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Kapitel 6 Schlechte Neuigkeiten
ОглавлениеSchweißgebadet schreckte Darian hoch. Er hatte schlecht geschlafen und einen seltsamen Traum gehabt. Sein Freund Finn war zusammen mit ihm unbekannten Leuten in das Gefängnis eingedrungen, um ihn zu befreien. Dann wurden seine Erinnerungen verschwommen und er konnte sich nur schemenhaft an den Rest erinnern.
Er stutze. Irgendetwas war nicht richtig, es fühlte sich weich unter ihm an und es war ungewöhnlich warm. War er wirklich noch in der Zelle des Gefängnisses? Es war dunkel hier und nur langsam gewöhnten sich seine Augen an die Umgebung. Ein anderer Gedanke kam in ihm auf: War er vielleicht Tod? Hatten die Dunklen ihn zu Tode gefoltert, nachdem er kaum noch bei Bewusstsein gewesen war? Er konnte ihre Peitschenhiebe förmlich immer noch auf seinem Rücken spüren. Ihre Gesichter sehen. Wie sie ihn herablassend und hämisch immer wieder aufs Neue angegrinst hatten, nach jedem seiner Schreie. Es war wie in einem Albtraum gewesen. Irgendwann hatte er aufgegeben und versucht sich dem Tod hinzugeben, doch sie hatten ihm einen Trunk verabreicht, der ihn bei Bewusstsein hielt.
Langsam und zögerlich tastete er um sich. Er konnte eine Decke erfühlen und ein Kissen, auf dem zuvor noch sein Kopf gebettet war. Vielleicht war der Traum auch real gewesen und Finn hatte ihn wirklich befreit? Dennoch nagten weitere Zweifel an ihm. Er musste erst mal herausfinden, wo er war, spekulieren half ihm da auch nicht weiter. Neugierig kroch er unter seiner Decke hervor und versuchte, aufzustehen, als sein Körper ihn schmerzlich an seine vielen Verletzungen erinnerte. Er ließ sich wieder zurück ins Bett fallen und begutachtete so gut es ging seine Verletzungen. Eine Rippe schmerzte höllisch und auch an seinem Rücken konnte er viele Wunden erfühlen, die ihm zugefügt worden waren. Zudem konnte er einige seiner Zehen nicht spüren, was ihm am meisten beunruhigte. Ansonsten war sein Körper übersät, mit blauen Flecken, die jedoch nicht das größte Problem darstellten. Plötzlich zuckte er zusammen, als sich neben ihm eine Stimme räusperte. Eine Fackel wurde entzündet und er musste die Augen vor dem hellen Licht zusammenkneifen, um überhaupt etwas zu erkennen.
Vor ihm stand ein schmächtiger, ausgehungerter Mann mit einem schmalen Gesicht, der ihn scheu anlächelte. Er war schon etwas älter und die vielen Narben, die sein Gesicht zierten, ließen erkennen, wie viel der hagere Mann schon durchgemacht hatte. Doch seine braunen, wilden Augen und das unbändige, zottelige Haar, das ebenfalls tiefbraun war, zeigten eine Wildheit, die Darian noch bei keinem Menschen so gesehen hatte.
>> Der große Geist des Autalapau sei mit Euch, mein Name ist Yako Sturmreiter. <<, begrüßte ihn der Fremde mit einem merkwürdigen Akzent. Darian wollte ebenfalls etwas sagen, doch Yako zwang ihn zur Ruhe. >> Schont Euch, so gut Ihr könnt. Ich weiß bereits, wer Ihr seid und Ihr wisst jetzt, wer ich bin. Trinkt das, dann geht es Euch bald besser. << forderte Yako ihn auf und hielt Darian einen Becher mit einer braunen Flüssigkeit hin.
