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Kapitel 1. Die Dämmerung
ОглавлениеTrotz der Kälte, die der späte Herbst durch seine vielen Windböen mit sich brachte, schwitze Darian vor Anstrengung. Kurz gönnte er sich eine Pause, bis er wieder den Blasebalg an der Glut bediente, sodass diese rot aufglühte. Auch Meister Hiram tropfte der Schweiß von seiner Stirn, als dieser erneut die grobe Klinge aus der Glut zog. Sorgfältig begutachtete er das Stück und legte es auf den Amboss, um es mit seinem Hammer zu bearbeiten. Mit perfekter Präzision jedes einzelnen Schlags fuhr der Hammer auf den Rohling nieder, bis der Meister ihn ein weiteres Mal beäugte und ihn mit einem Nicken wieder in das Feuer schob.
Hiram ließ sich immer viel Zeit für seine Klingen, doch das zeichnete diese für ihre Qualität aus, die in der ganzen Stadt berühmt war, weswegen seine Schwerter auch einen gewissen Preis hatten, den nicht jeder erbringen konnte. Das ein oder andere Mal hatte Darian schon erlebt, wie ein Kunde sich über den Preis beschwerte, Handgreiflichkeiten waren zwar unüblich, doch immer wieder kam es vor, dass ein Kunde voller Zorn über den Preis zu einem nicht erworbenem Schwert griff, doch glücklicherweise war Hiram nicht nur ein guter Schmied, er konnte auch richtig gut mit seinen Stücken umgehen und hatte bisher jeden Kunden in den Griff bekommen.
Des Weiteren gab es noch die unerwünschten Besucher, die verzweifelt die Schmiede aufsuchten um nach Geld oder einer Waffe bettelten, damit sie vielleicht eine weitere Woche auf der Straße über die Runden kommen könnten.
Hiram wies sie alle ab. Manchen gab er ein bisschen Geld mit auf den Weg, aber seine Waffen konnte er nicht weggeben. Zwar lief sein Geschäft, doch der Stahl, den er für seine Schwerter benötigte, wurde immer teurer.
Darian war ebenfalls erst einer dieser unerwünschten Besucher der Schmiede gewesen. Er hatte damals um Geld gebettelt, um seine Familie über die Runden zu bringen, doch auch ihn hatte der Meister zuerst abgewiesen, dann aber gezögert und anstatt des Geldes ihm eine Arbeit als Gehilfe in der Schmiede angeboten. In seiner verzweifelten Lage hatte er natürlich sofort eingewilligt und seitdem arbeitete Darian tagein, tagaus in der Schmiede von Meister Hiram zusammen mit Finn, dem Sohn des Meisters, der die Schmiede eines Tages übernehmen sollte.
Finn war ein netter Bursche mit zotteligem Haar und dunklen braunen Augen. Er hatte die gleiche kleine Nase seines Vaters und hohe Wangenknochen, sowie kleine Ohren. Er war etwas größer als Darian und schon jetzt zeichneten sich die Muskeln an seinen Armen ab, die sich durch die Arbeit in der Schmiede langsam aber sicher entwickelten.
Schnell hatten sich die beiden gleichaltrigen Jungen angefreundet und verrichteten gewissenhaft ihre Arbeit in Hirams Schmiede.
Jeden Morgen schleppten sie das Holz vom Hinterhof in die Schmiede, bedienten den Blasebalg, oder ordneten die Schwerter nach Größe, Gewicht und Preis. Das ein oder andere Mal hatte der Meister ihnen sogar erlaubt, eine seiner Klingen probeweise zu schwingen, was den beiden Jungen immer wieder Freude bereitete.
Jedoch war es Darian ein Rätsel, warum Hiram ihn zu seinem Gehilfen gemacht hatte. Einmal hatte er seinen ganzen Mut zusammengenommen und den Meister in einer ihrer Pausen gefragt. Dieser hatte nur amüsiert gelächelt und ihm gesagt, dass er jung, kräftig und lernfähig sei und zudem noch seine Mutter und seine Schwester zu ernähren hatte. Heute musste er nur noch für seine Mutter sorgen, seine Schwester war im letzten Winter an einem Schnupfen und hohem Fieber gestorben, was ihn sehr traurig machte.
