Читать книгу Die Chroniken von Gor 26 - Die Zeugin - John Norman - Страница 16

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Auf einmal erschrak ich und konnte einen Schrei nicht unterdrücken, als ein Tier brüllte, weil jemand ein Rohr zwischen die Gitter gesteckt hatte und gegen die Stäbe klopfte. Ich hatte nicht hingeschaut und wurde überrascht, weil ich nicht mit dem Lärm gerechnet hatte.

So stolperte ich in den hinteren Teil der Höhle und presste meinen ganzen Körper gegen die Wand, wobei ich die Hände flach gegen den Fels drückte. Es war, als versuchte ich, das Gestein wegzuschieben. Als ich über die Schulter zurückschaute, sah ich nur Schatten.

»Bitte nicht!«, rief ich in meiner Muttersprache, bevor mir frustriert klar wurde, dass ich mir mit diesem Rückfall eine Tracht Prügel einhandeln konnte. Ich sah das Tier gleich vor dem Portal lauern: schwer, groß und lang, den sechsbeinigen Körper niedrig über dem Boden, ein dreieckiger Kopf wie eine Viper. Neben ihm stand ein kräftiger, korpulenter Mann mit einer Halbtunika, breitem Ledergürtel und Armbändern aus dem gleichen Material. Mit der linken Hand hielt er die Kreatur an einer kurzen Leine. Das Metallrohr, mit dem er gegen die Gitterstäbe geschlagen hatte, trug er an einem Schultergurt auf den Rücken. Mit dieser Waffe hätte er jeden Gegner unschädlich machen können. An seinem Gürtel hingen ein Schlüsselbund und eine Peitsche. Das Tier schnüffelte und knurrte und die Schlüssel klingelten, als er sie vom Gürtel zog. Er trat zur Seite, und ging mit einer halben Drehung von mir aus gesehen, rechts ab, wie ich gerade noch erkennen konnte. Da er außer Sichtweite war, hörte ich jetzt nur noch, wie er sich am Portal zu schaffen machte. Anscheinend öffnete er eine Art von Paneel, steckte einen Schlüssel in ein Schloss und drehte ihn um. Der Mechanismus zur Verrieglung war von der Zelle aus nicht zu sehen, da er sich außen und, wie ich vermutete, in einer Nische mit einer Schutzplatte versehen befand. Bis zu einem gewissen Grad war ich mit solchen Konstruktionen vertraut, nachdem ich mehrmals aufgepasst hatte, wenn die Zelle am Morgen geöffnet wurde. Natürlich lag ich dann, weil das Signal des Klangstabes mich warnte, im hinteren Teil der Höhle und streckte alle Gliedmaßen von mir, sodass ich quasi ausgeliefert war. Dieser Mann verlangte dies vorerst noch nicht, also ging ich an der Wand in die Hocke und drehte mich um, damit ich besser sehen konnte. Da kam er abermals vor die Öffnung, und die Schlüssel befanden sich wieder an seinem Gürtel. Er schaute zwischen den Stäben hindurch, wobei sich unsere Blicke eine Sekunde lang begegneten. Ich schaute schnell wieder weg, weil ich es nicht ertragen konnte. Die Leine nahm er jetzt in die rechte Hand, um sich zu bücken und die linke Hand unter das Gitter zu schieben. Mit einer einzigen Bewegung und einem metallischen Kratzen wuchtete er es nach oben. Ich staunte nicht schlecht, denn dazu bedurfte es augenscheinlich großer Kraft, doch er hatte es ohne Mühe vollbracht. Vermutlich war er oder ein anderer von seiner Fasson zuvor mit den Frauen gekommen. Das Tier senkte seinen Kopf und trat rasch, aber vorsichtig, mit kaum mehr als einer Pfote vorwärts. Ich stöhnte; bestimmt war es effektiv abgerichtet worden, und falls nicht, konnte der Mann es hoffentlich festhalten. Sicher konnte ich mir diesbezüglich nicht sein, denn das Tier war deutlich schwerer und größer als er, zumal es über sechs Klauen verfügte. Die Leine konnte doch nicht reißen oder? Es knurrte immer noch. Ich warf seinem Halter – vielleicht auch meinem? – einen machtlos flehenden Blick zu, aber dem Vieh in die Augen zu sehen, wagte ich nicht, aus Angst, so einen Angriff zu provozieren. Es hätte mich glatt in Stücke gerissen oder in zwei Hälften zerbissen.

So sah ich dem vierschrötigen Kerl wiederum nur kurz in die Augen, entsetzt und mit der stummen Bitte, er möge das Monstrum unter Kontrolle halten, bevor ich erneut nach unten schaute. Die Größe und Stärke des Mannes waren für diese Welt nichts Ungewöhnliches, aber noch typischer fand ich seine Miene: Seine Augen zeugten nicht die Spur von Wankelmut oder Verwirrung. Er schien eins mit sich selbst zu sein, entschlossen und geradlinig, von schlichtem Gemüt. Er gehörte nicht in eine Welt, deren Männer durch Betrug und Täuschung, Lügen und doppelzüngige Konditionierung geschröpft und geschwächt wurden. Zumindest was Frauen wie mich betraf, behielten Männer auf diesem Planeten ihre Macht. Sie hatten ihre Virilität und ihre natürliche Dominanz nicht aufgegeben. Sein Blick verhieß Charakterfestigkeit und einen Willen hart wie Stahl, er vermittelte mir unprätentiöse, unverminderte Strenge, die Einfachheit und Gesetzmäßigkeit sowie das kompromisslose und harte Gesetz der Natur.

Ich ging auf die Knie und drückte das Kreuz durch, hielt den Kopf aber gesenkt. Meine Beine spreizte ich möglichst weit.

Ich wollte ihn um eine Redeerlaubnis bitten, zögerte aber. Gern hätte ich auch um Verzeihung dafür gebeten, meine Muttersprache verwendet zu haben, denn schließlich handelte es sich dabei nicht um seine eigene, die ich selbst ebenfalls längst sprechen sollte. Unsere Sprache muss nämlich die gleiche sein, wie die unserer Besitzer.

Das Tier grollte in einem fort, es gab dieses tiefe, brummende Geräusch von sich, während es einen weiteren Schritt auf mich zu machte. Ich blickte auf und beugte mich befangen im Knien nach vorn, um den Boden mit der Stirn zu berühren und die Hände gleichsam flach darauf zu legen, so, wie es üblich ist, wenn man sich demütig zeigt.

Ich zitterte wieder.

»Sieh mich an«, sagte er auf Goreanisch.

Ich gehorchte beklommen, aber sofort, während ich so auf allen vieren vor ihm verharrte. Er war ein Mann wie viele auf dieser Welt, und solche ließ man als Frau nicht lange warten. Dann machte er rasch hintereinander zwei Gesten.

Zuerst zeigte er auf meine linke Schulter, wo sich an einer entsprechend ausgestatteten Tunika für gewöhnlich die Schlaufe zum Entkleiden befand und danach mit ausgestreckten Fingern sowie nach unten gerichtetem Handballen auf den Boden. Schnell zog ich die Tunika über meinen Kopf, um mich auszuziehen, und drehte mich vor ihm um. Zuletzt legte ich mich auf den Bauch und streckte noch einmal sowohl Arme als auch Beine von mir.

