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Kapitel 5 Das Gefängnis

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Ein halbes Dutzend vermummte Gestalten eilten durch die Schatten der Nacht. Ihr Ziel war das Gefängnis von Salyach am Hinrichtungsplatz. Unter den Personen befand sich auch Finn, der vor Aufregung oder Kälte- er konnte es selber kaum einschätzen am ganzen Leib zitterte. Zwar hatte er unter seinem Kettenhemd, das er mitsamt Schwert und anderen Rüstungsteilen aus der Waffenkammer der Widerständler hatte, noch ein Unterrock an, doch trotzdem nagte die Kälte bereits an seinen Knochen. Er zog das unauffällige schwarze Gewand enger um sich und folgte den Anderen um die nächste Biegung.

Seine Gedanken kreisten immer noch bei seinem Gespräch mit Lucia und Nahiri. Er war froh gewesen, dass sie ihn bei seinem Versuch, Darian aus dem Gefängnis zu befreien, unterstützen wollten. In Ruhe hatte die Gründerin der Organisation ihm zugehört, nur ab und zu hatte sie ihn unterbrochen und nachgehakt. Schon als Nahiri die Tür zu ihren Gemächern geöffnet hatte, spürte er ihre Persönlichkeit, die den ganzen Raum zu durchdringen schien. Als sie ihn bemerkte, hatte sie gelächelt und sich von ihrem Stuhl erhoben, der an einem großen schweren Tisch stand. Darauf lagen eine Menge beschriebene und unbeschriebene Pergamente mit denen er nichts anfangen konnte. Ihre Stimme war nicht sehr laut, aber das musste sie auch nicht sein, stellte Finn fest. Freundlich, aber bestimmt, hatte sich ihm Lucia Goldnadel vorgestellt, sich an den großen Tisch gesetzt und Finn hatte angefangen zu berichten. Als er vom Tod seines Vaters sprach, zeigte Lucia Mitgefühl und teilte ihm ihr Bedauern mit. Über seinen Vater zu reden, kostete Finn viel Kraft, noch immer trauerte er über diesen großen Verlust, dem ihn die Dunklen beschert hatten.

Als er ihr am Ende von Darians Gefangennahme erzählte, die Nahiri ebenfalls bestätigte, hatte Lucia zugestimmt ihm zu helfen und startete direkt mit den Vorbereitungen. Sie wollten zu sechst gehen und als Lucia nach Freiwilligen gefragt hatte, war Julius der Erste gewesen, der sich mit erhobener Hand und stolz vorgestreckter Brust, grinsend gemeldet hatte. Auch der bullige Götz hatte sich der Gruppe angeschlossen, mit der Begründung, dass er endlich mal wieder raus aus diesem Irrenhaus an die frische Luft musste. Auch Nahiri hatte schon vorher eingewilligt, Finn bei seinem Rettungsversuch zu begleiten und die letzten beiden Plätze füllten Zorc und ein junger schlaksiger Mann, der Sid genannt wurde. Später hatte Lucia ihn nochmals zu sich gebeten und ihm mit großem Bedauern mitgeteilt, dass er im Quartier bleiben sollte. Zuerst war Finn enttäuscht gewesen, danach entschlossen, Lucia vom Gegenteil zu überzeugen. Letztendlich willigte sich dann doch ein, da er der Einzige war, der Darian identifizieren konnte, falls dieser nicht mehr bei Bewusstsein war, oder aus anderen Gründen nicht antworten konnte.

Dann hatte Lucia noch eine andere Truppe aufgestellt, die Darians Mutter in Sicherheit bringen sollte. Diese Truppe führte Schwertmeister Sadalon. Die Gruppe, die Finns Freund befreien sollte, lenkte Lucia persönlich.

Gemeinsam waren sie aufgebrochen und huschten jetzt durch die Gassen der Stadt. Sie überquerten nun die Haupthandelsstraße in geduckter Haltung und warteten nur schier darauf, dass Julius sie vor einer Patrouille warnte. Diese blieb glücklicherweise aus und als alle sicher die nächste Gasse erreichten führte Julius sie weiter zielstrebig Richtung Hinrichtungsplatz. Nahiri hatte ihm noch vorher erklärt, dass Julius ein Magier war, ein sogenannter Vorteilsmagier, der seine körperlichen und geistigen Fähigkeiten mithilfe seiner Magie, die in ihm schlummerte, kurzzeitig verstärken konnte. Somit konnte der kleine quirlige Mann besser im Dunkeln sehen und auch höher und weiter springen, als manch anderer. Genaueres über Magie wusste er nicht, bis vorhin hatte er an so etwas wie Magie sogar noch gezweifelt und sie als Märchen abgetan. Wenn ihr kleiner Ausflug vorüber war, musste er von Nahiri nochmal genaueres über die übernatürlichen Kräfte der Magie in Erfahrung bringen.