Zögerlich griff er danach und roch misstrauisch an der Brühe. Er hatte keinen Grund, diesem Fremden zu vertrauen. Wenn es wieder so ein teuflisches Getränk der Dunklen war? Noch einmal begutachtete er Yako Sturmreiter. Allmählich konnte er immer weitere Details ausmachen. Er hatte dunklere Haut, als die meisten Menschen und er trug ziemlich viel einfachen Schmuck an seinem Körper, beispielsweise um seinen Hals, oder an seinen Ohren. An den meisten seiner Finger prangten Ringe aus Knochen, die entweder verziert worden waren, oder einen kleinen Schädel eines Tieres zeigten. Schnell wurde klar, dass Yako nicht von hier stammte. Könnte er wirklich ein Spion der Dunklen sein? Je länger er den kleinen Mann betrachtete, desto unvorstellbarer schien ihm sein Gedanke. Er hielt den Becher aus einfachem Ton immer noch in seinen Händen, doch Yako wartete geduldig, sagte nichts weiter.
Mit einem Schulterzucken entschied er, dass Gebräu zu trinken und stürzte es mit einem Zug seine trockene Kehle hinunter. Das Zeug brannte fürchterlich in seinem Rachen und in seinem Magen, aber nur kurz, danach breitete sich eine wohlige Wärme in seinem ganzen Körper aus. Mit einem Mal konnte er auch wieder seine Zehen spüren und der Schmerz an seiner Rippe und auf seinem Rücken ebbte jäh ab. Dankbar reichte er Yako den leeren Becher zurück, der ihn wortlos entgegennahm. Er steckte die Fackel in eine Halterung an der Wand und wandte sich zum Gehen, hielt aber nochmals inne.
>> Jetzt ruht Euch erst mal aus und kommt wieder zu Kräften. Die Medizin, die ich Euch gegeben habe, wird schnell helfen. Gleich wird noch jemand kommen und Euch etwas zu Essen und zum Trinken bringen. Ihr steht nur auf, wenn Ihr wirklich einen guten Grund dafür habt, ansonsten ist äußerste Bettruhe an der Tagesordnung. Und meidet die geschundenen Stellen Eures Körpers. Wenn die Heilung einsetzt, wird es bald anfangen zu jucken, doch kratzt die heilenden Stellen nicht wieder auf. Wenn Ihr meinen Ratschlägen Folge leistet, werdet Ihr umso schneller wieder aus dem Bett können. <<
Darian nickte zur Bestätigung und ließ sich mit einem Seufzen zurück in sein warmes Bett sinken. Jetzt, da er kaum noch Schmerzen hatte, meldete sich sein Magen zurück. Er wusste nicht, wann er das letzte Mal etwas gegessen, geschweige denn etwas Flüssigkeit zu sich genommen hatte.
Zum Glück hatte Yako seine Fackel hiergelassen, so hatte er zumindest etwas Licht. Endlich konnte er seine Umgebung genauer in Augenschein nehmen. Er lag in einem großen Saal, der einer Höhle ähnelte ohne Fenster oder Tageslicht. Ansonsten standen noch viele andere Betten in diesem Raum und noch ein paar alte Kisten und anderes Gerümpel. Wände, Decke und Boden waren aus dem gleichen Material, Lehm, oder Ähnliches. Der Raum, warf ihm zusätzlich neue Fragen auf und er wollte endlich wissen, was überhaupt los war.
Ehe er weiter grübeln konnte, betrat eine ihm wohl vertraute Gestalt den Raum und rannte geradewegs auf ihn zu.
>> Darian! Endlich bist du wach, wir hatten uns schon ziemliche Sorgen um dich gemacht. Es ist schön, dich wieder unter den Lebenden zu haben. <<, witzelte Finn, als ob nichts geschehen war.