So lag ich mehrere Momente lang da und musste mich begutachten lassen.

Als ich spürte, wie mich das Tier mit seiner kalten Schnauze anstieß, grob und neugierig, fing ich an zu schluchzen.

»Nicht bewegen!«

Als hätte ich das tun können!

»Darf ich sprechen? Darf ich sprechen?«, flehte ich.

»Nein«, antwortete er.

Ich wimmerte weiter und sagte nichts mehr.

»Er nimmt nicht deinen Geruch auf«, erklärte er, »sondern ist nur neugierig.«

Ich zitterte, während mich die Kreatur untersuchte, die aus dem Maul stank.

»Später«, fuhr der Mann fort, »sobald du einen Namen hast, wirst du unsere Schoßtiere im Sleengehege kennenlernen.«

Damals verstand ich nicht, was er damit meinte, doch kurz darauf wurde mir alles klar. Unser Name ist insofern wichtig, da er gemeinsam mit bestimmten Zeichen dazu dient, eine Jagd auf uns in die Wege zu leiten und zu lenken.

Dass ich noch keinen Namen trug, war mir natürlich bewusst. Ich hätte aber genauso gut bereits in einem Halsreif stecken können, denn jegliche Zweifel bezüglich meines Standes waren aufgehoben. Mein Brandmal bedeutete dasselbe, wie früher, es blieb absolut relevant.

Nun legte er Hand an mich und ich streckte mich ihm leicht und gefällig entgegen.

»Kajira«, lachte er.

Dies ist, wie erwähnt, eine der Bezeichnungen in der Sprache der Rechtehalter für Frauen wie mich und die bei Weitem gebräuchlichste. Die ersten Worte, die man mir auf diesem Planeten beibrachte, lauteten »La Kajira«, was »Ich bin eine Kajira«, also »Ich bin eine Sklavin« bedeutet.

Er hob die Tunika auf, die ich abgelegt hatte, und faltete sie zu einem kleinen Quadrat.

Da ich nicht sprechen durfte, konnte ich auch nicht um Vergebung dafür bitten, dass ich vorhin in meiner Muttersprache geschrien hatte. Allerdings schien er diesen Ausfall ohnehin überhört zu haben.

Auf jeden Fall versetzte er mir weder Schläge noch Tritte.

Ich nahm an, er wusste bereits, dass ich nicht von Gor stammte, bevor er zu meiner Zelle gekommen war. Mein Missgeschick mochte ihm deshalb relativ unschuldig und verständlich vorkommen, zumal unter solchen Umständen, seines unvermittelten Kommens mit viel Lärm, dem Tier und dergleichen. Später würde ich meinen Schrecken noch mal in der Muttersprache meines Besitzers äußern, sobald ich mir diese zu Eigen gemacht hatte. Die Männer in dieser Welt springen furchtbar streng mit uns um, aber nur wenige sind wirklich grausam. Sie finden Gefallen an den vielfältigen Freuden, intim oder anderweitig, die unser Dienst mit sich bringt und auch an unserer Sorgfalt und Liebe, aber nicht an unserem Kummer und Schmerz. Diese Männer sorgen unter ihren Frauen für perfekte Disziplin, behandeln sie aber im Großen und Ganzen anständig.

Ich spürte, dass seine Augen auf mir ruhten.

»Knie dich hin und sieh mich an.« Hastig befolgte ich seine Anweisung.

Er schob mir die gefaltete Tunika in den Mund, quer zwischen die Zähne und drückte den Stoff weit hinein. Ich wusste, er erwartete nun, dass ich zubiss.

Nachdem ich dies getan hatte, erhob er sich, während ich auf den Knien blieb und ihn anschaute.

»Du bist hübsch.«

Ich dankte ihm wortlos. Wäre ich nicht hübsch, hätte man mich wohl nicht hergebracht. Man tendierte wohl dazu Frauen zu wählen, die einer bestimmten Vorstellung von »hübsch« entsprachen. Diese wurden bevorzugt. Interessanterweise hatte ich mich auf der Erde nie sonderlich attraktiv gefunden, zumindest nicht generell, gerade weil ich der Ansicht war, mein Körper weiche von der statistischen Schönheitsnorm für Frauen ab. Hier hingegen schien man die durchschnittliche Frau, üppig und mit kurvenreicher Figur ausgestattet, höher zu achten als knabenhafte Bohnenstangen. Dies kam mir natürlich gelegen und tat meiner Eitelkeit gut, wenngleich der Umstand, dass ich begehrenswert war, Gefahren in Aussicht stellte. »Ich wünschte, du lägest in meinen Ketten«, hatte einmal ein Wächter zu mir gemeint, und zwei andere hatten ins selbe Horn gestoßen. Dies machte mir Angst. Viele Männer und vor allem diese starken und unerbittlichen, die wie Raubtiere und Jäger waren, träumten offensichtlich davon, mich in Ketten zu legen!

»Stammst du von der Sklavenwelt?« Ich quittierte dies mit einem verwirrten Blick. »Von dem Planeten, den man Erde nennt?«, führte er weiter aus, woraufhin ich nickte.

»Gibt es dort noch weitere von deiner Sorte?«, wollte er wissen. Tränen traten in meine Augen, aber ich nickte erneut.

Er lachte, ehe er mit den Fingern schnippte, um mich zum Aufstehen zu bewegen. Ich sollte die Zelle verlassen und nach rechts gehen.

Ich sprang auf und wich so weit nach rechts aus, bis ich an die Wand stieß, da ich einen möglichst großen Abstand von dem sechsbeinigen Monster halten wollte.

Nun stand ich vor der Höhle!

Draußen war es atemberaubend schön. Die Luft wirkte belebend. Ich biss auf die gefaltete Tunika in meinem Mund, während der Wind durch mein Haar wehte.

Als ich nach links unten schaute, entglitt mir ein Seufzer, denn dort ging es steil hinunter. In vierzig bis fünfzig Fuß Tiefe verlief noch ein Pfad, darunter folgten weitere. In gleicher Weise schienen sich über mir drei oder vier zusätzliche Vorsprünge zur Bergspitze hin zu verjüngen. Insgesamt handelte es sich um über ein Dutzend solcher Wege und Simse, jeweils unter- und oberhalb. Außerdem sah ich mehrere Öffnungen im Gestein, die meisten von ihnen verschlossen. Ich stand praktisch vor einem großen Gefängnis. Einen Moment lang war mir schwindlig, und ich trat von dem Abgrund zurück, um mich am Fels zu meiner Rechten festzuhalten. Ich hielt die Luft an, Hunderte Yards über mir, wo der Weg an mehreren verriegelten Zellen vorbeiführte und auf einen schmaleren, ansteigenden Pfad traf, stand ein auffälliges Gebäude, hoch und schlicht, das förmlich aus dem Berg zu wachsen schien. Seine Türme verschwanden in den Wolken, und es verfügte über eine Wehr, war also eine Art Festung oder Zitadelle.