Endlich kam der Hinrichtungsplatz in Sichtweite, doch Julius bog vorher nochmals in eine andere kleine Gasse ab. Sie umrundeten den Platz, ohne den gefährlichen direkten Weg zum Gefängnis zu nehmen und frühzeitig von den Wachen entdeckt zu werden.

Aus dieser Gasse, konnten sie nun perfekt den Eingang des kleinen Nebengebäudes beobachten, der von jeweils zwei Wachen auf beiden Seiten flankiert wurde. Ihre Gruppe konnte dabei nicht entdeckt werden, da ein Stapel von Fässern ihnen bestens Deckung bot. Die langen Roben der Dunklen flatterten träge im Wind, gelangweilt lehnten sie an der Mauer und unterhielten sich leise.

Sie sind ziemlich unvorsichtig, dachte Finn und ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Die sollen noch ihr blaues Wunder erleben! Doch einen Moment musste er sich noch gedulden, zudem Lucia ihm geraten hatte, sich hinter ihnen aufzuhalten, da er noch nicht imstande war, sich mit einem der Dunklen zu messen. Dafür fehlte es ihm an Erfahrung und Training, das wusste er. So dumm war er auch nicht, dass er sich unnötig in Gefahr begab, auch sein Leben war ihm noch lieb.

Er hoffte nur, dass alles glatt lief. Wenn sie die Wachen vor dem Eingang möglichst schnell und lautlos überwältigt hatten, mussten sie den Schlüssel für Darians Zelle finden und ihn so schnell wie nur möglich aus dem Gebäude schaffen. Das würde der schwierige Teil werden, da es einen Dunklen zu besiegen gab, der nur als ,,der Wächter´´ bekannt war. Er leitete das Gefängnis mit grausamer, gnadenloser Hand und besaß zu allem Überfluss einen Generalschlüssel der Zellen. Diesen Dunklen galt es zu überwinden, um Darian zur Freiheit zu verhelfen. Dennoch würde es schwierig sein, gegen diesen erbarmungslosen Dunklen zu bestehen, weswegen Lucia sich um diesen Feind kümmern sollte.

Auch hatten sie aus sicheren Quellen erfahren, dass es einen Zugang zum Rathaus gab, in dem das Hauptquartier ihrer Widersacher lag. Falls einer entkam, mussten sie mit Verstärkung auf Seiten ihrer Gegner rechnen. Das würde ihr Unterfangen nahezu ins Unmögliche stürzen, weshalb sie sich keine Fehler erlauben durften.

Auf ein Zeichen hin, zog er leise die Klinge seines Vaters, sie wollten das Überraschungsmoment bis zum Schluss auf ihrer Seite haben. Neben ihm hatte Nahiri einen Pfeil auf die Sehne ihres kleinen Bogens gespannt und wartete auf das zweite Signal. Finn atmete ein letztes Mal tief durch und spannte seine Muskeln an, dann gab Lucia das Zeichen. Nahiri schoss und traf einen der Wächter mitten in die Stirn, dem der Pfeil allerdings wenig auszumachen schien. Währenddessen preschte Finn mit seinen anderen Gefährten gleichzeitig aus seiner Deckung hervor und war einen Atemzug später bei den völlig überraschten Gegnern angelangt, die eben noch vor den ersten ihrer Schläge die gezackten Schwerter ziehen konnten und mühsam die erste Welle des Angriffs abwehrten.

Möglichst unbemerkt, sollte er zusammen mit Lucia durchbrechen, während der Rest die Wächter draußen außer Gefecht setzen sollte.

Götz hatte seinen Gegner schon in einen tödlichen Tanz verwickelt und Finn konnte nur über die Anmut und Schnelligkeit, mit der Götz sein mächtiges, breites Schwert führte, staunen. Seine Klinge zischte gerade zielsicher durch die Luft, der Dunkle war einen Moment unaufmerksam und versuchte noch sein eigenes Schwert hochzureißen, was ihm jedoch etwas zu spät gelang. Götz tödliche Waffe drang tief in die Brust des Gegners geradewegs in sein Herz ein. Als er Julius zu Hilfe eilte, der sichtlich mehr Probleme als Götz hatte, lag sein Gegner bereits regungslos auf dem Boden. Dann zog ihn Lucia weg vom Geschehen, hinein in das düstere Gefängnis.

Alles war dunkel. Es roch modrig, nach Fäkalien, Schweiß und nassem Stroh. Ein fauliger Gestank von Blut drang in seine Nase. Sein Blut.

