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Es ist schwierig, die Wahrheit zu begreifen.

Ich hatte natürlich geschrien, doch es gab keine Gewissheit, dass ich auch gehört worden war.

Tatsächlich vermutete ich, dass niemand meine Schreie vernehmen würde, oder, falls doch, dass man sie einfach ignorieren würde. Instinktiv ging ich davon aus, dass mein eigener Wille, meine eigenen Gefühle und Wünsche nicht länger von Bedeutung waren, zumindest nicht für andere. Doch schwerwiegender und noch furchterregender war meine Vermutung, dass ich selbst, objektiv gesehen, unwichtig geworden war. Ich erkannte, dass ich natürlich in gewisser Weise noch einen Wert hatte, schließlich war ich nun hier, aber das war nicht dasselbe, wie wichtig zu sein. Ich war nicht länger wichtig. Das ist ein merkwürdiges Gefühl. Es ist natürlich nicht so, dass ich je im herkömmlichen Sinne des Wortes wichtig gewesen wäre, und ich möchte, dass Sie das verstehen. Ich war weder mächtig noch reich noch gelehrt. Darum geht es nicht. Nein, es war eine andere Art von Wichtigkeit, die ich, wie ich nun vermutete, oder vielleicht sogar erkannte, nicht mehr länger besaß. Ich war nun unwichtig, so, wie eine Blume unwichtig ist oder ein Hund. Es ist schwer, diese Wahrheit, den Halsreif und die Ketten zu begreifen.

Ich hatte natürlich geschrien, doch kurz darauf war ich verängstigt wieder verstummt, nicht wegen der Aussicht, dass man mich nicht hören würde, sondern vielmehr, weil ich fürchtete, man würde mich hören.

Zitternd kauerte ich mich zusammen und versuchte, meine Gedanken zu sammeln.

Mein Hals schmerzte, denn in meiner Angst hatte ich mich gegen den Halsreif gestemmt, ihn hin und her gedreht und mir so die Haut aufgeschürft. Anfangs war er mir überhaupt nicht aufgefallen, obwohl es mir unterbewusst natürlich doch klar gewesen war, dass ich ihn trug. Vielleicht hatte ich mich im ersten Moment geweigert, diese Erkenntnis zu akzeptieren, unwillkürlich versucht, sie aus meinem Bewusstsein zu verbannen. Vielleicht hatte ich sie auch einfach nur ignoriert, und die bloße Möglichkeit abgelehnt, dass etwas so Unwahrscheinliches geschehen sein könnte. Und infolgedessen hatte ich mir wehgetan. Unnötigerweise und leichtsinnigerweise.

In der Dunkelheit tastete ich den Halsreif ab. Er lag eng an meiner Haut, und er war schwer. Ich konnte ihn nicht abstreifen. Es war ein Ring daran befestigt, und an diesem Ring hing eine Kette, die, wie ich entdeckte, zu einem anderen Ring an einer fest in der Wand verankerten Platte führte.

Auch um meine Handgelenke lagen Fesseln. Sie bestanden aus Metall und waren durch eine mehrere Inch lange Kette miteinander verbunden. Meine Knöchel waren auf dieselbe Weise gefesselt, steckten in Metallklammern, zwischen denen sich eine kurze Kette spannte.

Voller Angst kauerte ich mich in der Dunkelheit zusammen.

