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3.Forschungsgeschichte

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In der klassischen Antike selbst hat man sich nicht systematisch mit der zeitgenössischen Sklaverei beschäftigt. Sie war zu alltäglich, als dass sie das Interesse der Gelehrten geweckt hätte. Auch im Mittelalter wurde der Unfreiheit im griechisch-römischen Altertum keine besondere Aufmerksamkeit zuteil. Ihre Erforschung begann vielmehr erst mit dem Renaissance-Humanismus im 15. und 16. Jh. Die Beschäftigung mit der antiken Sklaverei war einerseits durch das antiquarische Bestreben motiviert, jeden Aspekt der Antike zu erfassen, andererseits diente sie auch dazu, sich mit der damals gegenwärtigen Sklaverei zu beschäftigen und diese mit Bezug auf die Antike zu rechtfertigen. Man übernahm von den antiken Philosophen die Begründung und von den römischen Juristen die praktische Anerkennung der Sklaverei.

Frühe Studien

Zunächst stand vor allem die Beschäftigung mit der römischen Sklaverei im Mittelpunkt, so etwa in den Studien De operis servorum von Titus Popma (1608) und De servis et eorum apud veteres ministeriis commentarius von Lorenzo Pignoria (1613). Rechtswissenschaftler interessierten sich gleichzeitig für die Sklaverei im römischen Recht, das auch die moderne Sklavereigesetzgebung beeinflusste, so etwa den im Jahr 1685 von Ludwig XIV. erlassenen Code Noir. Mit der Aufklärung, welche die Freiheit und Gleichheit aller Menschen verkündete, wuchsen Kritik an der und Kampf gegen die Sklaverei. John Locke (1632–1704) ging von der natürlichen Freiheit des Menschen aus, und auch nach Montesquieu (1689–1755) widersprach die Sklaverei sowohl dem zivilen als auch dem natürlichen Recht. Auch die Diskussion über die antike Sklaverei wurde neu entfacht. In der Folgezeit wurde diese Institution von Sozialwissenschaftlern und Ökonomen verstärkt negativ bewertet. Adam Smith (1723–1790) unterstrich ihre Ineffizienz (eine Frage, die bis heute umstritten und vieldiskutiert ist), während David Hume (1711–1766) ihre negativen Auswirkungen auf das Bevölkerungswachstum untersuchte. Nur vereinzelt finden sich positive Stimmen, etwa von Wilhelm von Humboldt (1767–1835), der sie aufgrund ihrer angenommen kulturstiftenden Funktion als eine in Kauf zu nehmende Notwendigkeit betrachtete.

Abolitionismus

Ab dem späten 18. Jh. setzte die Abolitionismusbewegung ein, die ihren wichtigsten Impuls von den Quäkern und evangelikalen Gruppen bekam. Mit der schrittweisen Abschaffung der Sklaverei in den amerikanischen Nordstaaten und unter dem Eindruck der Französischen Revolution wurde der Abolitionismus immer mehr zur Massenbewegung, zu deren Vorreiter England wurde, wo 1807 die Sklaverei abgeschafft wurde. Unter dem Einfluss dieser Entwicklung kam es auch zu einem Aufschwung in der Sklavereiforschung. Einen ersten Meilenstein in der Erforschung der Unfreiheit im antiken Griechenland stellt die preisgekrönte Schrift Geschichte und Zustand der Sklaverey und Leibeigenschaft in Griechenland des Göttinger Philologen und Juristen Johann Friedrich Reitemeier dar (1783/89). Nachdem im Jahr 1833 die Untersuchung Inquiry into the State of Slavery amongst the Romans von William Blair erschienen war, verfasste Henri Alexandre Wallon im Jahr 1837 als Preisaufgabe der Pariser Académie des Sciences Morales und Politiques sein Werk Histoire de l’esclavage dans l’antiquité von (veröffentlicht 1847 bzw. 21879). Diese Schrift, die stark durch abolitionistisches Engagement gekennzeichnet ist, stellt die erste umfassende Monographie und Dokumentation zur antiken Sklaverei dar und untersucht die Ursprünge, Bedingungen und Auswirkungen der Sklaverei im Alten Orient, in Griechenland und in Rom.