Wieder schaute ich nach links, wo ich nun das Tal beziehungsweise einen Teil davon ausmachen konnte. Ich war mir sicher, dass es sich um Kulturland handelte. Als ich zurückschaute, durchfuhr mich ein neuerlicher Schauer: Mein Wärter stand nach wie vor da, das grausige Tier an der Leine. Dahinter erstreckte sich am Vorsprung entlang rings um das Gebirge, der Weg. Rechts im Stein befand sich die Nische mit dem Paneel, das nunmehr geschlossen war, darunter wahrscheinlich der Schließmechanismus für die Höhle. Die Platte und die Mechanik ließen sich nicht von der Zelle aus bedienen.

Ansonsten war ich vor allem beeindruckt davon, wie steil der Weg an den Hängen des Berges war, und wie tief es dagegen auf der anderen Seite nach unten ging. Der Vorsprung fühlte sich unter meinen nackten Füßen sehr hart und körnig an. Außerdem herrschten frische Temperaturen. Ich konzentrierte mich wieder auf meinen Wärter und sein Tier.

Obwohl ich die Zelle verlassen hatte, bekam ich weder Leder noch eine Kette um den Hals.

Das Tier war angeleint, ich aber nicht!

Im Pferch hatte ich auch gelernt, wie man an einer Leine anmutig schreitet, kniet oder posiert, denn bisweilen führt man uns daran aus. Ferner gibt es welche, die an die Handgelenke gelegt werden, bei einem normal rechtshändigen Mädchen eben auf dieser Seite und bei einer Linkshänderin an der anderen. Für Fußleinen gilt das Gleiche.

Der Zweck einer Leine besteht nur selten darin, eine Frau zu behindern, da wir vernünftig sind und wissen, dass wir gehorchen müssen. Stattdessen gebraucht man sie, um klarzustellen, wem die Frau gehört, und sie zu zeigen. Zugleich wird einer angeleinten Frau ihr Status bewusster und, müßig zu erwähnen, dass diese Führung erotisch auf sie wirkt, denn die Bedeutung der Leine, der Symbolismus der Dominanz, erregt sie zutiefst. Was dies betrifft, ist die Leine mit der Halsfessel vergleichbar.

Der Sicherheitsaspekt ist natürlich dennoch nicht zu leugnen und sollte offen herausgestellt werden: Die Leine hält die Frau fest und macht sie zur Gefangenen. Daran kann sie gelenkt werden.

Mir legte man vorerst keine an.

Bei einer wie mir war es nicht nötig, dachte ich, allerhöchstens bei einer Freien oder einem neuen Mädchen, naiv und unerfahren. Ich wusste ja bereits einiges über die Welt, auf die ich geraten war, und von meinem Status hier.

Bald sollte ich einsehen, wie falsch ich damit lag ... sollte erfahren, wie lehrreich die Leine, dieses schlichte Utensil ist!

Der Mann schaute mich an.

Ich richtete mich gerade auf. Da wir keine Freien sind, dürfen wir nicht lässig wirken, sondern müssen uns stets ordentlich halten, ob wir gehen oder stehen. Ich hob mein Haar ein wenig an und glättete es, bevor ich es über die Schultern zurückwarf. Wir haben uns durchaus einen Rest Eitelkeit bewahrt. Sein Lächeln suggerierte mir, dass er mich als Sklavin betrachtete. Er erwartete klaglosen Gehorsam von mir und war sich wohl bewusst, dass ich diesen übte.

Nein, eine Leine war wirklich nicht notwendig.

Ich begriff die Welt, auf der ich mich eingefunden hatte, und kannte meine Rolle.

Wie naiv ich war, wie viel ich immer noch lernen musste!

Vor mir verlief der Pfad, und in der Ferne stand die Festung beziehungsweise Zitadelle. Wolken hingen wie Watte in der kalten Luft über dem Weg und den Türmen des Gebäudes. Der Mann schloss das Portal der Zelle wieder. Die Verrieglung erfolgte automatisch. Sobald er mir daraufhin bedeutete, ich solle vorausgehen, knurrte das Tier bedrohlich und zerrte an seiner Leine. Ich drehte mich rasch um und stolperte den schmalen Vorsprung entlang in die angewiesene Richtung. Die Tunika klemmte nach wie vor zwischen meinen Zähnen.

Im Vorbeigehen schaute ich in die Zellen. Die meisten waren leer. In einigen saßen verdrossene Männer, die Reste dessen trugen, was einmal Uniformen gewesen sein mochten, außerdem Handschellen und Fußfesseln. In anderen entdeckte ich Männer ohne Ketten, manche im Schneidersitz, die irgendeinem Spiel mit Stofffetzen frönten, oder die am Gitter standen, ohne jedoch die Hände herauszustrecken.

»Hallo, kleine Tasta«, rief mir einer zu.

Ich lief weiter.

Ein Tasta ist ein süßes Bonbon, das man üblicherweise auf Rummelplätzen kaufen kann, zumeist in Form eines Lutschers. Einige Männer verwenden den Namen aber auch für meinesgleichen, genauso wie Vulo. Dabei handelt es sich um kleine, normalerweise weiße Vögel, die Tauben ähneln, die am meisten verbreitete Art von Geflügel auf diesem Planeten. Man schätzt Vulos wegen ihres Fleisches und der Eier, die sie legen. Sie sind bekannt für ihre Unfähigkeit, Habichten und anderen Greifvögeln zu entkommen, weshalb sie regelmäßig gerissen werden.

Als ich eine weitere Zelle passierte, in der Männer steckten, rief einer: »Bekommen wir sie?«

Wieder eilte ich beklommen weiter.

Mir wurde klar, dass man mich als die, welche ich war, einfach so zum Spaß und zur Befriedigung zu ihnen werfen konnte.

Es saßen allerdings nicht nur Männer in den Zellen.

In einigen stieß ich auf Frauen wie mich, die ängstlich zwischen den Gittern herausschauten. Oft verbargen sie sich weit hinten. Dass sie so verstört wirkten, färbte auch auf mich ab, denn mir war, als wüssten sie besser über diesen Ort Bescheid als ich. Manche trugen eine Tunika wie ich bis gerade, ebenfalls mehr oder weniger knapp, um tiefe Einblicke zu ermöglichen. Die Sorte Kleidung, die Männer für meinesgleichen auswählten. Andere waren, wie es aussah, mit Ta-teeras also Sklavenlumpen behangen, mitunter kaum mehr als Fetzen und sogar schmutzig, als stammten sie aus einer Küche.

Diese Frauen konnten nur solche sein wie ich, weil ihre Hälse in Fesseln steckten, meistens gewöhnliche aus Stahl und eng anliegend. Mindestens zwei hatten jedoch locker sitzende Halsreife aus gewundenem Metall an, den sogenannten turianischen Halsreif. Dies ist ein runder Ring, der lose um den Hals der Sklavin liegt, sodass sich diese, wenn ein Mann ihn hält, darin drehen kann. Natürlich lässt sich aber auch der nicht ohne Weiteres abstreifen.

