Читать книгу Sklaverei in der Antike - Josef Fischer - Страница 10
2.Was ist Sklaverei?
ОглавлениеSchwierigkeit der Definition
Sklaverei ist ein sehr facettenreiches Phänomen, das in den unterschiedlichen Zeiten, Räumen und Sprachen eine ganz unterschiedliche Bedeutung haben konnte. Viele Forscher sprechen daher nicht von der Sklaverei, sondern vielmehr von Sklavereien oder Sklavereisystemen. Eine Definition zu finden, die allen Aspekten gerecht wird, ist schwierig. Keine griffige Begriffsbestimmung kann der Vielfalt des Sklavenlebens vollständig gerecht werden, denn je nach Perspektive und Fragestellung kann man verschiedene Facetten in den Fokus rücken.
Verschiedene Blickwinkel
Wenn dennoch der Versuch unternommen werden soll, das Thema dieses Bandes genauer zu bestimmen, kann die Definition von Sklaverei im Sklavereiabkommen des Völkerbundes aus dem Jahr 1926 einen Ausgangspunkt bilden: „Sklaverei ist der Zustand oder die Stellung einer Person, an der die mit dem Eigentumsrechte verbundenen Befugnisse oder einzelne davon ausgeübt werden.“ Sklaverei kann aber nicht nur als Eigentumsverhältnis gesehen werden, sondern auch als ein Gewaltverhältnis, in dem eine Person einer anderen uneingeschränkt unterworfen ist. Ebenso ist sie als ein wirtschaftliches Ausbeutungsverhältnis zu sehen. Der Soziologe Orlando Patterson hat überdies das Schlagwort von der Sklaverei als „sozialem Tod“ geprägt, während der Anthropologe Claude Meillassoux von Sklaven als „Nichtgeborenen und Toten auf Bewährung“ gesprochen hat. Dies betont, dass Sklaven aus der Gesellschaft, aus der sie kommen, herausgerissen wurden, aus ihrer neuen Gesellschaft aber auch grundlegend ausgeschlossen waren. Zudem wurden sie in der Regel als minderwertig betrachtet. Sklaven wurden entpersönlicht und verdinglicht – sie waren keinen Personen, sondern vielmehr Sachen. Wesentlich ist auch, dass die Sklaverei eine rechtlich und gesellschaftlich akzeptierte Institution darstellte. Dies unterscheidet die antike (und auch die neuzeitliche) Sklaverei von gegenwärtigen Formen von Unfreiheit, da diese stets illegal sind.
Grundlegende Aspekte
Trotz aller Unterschiede, welche zwischen den Sklavereien des Altertums bestanden, gibt es Aspekte, die in (fast) allen Epochen und geographischen Räumen der antiken Welt zutrafen. Antike Sklaven waren das uneingeschränkte Eigentum ihrer Herren. Der Rechtsanspruch war zeitlich unbefristet und ging nach dem Tod des Herrn auf dessen Erben über. Die Herren hatten die völlige Gewalt über die Sklaven. Sie konnten grundsätzlich und uneingeschränkt entscheiden, wie und was die Sklaven arbeiten mussten, und hatten das Recht an allem, was die Sklaven erwarben. Auch wenn die Sklaven selbst Besitz haben konnten (sog. peculium), war dieser Besitz prekär und konnte von den Herren wieder entzogen werden. Bemerkenswert ist, dass antike Sklaven nicht nur niedere Tätigkeiten ausübten, sondern – mit wenigen Einschränkungen (z.B. in der Politik) – in fast allen Berufen anzutreffen waren. Die Herren konnten die Sklaven nach Belieben bestrafen und misshandeln, über lange Zeit hatten sie sogar das Recht, über deren Leben und Tod zu entscheiden (zu Einschränkungen der Herrenrechte kam es – abgesehen von staatlichen Maßnahmen in besonderen Situationen – erst relativ spät). Die Herren konnten über die Sklaven verfügen, d. h., sie verschenken, verkaufen, verpfänden oder vererben. Die Rechte der Herren waren allgemein anerkannt und gesetzlich geschützt. Wer einen Sklaven eines anderen stahl, beschädigte oder tötete, wurde dafür belangt. Sklaven hatten grundsätzlich nicht das Recht, sich ihren Herren zu widersetzen oder zu entziehen. Gesellschaftlich waren Sklaven stets Außenseiter, auch wenn sie es durchaus zu großem Reichtum bringen konnten. Ihr Familienleben war Einschränkungen unterworfen. So konnten sie keine rechtmäßige Ehe eingehen, und ihre Familien waren stets gefährdet, auseinandergerissen zuwerden.Auch in Rechtsfragen waren sie Freien nicht gleichgestellt: Verbrechen von bzw. an Sklaven wurden anders geahndet als Verbrechen von bzw. an Freien. Zur Wahrheitsfindung wurden Sklaven in der Regel peinlich verhört (gefoltert).
Andere Formen der Unfreiheit
Von der Sklaverei zu unterscheiden sind andere Formen der Unfreiheit wie Schuldknechtschaft, Leibeigenschaft, Indentur (Vertragsknechtschaft) oder Zwangsarbeit. Oft sind die Grenzen allerdings fließend und klare Abgrenzungen schwierig. Selbst zwischen Freiheit und Unfreiheit ist vielfach nicht eindeutig zu unterscheiden. So findet sich zur Beurteilung von Phänomenen wie dem Helotentum (siehe Abschnitt III. 3.) oder dem Kolonat (siehe Abschnitt VII. 4.) oft der verwirrende Begriff der „Halbfreiheit“. Dieser ist allerdings problematisch, denn eine Person war rechtlich entweder frei oder unfrei – einen Mittelweg gab es nicht. Wurde ein Sklave jedoch freigelassen, brachte ihm das in vielen antiken Gesellschaften nicht die völlige Unabhängigkeit, oft war er seinem ehemaligen Herrn weiter verpflichtet (sog. paramoné, operae/obsequium)