Historischer Materialismus

Neue Impulse in der Sklavereiforschung brachte der von Karl Marx und Friedrich Engels entwickelte historische Materialismus, demzufolge die Antike durch die Sklaverei als Basis des wirtschaftlichen und geistigen Lebens gekennzeichnet gewesen sei. Das klassische Altertum sei eine Sklavenhaltergesellschaft gewesen, die einerseits durch den Klassenkampf zwischen Sklaven und Freien geprägt war. Andererseits habe die Sklaverei erst die Teilung der Arbeit zwischen Ackerbau und Industrie in größerem Maßstab möglich gemacht und sei so für die Blüte der griechischen Kultur, Kunst und Wissenschaft verantwortlich. Eine wichtige Überblicksdarstellung der Theorie des historischen Materialismus zur antiken Sklaverei verfasste in Italien Ettore Ciccotti mit seinem Werk zum Untergang der Sklaverei in der antiken Welt Il tramonto della schiavitù nel mondo antico (1899). Stark von marxistischen Ideen beeinflusst war auch Robert von Pöhlmann mit seiner Geschichte der sozialen Frage und des Sozialismus in der alten Welt. Eine grundlegende Rolle spielte die Frage nach dem Stellenwert der antiken Sklaverei auch in der sog. Bücher-Meyer-Kontroverse, welche zwischen dem Nationalökonomen Karl Bücher und dem Althistoriker Eduard Meyer um den grundlegenden Charakter der antiken Wirtschaft geführt wurde.

20. Jahrhundert

Die nichtmarxistische Forschung des frühen 20. Jh. hat insbesondere durch die weitere Aufarbeitung des umfangreichen papyrologischen und epigraphischen Quellenmaterials in zahlreichen Einzelstudien neue Erkenntnisse zu gewinnen versucht. Im deutschsprachigen Raum hat die kurze Darstellung Die Sklaverei im Altertum (1898) von Eduard Meyer die Forschung nachhaltig beeinflusst. In der englischsprachigen Welt war die große Untersuchung Slavery in the Roman Empire von R. H. Barrows von Bedeutung. Für viele Jahre maßgeblich wurde dann die Gesamtdarstellung The Slave Systems of Greek and Roman Antiquity (1955) von William Lynn Westermann, eine Überarbeitung seines 1935 für Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft verfassten Artikels.

Institutionalisierung der Sklavenforschung nach dem 2. Weltkrieg

Generell erlebte die Erforschung der antiken Sklaverei nach dem Zweiten Weltkrieg eine vorher nie gekannte Dynamik, gleichzeitig erfuhr sie auch eine bis dahin nicht vorhandene Institutionalisierung, die in der Zeit des sog. „Kalten Krieges“ auch mit einer ideologischen und methodologischen Blockbildung einherging. Der Tübinger Althistoriker Joseph Vogt (1895–1986) begründete an der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur im Dezember 1950 das Projekt „Forschungen zur antiken Sklaverei“, eines der größten und ertragreichsten Forschungsvorhaben der deutschen Altertumswissenschaft überhaupt, das noch über sein nominelles Ende im Jahr 2012 hinaus einen immensen Beitrag zur Erforschung der Sklaverei im klassischen Altertum geleistet hat. Unter der Leitung von Joseph Vogt und seinen Nachfolgern Heinz Bellen (ab 1978) und Heinz Heinen (ab 2002; seit 2009 zusammen mit Winfried Schmitz) erschienen nicht nur zahlreiche einschlägige Monographien und Sammelbände, sondern auch ein Corpus der römischen Rechtsquellen zur antiken Sklaverei, eine Bibliographie der antiken Sklaverei, ein mehrbändiges Handwörterbuch der antiken Sklaverei sowie Übersetzungen von russischen Arbeiten zur antiken Sklaverei.

Diese russischen Arbeiten waren ab 1960 im Rahmen einer neu eingerichteten Forschungsgruppe an der Sektion für Alte Geschichte des Instituts für Allgemeine Geschichte an der Akademie der Wissenschaften der UdSSR als Teile einer Gesamtgeschichte der antiken Sklaverei unter dem Aspekt des historischen Materialismus entstanden. Unter den sowjetischen Sklavenforschern ist etwa Elena M. Štaerman hervorzuheben. In der polnischen Altertumswissenschaft spielte Iza Bieżunska-Małowist eine herausragende Rolle, in der DDR beschäftigten sich insbesondere Elisabeth Charlotte Welskopf sowie Rigobert Günther mit Fragen der Unfreiheit in der Antike.