Ein paar Frauen in den anderen Zellen trugen keine Halsfessel, waren aber unbekleidet und steckten in einem Sirik, der nicht nur Hände und Füße, sondern auch den Hals umschloss. Es ist ein geläufiges Instrument zur Sicherung von Frauen und recht flexibel einsetzbar. Die schlichte Ausführung besteht aus einem Halsband mit herabhängender Kette, an der zwei weitere angebracht sind, eine mit Handschellen an den Enden, die zweite unterhalb mit Fußringen. Sie stehen Frauen sehr gut; ich hatte im Pferch gelernt, wie man sich aufreizend damit zeigt.

Da diese Frauen keinen Halsreif trugen, hielt ich sie für Freie.

»Glotz nicht so!«, ereiferte sich eine. Schnell schaute ich weg.

Wie mochte sie sich wohlfühlen mit dem Sklavenstahl am Leib? Sie wartete zweifellos auf ihre weitere Abfertigung, für die sie hier verwahrt wurde. Sie findet statt, wenn der Rechtehalter es für angemessen hält. Manchmal muss eine Gefangene tagelang in ihrer Zelle warten, während sie ausreichend Zeit bekommt, sich ihrer Lage gründlich bewusst zu werden. Ich glaubte nicht, dass sich diese Frau weiterhin so überheblich benehmen würde, wenn sie, wie ich voraussah, erst einmal ein Brandmal trug wie ich, wenn auch vielleicht nicht mit dem gleichen Symbol, so doch mit der entsprechenden Bedeutung.

In einer Zelle traf ich auf vier Frauen in zerfetzter weißer Seide. Sie trugen einen Halsreif, waren also wohl Sklavinnen. Aus dem weißen Stoff schloss ich, dass es sich um Jungfrauen handelte. Solche nennt man »weiße Seide«. Entjungferte Mädchen hingegen sind »rote Seide«. Dies muss sich nicht unbedingt auf ihre Gewänder beziehen, und eine Weißseidene ist, wie zu erwarten, recht selten. Es gibt einen Markt für sie, und die teuersten von ihnen sind, soweit ich weiß, jene, die von Kindesbeinen an in Abgeschiedenheit aufgezogen werden. Man hält sie sprichwörtlich dumm, was die Existenz von Männern betrifft. Sobald sie reif sind, werden sie an Männer verkauft, die sie vorher nicht sehen, und ohne es überhaupt zu erfahren. Daraufhin betäubt man sie und entfernt sie aus ihrer vertrauten Umgebung, sodass sie, wenn sie wieder zu sich kommen, in einer neuen Welt zurechtkommen müssen, die ihr Käufer für sie gewählt hat. Dort werden sie lernen, dass es Männer gibt, und was es mit ihnen selbst als Frauen auf sich hat.

Ich spürte den heißen Atem des Tiers an meinen Waden, das warme Maul und die Zähne an meinen Fersen. Wimmernd rannte ich weiter.

Der Weg stieg an, weshalb ich zunehmend flacher atmete. Bei dem Tempo, das ich eingeschlagen hatte, taten meine Füße weh.

Aus einer der Zellen hörte ich einen Gefangenen lachen, als ich vorbeilief. Augenblicklich wurde ich wütend; ich kehrte bestimmt keine Würde hervor, während ich diesen Pfad entlanglief!

Allerdings erwartete man dies wohl auch nicht von mir, falls ich mich noch mehr beeilte. Ich warf einen Blick über die Schulter auf meinen Wärter. Er zeigte nach vorn und hielt sein Tier an der Leine zurück.

Wieder beschleunigte ich das Tempo.

Meine Fußsohlen fühlten sich wund an. Meine Beine taten langsam weh, und ich stöhnte. Hektisch sog ich die Luft durch die Nase ein und versuchte, trotz des Stoffes zwischen meinen Zähnen, durch den Mund zu atmen. Dabei kamen mir die Tränen. Ich traute mir nicht zu, diese Geschwindigkeit beizubehalten, weil wir uns in solcher Höhe aufhielten, zumal der Pfad immer weiter anstieg.

Und einer dieser Kerle hatte auch noch über mich gelacht!

Ich wollte es ihnen zeigen!

So beschloss ich, ein ganz klein wenig langsamer zu laufen, sodass mein Wärter keine Notiz davon nahm. Nein, niemand würde es bemerken!

So wollte ich diese Kerle hinters Licht führen; auf diese Art und Weise konnte ich ein bisschen tändeln.

Dafür, dass ich versehentlich in meiner Muttersprache geschrien hatte, war ich nicht gemaßregelt worden. In der Zelle durfte ich eine Tunika tragen und mich zudecken. Man hatte mir Trockenobst zum Essen bereitgestellt und Stroh ausgelegt, damit ich es bequem hatte und sauber blieb. Sogar einen Abort gewährte man mir! Waren diese Männer etwa tolerant, verständnisvoll und warmherzig?

Dann ließen sie sich bestimmt leicht täuschen, ich musste nur meinen Verstand gebrauchen.

Als ich etwas von hinten hörte, was ich nicht zuordnen konnte, schaute ich im Weitergehen erneut über die Schulter, doch da blieb mir fast das Herz stehen! Der Kerl hatte plötzlich die Peitsche vom Gürtel gezogen und so geschüttelt, dass die Wicklungen aufgingen. Trotz der Anstrengung und meiner Schmerzen eilte ich nun noch schneller voran, als ich es ohnehin schon tat, weinend und voller Entsetzen. Ich wollte die Peitsche nicht zu spüren bekommen. Mir war bewusst, dass ein Mann wie jener auf meinen Fersen, ein Mann von dieser Welt keine Sekunde zögern würde, eine Frau wie mich zu züchtigen.

Ich heulte, während ich den Pfad entlanglief. Das Monster jagte hinter mir her, mein Wärter an seiner Seite.

»Beeile dich, kleine Kajira«, höhnten sie in den Zellen.

Ich schluchzte.

Einige Männer in einer der Höhlen lachten laut.

Ich preschte weiter, hastiger denn je. Immer noch blies das Tier seinen Atem gegen meine Hinterbeine. Ich hörte, wie es vorwärtsdrängte und mit den Krallen über den Fels kratzte. Es streifte meine Unterschenkel. Ich ächzte und jammerte.

Wie sollte ich denn noch schneller rennen?

Plötzlich knallte die Peitsche hinter mir wie ein Gewehrschuss.

Doch, es ging noch schneller!

Wieder lachten mich mehrere Männer aus, die sich hinter dem Gitter einer Zelle versammelt hatten. Ich erhaschte nur einen kurzen Blick auf sie. Standen sie so viel höher als ich?

»Gib sie uns!«, forderte einer.

Ja, sie standen deutlich höher als ich.

Ich fürchtete mich davor, zu ihnen geworfen zu werden.

Die Peitsche knallte erneut.

Als ich ins Taumeln geriet, versuchte ich mich, so schnell es ging, wieder zu fassen. Dann stürmte ich in Tränen aufgelöst weiter. Vor lauter Angst hatte ich beinahe die Tunika ausgespuckt, also stopfte ich sie wieder tiefer in meinen Mund. Hoffentlich brachte ich den Stoff dabei nicht in Unordnung, denn ich wollte nicht geschlagen werden.