>> Ja ich freue mich genauso, wie du, aber erst muss ich alles erfahren. Diese Unwissenheit quält mich, also rück raus mit der Sprache! Wie bist du hier her gekommen, wie bin ich hier her gekommen und wo um alles auf der Weltenscheibe befinden wir uns? <<
Amüsiert, über die Unwissenheit seines Freundes schmunzelte Finn. Er war wohl nicht der einzige, der ein Abenteuer erlebt hatte. Aber erst wollte er Darian noch ein bisschen zappeln lassen. >> Dasselbe könnte ich dich auch Fragen. Wie hast du es geschafft, ins Gefängnis zu kommen? Ich dachte immer, niemand schnappt den großen, tollkühnen Darian? <<, neckte er seinen Freund, dem sichtlich die Geduld für solche Spielchen fehlte. Doch Darian kannte Finn zu gut, er würde erst etwas erzählen, wenn er Finn seine Fragen beantwortet hatte. Also erzählte er ihm von Xians Kleiderschrank, der eine geheime Tür zu einem verborgenen Raum barg, in dem Xian üble Tränke herstellte und wie er dort herumgeschnüffelt hatte. Wie Xian ihn dann dort geschnappt und anschließend an die Dunklen ausgeliefert hatte, mit denen er wohl eine gute Beziehung pflegte. Den Rest seiner Geschichte kannte Finn bereits, Darian wurde ins Gefängnis gebracht und dort fast zu Tode gefoltert. Finn hörte gebannt zu, ohne dazwischen zu reden. Nur manchmal stellte er Fragen. Als Darian geendet hatte, schaute er betreten zu Boden. Die Erinnerungen waren noch frisch und schmerzten. Erschöpft schloss Darian die Augen und es herrschte einen Moment Stille.
>> So etwas willst du nicht erleben, Finn. Es war wie in deinen schlimmsten Albträumen. Sie verabreichen dir ein Gebräu, das dich bei Bewusstsein hält, sodass du alles mitbekommst. Ihre Blicke und ihr freudiges Grinsen, wenn du vor Schmerz schreist. Sie können nicht genug davon kriegen. Am Ende wollte ich nur noch sterben, Finn. Es war einfach nur grauenvoll. <<, sagte Darian mit bebender Stimme.
>> Ich kann dich verstehen. Auch mir haben die Dunklen Schmerzen zugefügt, doch auf andere Weise, wie du sie erfahren hast. << Stille. Finn hatte Mühe, weiter zu sprechen, doch schließlich gelang es ihm. >> Sie haben Hiram getötet. Hörst du, sie haben ihn einfach grausam erschlagen! << Finns Stimme klang durch den ganzen Saal, als er die Schreckensnachricht seinem Freund mitteilte. Seine ganze Trauer, die er die letzten Tage zurückgehalten hatte, brach nun über ihn hinein und schwemmte alle Hoffnungen fort. Auch Darian traf diese Nachricht wie ein Hammerschlag. Wie konnten die Dunklen nur so etwas derart grauenhaftes tun? Heißer Zorn flammte in ihm auf, den er nicht unterdrücken konnte, nicht unterdrücken wollte. Er würde sich rächen, für das, was die Dunklen ihm und Finn angetan hatten. Es war an der Zeit, selbst zu handeln.
Er suchte nach tröstenden Worten, fand jedoch keine, stattdessen kehrte wieder Ruhe zwischen den beiden Freunden ein.
Nach quälendem Warten, fuhr Finn immer noch mit schluchzender Stimme fort >> Als du die Schmiede verlassen hattest, habe ich, wie üblich, das Abendessen vorbereitet. Und als Vater nicht kam, habe ich ihn erst überall in der Schmiede gesucht. Zuerst dachte ich mir nichts dabei, du kennst Hiram ja, er ist oft so und arbeitet teilweise noch Stunden später in der Schmiede. Doch diesmal fand ich ihn nicht und suchte ihn in der Stadt. Auch bei Lönning war er nicht. <<
>> Lönning? <<
>> Der schmierige Händler, der uns immer den Stahl für die Waffen verkauft. << Darian erinnerte sich und Finn fuhr fort.