In der englischsprachigen Welt waren vor allem die Forschungen von Moses I. Finley (1912–1986) prägend und setzen bis heute Maßstäbe. Finley, dessen Arbeiten durch eine starke Einbeziehung von soziologischen und ökonomischen Fragestellungen, Theorien und Modellen geprägt war, polemisierte stark gegen das Mainzer Projekt, dem er eine beschönigende Verharmlosung der antiken Sklaverei vorwarf. Diese Attacken hatten eine immer noch spürbare mangelnde Rezeption der deutschen Sklavereiforschung in der englischsprachigen Welt zur Folge. An der Universität Nottingham gründete Thomas Wiedemann im Jahr 1998 das Institute for the Study of Slavery (ISOS, ehemals ICHOS – International Centre for the History of Slavery). Seit dem frühen Tod von Wiedemann wird dieses von Dick Geary und Steven Hodkinson geleitet.

In Frankreich fanden seit 1970 regelmäßige Kolloquien des Centre des Recherches d’Histoire Ancienne der Université Franche-Comté in Besançon statt, aus denen die von Paul Lévêque gegründete Groupe International de Recherches sur l’Esclavage dans l’Antiquité (GIREA) hervorging, ein loser Zusammenschluss internationaler Forscher, der nicht zuletzt durch sein Bemühen, auch marxistische Standpunkte mit einzubeziehen, einen Gegenpol zu den Mainzer Aktivitäten bildet.

Eng mit dem Mainzer Akademieprojekt verbunden war dagegen ein von 2003 bis 2009 unter der Leitung von Elisabeth Herrmann-Otto stehendes Graduiertenkolleg zum Thema Sklaverei – Knechtschaft und Frondienst – Zwangsarbeit. Unfreie Arbeits- und Lebensformen von der Antike bis zum 20. Jh. an der Universität Trier. Im Rahmen dieses Projektes widmete man sich in besonderer Weise einem internationalen, epochenübergreifenden und interdisziplinären Diskurs über die Geschichte der Sklaverei und anderer Formen der Unfreiheit.

Einen ähnlich weit gefassten Zugang vertritt mit dem Bonn Center for Dependency and Slavery Studies ein neues Zentrum für Abhängigkeitsstudien, an dem seit 2019 der Exzellenzcluster Beyond Slavery and Freedom beheimatet ist, der sich mit der Vielfalt asymmetrischer Abhängigkeiten in vormodernen Gesellschaften beschäftigt.

Eine solche globale Perspektive, wie sie auch Michael Zeuske, der vor wenigen Jahren eine monumentale Globalgeschichte der Sklaverei von ihren Anfängen bis in die Gegenwart vorgelegt hat, vertritt, ist wichtig, um dem historischen Phänomen der Unfreiheit gerecht zu werden. Denn in den letzten Jahrzehnten hat gerade auch die Erforschung der antiken Sklaverei massiv von Ansätzen von außerhalb der klassischen Altertumswissenschaften und vergleichenden Studien profitiert. Die Forschungen zur antiken Sklaverei und anderen Formen von Abhängigkeiten im klassischen Altertum florieren. Jahr für Jahr erscheinen zahlreiche wichtige Studien und Untersuchungen zu Einzelaspekten bzw. einzelnen Epochen (z.B. von David Lewis, Deborah Kamen, Kostas Vlassopoulos, Sandra Joshel oder Kyle Harper), ebenso wurden in den letzten Jahren mehrere fundierte Gesamtdarstellungen zur antiken Sklaverei publiziert (z.B. von Leonhard Schumacher, Jean Andreau und Raymond Descat, Elisabeth Herrmann-Otto oder Peter Hunt). Als einer der wichtigsten englischsprachigen Experten für die antike, speziell für die römische Sklaverei hat sich in den letzten Jahrzehnten der britisch-kanadische Althistoriker Keith Bradley etabliert, der gemeinsam mit mit Paul Catledge auch ein wichtiges Überblickswerk herausgegeben hat, die Cambridge World History of Slavery. Volume I: The Ancient Mediterranean World.

Sklaverei in der Antike

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