Wie abhängig Frauen auf dieser Welt doch von den Launen der Männer sind!

Ein durchdringender Schrei ertönte urplötzlich von links, wo es steil bergab ging; es war ein lautes, schneidendes Geräusch. Gleichzeitig sah ich rechts an der Felswand einen breiten Schatten, der sich wie eine Projektion im Kreis bewegte und ständig veränderte. Ein Windstoß warf mich gegen dieses Kliff, und ich sah, wie das Fell des Tieres wie bei einem Sturm nach rechts geweht wurde. Auch der Wärter musste sich gegen diese Kraft stemmen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Ich hielt die Tunika mit beiden Händen im Mund fest und duckte mich. Nun machte der Riesenvogel abrupt kehrt, beschrieb noch einen Kreis und stieg hinauf. Vermutlich strebte er zur Spitze, dem höchsten Punkt der großen, wolkenverhangenen Zitadelle. Sein Reiter, den ich nur noch ganz klein wahrnahm, weil das Tier so schnell flog, schaute zurück und grüßte den Wärter mit erhobenem Arm, woraufhin dieser seinen Gruß grinsend erwiderte, indem er die Peitsche reckte. Solche Männer mussten anscheinend immerzu Witze machen.

Als mich mein Wächter anschaute, sprang ich wieder auf und setzte meinen Weg fort. Der Scherz hatte nichts mit mir zu tun. Humor spielte bei diesen Kerlen nur eine untergeordnete Rolle.

Offensichtlich durfte ich nun etwas langsamer gehen. Vielleicht überlegte der Wärter, wie er sich an dem Witzbold rächen konnte. Er kicherte, wohl, weil er eine Idee hatte, und vergaß mich darüber, als er sich deren Umsetzung ausmalte. Ich war froh um diesen Aufschub, doch auf einmal hörte ich ihn verärgert brummen, als sei ihm wieder eingefallen, worin seine eigentliche Aufgabe bestand – in der Überstellung einer Kajira, wie ich vermutete. Als die Peitsche abermals knallte, legte ich mich noch eifriger ins Zeug, um den Anstieg zu bewältigen. Die Peitschenhiebe in der Luft stachelten zudem das Tier auf, denn es schnappte vehementer nach meinen Füßen. Ich sollte also noch schneller laufen! Am liebsten hätte ich aufgeschrien, dem Wächter Vorhaltungen gemacht und um ein wenig Geduld gebeten, aber der Knebel verhinderte dies.

Dazu musste ich ihn wohl auch tragen, was mir gewissermaßen entgegenkam, da ich so nicht in Versuchung geriet, mich zu beschweren, und deshalb auch nicht gezüchtigt werden musste.

Wie waren die Männer an diesem Ort? Bestand Hoffnung für mich auf Gnade?

Konnten sie ihre Herrschaft wirklich bis zum Äußersten ausreizen?

Logischerweise entfernt man einen Knebel selbst nicht ohne Weiteres, dies wäre eine ernste Beleidigung.

»Kajira!«, gellte jener eine Mann in der Zelle, an der wir gerade vorbeiliefen, als wollte er diejenigen in den folgenden Höhlen auf unser Erscheinen vorbereiten.

»Kajira!«, hörte ich ihn schließlich von hinten und kurz darauf das gleiche Wort aus anderem Munde von vorn. So wurde die Nachricht über mich weitergegeben. Gefangene bauten sich hinter den Gittern auf, um zu gaffen. Zwar drängten sie sich gegen die Stäbe, wagten es aber nicht, ihre Glieder durchzustecken. Sie wollten wohl nicht, dass das Biest sie abriss. Im Pferch hatten wir Kajirae bisweilen die Arme durch die Türen unserer Zwinger geschoben, entweder im Knien oder in der Hocke, um einen Wachmann zu berühren, damit er auf uns aufmerksam wurde, wobei wir gleichzeitig wimmerten, doch diese Erfahrung stellte auf unangenehme Weise eine andere Wendung in Aussicht, falls ich nicht achtgab, wohin ich trat, dann wäre ich in die Hände gefährlicher, furchteinflößender Zelleninsassen geraten. Sind wir auf unsere Art nicht Speisen ähnlich, mit welchen man ausgehungerte Männer lockt?

»Gib sie uns!«, verlangte einer.

Aber die Peitsche zerschnitt erneut die Luft, und ich machte einen weiteren Satz nach vorn. Endlich hatten wir die Zellen hinter uns gelassen. Ich hastete weiter hinauf, bis wir den Weg erreichten, der direkt zur Zitadelle führte. Rechts neben mir ragte das Kliff steil in die Höhe, links gähnte der Abgrund, und das fürchterliche Tier, sowie sein Halter, so machtvoll mit der Peitsche in der Hand, scheuchten mich von hinten.

Abermals schwang er die Waffe und ich wurde wie ein Stück Vieh getrieben.

Meine Füße waren wund, und ich konnte kaum noch atmen. Mein ganzer Körper tat weh, doch schon spürte ich die Fänge des Monsters wieder an meinen Fersen.

Ich stammte noch nicht einmal von dieser Welt! Wie konnte man es wagen, mich so zu behandeln? Wieso tat man mir das an?

Ich war von der Erde entführt und hierher verschleppt worden.

Hielt ich mir vor Augen, dass ich nun eine Kajira war, begriff ich, dass alles mit mir geschehen konnte.

Kaum dass ich hinfiel, raffte ich mich hektisch auf. »Beeile dich, Kajira«, mahnte der Mann, während er das fauchende Tier zurückhielt. Ich trabte weiter und weinte.

Hier durfte ich nicht auf Würde beharren.