Schmerzen die er spürte, ein bösartiges Lachen, dann wieder Schmerzen, die erneut durch seinen Körper zuckten. Er war zu schwach, um ein Auge zu öffnen. Er wollte auch gar nichts sehen. Er wartete still und hoffte inständig, dass es bald vorbei sein würde.

Er stellte sich auf weitere Tortouren ein. Diese blieben jedoch aus. Sollte er es wagen, ein Auge zu öffnen? Nein, wieder nur ein neues Instrument. Gleich würde es erneut beginnen.

So leise, wie Lucia konnte, schloss sie die Tür des Gefängniseingangs. Finn wartete einen Moment bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Draußen war es ihm noch viel heller erschienen, was an den beiden großen Sternen lag, die diese Nacht deutlich zu sehen waren. Hier war kaum eine Fackel entzündet. Wozu auch, dachte er sich, sie können sowieso im Dunkeln sehen. Also hatten ihre Gegner den Vorteil auf ihrer Seite. Falls sie auf welche trafen, was er nicht hoffte. Noch immer hatte sich keiner der Beiden gerührt, schweigend standen sie nebeneinander und inspizierten ihre Umgebung. Viel gab es hier allerdings nicht zu sehen. Schmucklos war hier Stein auf Stein gebaut, nur das Nötigste und Nützliche fand hier Platz. Der Gang, in dem sie standen, ging geradeaus zu den einzelnen Zellen, die links und rechts zu finden waren. Bis zum Ende konnte er nicht sehen, dafür war es zu dunkel. Aber ein Seitengang, der gleich vorne abknickte, weckte seine Aufmerksamkeit. Ein leichtes Schimmern zeigte, dass dort eine Fackel angezündet war.

Finn stupste Lucia an und deutete auf das Schimmern. Die schlanke, schmale Frau nickte nur und schritt entschlossen darauf zu. Bevor sie abbog, bedeutete Lucia Finn, dass er sich im Hintergrund halten sollte. Ganz sicher wollte er nicht im Weg stehen, also ließ er etwas Platz zwischen sich und seiner Gefährtin.

Als er ebenfalls in den Gang marschierte, stand Lucia bereits breitbeinig vor einem Dunklen, der ihr einen abschätzigen Blick zuwarf. Langsam, ganz langsam, als ob er alle Zeit der Welt hatte, erhob er sich von seinem kleinen Stuhl und zog ein gezacktes Schwert aus seiner Robe hervor. Dabei zeigte er seiner Gegnerin ganz bewusst die vielen Schlüssel, die er daraufhin wieder vor ihr verbarg.

>> Du bist also der Wächter! << stellte sie fest, >> Nun, gleich bist du nur noch Tod! <<

>> Ich bin noch nie von einer Frau geschlagen worden. <<, grinste der Wächter zurück und ließ sich nicht von seinem Gegenüber beirren, >> Wenn du die Schlüssel willst, dann versuch sie dir zu holen! <<

Grimmig griff Lucia mit erhobenem Schwert an und mit jedem Angriff musste der Wächter ein Stück zurückweichen, so schnell und präzise führte Lucia ihre Klinge. Schlag auf Schlag, donnerte ihre Waffe seiner entgegen und jedes Mal konnte der Wächter ihr nur mühsam ausweichen, oder einer ihrer Streiche abwehren und musste immer mehr Boden lassen. Lange hatte er nicht mehr zu Leben befand Finn, der sich den Kampf aus sicherer Entfernung ansah. Bald war der Gang zu Ende, dann konnte der Wächter nur noch versuchen, sie so lange wie möglich in Schach zu halten.

Wieder beschrieb ihre Klinge eine sanfte Kurve, um den Gegner an der Flanke zu treffen, doch mitten im Flug änderte sie plötzlich die Richtung, um seine ungeschützte Seite zu treffen. Nur mit einer Blitzreaktion konnte der Wächter gerade noch im letzten Moment den tödlichen Schlag parieren, auch Lucia ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und ging entschlossen in ihren nächsten Angriff über. Je schneller sie den Kampf beendet, desto besser, dachte Finn. Dann gab er sich einen Ruck und lief den langen Gang hinunter, um seinen Freund zu suchen. Schließlich war er deshalb überhaupt hergekommen.

Vor dem Gefängnis tobte der Kampf weiter:

Zusammen hatten Julius und Götz ihren nächsten Gegner bezwungen und eilten nun ihren Kameraden zu Hilfe, die immer noch verbissen kämpften. Sid hatte seinen Gegner fast gegen die Mauer des Gefängnisses gedrängt und drosch mit kurzen, schnellen Hieben auf den Dunklen ein, der ebenfalls angestrengt sein Schwert schwang.