Er hatte sich geschworen, noch härter zu arbeiten, damit sie weiterhin ein Dach über dem Kopf hatten und seiner Mutter nicht das gleiche Schicksal ereilte.
Sie war zudem die einzige Person, die ihm noch geblieben war, da sein Vater bei der Übernahme der Dunklen und Tyrannus gestorben war. Er hatte im Palast als Koch gearbeitet und kaum ein Mensch hatte den Überfall dort überlebt, auch nicht sein Vater.
Elf Jahre lag der Tod seines Vaters nun schon zurück und seitdem hatte sich sein Leben komplett geändert. Sie waren gezwungen gewesen, ihr Haus aufzugeben und in das Armenviertel der Stadt zu ziehen, wo eine Hütte nicht viel Miete kostete.
Das war geschehen, als Darian erst vier Jahre alt war. Damals hatte er nicht begriffen, wieso seine Mutter Sabella so traurig war und sie plötzlich aus ihrem Haus weg mussten. Er hatte sie nur immer wieder gefragt, wann sein Vater nach Hause kam. Bis heute hatte sie ihm diese Frage nicht beantwortet, doch irgendwann hatte er selbst begriffen und seine Mutter nicht mehr danach gefragt. Die Erkenntnis hatte ihn wie ein Schlag getroffen, unvermittelt und mit voller Wucht. Er hatte tagelang geweint, als ihm klar geworden war, dass sein Vater nie mehr wieder nach Hause kam, ihn nie mehr in die Arme schloss. Sabella hatte mit ihm geweint, bis er den Tod seines Vaters akzeptieren konnte.
Insbesondere für seine Mutter war diese Zeit schwer gewesen, alleinerziehend gab es für Frauen keine Perspektive, dennoch hatte sie versucht, Arbeit zu finden. Jedoch wollte seine Mutter niemand haben, eine Frau bei der Arbeit war ein Tabu, wer dieses brach, wurde beschuldigt, ein Lusthaus zu betreiben und das Ansehen seines Betriebes sank in der Stadt, sodass die Leute dieses nicht mehr aufsuchten.
Nach etlichen Versuchen hatte Sabella schließlich aufgegeben und war auf die Straße zum Betteln gegangen. Es war nie wirklich viel gewesen, doch sie waren sparsam und hatten immerhin davon überleben können.
Als Darian schließlich alt genug war, hatte er beschlossen, seine Mutter zu unterstützen und sich selbst auf die Suche nach Arbeit zu machen. Auch er hatte kein Glück gehabt. Oftmals musste er sich anhören, dass er zu jung für eine Arbeit war, oder keine Ausbildung durchlaufen hatte und keine Qualifikationen besaß. Irgendwann war auch sein Wille gebrochen und der nächste Winter sollte wohl ihr Letzter werden, doch seine Mutter lernte einen Mann kennen, der ihnen half.
Zwar überlebten sie den Winter, doch hatte seine Mutter nur noch Augen für Xian, den Darian gar nicht leiden konnte. Irgendetwas schien er ihnen zu verheimlichen, doch alle Versuche, mit seiner Mutter über Xian zu sprechen scheiterten. Er konnte sich nicht erklären, was seine Mutter an dem Kerl fand. Er hatte ihnen gesagt, dass er als Händler tätig war, doch hatte Darian nie irgendwelche Ware gesehen, oder einen gemieteten Stand auf der Haupthandelsstraße, als er ihm nachspioniert hatte. Das Geld teilte er selten oder gar nicht mit ihnen, was seine Mutter nicht zu stören schien, weshalb er trotzdem noch Arbeit finden musste, damit sie nicht verhungerten.
Zu allem Überfluss beschlossen sie, schon nach einigen Wochen zusammen in ein größeres Haus im Armenviertel zu ziehen, in dem sie jetzt immer noch lebten. Bis zum heutigen Tag traute Darian Xian kein Stück und er hoffte, dass der Mann sich bald aus ihrem Leben entfernte, egal wie.