Ich wurde getrieben wie ein Stück Vieh, gleich einer Sau den Berg hinauf, ohne zu wissen, wohin genau. Schließlich, als ich japsend versuchte, die Tunika im Mund zu behalten, sank ich vor einer glatten Felswand am Ende des Weges auf die Knie. Der Berg schoss vor mir in die Höhe, und etwa hundert Fuß oberhalb schienen aus dem Stein selbst die Mauern der Festung zu wachsen. Ich konnte nicht weitergehen. Es gab keinen Ausweg mehr, es sei denn zurück. Ich fuhr panisch herum und starrte den Wärter mit seinem Tier an. Es erwiderte meinen Blick finster. Auch ihm war klar, dass wir in einer Sackgasse standen. Der Mann zog eine Pfeife aus seiner Gürteltasche und fing an, eine schrille Melodie zu spielen. Diese Noten – einzelne Töne wie motivische Fragmente – standen für Buchstaben des Alphabets, wie ich später erfahren sollte. Somit drückten sie einen Satz aus, eine Phrase oder ein Passwort, das täglich oder sogar noch häufiger geändert wurde. Von oben hörte ich zur Antwort ein ähnliches Pfeifen. Die erste Melodie und die Antwort fungierten als Signal beziehungsweise dessen Bestätigung. Dem Tier, dessen Hörsinn gewiss ausgeprägter war, schien die Musik nicht geheuer zu sein, denn es wand sich und knurrte. Da vernahm ich plötzlich von oberhalb ein mahlendes Geräusch, woraufhin sich eine hölzerne Plattform mit einer rechteckigen Öffnung darin aus der Wand schob. Aus dieser wurde gleich darauf, wohl mithilfe einer Winde, ein Strick herabgelassen. Daran hing etwas, vielleicht auch mehrere Gegenstände, die zu pendeln begannen, während sie rasch auf uns zukamen. Im Nu konnte man danach greifen. Es handelte sich um eine Art Steigbügel mit einem Sack aus Leinen oder etwas Ähnlichem darüber. Mein Wärter wies mich an, zu ihm zu kommen, was ich zögerlich tat. Er öffnete den Sack und da sah ich, dass der Boden ausgebeult und mit zwei Löchern versehen war. Ich sollte nun hineintreten und meine Beine durch die Öffnungen stecken. Ich befolgte die Anweisung: zuerst ein Fuß, dann der andere. Schließlich zog er den Sack hoch, während ich drinnen stand, bis er mir wie ein Kleid passte, und schloss ihn, sodass ich die Hände mit den Armen am Körper halten musste. Mit einem Gurt zurrte er ihn schließlich fest zu und sicherte mich mit einer zusätzlichen Schnalle am Hals. Jetzt konnte ich dank der Beinlöcher zwar gehen, aber nur so weit, wie es der Radius erlaubte, den der Strick von oben beschrieb. In dem Sack war ich gänzlich wehrlos. Beklommen sah ich den Wärter und sein Tier an, bevor ich den Blick nach oben richtete. Die Plattform kam mir weit entfernt vor, und gern hätte ich gesprochen, doch der Mann fixierte die Tunika noch einmal sorgfältig zwischen meinen Zähnen. Ich durfte nicht reden. So schaute ich ihn nur mitleiderregend mit dem Knebel im Mund an, aber er schenkte mir keine Beachtung, sondern ging von mir fort zu seinem Tier. Nachdem er ihm die Leine abgenommen hatte, hängte er sie an seinen Gürtel, kehrte zum Strick zurück und zog zweimal daran. Als ich sah, dass man es wieder einholte, fing ich an zu wimmern und schüttelte wie wild den Kopf. Natürlich wagte ich es nicht, den Knebel auszuspucken, zumal ich keine Möglichkeit gehabt hätte, ihn aufzuheben, wenn er heruntergefallen wäre. Geschweige denn wusste ich, was mir dann widerfahren mochte, beim Ausstoßen oder auch erst, wenn er am Boden lag. Außerdem hatte ich sonst nichts zum Anziehen, weshalb die Tunika äußerst wertvoll für mich war, und letzten Endes wollte ich einfach jeglicher Bestrafung entgehen. Ich hatte es nicht mit Erdenmännern zu tun und besaß keine eigene Kleidung mehr. Wann und ob überhaupt ich wieder welche erhielt, blieb ungewiss. Plötzlich verlor ich den Grund unter den Füßen. Ich versuchte noch, den Fels mit den Zehen zu berühren, schaffte es aber nicht mehr, weil ich jetzt an dem Strick hing und hochgezogen wurde. Schon sah ich den Wärter unter mir. Er steckte den linken Fuß in den Steigbügel und hielt sich gleichzeitig mit der linken Hand über dem Kopf am Strick fest. Dann trug es auch sein Gewicht. Ein Ring daran sicherte den Sack, in den ebenfalls ein solcher eingearbeitet war, allerdings verfügte dieser über einen Verschluss. So konnte beim Hochziehen nichts passieren, auch wenn sich das Mädchen im Sack wand und zappelte: Er blieb sicher am Strick hängen. Ich vertraute darauf, dass die Ringe hielten, und hoffte, der Strick sei stark genug für unser beider Gewicht. Das Tier blieb unten zurück und schaute uns nach. Kurz darauf trottete es davon, möglicherweise in seinen Bau oder zurück auf den Vorsprung zum Aufpassen. Der Sack schwang ein wenig Hin und Her, doch der Wärter unter mir war so schwer, dass sich die Bewegung in Grenzen hielt. Ansonsten wäre ich mir an dem dicken Strick vorgekommen wie auf einer Höllenschaukel. Nebenbei bemerkt kann derjenige, der den Bügel benutzt, zugleich ein Schwert führen. Dafür, dass er unter dem Sack angebracht ist, gibt es zwei Gründe. Erstens um die Verteidigung zu ermöglichen, zweitens um den Strick zu sichern oder sogar festzuhalten, falls notwendig. Ich hielt die Beine still, da ich die Ringe nicht strapazieren wollte, die den Sack hielten. Fuß um Fuß stiegen wir auf. Ich war völlig unbeweglich, hörte nichts, was darauf hindeutete, dass das robuste Gewebe, welches aus dickem Leinen riss, platzte oder sich allmählich von den Gurten löste. Als ich am Strick nach oben schaute, entdeckte ich keine Stelle, an der er zerfaserte. Wie es aussah, blieben offenbar die Ringe und das Seil intakt. Meine Zuversicht wuchs wieder. So hoch über der Erde hatte ich noch nie geschwebt, jedenfalls nicht ohne Kapuze. Unzählige Bergzüge staffelten sich vor mir in der Ferne, einige davon waren verschneit. Ich schlang die Arme im Sack um meinen Oberkörper und biss auf die Tunika. Die Luft erfrischte mich, die Landschaft sah traumhaft aus. Wenige Augenblicke später hörte ich die Seilwinde quietschen und schaute, so gut es ging, nach unten. Der Wärter mit dem Fuß im Steigbügel und der linken Hand am Strick starrte gedankenverloren auf die Berge. Dies fand ich bemerkenswert, weil ich ihn im Grunde für einen Grobian hielt. Wie es aussah, fühlten wir uns beide klein im Angesicht der Natur und bewunderten ihre Schönheit voller Ehrfurcht. Ich hob den Kopf wieder hoch. Bis zur Plattform und der Öffnung, durch die ich gezogen werden sollte, war es nun nicht mehr weit, nur noch wenige Fuß. Jetzt sah ich auch die Winde, der Strick lief oberhalb des Lochs über eine Haspel, die von einem dreibeinigen Holzgestell gehalten wurde. Über der Plattform erkannte ich die hohen Mauern der Zitadelle, die im Gewölk verschwanden. Wir kamen uns im Vergleich zum Gebirge und seiner stumm erhabenen Unermesslichkeit zwar winzig vor, doch die Menschen hier hatten sich damit arrangiert; ihm Lebensraum abgetrotzt und inmitten dieser Herrlichkeit einen Horst errichtet – genau wie Adler eben.