Kurzerhand sprang Götz herbei und schnitt dem Dunklen den möglichen Fluchtweg ab. Gegen zwei ausgebildete Kämpfer hatte er keine Chance und panisch versuchte er einen Ausweg zu finden. Wie wild fuchtelte er mit seinem Schwert durch die Luft, doch Sid wehrte Schlag auf Schlag ab und kombinierte seine Angriffe nun mit Götz. Sie waren perfekt aufeinander abgestimmt, Sadalon hatte ihnen allen eine besondere Technik beigebracht, die im Team funktionierte. Das sei ihr Vorteil, behauptete der alte Meister immer. Die Dunklen kämpfen nur jeder für sich, wir können im Team kämpfen. Gegen zwei Schwerter hat nicht der beste Kämpfer eine Chance, wenn ihr euch perfekt abstimmt. Götz erinnerte sich noch genau an die Worte seines Lehrers, der auch diesmal Recht behielt. Lange konnte der Dunkle seine Verteidigung nicht mehr halten und Sid nutzte eine Lücke und stieß zu. Tödlich getroffen sackte ihr Gegner in sich zusammen und regte sich nicht mehr.

Sid schaute noch einmal zufrieden auf ihr Werk und pfiff leise ein Liedchen vor sich hin, als er den Platz nach Zorc, Nahiri und Julius absuchte.

Er fand sie schon nahe dem Rathaus, bewusst hatte der Dunkle den Kampf dahin gesteuert, aus Verzweiflung, dass irgendwer das Kampfgetümmel hörte. Von weitem bemerkten Götz und Sid schon, dass Julius Kräfte schwanden. Nur mit Mühe parierte er die Schläge seines Gegners und hielt sich im Hintergrund. Zorc und Nahiri versuchten, den kleinen Mann abzuschirmen, weshalb sie ihm nicht den tödlichen Stoß versetzten konnten. Zumal der verbliebene es nur auf Julius abgesehen hatte, da er die Schwäche seines Gegners ebenfalls bemerkt hatte. Nach einer besonders heftigen Attacke sprang Zorc gänzlich vor Julius, der erschöpft seine Augen schloss. Götz packte Sid an der Schulter, der bereits losstürmen und helfen wollte und stoppte ihn ab. >> Jetzt ist der Kampf entschieden. <<, lächelte der Riese. Sid sah ihn noch fragend an, doch Götz deutete nur auf die kleine Person, die jetzt alles andere als geschwächt wirkte.

Auf ein Zeichen sprang Zorc zur Seite und verblüfft sah sich der Dunkle jetzt Julius gegenüber, der mit einer Schnelligkeit und Stärke zustieß, die eigentlich nicht möglich zu sein schien. Der Kopf des Verbliebenen rollte noch ein paar Fuß weit, bis er zum Stehen kam.

Grinsend drehte sich Julius zu Götz und Sid und wortlos folgte die Gruppe Lucia und Finn ins Gefängnis. Etwas erschöpft wirkte Julius jetzt schon, fand auch Götz. Auch ihn hatte der Kampf Kraft gekostet.

Nicht nur der Rücken blutete. Er konnte keine Stelle finden die nicht schmerzte. Sie schon. Wie viel Zeit vergangen war, konnte er nicht sagen. Wie lange er noch durchhalten konnte, konnte er nicht sagen. Es knackte hässlich und der Schmerz kroch von seinem linken Zeh hinauf bis zu seinem Kopf und schien auf dem Weg noch einmal jede einzelne Faser seines schmerzenden Körpers anzuschlagen. Er wollte das Bewusstsein verlieren, konnte aber nicht. Er war hellwach. Auch wenn er nicht hellwach war. Er wollte seine Sinne verschließen. Es klappte nur teilweise. Wieder Schmerzen. Ein weiterer Zeh war gebrochen. Es würde lange dauern, bis er wieder richtig laufen konnte. Wenn er überhaupt nochmal laufen musste.

Finns Herz raste. Er hatte jede Zelle durchsucht, bisher ohne Erfolg. Zumal es schwierig war, von den vielen Gestalten, die meistens auf dem Boden lagen, Darian auszumachen. Er hoffte, dass er ihn nicht schon übersehen hatte. Er hatte recht gehabt, nur die wenigsten waren imstande, ein Geräusch von sich zu geben, als er Darians Namen in die Zellen murmelte. Er bemitleidete sie alle, jede einzelne Seele wollte er am liebsten befreien, vielleicht konnte es auch gelingen, nachdem er Darian ausfindig gemacht hatte.