Also arbeitete er weiterhin in der Schmiede bei Hiram, der gerade zusammenzuckte, als ein kalter Windstoß durch die Hintertür fegte, die sein Sohn aufgestoßen hatte. Zitternd betrat Finn die Schmiede, in beiden Armen einen Stapel Feuerholz, den er griffbereit in einer Ecke verstaute. Fluchend zog er sein Wams enger um sich und schloss die Tür.
>> Dieses Jahr steht uns ein kalter Winter bevor. << murmelte er und auch Darian seufzte auf >> Immerhin musst du nicht noch durch die Kälte nach Hause, sondern bloß ein paar Stufen hoch. Also beklage dich mal nicht! << stichelte Darian.
>> Gut möglich, aber dann bleibst du wenigstens fit, wenn dich die Dunklen abends durch die Gassen jagen. << grinste Finn zurück, der immer noch vor Kälte zitterte. Als Meister Hiram das bemerkte, beorderte er ihn ans Feuer an den Blasebalg und gönnte Darian eine Pause, der ohnehin schon am Ende seiner Kräfte war. Jeden Abend aufs Neue ließen ihn seine Muskeln spüren, dass die Arbeit in der Schmiede körperlich anstrengend war.
Er ließ sich auf einem kleinen Hocker nieder, der irgendwo in dem Raum stand und verschnaufte einen Moment.
>> Mehr Luft! << kam es von Hiram herüber, dessen kratzige Stimme nicht zu überhören war. Als Antwort erhielt der Schmied ein lautes Zischen, Finn verlangte sich und dem Blasebalg alles ab und zufrieden zog Hiram die Klinge aus der Glut und drosch abermals mit seinem Hammer darauf ein.
Stöhnend erhob sich Darian und ließ sich in einer Ecke nieder, um die Schwerter, die sein Meister in den letzten Wochen fertiggestellt hatte, zu sortieren.
Jede Klinge faszinierte ihn aufs Neue, da jede Einzelne ein Meisterwerk für sich war, einzigartig und perfekt verarbeitet. Probeweise hielt er eine Klinge gegen das Licht einer Fackel und erkannte so, wie enorm scharf der Stahl geschliffen worden war.
Er war so fasziniert von der Schönheit der Schwerter, dass er zusammenschreckte, als er Hirams Stimme erneut vernahm
>> So, ich denke das war die letzte Klinge für heute. Damit seid ihr beide entlassen. Darian, ich erwarte dich morgen etwas früher, ihr müsst zur Haupthandelsstraße, um neuen Stahl zu besorgen. <<, dann wandte er sich an
seinen Sohn >> Finn, hilf mir bitte noch beim Aufräumen! << Dieser stöhnte entnervt auf, fing jedoch unverzüglich mit der Arbeit an.
Unter normalen Umständen hätte Darian ebenfalls mitgeholfen, jedoch war es schon spät, es dämmerte bereits und für ihn war der Tag kräftezehrend gewesen, sodass er sich dankbar von den Beiden verabschiedete und den Heimweg antrat. Als er die Schmiede verließ, fuhr ihm nur ein weiterer kalter Windstoß entgegen, die Straßen waren bereits wie leer gefegt, weder Händler oder Gaukler, noch Bettler waren auf den Straßen unterwegs und auch er selbst beeilte sich nach Hause zu kommen, da die Straßen nachts nicht sicher waren.
Zwei Dinge hatte man zu fürchten, wenn man alleine nach Einbruch der Dunkelheit durch die vielen Gassen eilte. Zum einen trieben Räuber und Diebe ihr Unwesen und überfielen arglose Passanten, die sich des Nachts noch in manch einer Gasse verirrt hatten. Doch hatte man Glück im Unglück, wenn man nur von Räubern überfallen wurde, ein schlimmeres Schicksal erwartete einen, wenn man auf eine Patrouille der Dunklen stieß, die ihre Opfer mitnahmen und sich einen Spaß daraus machten, den Unglückseligen bis zum Tod zu foltern.
