der Gegenstand meiner lüsternsten und hilflos unterwürfigsten Träume war, dessen Peitsche ich meine Lippen aufgedrückt hatte! Weshalb hasste er mich so sehr? Warum zwang er mich, dies zu tun und wieso wünschte er, mich zutiefst zu beschämen, zu erniedrigen? Wollte er so an mich denken, sich so an mich erinnern – als stinkendes, armseliges Tierchen, das sein Geschäft auf Befehl vor ihm erledigte?

Falls man es darf, macht man sich selbst mit den Mitteln sauber, die gerade vorhanden sind, und diese Erlaubnis wird im Zuge hygienischer Erwägungen fast immer oder eigentlich kategorisch erlaubt. In der Zelle tat ich es, wie es vermutlich vorgesehen war, mit Stroh und Wasser. Dies ist relativ üblich, das Stroh steht dann in einem Behälter bereit, und wie man sich wäscht, lernen wir im Übrigen auch. Falls wir dem nicht nachkommen, droht die Peitsche.

Sklavinnen sind nicht mit Freien zu vergleichen. Sie müssen sich möglichst frisch, sauber und attraktiv halten sowie stets ausgeruht sein.

Nun lehnte ich mich mit dem Rücken an die Wand und deckte mich wieder zu.

Der Stoff der Decke war zwar warm, doch darunter fühlte ich mich in der erbärmlichen Tunika sehr nackt. Ich schob die Fingerspitzen der linken Hand unter den Saum der Tunika, bis ich die winzige Markierung spürte; mein Brandzeichen. Ich kam mir sehr zart und sehr verwundbar vor.

Mit einem Ruck drückte ich mich an die Wand und einen Moment lang verschlug es mir den Atem.

Der Schatten, der mich so erschrocken hatte, lauerte wieder an den Stäben. Inmitten der Dunkelheit war er eine noch dichtere Finsternis, und wie er so dastand, roch ich ihn schließlich. Er stank nach einem großen Tier und ich hörte, wie er schnaufte. Dann stieß er mit der Schnauze gegen das Gitter, woraufhin ich ein tiefes, kehliges Grollen wie zur Warnung vernahm. Ich drängte mich noch fester gegen die Wand. Endlich schritt er davon und verschwand wieder. Mein Mund klaffte offen; ich war erschüttert.

Als ich sichergehen konnte, dass er nicht mehr da war, legte ich mich noch einmal vor den Essensbehältern auf den Bauch. Ich schob den Kopf hinein und biss vorsichtig einen Teil von einem Stück Trockenobst ab. Dann kaute ich und genoss es Biss für Biss, Bröckchen für Bröckchen, obwohl es nur eine kleine Menge war. Es dauerte lange, bis ich das erste der drei Stücke gegessen hatte. Mit dem zweiten und dritten ließ ich mir ebenfalls Zeit. Solche Speisen, also geschnittene Früchte, erachten wir als sehr wertvoll. Ich hatte sie bis zuletzt aufgespart. Als ich fertig war, erhob ich mich auf Hände und Knie.

So trocken die Bissen gewesen waren, so gut hatten sie mir geschmeckt.

Ich war dankbar dafür, dass ich sie bekommen hatte.

Dann drehte ich mich auf allen vieren mit der Decke zu den Stäben um.

Fernab heulte etwas. War es der Wind oder ein Tier?

Wieder bekam ich Angst und fühlte mich einsam.

Hoffentlich waren mir die Männer hier gewogen. Ich wollte mein Bestes geben, um sie nicht zu erzürnen. Bestimmt waren sie nett zu mir – sie mussten es sein! Immerhin hatten sie mir Essen gegeben und eine Decke. Dies war der Inbegriff von Gewogenheit. Dass Tiere mich riechen konnten, war so oder so nicht zu vermeiden. Zudem durfte ich die drei Stücke Trockenobst nicht vergessen.

Dann entsann ich mich des großen Vogels und des umherstreifenden Tieres, jenes fürchterlichen Wächters auf dem schmalen Vorsprung.

Mir schwante, die Männer hier würden streng mit meinesgleichen, also mit Sklavinnen, umspringen.

Schließlich legte ich mich hin und schlief ein.

Die Chroniken von Gor 26 - Die Zeugin

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