Wieder eine Zelle, wieder hatte er keinen Erfolg. Langsam bezweifelte Finn, ob sein Freund überhaupt hier zu finden war. Vielleicht hatte sie jemand in eine Falle gelockt? Nein, sonst hätten sich hier mehr Dunkle blicken lassen. Er wischte seine Zweifel beiseite und durchsuchte erneut eine Zelle.

Fast war er am Ende des Hauptganges angelangt, welcher sich als Sackgasse entpuppte, doch an der linken Wand bemerkte er eine solide Stahltür, die seine Aufmerksamkeit erregte. Dann fiel sein Blick auf eine Zelle, die geöffnet war und eine düstere Vorahnung machte sich in ihm breit. Langsam bewegte er sich auf die Tür zu, drückte die kalte Klinke hinunter. Mit einem Ruck gab diese nach und ein Bild des Grauens erwartete ihn.

Lucia fluchte laut auf. Egal, welche Taktik sie auch anwandte, ihr Gegner parierte mittlerweile sicher jeden ihrer Schläge. Der Kampf dauerte nun schon lange, zu lange für ihren Geschmack. Sie vermutete, dass der Wächter sie mittels Magie analysiert hatte, weswegen er wahrscheinlich auch so berüchtigt im Schwertkampf war. Diese Gabe der Magie gab es nicht häufig, es war ein Zweig der Vorteilsmagie auf geistlicher Ebene. Sie war erstaunt, dass der Wächter so etwas innerhalb eines hochgefährlichen Kampfes anwenden konnte, so etwas war noch seltener.

Jeden einzelnen ihrer Schläge sah er nun voraus und drängte sie langsam zurück. Je länger der Kampf dauerte, desto sicherer wurde der Wächter. Jede ihrer Haltungen wurde kritisch beobachtet und gespeichert und Lucia merkte, dass er extra seine Schläge so variierte, dass er jede einzelne Stellung ihrer Klinge herausbekam. Er sucht nach Fehlern und Lücken in meiner Deckung. Wenn ich den Kampf nicht bald beende, wird er noch stärker werden, stellte sie grimmig fest und versuchte, ihre Technik völlig zu ändern. Es funktionierte, sie konnte sich ein Stück weit aus der Bedrängnis befreien und griff erneut an.

Wieder und wieder änderte sie ihre Taktik, wirbelte unberechenbar auf den Wächter zu, der jetzt mehr Mühe hatte, ihr nicht in die Klinge zu fallen. Sie merkte, dass ihr Gegenüber schwächer wurde, doch auch sie hatte mit ihrer körperlichen Ausdauer zu kämpfen.

Der Wächter bemerkte das und schaltete nun in die Offensive und drängte sie mit letzten Kräften mehr und mehr zurück. Immer träger wurde ihr Schwertarm immer fehlerhafter ihre Haltung.

Bis sie einen Schlag falsch deutete und in einer Finte des Wächters landete. Hoffnungslos. Sie sah das gezackte Schwert bereits auf sich zurasen und hatte keine Chance auszuweichen, oder zu parieren, er hatte Lucia auf dem falschen Fuß erwischt. Doch wider Erwarten, stieß die bedrohliche Klinge, auf ein großes, breites Schwert und Götz ließ den Schlag zur Seite streifen.

>> Wir dachten, wir greifen dir mal etwas unter die Arme. <<, hörte sie seine Stimme und nahm erleichtert wieder Kampfhaltung ein. Der Wächter schien verdutzt, dennoch setzte er entschlossen zum nächsten Schlag an. Doch mit Götz an ihrer Seite, wurde sie wieder sicherer und nun drängten sie den Wächter abermals zurück. Auch sie kombinierte ihre Schläge perfekt mit dem Partner und ihr Gegner stand mit dem Rücken zur Wand. Der Wächter bemerkte seine ausweglose Situation und versuchte, sich mit einem gewaltigen Sprung in Sicherheit zu bringen, doch die Decke war zu niedrig und Götz zu groß. Dieser musste nur sein Schwert in die Flugbahn halten und der leblose Körper des Gefängniswächters mitsamt den Schlüsseln prallte hinter ihnen auf den unnachgiebigen Boden. Angeekelt wischte Lucia sich das Blut aus ihrem Gesicht >> Warum musst du alle immer alles so dreckig hinterlassen? <<

Götz grinste sie unschuldig an und erwiderte bloß >> Ich habe die anderen schon weiter zu Finn geschickt. <<

>> Dann sollten wir ihnen folgen. <<, sagte Lucia, nahm sich den Schlüsselbund und rannte zusammen mit Götz den Gang entlang.