Wieder tastete ich den Halsreif ab, er wurde durch ein schweres Schloss zusammengehalten, welches Teil des Reifs war. Bestimmt benötigte man einen Schlüssel, um ihn zu öffnen. Die Fesseln an Hand- und Fußgelenken hingegen waren offensichtlich nur um meine Glieder geschlungen und mit beträchtlicher Kraft zusammengedrückt worden, vielleicht von einer Maschine oder, so unglaublich primitiv es auch erscheinen mochte, durch die Schläge eines Hammers auf einem Amboss. Sie bestanden aus glatten, schweren Metallbügeln ohne Angeln. Vermutlich waren sie ursprünglich teilweise geöffnete Kreise gewesen, in die man meine Arme und Beine gelegt hatte, ehe man sie einfach zusammengepresst hatte, sodass die Kreise sich schlossen. Auch Scharniere hatten sie keine, und nichts deutete auf eine Öffnung für einen Schlüssel hin. Sie drückten fest gegen meine Gelenke, ohne Werkzeug wäre es unmöglich, sie zu öffnen. Man konnte mich also mittels eines Schlüssels problemlos von dem Halsreif und der Wand befreien, wohingegen meine anderen Fesseln sich nicht so leicht entfernen ließen. Darum vermutete ich, dass man mich schon bald von diesem Ort wegbringen, mich aber weiterhin gefesselt lassen würde. Ich fragte mich, wer wohl den Schlüssel für den Halsreif hatte. Vermutlich war es nur einer von vielen Schlüsseln oder vielleicht ein Schlüssel, mit dem sich viele derartige Schlösser öffnen ließen. Zweifelsohne befand er sich im Besitz eines Untergebenen oder Agenten. Es schien mir nicht sehr wahrscheinlich, dass eine Person von Bedeutung den Schlüssel zu einem solchen Halsreif bei sich trug. Die Person, auf deren Befehl oder Wunsch ich, und womöglich auch andere als ich, gefangen gehalten wurden, würde sich vermutlich von den Werkzeugen fernhalten, mittels welcher ihr Wille durchgesetzt wurde. Soweit ich wusste, hatte ich keine Feinde, und ich glaubte auch nicht, dass ich jemals irgendjemanden wirklich beleidigt hatte. Folglich vermutete ich, dass das, was mir widerfahren war, gar nicht persönlicher Natur, sondern auf seine eigene Weise völlig unpersönlich war. Wenngleich ich also keinen Zweifel daran hegte, dass ich aus irgendeinem Grund hier war, der etwas mit mir zu tun hatte – vielleicht wegen einer meiner Eigenschaften –, bezweifelte ich doch, dass es auf wirklich persönliche Weise mit mir zu tun hatte. Vermutlich ging es um eine Qualität oder ein Attribut, welches ich besaß.

Was war mit mir geschehen? Was war ich nun?

Ich wagte es nicht, Mutmaßungen anzustellen, doch ich kannte die Antwort.

Der Ort, an dem ich mich befand, war feucht und kalt, und es war kein Ort, an dem ich sein wollte. Irgendwo tropfte Wasser, vermutlich von der Decke. In der Dunkelheit tastete ich meine Umgebung ab, und als ich neben mir ein wenig Stroh beiseite strich, entdeckte ich flache kesselförmige Vertiefungen im Boden. In einer davon erfühlten meine Finger Wasser, in der anderen befand sich etwas, das wohl eine breiförmige Speise war, wenngleich kaum mehr als eine Handvoll, und dazu eine feuchte Brotkruste.

Ich legte mich wieder in das feuchte Stroh und rollte mich auf die rechte Seite, dann zog ich die Knie an den Körper und bettete meinen Kopf auf die Innenseite meiner linken Hand.

Ganz bestimmt würde ich nicht aus einer solchen Kuhle essen oder trinken.

Ich zog ein wenig an der Kette, die an meinem Halsreif befestigt war, und ich konnte sofort spüren, wie das Wenige an Kraft, was in dieser Bewegung lag, über die Kette in den Halsreif übertragen wurde, der nun fest gegen meinen Nacken drückte.

Einmal hörte ich draußen auf dem Korridor Schritte, ich nehme zumindest an, dass es ein Korridor ist. Ich lag ganz still da, wagte es nicht, mich zu bewegen, und einen Moment lang, als die Schritte an meiner Zelle vorübergingen, sah ich einen Streifen Licht unter der Tür. Bis zu diesem Moment hatte ich nicht einmal gewusst, wo sich die Tür überhaupt befand. Das Licht entstammte einer natürlichen Quelle, doch ob es von einer Kerze, Lampe oder Laterne herrührte, konnte ich nicht sagen. Als es schien, erhellte es ein wenig das Stroh auf meiner Seite der Tür. Außerdem verriet mir das Lichtspiel auf den dicken Balken, dass die Tür robust, und der untere Teil durch ein schweres metallenes Band verstärkt war. Natürlich war davon auszugehen, dass auch die oberen Teile derart verstärkt waren. Das Licht und die Beschaffenheit der Tür passten perfekt zu der primitiven Umgebung, in der ich mich wiedergefunden hatte.

Zitternd legte ich meinen Kopf zurück auf meine Hand.