Die Dunklen, eine Rasse aus dem Ödland hatten die Stadt fest im Griff, sie kontrollierten die Ausgänge der Stadt, den Handel und die Gesetze mit eiserner Hand. Niemand konnte ihnen etwas anhaben, man munkelte, dass sie übermenschliche Fähigkeiten besäßen, zudem unterstanden sie Tyrannus, einem Dämon, der sich als Herrscher über das ganze Land erhoben hatte. Seine Macht schien unbegrenzt, irdische Gesetze galten für ihn nicht, so munkelte man jedenfalls. Die Dunklen waren seine Handlanger, sie unterstanden ihm und hatten ihm damals geholfen, die Macht an sich zu reißen.
So sicher wie der nächste Sonnenaufgang war aber, dass die Dunklen vorzugsweise in der Nacht aktiv waren, also zog er das Tempo an und verfiel in einen Laufschritt.
Von der Schmiede bis zu seinem Haus im Armenviertel war es nicht weit. Dennoch wollte er kein Risiko eingehen und hielt sich unauffällig am Straßenrand, nahe der Fassaden. Nervös warf er immer wieder Blicke über seine Schulter, um sich zu vergewissern, dass ihm niemand folgte. Mittlerweile war es fast komplett dunkel und er konnte kaum mehr etwas erkennen. Meister Hiram hatte wohl die Zeit unterschätzt, dachte er und ärgerte sich, dass er nicht selbst darauf geachtet hatte, da es Herbst wurde und es bereits früher dämmerte.
Er bog in eine Seitengasse und atmete erleichtert auf, als er keine Gestalten erblicken konnte. Diese unscheinbare kleine Gasse führte ihn direkt ins Herz des Armenviertels und bald würde er sicher zu Hause sein.
Er huschte in die kleine Straße und einen kurzen Moment später sah er sie und eine Welle des Entsetzens brach in ihm ein.
Fünf in Roben gekleidete Gestalten betraten den Weg und blickten in seine Richtung. Mit einem Satz hechtete er in einen Hauseingang und betete, dass die Dunklen ihn nicht bemerken würden. Sein Herz schlug bis zum Hals, als er angestrengt lauschte. Er hörte ihre Schritte, welche immer lauter an sein Ohr drangen. Als sie an seinem Versteck angelangt waren, blieben alle fünf abrupt stehen und drehten sich langsam in seine Richtung. Darian presste sich mit ganzer Kraft gegen die Hauswand und war starr vor Angst. Jetzt war es vorbei mit ihm, dachte er verzweifelt, sie hatten ihn bemerkt und schleppten ihn mit.
Das letzte Fünkchen Hoffnung wurde in ihm zerstört, als er sich daran erinnerte, dass die Dunklen auch ohne Licht sehen konnten.
Zwar war auch das nicht bestätigt und er hoffte auf das Gegenteil, doch was sollte ihn jetzt noch retten? Er wusste, dass nun das Unvermeidliche kommen würde und schloss die Augen.
Doch ein Angriff blieb aus und statt sich auf ihn zu stürzen, deutete einer von der Gruppe auf etwas über Darian. Im nächsten Augenblick hörte er das typische Surren eines Bogens und ein Dunkler taumelte getroffen von einem Pfeil in der Schulter zurück. Sofort zogen die anderen Vier kampfbereit ihre gezackten Schwerter und stießen sich kraftvoll vom Boden ab, über den verblüfften Jungen hinweg auf das Dach und landeten gekonnt dort, von wo der Pfeil gekommen war.
Auch der Verbliebene am Boden zog sich unter einem Aufschrei den Pfeil aus seiner Schulter und eilte zurück in die Richtung, aus der er gekommen war.
Weitere Minuten verstrichen, ehe Darian sich wagte zu bewegen. Mit weichen Knien und immer noch pochendem Herzen wurde ihm bewusst, wie knapp er dem Tod entronnen war. Nur stellte sich ihm die Frage, ob es Zufall gewesen war, dass gerade jemand in diesem Moment einen Pfeil auf die Gruppe abgeschossen hatte. Er hoffte nur, dass es der Person gelang, den Häschern des Dämons zu entfliehen. Noch ein letztes Mal blickte er in die Richtung seines Retters, dann sah er zu, dass er schleunigst weiter kam, denn einen weiteren Zwischenfall wollte er möglichst vermeiden.