Ruhe. Keine weiteren Schläge, oder Knochenbrüche in den letzten Minuten. Ein weiterer Luftzug kräuselte sich um seine Nase. Frische Luft. Die große Tür hatte gequietscht. War es endlich zu Ende? Nein, doch irgendetwas anderes ging hier vor sich. Sollte er seine letzte Kraft nutzen und die Augen öffnen? War es das wirklich wert? Er überlegte noch hin und her, als er seinen Namen durch den Raum hören konnte.

>> Darian! <<

Die Stimme kannte er. Aber sie konnte niemals hier sein, es war einfach nicht möglich. Vielleicht eine Phantasie? Ein neuer teuflischer Trank, dem sie ihm eingeflößt hatten? Das musste die Erklärung sein. Dann wieder. Diesmal war es mehr.

>> Darian, wach auf! <<, verlangte die Stimme.

Finn!

Sein Freund. Metall schlug auf Metall. Das konnte keine Phantasie sein, er vernahm es ganz deutlich. Er musste sich einfach vergewissern.

Ganz langsam öffnete Darian ein Auge. Verschwommen konnte er Finn an der Tür erkennen, der mühsam sein Schwert hielt. Ein Dunkler stand ihm mit ebenfalls blankem Schwert gegenüber. Darian wusste, dass Finn keine Chance hatte, er musste ihm helfen. Der andere Dunkle, der noch neben ihm stand beobachtete das Schauspiel, erfreut.

>> Hast du das gehört, Feneck? Er will seinem Freund helfen. <<

>> Hört sich nach Spaß an. Jeder kriegt einen. <<, freute sich der Angesprochene.

Darian musste durchhalten, musste Finn helfen. Er wollte nicht, dass seinem Freund das gleiche Schicksal erwartete. Mit letzter Kraft griff er dem Dunklen unter die Robe, dort, wo er das Schwert vermutete. Tatsächlich fand er den kalten Griff und rammte es seinem unachtsamen Bewacher in den Leib, der mit einem überraschten Aufschrei zu Boden fiel. Dann verlor er endlich das Bewusstsein.

Finn konzentrierte sich auf seinen Gegner, der sich ihm langsam und siegessicher näherte. Ein letztes Mal versuchte er Darian, der aus vielen Stellen blutete zu rufen, doch er bekam keine Antwort. Probeweise setzte der Dunkle einen Schlag an, den Finn schon mit beiden Händen am Schwert abwehren musste. Sein Gegenüber rief irgendwas der anderen Kreatur zu, doch Finn nahm es nicht wahr. Er war nur noch auf seine Klinge und die seines Gegners fixiert. Dann ein Aufschrei und der Dunkle, der bei Darian stand, sackte erstaunt zusammen. Als sein Gegner das mitbekam, setzte er wütend zum Angriff an. Sein Gesicht war wutverzehrt, als er entschlossen zum Schlag ausholte. Nur mit einem großen Satz konnte Finn sich in Sicherheit bringen. Wie sollte er diesen Kampf ohne Hilfe gewinnen, fragte er sich verzweifelt. Es war, wie in der Nacht, als er seinen Vater verlor. Er konnte nicht gegen sie bestehen. Auch jetzt nicht. Er konnte nur flüchten. Eine andere Option gab es nicht.

Doch. Er durfte Darian nicht im Stich lassen, wie er seinen Vater im Stich gelassen hatte. Er durfte nicht fliehen. Er musste es versuchen.

Den nächsten Schlag konnte er nur mit Mühe parieren. Sein ganzer Unterarm vibrierte, als er sich gegen die Kraft des Dunklen lehnte. Dann zischte ein Pfeil durch den Raum. Das Gefieder war braun. Es fand zwar nicht sein Ziel, doch verfehlte seine Wirkung nicht. Der Dunkle hielt kurz inne, was Julius nutzte, um Finn in Sicherheit zu ziehen. Zorc trat dem zornigen Gegner entgegen, der weiter seine Waffe schwang. Doch er übersah Nahiri, die aus dem Schatten stieß und einen Dolch in seine Seite rammte. Es war zwar kein tödlicher Stich, aber es reichte für Zorc, der den Getroffenen endgültig besiegte.

>> Ich danke euch. <<, sagte Finn, der bereits bei Darian war und ihm von dem Tisch befreite, auf dem er gelegen hatte. Er löste die Gurte, die seinen Körper gehalten hatten und besah sich die Verletzungen. Er wollte sich gerade an seine Gefährten wenden, als Götz zusammen mit Lucia den Raum betrat.

>> Also war der Kampf mit dem Wächter völlig umsonst <<, stöhnte Götz auf, als er in die Runde blickte.