>> Also habe ich die Stadt nach ihm abgesucht, bis ich einen Schrei hörte. Ich wollte erst dich Fragen, ob du etwas weißt, bis mich dieser Schrei zu meinem Vater führte, der gerade mit fünf Dunklen gleichzeitig kämpfte. Ich weiß bis heute nicht, warum er dort draußen war. <<
In Darian keimte ein ungutes Gefühl auf. Er konnte sich erinnern, dass ihm ebenfalls fünf Dunkle begegnet waren. Konnte es sein, dass der unbekannte, der einen Pfeil auf die Dunklen geschossen hatte, Hiram gewesen war? Dass er ihn von den Dunklen retten wollte? Demnach wäre Hirams Opfer völlig sinnlos gewesen, dachte Darian. Letztendlich hatten die Dunklen ihn doch gekriegt. Sollte er es Finn sagen? Erst einmal entschied er sich dagegen, er konnte es ihm immer noch später erzählen und lauschte weiter Finns Bericht.
>> Jedenfalls wollte ich ihm helfen, aber ich konnte nicht. Einer der Dunklen verfolgte mich bis zur Schmiede, wo mich eine Gruppe rettete, die etwas von meinem Vater wollten. Sie überwältigten den Dunklen und als ich erneut aufbrach, um Hiram zu helfen, stieß ich… <<, Finn stockte erneut, als das Bild von der Leiche seines Vaters erneut in seinem Kopf aufkam. Mitfühlend legte Darian einen Arm um die Schulter seines Freundes. Er hatte verstanden.
>> Ich weiß nicht, wie lange ich bei ihm lag. Die Personen, die mich gerettet hatten, zogen mich irgendwann fort zurück in die Schmiede. Sie waren sehr nett zu mir und bedauerten ebenfalls den Tod meines Vaters. Vor allem die Frau, Nahiri heißt sie, war sehr mitfühlend. Ich denke, sie kannten ihn. Wenig später, machten sie mir ein Angebot. Sie gehören einer Organisation an, die gegen die Dunklen und Tyrannus kämpft. Sie kauften alle übrigen Waffen und wollten, dass ich ihrer Organisation beitrete. Ich entschied mich mit ihnen zu gehen und landete so im Hauptquartier der Widerständler. So nennen sie sich. Eine mächtige Magierin die Lucia heißt, ist ihre Anführerin und gleichzeitig auch die Gründerin der Widerständler. Sie war ebenfalls an deiner Rettung beteiligt. Du hättest sie sehen müssen. Sie streckte einen Dunklen nach dem anderen nieder, genau wie die Anderen aus der Gruppe. Sie kämpfen zusammen, ihre Bewegungen sind perfekt aufeinander abgestimmt. <<
Nun wurde Darian einiges klar. Sein Traum war also gar kein Traum gewesen und seine kühnsten Hoffnungen hatten sich bestätigt. Finn hatte ihn wirklich aus dem Gefängnis geholt.
Also war er hier bei den Widerständlern, die Finn geholfen hatten. Er schien vorerst außer Gefahr und in Sicherheit. Darian nahm sich vor, sich bei allen Personen, die an seiner Rettung beteiligt waren, zu bedanken.
>> Wo befindet sich ihr Hauptquartier? <<, fragte er nun interessiert. Einige Fragen waren immer noch offen, doch er hoffte, auch darauf noch Antworten zu erhalten.