Nachdem ich durch die rechteckige Öffnung gelangt war, hing ich ungefähr zehn Fuß über der Plattform und ein kurzes Stück unterhalb der Haspel. Dort baumelte ich noch, als der Wärter vom Steigbügel auf das Holz getreten war, nachdem er das Loch passiert hatte. Mehrere Männer kamen auf die Plattform und begrüßten einander. Diese Leute trugen dunkelrote Tunikaröcke, zweifellos eine Art Tracht oder Uniform. Ich nahm an, sie seien Wachleute oder Soldaten. Wieder quietschte die Winde, nun wurde ich heruntergelassen, und als ich wieder über der Öffnung hing, streckte sich mein Wärter aus, um den Sack am Strick auf die Plattform zu ziehen. Ich hatte Schwierigkeiten, die Füße auf den festen Grund zu stellen. Man musste dem Strick noch ungefähr ein Yard mehr Spiel geben. Sobald ich endlich stand, was erst möglich wurde, als sich das Seil entspannte, öffnete er den Ring am Sack und hakte ihn aus. Jetzt war ich den Strick los und ging gleich auf die Knie, wie es sich im Beisein von Männern schickte. Allerdings rutschte ich dabei von der Öffnung weg. Hier oben sah man die Berge besonders gut. Der Wärter betrachtete sie ebenfalls noch einen Moment lang, wohingegen die Umstehenden sie nicht weiter beachteten, wohl, weil ihnen der Anblick allzu vertraut war. Kurz schaute ich zu ihm auf, dann schnell wieder nach unten. Beim Aufstieg mochten wir gemeinsam die Berge bestaunt haben, was uns vorübergehend vereinte, vor allem weil wir am selben Seil zwischen Himmel und Erde, zwischen den Welten in einer Art von ästhetischer Leere oder künstlicher Starre hingen, doch jetzt hatten wir die Plattform erreicht und wieder festen Halt unter den Sohlen. Er stand aufrecht, ich kniete. Erneut klafften gewaltige Unterschiede zwischen uns: Ich war eine Kajira, er ein freier Mann.

»Ist das diejenige, die gekauft wurde?«, wollte einer der Männer wissen, woraus ich schloss, dass diese Männer selten Geld für Frauen ausgaben.

»Ja«, bestätigte mein Wärter.

»Zu welchem Zweck?«, fragte ein anderer.

Ich lauschte aufmerksam.

»Das weiß ich nicht«, gestand der Wächter.

Konnte das wirklich sein?

Ein Soldat ging neben mir in die Hocke und zog meinen Kopf brüsk an den Haaren zurück, damit sie alle mehr von meinem Gesicht sahen. Man behandelt uns hier häufig so, wie man es auf meiner alten Welt etwa mit Pferden tut. Sehen Sie als Leser es diesen Menschen nach und denken Sie sich nichts weiter dabei. Auf diesem Planeten, und ich wiederhole mich, sind Frauen wie ich Tiere.

»Nicht übel«, befand der Mann, der mich festhielt.

»Wahrlich nicht«, stimmte ein anderer zu.

»Wenn man sie kauft«, bemerkte ein dritter, »sieht man zumindest vorab, was man bekommt.«

»Ganz genau«, pflichtete man ihm bei.

Einige lachten.

Dies mochte einer ihrer zotigen Witze sein, wenngleich keine freie Frau anwesend war, die daran hätte Anstoß nehmen können. Ich als Kajira zählte ja nicht.

Normalerweise werden wir nackt ausgestellt, wenn man uns zum Kauf feilbietet. Die Männer betrachten uns gerne, bevor sie investieren, und zwar gründlich. Es heißt, nur ein Tölpel kaufe eine bekleidete Frau, und dies stimmt definitiv.

Mir waren diese Sitten nicht fremd.

Schließlich war ich vor meinem Verkauf bis ins kleinste Detail untersucht worden, wobei ich sogar eine Choreografie vor den Interessenten zum Besten geben musste, damit man meine Züge und Ausdruckskraft besser bewerten konnte ... wie ich mich hielt und bewegte sowie meinen Charme, falls vorhanden.

Dass man Kajirae auf dieser primitiven, kriegerischen Barbarenwelt, wo Sklaverei an der Tagesordnung steht und hübsche Frauen als gewöhnliche Beutestücke gehandelt werden, in leidlich verhüllende Kleider steckt, ist unter anderem deshalb plausibel, weil solche Stoffe Objekte der Begierde aus ihnen machen, ob zum Jagen, Diebstahl oder zur gewaltsamen Festnahme. Dies erachtet man quasi als Schutzmaßnahme für freie Frauen, die unbequeme, zugeknöpfte Roben und Schleier bevorzugen. Es gibt aber mehrere Gründe für den besonderen Aufzug, in dem sich Kajirae zeigen müssen. Häufig heißt es auch, dadurch würden klare Grenzen innerhalb einer strikt in Schichten aufgeteilten Gesellschaft gezogen, nämlich zwischen unserer Minderwertigkeit, dargestellt durch bloße Stofffetzen, eine knappe Tunika und dergleichen, sowie dem hohen Stand freier Frauen, der seinen Ausdruck in aufwendig gefertigtem, prachtvollen und reichhaltig verziertem Ornat findet. So kann man sichergehen, dass man uns nicht mit unseren bessergestellten Schwestern verwechselt. Am Schwersten wiegt meiner Meinung nach der Nutzen für die Männer, die uns zur Luststeigerung sehr gern anziehen, falls sie es denn tun, und der eindrücklichen, lehrreichen wie stimulierenden Wirkung auf die Sklavin selbst. Manche Kleider kann man nur schwerlich tragen, ohne klar und deutlich zu erkennen, dass man schön und begehrenswert ist – allerdings als Besitz von jemandem. Dieses Verständnis wiederum erhöht die sexuelle Bereitschaft. Die Gewänder einer Sklavin wirken zusammengefasst also nicht nur auf den Betrachter, sondern auch auf die Trägerin. Um auf den ersten Grund zurückzukommen, den Schutz der Freien, so halte ich ihn für durchaus nachvollziehbar. Die Kleider der Verschleierung, wie sie häufig genannt werden, lassen einen Jäger innehalten, so er sich auf der Hatz oder vorsichtigen Pirsch befindet beziehungsweise wenn eine schnelle Flucht vonnöten ist. Wer riskiert schon sein Leben für eine Frau, die sich später im Lager, nachdem ihr Schleier gelüftet wurde, als so hässlich erweist, dass man sie genauso gut für wenige Kupferstücke bei einem umherziehenden Händler hätte kaufen können? Man käme sich ja wie ein Trottel vor. Glück ist natürlich nicht gänzlich ausgeschlossen, denn der Fang könnte sich als Volltreffer erweisen, doch wie dem auch sei: Es bliebe eben Zufall, und der Fänger ein trotteliger Glückspilz. Gewisse professionelle Sklavenhändler auf diesem Planeten gehen in solchen Fragen obligatorisch mit großer Umsicht vor, wozu sie sich sogar ausgefeilter Verhör- und Spionagetechniken behelfen. Man munkelt, sie arbeiteten zuweilen mit freien Frauen zusammen, die zum Beispiel Bäder betreiben oder subventionieren. Bei Eroberungen von Städten oder im Rahmen ausgedehnter Raubzüge mehrerer Männer, die eventuell auch entlegene Villen oder Zylinder umfassen, lässt man sich mehr Zeit, um die Gefangenen in Feldarbeiterinnen, Küchenhilfen, Wäscherinnen, Kessel- und Mattenmädchen und Turm- oder Vergnügungssklavinnen aufzuteilen. Wird eine Stadt überfallen, mag man einer Frau ihre Kleider entreißen oder befehlen, sich auf der Stelle auszuziehen. Dann entscheidet man, ob man ihr einen Strick anlegt oder sie, wie es mitunter vorkommt, provisorisch fesselt, um ihr einen Nasenring einzusetzen, an dem sich eine Leine befestigen lässt. Manchmal lässt ein Krieger mehrere Frauen hinter sich herlaufen, deren Leinen er alle gemeinsam in einer Faust hält. Ist die siegende Partei diszipliniert genug, verschnürt sie die Gefangenen nur so, dass sie sich nicht fortbewegen können, brandmarkt sie und lässt sie zurück, um sie später in Scharen aufzusammeln und unter den jeweiligen Fängern zu teilen. Es gibt viele unterschiedliche Markierungen. Bisweilen handelt es sich um Namen oder Zeichen, die auf dem Körper verewigt werden, oder bestimmte Kennzeichen, wie einen Draht mit einer Art Hundemarke, den man durch ein Ohrloch führt und zum Verschließen umbiegt, damit er sich nicht löst. Nur wenige Frauen auf meinem Heimatplaneten verschleiern sich, also haben Goreaner, die zur Erde kommen – zweifellos aus verschiedenen Gründen, aber darunter eben auch, um Frauen von dieser Welt zu entführen, die dann hier zu meinesgleichen werden – ein leichtes Spiel, wenn sie ihre Bewertungsmaßstäbe anlegen. Es muss ihnen großen Spaß bereiten, dies relativ unverhohlen tun zu können. Wie praktisch ihnen all dies vorkommen muss! Immerhin bieten sich ihre Güter praktisch selbst öffentlich feil, nicht wahr?