>> Er hätte sich uns so oder so in den Weg gestellt. Götz, du nimmst Darian, aber so vorsichtig wie nur möglich. Zorc, Julius, ihr flankiert ihn. Nahiri läuft vorne, Finn, du bleibst dicht hinter Götz. Ich bilde die Nachhut. Und jetzt so schnell wie möglich raus hier! <<, befahl Lucia in gewohnt ruhigem Ton. Sie klingt nicht hektisch und hat die Situation im Griff, dachte Finn anerkennend. Er hoffte zumindest, dass dem so war. Er war erleichtert, dass sie Darian doch noch gefunden hatten, jedoch mussten sie jetzt erst mal heil hier wieder raus. Geschwind, setzte sich die Gruppe in Bewegung. Sie hasteten durch den Gang, als Lucia drei schwarzgewandte Gestalten aus der Mauer kommen sah. Sie ärgerte sich über ihre eigene Dummheit, als sie erkannte, dass sie keinen Durchgang zum Rathaus bemerkt hatte. Sie hatte den Gang nicht auf Magie überprüft, sondern war direkt mit Götz zur Tür am Ende des Raumes geeilt, dabei hätte ihr die Illusion eines kleinen Abschnittes der Wand auffallen müssen. Sie hatten, Glück, dass sie so leise vorgegangen waren, sonst wären sie vermutlich schon alle Tod. Aber was noch nicht geschehen war konnte ja noch kommen, dachte sie grimmig. Diese Illusion bedeutete vielleicht ihren Untergang.

Auch die anderen Begleiter hatten die Dunklen bereits bemerkt und bewegten sich nur noch schneller dem Ausgang entgegen.

Lucia ließ sich etwas zurückfallen und konzentrierte sich so gut es ging auf die Zelltüren zu ihren Seiten und drückte mithilfe ihrer Magie dagegen. Unter einem Ächzen gaben die Türen nach und flogen auf die Dunklen zu und begruben sie unter sich. Aus manchen Zellen drangen erfreute Schreie an ihr Ohr und kurz darauf kamen zwei unterernährte Männer, die ebenfalls schon einige Verletzungen hatten aus einer Zelle hervor und bedankten sich freudestrahlend bei Lucia.

Sie bemerkte den Dank kaum, sondern machte eine weitere Gruppe von Dunklen aus. Jetzt war es zu spät, um unbemerkt zu entkommen und Lucia tastete erneut den Raum ab, um ihre herannahenden Gegner aufzuhalten. Mit einem Lächeln fand sie schließlich, wonach sie gesucht hatte, und drückte sanft gegen ein paar etwas lockere Steine, die an der Decke angebracht waren. Auch dieser Steinschlag verfehlt seine Wirkung nicht, dachte sie befriedigt, als die Dunklen darunter begraben wurden.

Dann folgte sie den anderen. Am Ausgang war ein weiteres Gefecht im Gange. Zorc, Nahiri und Julius kämpften mit zwei weiteren Dunklen, die sich vom Eingang genähert hatten.

Götz und Finn hielten sich im Hintergrund, wie sie ihnen befohlen hatte.

>> Wenigstens das klappt <<, seufzte sie, doch sie konnten sich keine weiteren Verzögerungen leisten. Als Lucia gerade auf ihre Magie zurückgreifen wollte, landete Zorc einen Treffer und der Dunkle sackte bewusstlos zu Boden. Gemeinsam erledigten sie auch seinen Gefährten und rissen die Tür auf, die in die Freiheit führte.