>> Das Hauptquartier liegt unter dem verlassenen Armenviertel. <<
Erstaunt zog Darian eine Augenbraue hoch. >> Du meinst dort, wo die Räuber ihre Quartier haben und es spuken soll? Bist du sicher, dass sie uns helfen und keine gewöhnlichen Räuber sind? <<
Finn winkte ab. >> Du kannst ihnen vertrauen. Sie haben mich wirklich gut aufgenommen und mir sogar die Waffen bezahlt. Sie hätten sie sich auch einfach nehmen können, glaub mir. Zumal sie es waren, die diese Gerüchte über das verfluchte Viertel in die Welt gesetzt haben. Sie brauchten ein Quartier, also haben sie Höhlen und Gänge in den lehmigen Boden unter dem Armenviertel gegraben. Es ist der perfekte Ort, hier finden uns die Dunklen nie, das sag ich dir. << Gedankenverloren nickte Darian, sein Wissensdurst war vorerst gestillt und er brannte darauf, die Mitglieder der Organisation kennen zu lernen.
Dann keimte eine andere Sorge in ihm auf. Bei all dem Trubel hatte er beinahe seine Mutter vergessen, die sich immer noch in Xians Klauen befand. Er hoffte nur, dass sein Verschwinden keine unerwünschten Konsequenzen nach sich ziehen würde.
>> Hast du vielleicht auch Neuigkeiten über meine Mutter? <<, fragte Darian hoffnungsvoll. Betreten schaute Finn zur Seite und rutschte unruhig auf der Bettkannte hin und her. >> Nun ja, da gibt es ein kleines Problem. Lucia hat gleichzeitig eine Gruppe entsandt, die deine Mutter ebenfalls hierher bringen sollte. Als sie bei eurem Haus angelangten, fanden sie es komplett leer vor. Aber mach dir keine Sorgen, wir durchkämmen bereits die ganze Stadt nach ihnen. Wir werden sie finden, ganze bestimmt. Und dann geht es Xian endlich an den Kragen! <<
Betreten nickte Darian. Er war voll Sorge um seine Mutter. Er musste sie finden, sie beschützen. >> Wie lange war ich eigentlich ohne Bewusstsein? Es ist anscheinend viel passiert in meiner Abwesenheit. <<
>> Vier Tage lang liegst du bereits in dem Bett. Yako, der ebenfalls ein Gefangener der Dunklen war, hat dich nach und nach soweit wieder aufgepäppelt. Es stand schlecht um dich und wäre er nicht gewesen, wärst du nicht mehr unter den Lebenden. Er kommt aus dem Norden, aus dem großen Wald. Er kennt sich gut mit Pflanzen und ihren Wirkungen aus. Er ist zwar etwas verschlossen und sagt nur das Nötigste, will aber ebenfalls helfen. Du musst ihn unbedingt kennenlernen. <<
>> Das habe ich bereits. Er war gerade bei mir, als ich aufgewacht bin. Er kam mir seltsam vor, aber ich denke du hast Recht. Auf mich macht er keinen schlechten Eindruck, er ist halt nur etwas anders, ich schätze, damit müssen wir klar kommen. <<
Finn grinste seinen Freund an. >> Oh ja, es gibt viele Mitglieder, die etwas seltsam sind, du wirst es selber bald feststellen. Aber jetzt komm erst mal wieder zu Kräften, danach sehen wir weiter, in Ordnung? Du hast sicher einen Bärenhunger, nach vier Tagen Schlaf hätte ich das auch. <<
Du glaubst gar nicht, wie groß mein Hunger ist. Ich könnte mich glatt selber aufessen. <<, witzelte Darian.
>> Dann störe ich nicht weiter und überlasse dem Bären seinen Fraß und hoffe, dass unser aller Leben damit außer Gefahr ist. <<, sagte Finn und erhob sich von Darians Bettkante.
Einige Tage später, als sich Darian schon wieder etwas erholt und Yako ihm erlaubt hatte aufzustehen, bat Lucia ihn und Finn in ihre privaten Gemächer. Er fand sich in dem Komplex aus Gängen und Räumen noch nicht ganz zurecht, dafür aber Finn, der ihn zielstrebig zu einer verschlossenen Tür führte. Auf dem Weg dorthin begegneten den Beiden viele andere Mitglieder der Widerständler. Die meisten kannte Darian schon mit Namen, nach und nach waren sie an sein Bett gekommen und hatten ihn herzlich begrüßt. Sie alle wirkten ganz nett auf ihn, obwohl er bei dem ein oder anderen doch etwas von ihrem Anblick eingeschüchtert war.