Vielleicht hätte ich schreien sollen, als dieser jemand oder dieses Etwas vorübergegangen war, überlegte ich. Natürlich hätte ich das tun sollen!

Doch als die Schritte erneut erklangen, war ich wieder still und verängstigt, und als sie jenseits der Tür vorübergingen, konnte ich nicht einmal mehr atmen. Ich blieb reglos liegen, hatte Angst, dass das Metall, mit dem mein Körper gefesselt war, ein Geräusch verursachen könnte. Ich wollte durch keinen noch so leisen Laut Aufmerksamkeit auf mich ziehen. Ich bezweifelte nicht, dass wer oder was auch immer dort draußen war, wusste, wo ich war und in welchem Zustand ich mich befand. Es ging mir einfach nur darum, keine zusätzliche Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Später würde man mich lehren, dass es Anlässe gab, bei denen es in Ordnung war, Aufmerksamkeit zu erregen, und solche, bei denen es nicht angebracht war. Was diesen Anlass anging, bin ich mir sicher, dass mein Instinkt mich nicht trog. Tatsächlich hat er mich fast nie in Stich gelassen.

Als die Schritte nicht mehr zu hören waren, atmete ich erleichtert auf.

Doch nur, um mich einen Moment später schon wieder zu tadeln, dass ich diese Gelegenheit, eine Frage oder einen Protest zu äußern, einfach so vertan hatte. Kurz, nachdem die Schritte verklungen waren, erhob ich mich auf die Knie.

Ich muss wütend sein, gegen die Tür hämmern und rufen!

Ich muss Aufmerksamkeit auf mich lenken, ich muss verlangen, mit jemandem zu sprechen, toben und drohen, versuchen, meine Wärter zu verwirren und sie so einzuschüchtern, dass sie sich meinem Willen beugen! Und, falls nötig, muss ich auch auf mein unbestreitbares Recht pochen!

Doch natürlich konnte ich nicht gegen die Tür hämmern, ich konnte die Tür noch nicht einmal erreichen! Die Art, wie ich gefesselt war, hinderte mich daran, und ich war überzeugt davon, dass das kein Zufall war. Aufgrund der Kette an meinem Hals konnte ich nicht einmal aufrecht stehen. Ich hob den Arm und tastete nach der Decke des Raums. Sie war niedriger, als ich gedacht hatte. Anschließend legte ich mich wieder hin. Ich war voller Furcht und Verzweiflung. Der Raum, in dem ich gefangen war, war keine Zelle, sondern etwas anderes, er erinnerte mich an einen Zwinger.

Mein Gefühlsausbruch – die Verärgerung, die Entschlossenheit, die Empörung und das Gefühl der Rechtschaffenheit, selbst die kurzzeitige Feindseligkeit und auch die flüchtige Kampfeslust – waren bald verflogen. Abgesehen von den Geräuschen der Kette war ich still geblieben, und ich schätzte, dass ich dies wohl meinem Hintergrund oder meiner Erziehung zu verdanken hatte. Nicht, dass es relevant oder mir in meiner gegenwärtigen Misere hilfreich wäre. Es war nur so, dass es unangebracht, dumm und wirkungslos wäre, sich streitlustig zu geben, wenn man eine Kette um den Hals hatte und nicht einmal aufrecht stehen konnte. Angekettet und gefesselt, wie ich war, schien mir ein Flehen, Drohen oder dergleichen einfach nur absurd. Zweifellos war bereits über mich entschieden worden. Wie bei einem natürlichen Phänomen waren die Räder vermutlich schon in Bewegung gesetzt worden, und ich konnte nichts dagegen unternehmen. Falls es jemals einen Zeitpunkt gegeben hatte, an dem Forderungen oder Wünsche Wirkung gezeigt haben mochten, war er sicher schon längst vergangen. Außerdem war ich aus irgendeinem Grund sicher, dass ich nicht die einzige Person war, die hier auf diese Weise festgehalten wurde. Die Ketten, der Halsreif, die Vertiefungen im Boden, die offensichtlich so geringe Größe dieses Raumes und das Fehlen jeglicher logischen Begründung für mein Hiersein, außer eben der, dass noch mehr wie ich hier waren, deuteten allesamt darauf hin.

