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I. Einführung 1.Antike und moderne Sklaverei
ОглавлениеDie Antike scheint uns oft nah und vertraut zu sein. Gleichzeitig sind für uns viele Aspekte des antiken Lebens seltsam und befremdlich. Der Philologe Uvo Hölscher hat daher die Antike mit einem vielzitierten Schlagwort als das uns „nächste Fremde“ bezeichnet. Einer jener Aspekte, die heutigen Menschen seltsam erscheinen, ist die Allgegenwart und allgemeine Akzeptanz der Sklaverei.
Sklaverei und Menschenrechte
Dabei vergisst man freilich leicht, dass unterschiedliche Formen der Unfreiheit bis heute eine wichtige Rolle spielen. Zwar schlossen im Jahr 1926 die Mitgliedsstaaten des Völkerbundes ein Abkommen zur Abschaffung von Sklaverei und Zwangsarbeit. Auch in der im Jahr 1948 von den Vereinten Nationen verkündeten Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sprach man sich erneut gegen die Sklaverei aus, und auch die Europäischen Menschrechtskonvention, die 1950 in Rom unterzeichnet wurde, verbietet Sklaverei, Leibeigenschaft und Zwangsarbeit. Trotz dieser Willensbekundungen und Verbote sind Sklaverei und andere Formen der Unfreiheit aber nicht Geschichte, sondern prägen vielmehr das Leben von Millionen von Menschen.
Moderne Sklaverei
Nach Schätzungen von Menschenrechtsexperten leben mehr als 20 Millionen Menschen weltweit in Sklavenverhältnissen. Der Menschenhandel, dem jährlich mehr als zwei Millionen Menschen zum Opfer fallen, ist ein blühendes Geschäft, das Milliardengewinne abwirft; nach dem Drogen- und dem Waffenhandel stellt er das drittlukrativste kriminelle Geschäft dar. Die Beschäftigung mit der Sklaverei ist daher nicht nur von historischem Interesse, sondern von ungebrochener Aktualität.
Bedeutung der Sklaverei in der Antike
Warum aber, könnte man fragen, ist es wichtig, sich gerade mit der Sklaverei im klassischen Altertum zu befassen? Eine mögliche Antwort könnte lauten, dass es in der langen Geschichte der Sklaverei nur wenige Gesellschaften gab, in der die Sklaverei eine derartig wichtige Rolle spielte und Unfreie einen so großen Anteil an der Gesamtbevölkerung stellten, dass die Sklaverei einen nachhaltigen und entscheidenden Einfluss auf das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben ausübte. Zumindest phasenweise war dies in der klassischen Antike der Fall, weshalb bereits die marxistische Geschichtstheorie, der sog. historische Materialismus, die antike Gesellschaft als Sklavenhaltergesellschaft bezeichnet hat. Der amerikanisch-englische Althistoriker Moses I. Finley unterschied fünf „wirkliche Gesellschaften der Sklaverei“, von denen zwei im Altertum anzusiedeln seien: das klassische Athen und Italien zur Zeit der ausgehenden Republik. Auch wenn die Anwendungen von nur schwammig zu definierenden und schwer festzumachenden Begriffen wie „Sklaven(halter)gesellschaft“ auf die klassische Antike problematisch ist (und es de facto noch weit mehr Gesellschaften mit einer vergleichbaren Bedeutung der Sklaverei gegeben hat), so ist die ökonomische und gesellschaftliche Bedeutung der Sklaverei in der griechischen und römischen Gesellschaft unbestritten.
Unterschiede zur Moderne
So wichtig das Aufzeigen von Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten zwischen antiker und neuzeitlicher Sklaverei und das Herausarbeiten langer Entwicklungslinien, der sog. longue durée (Fernand Braudel), auf alle Fälle ist, so bedeutsam ist auch der Hinweis auf die Unterschiede. Die Antike, die uns vielfach so vertraut erscheint, war in mancherlei Hinsicht grundlegend anders. Dies gilt auch im Hinblick auf die antike Sklaverei; zwei Aspekte, die hier genannt werden könnten, sind etwa die in der Neuzeit unbekannte Vielfalt des antiken Sklavenlebens oder das Fehlen des Faktors „Rasse“ im Sklavereidiskurs des Altertums. Auch war die Sklaverei ein von allen als so selbstverständlich hingenommener Aspekt der Gesellschaftsordnung, dass eine Gesellschaft ohne Sklaverei – auch für die Unfreien selbst – jenseits aller Vorstellungskraft lag. Entsprechend war Abolitionismus, also der Kampf für die Abschaffung der Sklaverei, den Menschen im Altertum, sogar den Sklaven (und auch den antiken Christen), fremd. Das Studium der Geschichte der Unfreiheit in den Kulturen des Altertums stellt somit auf alle Fälle einen wesentlichen Schlüssel zur Verständnis des historischen Phänomens der Sklaverei dar.