Zaghaft klopfte Finn an der Tür, die zur Bestätigung nach Hinten schwenkte und die beiden Jungen eintreten ließ. Lucia schaute auf, als sie den Raum betraten. Darian war sichtlich beeindruckt, von ihrer Erscheinung und er hatte den Eindruck, als fülle sie den ganzen Raum aus.
Auch ihr Körper und ihr Gesicht beeindruckten den Jungen: sie hatte hellblonde Haare, die ihr in Wellen über Schulter und Rücken fielen, eisblaue Augen, die dennoch voller Wärme waren. Als sie die Jungen bat, sich zu setzten drang ihre melodische Stimme an seine Ohren. Ihr schmales Gesicht passte perfekt zu ihrem schlanken Körper und Darian musste zugeben, dass Lucia eine echte Schönheit war, die ihm die Sprache verschlug.
Wie Yako trug sie ebenfalls eine Menge Schmuck. Im Gegensatz zu dem Waldmenschen bestand dieser aber aus verschiedenen Metallen, die im Licht der vielen Fackeln und Lampen tanzten und glitzerten.
Ihre Kleidung war im Gegensatz dazu schlicht und praktisch in einem gedeckten braun gehalten.
Als sie sich zu ihr an den massiven schweren Tisch gesetzt hatten, der über und über mit Pergamenten, Dokumenten, Stiften und Tintenfässern übersät war, begrüßte Lucia Finn und Darian ein weiteres Mal und kam dann gleich zur Sache. >> Ich denke, Finn hat dich hinreichend über unsere Organisation aufgeklärt? <<, fragte sie Darian bestimmt. Er nickte und sie fuhr fort. >> Gut, dann weißt du hoffentlich zu schätzen, was dein Freund und wir auf uns genommen haben, um dich zu befreien? <<
Abermals nickte Darian und erwiderte, >> Ich stehe tief in Eurer Schuld und würde mich gerne dafür revanchieren. << Diesmal war es Lucia, die zufrieden nickte, >> Nun, ich wüsste da schon etwas. Was hältst du davon, unserer Organisation beizutreten? Wenn wir deine Mutter ausfindig gemacht haben, könnt ihr gerne bei uns bleiben. << Erwartungsvoll beugte sich Lucia nach vorne.
Darian hatte mit so einem Angebot gerechnet, der Finn dazu schon um Rat gefragt hatte. Dieser hatte ihm erst von den Absichten und Plänen der Widerständler berichtet und ihm alles erzählt, was er sonst noch in seiner kurzen Zeit bei ihnen in Erfahrung gebracht hatte. Als Finn die Ausbildung durch Schwertmeister Sadalon erwähnte, konnte er seine Vorfreude kaum noch zügeln und war entschlossen, diese zu durchlaufen, falls er in ihren Kreis aufgenommen werden sollte. Zudem war er auf Hilfe bei der Suche nach seiner Mutter angewiesen und stand, wie Lucia vorhin bereits erwähnt hatte, in ihrer aller Schuld, also nahm er das Angebot an. Erleichtert lehnte sich Lucia auf ihrem Stuhl zurück und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
>> Dann ein herzliches Willkommen bei den Widerständlern. Du wirst deine Entscheidung nicht bereuen, Darian. <<
>> Das hoffe ich sehr. Ich werde versuchen, immer mein Bestes zu geben und euch bei euren Plänen unterstützen. <<, sagte Darian entschlossen. >> Eine Sache wäre da noch, die ich Euch berichten muss. Xian, der Mann meiner Mutter ist ebenfalls eine Bedrohung für uns. Höchstwahrscheinlich arbeitet er zusammen mit den Dunklen, er hatte ein geheimes Labor oder etwas in der Art in unserem Haus, wo er seine Tränke gebraut hat. Er war es auch, der mich an die Dunklen verriet und meine Mutter verschleppte. Wenn Ihr ihn findet, findet ihr auch meine Mutter Sabella, doch seid auf der Hut, er ist hinterhältig und erbarmungslos. Ich dachte, ich warne Euch lieber. <<
>> Gut, wenn einer von euch noch etwas weiß, kann er jederzeit zu mir kommen, ich habe für jedes Mitglied in der Organisation immer ein offenes Ohr. Erst einmal danke ich euch Beiden. Und nun ab mit euch, lasst eine alte Frau ihren Pergamentkram erledigen. <<
Entspannt erhoben sich die zwei Freunde von ihren Stühlen und verließen ihre Privatgemächer.