Sollen andere sich in derartigen Gefühlsausbrüchen ergehen, ich persönlich fand sie nicht nur angesichts meines Naturells wenig hilfreich, sondern auch, weil ich ganz konkret Angst davor hatte, dass man eine solche Reaktion inakzeptabel finden würde – höchstens zu Anfang vielleicht, als ein Quell der Belustigung. Darüber hinaus dachte ich auch an meine Rechte. Der naive Geist neigt zu der Annahme, dass die Gesetze, die ihm vertraut sind, die einzig möglichen sind, doch das ist natürlich ein gewaltiger Irrtum. Ich will damit nicht verleugnen, dass jede Zivilisation und Kultur ihre Gesetze und Rechte hat, sondern nur sagen, dass sie nicht zwangsläufig immer dieselben sind. Tatsächlich standen die Gesetze, an die ich gewohnt war, im Gegensatz zur Natur und stellten somit wohl eine Art Abweichung vom natürlichen Recht dar. Verglichen mit denen der meisten anderen Kulturen waren sie ausgefallen und auch historisch untypisch. Dass die Absicht darin besteht, der Natur zu widersprechen, anstatt ihr Folge zu leisten, ist zweifellos sinnig. Und dass sie menschliches Leid und soziales Chaos hervorbrachten, einschließlich all des Elends, das deren logische Konsequenz war, kann nicht als Kritikpunkt angesehen werden, sondern stellt angesichts ihrer Ziele vielmehr eine vorhersehbare Folge ihrer Brillanz dar. Doch natürlich sind nicht alle Gesetze auf ein derartiges Ziel ausgerichtet. Als ich dort gefesselt in der Dunkelheit lag und über die Natur und Komplexität meiner Notlage nachdachte, und auch über die praktischen Aspekte meiner Hilflosigkeit und Einkerkerung, kam ich zu dem Schluss, dass meine Situation vermutlich überhaupt keinen Verstoß gegen das Gesetz darstellte. Stattdessen war ich sicher, dass meine Lage voll und ganz im Einklang damit stand. Vermutlich war ich bereits in ein Netz aus Recht und Gesetz verwoben und, falls nicht, würde ich es bald sein. Nur waren es eben Rechte, die sich gänzlich von denen unterschieden, an die ich gewöhnt war. Vermutlich beruhten sie auf der Grundlage der Politik oder der Biologie.

Ich war mittlerweile sehr hungrig und durstig geworden, doch ich wollte auf keinen Fall aus der Kuhle im Boden trinken oder meine Lippen mit dem essbaren Schmutz beflecken, der in der Vertiefung daneben lag.

Mir war kalt und ich fühlte mich elend.

Falls es, wie ich annahm, dumm oder sogar gefährlich war, eine aggressive Haltung einzunehmen, zu protestieren, zu drohen, oder auf das Recht zu pochen, das womöglich direkt gegen einen gerichtet war, dann sollte ich vielleicht lieber an das Mitleid und die Gnade meiner Wärter appellieren. Könnte man sie denn nicht vielleicht anbetteln, bewaffnet mit dem verwundbaren Panzer rinnender Tränen und hilfloser Bedürfnisse? Könnte man nicht um Gnade bitten oder in einer solch verzweifelten Lage und vielleicht sogar die beinahe unvorstellbare Option in Erwägung ziehen, vor ihnen auf die Knie zu fallen und ihnen die Hände entgegenzustrecken? Könnte man in einer so hoffnungslosen Situation, nicht passenderweise, die Haltung eines Bittstellers einnehmen, vielleicht sogar weinen oder so tun, als würde man weinen? Einem so mitleiderregenden Anblick konnte sich doch sicher niemand verwehren. Angesichts der eigenen Schwäche und der Stärke der Mächte, deren Gefangene ich nun war, wäre einer solchen Reaktion sicher mehr Erfolg beschieden als mit leeren Drohungen, sinnlosen Protesten und gegenstandslosen Forderungen.

Aber ich würde nichts trinken oder essen.

Angesichts der Tatsache, dass ich hier war und angesichts der scheinbaren Methodik meiner Ankunft an diesem Ort – die Routine meiner Einkerkerung, die Beschaffenheit meiner Zelle, beziehungsweise meines Zwingers, gab es keinen Grund zu glauben, dass ich die erste oder die letzte Person war, die hier eingesperrt war. Es war davon auszugehen, dass nichts an mir besonders war, dass ich nur eine von vielen war, und dass mein Bitten meine Wächter nicht kümmern würde.

