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ОглавлениеKapitel 2
Gestiftete Religion in der römischen Kaiserzeit
1. Eine Stiftungsurkunde
Im Jahr 1792 wurde in der Nähe Roms, auf dem Gebiet von Gabii, eine heute im Pariser Louvre verwahrte große Marmortafel entdeckt, die einen Einblick in die vielfältigen sozialen Formen und Zusammenhänge ermöglicht, die Religion in der römischen Kaiserzeit prägen.1 Der Text lautet:
Veneri Verae Felici Gabinae / A. Plutius Epaphroditus accens(us) uelat(us) negotiator sericarius templum cum / signo aereo effigie Veneris, item signis aereis n(umero) IIII dispositis in zothecis, et / balbis aereis et aram aeream et omni cultu a solo sua pecunia fecit. cuius ob / dedicationem diuisit decurionibus sing(ulis) (denarios) V, item VIvir(is) Aug(ustalibus) sing(ulis) (denarios) III, item taber/nariis intra murum negotiantibus (denarios) I, et (sestertium) X m(ilia) n(ummum) reipubl(icae) Gabinor(um) intulit, ita ut ex / usuris eiusdem summae quodannis IIII k(alendas) Octobr(es) die natalis Plutiae Verae / filiae suae decur(iones) et VIvir(i) Aug(ustales) publice in triclinis suis epulentur; quod si / facere neglexserint, tunc ad municipium Tusculanor(um) (sestertium) X m(ilia) n(ummum) pertineant, / quae confestim exigantur. Loc(o) dato decreto decur(ionum). / Dedicata idibus Mais L. Venuleio Aproniano II L. Sergio Paullo II co(n)s(ulibus).
Der Venus Vera Felix von Gabii. Aulus Plutius Epaphroditus, „Accensus velatus“, Seidenhändler, hat mit allem Aufwand von Grund auf errichten lassen diesen Tempel mit einem Bronzebild der Venus, ebenso vier Bronzestatuen, die in Nischen und an den Bronzetüren aufgestellt wurden, sowie einen Bronzealtar. Anlässlich der Einweihung teilte er den einzelnen Stadträten je zehn Denare, ebenso den einzelnen Seviri Augustales drei und den innerhalb der Stadtmauern tätigen Geschäftsleuten jeweils einen zu, und zehntausend Denare wendete er der Gemeinde der Gabiner zu, aus deren Zinsen alljährlich am 28. September am Geburtstag der Plutia Vera, seiner Tochter, die Stadträte und Seviri Augustales öffentlich auf seinen Speisesofas ein Mahl abhalten sollen. Wenn sie aber das zu tun vernachlässigt haben sollten, dann gehören der Stadtgemeinde der Tusculaner die zehntausend Sesterzen, die unverzüglich eingezogen werden. Das Bauland (für den Tempel) wurde auf Stadtratsbeschluss zur Verfügung gestellt. Geweiht wurde alles am 15. Mai unter dem jeweils zweiten Konsulat des Lucius Venuleius Apronianus und des Lucius Sergius Paullus (169 n. Chr.).
Der Wortlaut der Inschrift legt nahe, sie als Bau- und Weihinschrift zu verstehen, die an dem Gebäude selbst angebracht war. In typischer Weise verbindet sie die Widmung an die Gottheit (im Dativ) mit Informationen über den Bauherrn und die Finanzierung sowie Auskünften über bodenrechtliche Sachverhalte. Zugleich, und auch das ist typisch, formuliert sie Kultvorschriften und Sanktionen.