Julius erwartete sie bereits im Gemeinschaftsraum, er wollte eine Revanche von Finn, mit dem er noch eine Rechnung im Spiel 21 offen hatte.
Zurück blieb eine grübelnde Lucia, die bereits neue Pläne schmiedete.
Ungeduldig wartete Raschek am ausgemachten Treffpunkt. Ärgerlich wischte er den letzten Dreck der eingestürzten Fassade von seiner Robe. Er hatte nicht damit gerechnet, dass der feindliche Umgebungsmagier sich selbst opferte. Es hatte ihn einige Mühen gekostet zu überleben und rechtzeitig hier aufzukreuzen, doch letztlich war es ihm doch gelungen. Er war zufrieden mit sich. Zwar hatte er den Rest der Bande nicht erwischen können, doch das hatte Zeit.
Die Kälte machte ihm nichts aus, doch er hasste Unpünktlichkeit. Er selbst hatte sich bemüht, rechtzeitig hier zu erscheinen und jetzt fehlte sein Gegenüber.
Dann endlich bog eine kleinere Gestalt um die Ecke. Wie er selbst, war sie in Schwarz gekleidet und trug ein gezacktes langes Schwert an der Seite. Fast schien es ihm so, als ob der andere Dunkle auf ihn zuschlenderte und sich extra Zeit ließ, nur um ihn zu ärgern. Schließlich, bei ihm angelangt, begrüßte die Gestalt ihn kühl, aber Raschek zischte nur >> Ihr seid schon wieder zu spät, Perrim! <<
>> Nur wer geduldig ist, erreicht sein Ziel, Raschek. Das werdet selbst Ihr irgendwann einsehen! <<, kam es emotionslos zurück.
Gereizt wandte er sich ab und schweigend schritten sie die Haupthandelsstraße entlang, bis die Häuser langsam den Feldern wichen.
>> Ist Xian bald fertig, mit seinem Trank? <<, fragte Perrim und Raschek erwiderte bissig, >> Ihr müsst Euch wohl noch etwas in Geduld üben, er hat uns wegen anderer Prioritäten zu sich bestellt. <<
>> Wenn der lächerliche Tränkemixer wieder unsere Zeit vergeudet, bringe ich ihn eigenhändig um! <<, stieß Perrim hervor. Entschieden schüttelte Raschek den Kopf, >> Ihr wisst genauso gut wie ich, dass Ihr das nicht tun werdet. Wir haben keinen besseren Substanzmagier, als ihn und wir werden auch keinen besseren finden, glaubt mir. Zudem wäre Tyrannus nicht gerade sehr erfreut über Euer Verhalten. <<, in seinem letzten Satz hatte er seine Stimme bedrohlich gesenkt. Wenn der Trank erst mal fertig ist, dann wird es ein solches Verhalten sowieso nicht mehr geben, fügte Raschek noch in seinen Gedanken hinzu.