Auf dem Platz herrschte noch Ruhe, doch im Rathaus konnte sie Bewegung wahrnehmen und schon flog die Türe auf und eine weitere Gruppe von Feinden nährte sich ihnen. Wieder bewegte sie Steine, diesmal jene, die locker im Boden waren und hob sie nur ein Stück an. Ein bis zwei ihrer Gegner brachte sie damit aus dem Gleichgewicht, doch die Restlichen merkten die Falle und sprangen einfach über ihre Stolpersteine hinweg. Schnell streckte sie ihre Fühler nach weiteren nützlichen Dingen aus und stieß auf die Galgen, die aus solidem Holz gefertigt waren. Mit ihrer ganzen Kraft zog sie einen Galgen zu sich, um ihn dann auf die Schwarzen zu schleudern. Der Querbalken fand sein Ziel und rammte alle Dunklen von ihren Füßen. Erschöpft wandte sie sich wieder zu den Anderen und ließ ihre Arme sinken, die sie unbewusst erhoben hatte. Der Schweiß tropfte ihr von der Stirn. Den Galgen aus seinem Fundament zu reißen, hatte doch arg an ihren Kräften gezehrt. Auch Zorc und Nahiri wurden aufgehalten und erschrocken stellte sie fest, dass Finn in Bedrängnis geraten war. Ein Dunkler näherte sich ihm bedrohlich mit erhobenem Schwert. Sie musste ihm helfen, doch sie war zu weit entfernt. Lucia wusste, dass kein ausgebildeter Schwertkämpfer gegen einen Dunklen bestehen konnte. Doch tapfer hielt Finn der Kreatur sein Schwert entgegen. Es folgten zwei schnelle, sichere Schläge, von denen der Junge einen abwehren konnte, doch der andere traf ihn an der Seite und mit einem schmerzverzerrtem Gesicht ließ Finn sein Schwert aus der Hand fallen und sackte zu Boden. Beide seiner Hände presste er an seine verletzte Seite doch der Dunkle hob abermals sein Schwert. Weiter kam er jedoch nicht, ein Pfeil mit braunem Gefieder zischte durch die Nacht und durchbohrte den Feind. Ein paar Schritte weiter stand Nahiri, die bereits einen zweiten Pfeil abfeuerte. Sie passt wirklich sehr auf den Jungen auf, dachte Lucia und eilte ihren Freunden zu Hilfe, doch es lagen bereits genügend Leichen auf dem Boden, die sich ihnen nicht mehr in den Weg stellten. Zorc half dem verletzten Finn auf die Beine und stütze ihn so gut es ging. Bald hatten sie auch die offene Fläche hinter sich gelassen, dann würde es schwer für die Dunklen werden, sie noch zu erwischen. Sie waren fast in Sicherheit und Lucia drängte die Gruppe weiter voran.

Endlich erreichten sie die schützende Gasse, gönnten sich jedoch keine Verschnaufpause. Unvermittelt schrie Sid auf, als sich zwei Dunkle von den Dächern auf ihn stürzten. Mit einer Rolle brachte sich der mutige Kämpfer in Sicherheit und stellte sich ihnen in den Weg. Die beiden Angreifer landeten hart, doch der gewagte Sprung ins Leere schien sie sonst nicht weiter zu stören. Lucia, die selbst noch nicht bei der Gruppe angelangt war, sprang Sid zu Hilfe.

>> Macht, dass ihr hier wegkommt, wir finden schon einen Weg. <<, schrie sie den anderen zu, die unfreiwillig von Götz weitergezogen wurden. Sie mussten nur so lange kämpfen, bis die Jungen in Sicherheit waren. Die Dunklen bemerkten, dass ihr ein Teil der Gruppe entwischte und sie versuchten, zu ihnen zu gelangen, doch Lucia und Sid blockierten ihnen den Weg und verwickelten sie in einen Kampf. Ihr Gegner war schnell, ziemlich schnell und sie war vom vielen Kämpfen und Wirken der Magie schon völlig ausgelaugt und parierte nur noch monoton Schlag auf Schlag. Immer langsamer wurden ihre Reaktionen, immer schwerer ihr Schwert. Nur mit Mühe konnte Lucia ihren Gegner davon abhalten, ihre Verteidigung zu durchbrechen und ihr wurde klar, dass dieser Kampf schon bald gegen ihre Gunsten entschieden war. Dieser Dunkle war noch schneller, als der Wächter. Aus dem Augenwinkel konnte sie erkennen, dass Sid plötzlich blitzschnell zustach und den ersten Gegner überwältigte.

Auch ihr Gegenüber bemerkte das und wandte sich von der völlig erschöpften Lucia ab und drosch auf Sid ein, der immer weiter zurück gedrängt wurde. Bis er an eine Hauswand stieß. Verzweifelt versuchte er noch zu entkommen, als er sah, dass er keine Chance auf einen Sieg hatte, hob er einen Arm an und Lucia bemerkte ein dumpfes Grollen im Boden. Der Dunkle hielt verdutzt inne und sah mit Entsetzten, dass die Fassade der Wand bröckelte und schließlich komplett einstürzte und Sid und den Dunklen unter sich begrub. Empörte Schreie aus unterschiedlichen Etagen des Hauses drangen an ihr Ohr, dann brach das Haus vollends zusammen und ergoss sich auf der Gasse.

Dann herrschte Stille und nichts regte sich mehr. Dicker Staub versperrte ihre Sicht. Sie wusste, dass es keinen Zweck hatte, in den Trümmern nach Überlebenden zu suchen, zumal bald weitere Dunkle hier auftauchen würden. Sie schloss die Augen, Sids Tod war bedauerlich, mehr als bedauerlich. Er hätte verhindert werden können. Mit hängenden Schultern drehte sie sie sich um und machte sich auf den Heimweg. Hoffentlich waren ihre Mitstreiter heil im Hauptquartier angekommen.

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