Ich veränderte meine Position mehrere Male.

Es ist schwer, eine derartige Wahrheit zu begreifen – die Feuchtigkeit, die nackten Steinwände und das stinkende nasse Stroh sowie der Halsreif, die Ketten und das Nacktsein.

So merkwürdig es auch klingt, aber zumindest diese Dinge gaben mir ein vages Gefühl der Sicherheit.

Ich fragte mich nicht, ob ich verrückt geworden war. An der Realität der Kette ließ sich ebenso wenig rütteln wie an ihr selbst.

Irgendwann rollte ich mich auf den Bauch und schob meinen Mund doch in die flache Vertiefung neben mir und trank. Ein wenig später griff ich in die andere Kuhle und nahm die Kruste und aß sie. Und einen Moment später schob ich mir auch den Brei in den Mund. Ich fuhr sogar vorsichtig, methodisch mit meinem Finger über den Boden der Vertiefung, um auch die letzten kleinen feuchten Reste zu verschlingen. Das Essen schien mir plötzlich enorm wichtig, und als ich dankbar meine Finger ableckte, wurde mir klar, dass was ich aß und wann ich es aß und ob ich überhaupt aß von jemand anderem bestimmt wurde. Diese Erkenntnis war furchterregend.

Ich schlürfte erneut ein wenig Wasser und wischte mit dem Handrücken über meinen Mund, dann rollte ich mich auf den Rücken und blickte hinauf in die Dunkelheit.

Ich zog die Knie an und hob die gefesselten Arme über den Kopf. Dort, hinter mir, konnte ich die Kette spüren, die von dem Halsreif zu dem Ring an der Wand hinaufführte.

Ich war weder stark noch mächtig, nicht einmal für eine meiner Art war ich stark. Warum also, war ich gefesselt und angekettet, wunderte ich mich. Vielleicht stellte das eine Art Lektion dar. Gewiss, sie hatten mich eingesperrt, mich in meiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Ich konnte nicht zur Tür eilen, falls sie geöffnet wurde. Ich konnte nicht fliehen, ich konnte meine Hände nicht benutzen. Vermutlich wollten sie nicht, dass ich ihnen Umstände bereitete, vor allem jetzt, am Anfang, wo ich dazu neigen könnte, schwierig oder hysterisch zu werden, doch die wahre Lektion hatte meiner Meinung nach nicht in erster Linie mit Sicherheit zu tun. Ich sollte eine Lehre daraus ziehen, dass die Fesseln an mir waren, dass ich in ihnen steckte und völlig hilflos war ... ich sollte mich erst einmal an die Ketten gewöhnen, an das Gefühl, sie zu tragen ... ich sollte auf diese drastische, tief greifende Weise lernen, wozu ich geworden war und was ich nun darstellte. Vermutlich würden ich und andere, uns später erneut in Ketten wiederfinden. Doch abgesehen von den praktischen Aspekten wie der Sicherheit oder dem Lerneffekt und dergleichen, war ich vermutlich auch aus dem Grund gefesselt, weil man es für passend hielt. Ich und die anderen Gefangenen, die es hier womöglich gab – es gehörte sich für uns, Fesseln zu tragen. Derlei Wesen waren wir geworden, und an der Effektivität der Ketten gab es darüber hinaus keinerlei Zweifel. Sie hielten uns und banden uns.

Ich legte mich auf die Seite und meine Gedanken wandten sich einfacheren und dürftigeren Themen zu. Ich fragte mich, was ich war, dass man eine solche Behandlung für angebracht hielt. Und ich dachte über die Ketten nach und darüber, warum ich sie tragen musste.

Ich wagte es nicht, Schlussfolgerungen anzustellen, doch ich kannte die Antwort.

Ich zog die Beine an, legte die Hände auf meine Schultern und rollte mich auf dem nassen Stroh zusammen.

Mir war kalt. Draußen auf dem Korridor herrschte Stille.

Ich lag ebenfalls ruhig da.

Es mag merkwürdig erscheinen, aber in einer solchen Situation empfindet man einen gewissen Trost und ein Gefühl der Sicherheit, weil man angekettet ist.

Die Chroniken von Gor 26 - Die Zeugin

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