Bald hatten sie die Stadt gänzlich hinter sich gelassen und bestellte Felder und Mühlen beherrschten die Umgebung. Nun schlugen sie einen kleinen Feldweg ein, der sie direkt zu einer Mühle führte, die die Stadt im Sommer mit Mehl versorgte.
Raschek klopfte das vereinbarte Zeichen und wenig später öffnete Xian und bat seine Gäste hinein.
Der Tränkemixer hatte sich hier nicht gerade komfortabel eingerichtet, nur das Nötigste zum Überleben war hier zu finden. Den restlichen Platz der geräumigen Mühle benötigte er für seine Zutaten und Flüssigkeiten, die sauber geordnet in verschiedenen Ecken Platz fanden. Xians Zustand hatte sich in den letzten Tagen verschlechtert. Man sah ihm an, dass er wenig geschlafen hatte und immer wieder blickte er hektisch um sich, als fühlte er sich beobachtet. Er bat die beiden Dunklen herein und versuchte seine Gefühle zu unterdrücken, doch ihnen konnte er nichts vormachen. Es war ein Wunder, dass er nicht erfror, er war in einer jämmerlichen Verfassung und hatte kaum noch Kleidung an seinem Leib, sodass er beim kleinsten Luftzug erzitterte.
Wenig später saßen sie an einem kleinen Tisch, der jeden Moment auseinanderzufallen drohte.
>> Also, warum habt Ihr uns herbestellt? <<, fragte Perrim mit butterweicher Stimme, >> Mangelt es Euch an bestimmten Dingen? <<, sein Blick wanderte Xians mageren Körper hinab. >> Ich solltet Euch nicht so gehen lassen, was nützt Ihr uns, wenn Ihr frühzeitig das Reich der Toten betretet? <<
Verbittert erwiderte Xian darauf, >> Diesmal habt Ihr es selbst verschuldet! Wie ich hörte, hat es eine kleine Gruppe geschafft, in das Gefängnis einzudringen und mehreren Gefangenen zur Flucht verholfen? Darunter befand sich auch ein Junge? <<
>> Wir geben zu, dass das unangenehm für uns ist, aber deshalb habt Ihr uns nicht herbestellt, oder? Wir wissen selber, dass wir unsere Sicherheitsvorkehrungen erhöhen müssen, das müssen wir uns nicht von einem Menschen sagen lassen! <<, fauchte Perrim. Raschek wartete zuerst ab und hielt sich im Hintergrund. Sollte Perrim sich mit dem mageren Menschen auseinandersetzen.
>> Ganz und gar nicht! <<, gab Xian kühl zurück, >> Doch der Junge, der entflohen ist, ist der Sohn meines Weibes und weiß von meinem kleinen Geheimnis. Er hat meinen Raum in der Stadt entdeckt, weshalb ich ihn Euch ausgeliefert habe. Aber jetzt weiß er, wer ich wirklich bin und könnte unsere Pläne durchkreuzen, also findet und beseitigt ihn lieber schnell! <<, forderte Xian inbrünstig. Raschek überlegte kurz, dann stimmte er zu. >> In diesem Punkt gebe ich Euch Recht, der Junge muss beseitigt werden. Überlasst uns dieses Problem, wir werden uns darum kümmern. Sorgt Ihr lieber dafür, dass der Trank bald fertig gestellt wird! Tyrannus hat noch nie viel Geduld aufgebracht, das wird sich in Eurem Fall kaum ändern! <<
Xian hatte verstanden und ohne ein weiteres Wort zu verlieren erhoben sich die drei Männer von den klapprigen Stühlen. Raschek und Perrim verließen das alte Gebäude und überließen Xian wieder seinem eigenen Schicksal.
Auf dem Rückweg in die Stadt, fragte Perrim ihn, >> Und hast du schon eine Idee, wo wir mit der Suche beginnen sollen? <<
Erwartungsvoll grinste Raschek ihn an, >> Glaub mir, die habe ich. Wir müssen sie nicht finden, sie werden zu uns kommen! <<