Welche Kultur, sollte man sich fragen, erlaubt ihren Frauen, sich so zur Schau zu stellen, dreist vor allen Augen und ohne dass Männer großen Aufwand betreiben müssen, um sie zu inspizieren? Was geht in diesen Frauen vor? Dämmert ihnen in ihrer arroganten Selbstdarstellungslust nicht, wie sie auf die Männerwelt wirken? Möchten sie das starke Geschlecht beleidigen und es vor den Kopf stoßen? Sind sie in ihrer Frustration dazu geneigt, den Mann herauszufordern, oder sehnen sie sich auf einer bestimmten Ebene danach, bei der Hand genommen zu werden, auf dass man nach Belieben mit ihnen verfährt? Träumen sie vielleicht unterbewusst von Eisen und Kette? Ich erinnerte mich verdrossen daran, wie ich mich auf der Erde daran hochgezogen hatte, Jungen zu provozieren. Jetzt gehörte ich echten Männern.

Als der Soldat meinen Schopf losließ, schnellte er wieder nach vorn, und ich hielt ihn geduckt. Die Plattform, auf der ich kniete, maß annähernd zwanzig Fuß im Quadrat, die Öffnung darin rund vier mal fünf Fuß. Die Holzkonstruktion war aus einer Mauer der Zitadelle geschoben worden und groß genug, um einen der Riesenvögel darauf landen zu lassen. Das dreibeinige Gestell aus Balken mit der Haspel, an der man das Seil senken und hochziehen konnte, ließ sich abbauen und nach Belieben anderswo aufstellen. Oberhalb der Schienen, auf denen sich die Plattform bewegte, gab es eine Doppeltür, die gerade offenstand. War der Dreibeinständer nicht aufgebaut, konnte man die Konstruktion über einen Fernmechanismus ein- und ausfahren. In jedem der Flügel war eine Öffnung angebracht. Man hielt sie gerade geschlossen, doch sie war breit genug, um jeweils eine Person durchzulassen. Angesichts dieser Vorrichtungen waren mehrere Situationen denkbar: Am offensichtlichsten war die Tür zu und die Plattform ein- beziehungsweise ausgefahren, oder die Flügel standen offen, während die Plattform entweder hervorragte oder zurückgezogen blieb. Ich hätte ungern darauf gestanden, wenn man sie hinausschob und die Tür wieder schloss. Als sie sich nun unerwartet wieder auf die Zitadelle zubewegte, heulte ich kurz auf, traute mich aber natürlich nicht aufzustehen. Ich schaute bloß hoch und sah, als wir unter der Mauer durchfuhren, die schweren, bedrohlichen Zacken eines gewaltigen Gittertors, die aus einem breiten, rechteckigen Schlitz über uns hervorlugten. Wurden diese gesenkt, hielt man sich besser nicht darunter auf. Gleich hinter diesem Bereich befand sich ein Vorhof, den die Türflügel abschlossen. Die Plattform kam ein gutes Stück innerhalb der Zitadelle knarrend zum Stehen. So behinderte das dreibeinige Gestell nicht, falls man die Flügel einklappte, und man konnte es in seiner Verankerung stehen lassen. Schließlich fuhr das schwere Gittertor ratternd herunter. Die spitzen Zacken versanken in Fassungen im Steinboden. Jetzt sah ich auch die Seilwinde, die innerhalb des Bereiches der Tür angebracht war. Diese wurde nun geschlossen.

Ich kniete weiter auf der eingezogenen Plattform. Man schob zwei schwere Riegel vor die Tür. Sie schabten an der inneren Täfelung der Flügel und wogen bestimmt Hunderte von Pfund. Endlich lagen sie sicher in ihren monströsen Einfassungen.

Ich betrachtete die nunmehr geschlossene, verriegelte Tür. Diese war hoch, robust und schätzungsweise einen Fuß dick. Die Außenfläche war mit Kupferplatten beschlagen worden, wahrscheinlich um sie feuerfest zu machen.

Als ich auf der Plattform kniete, und mein Oberkörper reglos in jenem starren Leinen steckte, kam ich mir hoffnungslos vor. Der eine Gurt war dermaßen festgezurrt, dass ich meine Hände und Arme im Sack kaum bewegen konnte, und meinen Hals beengte ja noch ein zweiter Gurt. Die schweren Sparren, aus denen die Plattform bestand, fühlten sich rau und zersplittert an meinen Knien und Zehen an, die sich in dieser Position berührten. Meine Fußballen brannten nach dem Aufstieg zur Festung. Hier und dort zeichneten tiefe Scharten das Holz, vermutlich von Waffen oder den Krallen eines Riesenvogels hineingeschlagen.

Wo war ich überhaupt?

Niemand hatte mich gefragt, ob ich herkommen wollte!

Wieso befand ich mich hier?

Dieser Planet war nicht einmal meine Heimat!

Ich fürchtete mich unendlich.

Wie weit voneinander entfernt waren die Erde und mein früheres Leben von hier!

»Ich sage Bescheid, dass ihr zurück seid«, sagte einer der Soldaten.

Demnach erwartete man uns also. Dieses Wissen beruhigte mich überhaupt nicht.

Warum konnte ich nicht wie andere Mädchen routiniert abgefertigt werden, von einem Auktionsblock aus, ohne Formalitäten, an den Höchstbieter verkauft und dann barfuß in Handschellen, ängstlich wie hoffnungsfroh ins Domizil meines Käufers, meines neuen Herrn, gebracht werden?

Wie kam es, dass ich mich derart von den anderen unterschied?

Die Chroniken von Gor 26 - Die Zeugin

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