Читать книгу Sklaverei in der Antike - Josef Fischer - Страница 12
4.Quellen
ОглавлениеLiterarische Quellen
Die Allgegenwart der Sklaverei in der antiken Welt hat zur Folge, dass sich in zahllosen aus dem Altertum überlieferten Schriften Erwähnungen der Sklaverei finden, in der Dichtung genauso wie in Fachtexten. Nur wenige antike Abhandlungen waren allerdings explizit der Sklaverei gewidmet und befassten sich dann meist mit philosophischen Fragestellungen, etwa das bis auf einen Satz verlorene Werk des Sokrates-Schülers Anthisthenes Über Freiheit und Sklaverei. Die real existierende Sklaverei, sei es die Geschichte dieser Institution oder die Lebensbedingungen der Unfreien, war kein Thema, mit dem sich antike Gelehrte systematisch auseinandersetzten.
Fehlende Autobiographien
Was in der antiken Literatur auch fehlt, sind autobiographische Schilderungen antiker Unfreier, wie sie uns als wertvolle Dokumente für das Studium der neuzeitlichen Sklaverei zur Verfügung stehen (man denke etwa an die Autobiographien von Olaudah Equino, Frederick Douglass oder Omar Ibni Said). Obwohl von mehreren griechischen und römischen Autoren – z.B. Aesop, Livius Andronicus, Terenz, Phaedrus, Epiktet, Phlegon von Tralleis, Antoninus Liberalis und vielleicht auch Longos – bekannt ist oder zumindest vermutet wird, sie seien Freigelassene gewesen und hätten somit das Schicksal der Unfreiheit aus eigener Erfahrung gekannt, hat sich keiner von diesen explizit über das Los der (eigenen) Sklaverei geäußert und/oder über dieses reflektiert.
Geschichtsschreibung
In der Geschichtsschreibung treten Sklaven zwar nur selten als Protagonisten historischer Ereignisse in Erscheinung, wie etwa bei den Sklavenaufständen in der späten römischen Republik, aber Unfreie werden dennoch häufig erwähnt, etwa bei der Schilderung von Kriegszügen, in deren Zuge zahlreiche Menschen versklavt wurden, bei der Erwähnung von Sklaven, die historisch bedeutsamen Persönlichkeiten nahestanden oder bestimmte Ämter innehatten, oder bei der Behandlung der Sklavengesetzgebung einzelner Machthaber.
Juristische Literatur
Römische Rechtsgelehrte haben sich ausführlich mit Unfreien und den mit diesen verbundenen juristischen Problemen beschäftigt. In ihren Werken finden sich daher etwa wertvolle Aussagen über den Status der Sklaven, ihre Rechte und Pflichten, die Gewalt der Herren, die Haftung der Herren oder die Möglichkeiten der Freilassung. Besonders aussagekräftige Quellen sind auch attische Gerichtsreden, die viele Aspekte des Alltags im 4. Jh. v. Chr. beleuchten und dabei immer wieder auch Sklaven erwähnen, etwa in der Rede des Apollodoros Gegen Neaira, in welcher der Lebensweg einer zunächst unfreien Hetäre geschildert wird (Fischer, Quellenreader Nr. 87). Aber auch in anderen Gerichtsreden, in denen Unfreie nicht im Mittelpunkt der jeweiligen Fälle stehen, ist von Sklaven als Dienern oder als Boten die Rede.
Fachschriftsteller
Auch in den Werken anderer Fachschriftsteller begegnen immer wieder Unfreie. Militärschriftsteller bieten etwa Informationen über unfreie Trossknechte, Agrarschriftsteller äußern sich über den Einsatz unfreier Arbeiter in Ackerbau und Viehzucht, und Traumdeuter beschäftigen sich mit dem Auftauchen von Unfreien in Traumbildern. Theologische Werke bieten nicht nur mentalitätsgeschichtliche Einblicke, sondern erlauben auch Aufschlüsse über das religiöse Leben der Unfreien. Die Bibel (etwa die Paulus-Briefe) und die Schriften der Kirchenväter verdeutlichen die Einstellung der frühen Christen zur Sklaverei.
Briefliteratur
Einblicke in das private Leben und Informationen über die Unfreien in herrschaftlichen Haushalten bietet die antike Briefliteratur. Auch wenn die Briefe von Cicero oder Plinius des Jüngeren für ihre Veröffentlichung überarbeitet wurden und daher nicht als vollkommen authentische Briefe, sondern vielmehr als literarische Produkte zu gelten haben, erlauben sie wertvolle Rückschlüsse, wenn sie etwa über alltägliche Vorkommnisse wie die Erkrankung eines Sklaven (s. Abschnitt VI. 6.) oder den Angriff eines Sklaven auf seinen Herrn (Fischer, Quellenreader Nr. 98) berichten. Eine besondere Rolle spielen philosophische Kunstbriefe wie die Epistulae morales ad Lucilium („Moralische Briefe an Lucilius“) des Seneca, denn im 47. Brief legt der römische Philosoph und Erfolgsautor ausführlich die Position der Stoiker zur Sklaverei dar (Fischer, Quellenreader Nr. 12).
Dichtung
Auch in der antiken Dichtung ist von ihrem Beginn mit den homerischen Epen an (s. Abschnitt II. 2.) in fast allen Genres von der Sklaverei die Rede. Bei ihrer Deutung stellt sich stets die grundsätzliche Frage, wie sehr man fiktionale Texte als Quellen für die Rekonstruktion historischer Realitäten heranziehen kann. Unerlässlich ist es, stets die Gattungsnormen zu beachten.
Drama
Auf den Bühnen der Antike wurden immer wieder Sklaven dargestellt, so etwa in der attischen Tragödie, deren Stoffe zwar meist der Mythologie entnommen waren, die aber dennoch stets aktuelle Bezüge aufwies. Noch stärker war diese Aktualität in der Komödie. In der sog. Alten Komödie, die vor allem durch die erhaltenen Werke des Aristophanes (ca. 450–485 v. Chr.) greifbar ist, wurden zwar einerseits Ereignisse der Tagespolitik genauso aufgegriffen wie aktuelle gesellschaftliche Probleme, doch wurden diese andererseits genauso oft in phantastische Welten transponiert und mit groteskem Humor behandelt. Sie vermitteln damit sicher kein realitätsgetreues Abbild antiken Lebens. Doch wenn uns bei Aristophanes etwa Sklaven als Hausbedienstete, als Pförtner und als Boten begegnen, so spiegelt das die Verhältnisse im klassischen Athen wider. Einen direkteren Bezug zum realen Leben hatten die Stücke der Neuen Komödie, die uns nur durch die Werke Menanders (ca. 342–291 v. Chr.) erhalten ist. Den Rahmen der Stücke bildeten nun Familiengeschichten, zu deren typischen Charakteren etwa der schlaue, verschlagene Sklave gehörte. Trotz aller Stereotype entbehrten aber auch diese Werke genausowenig einer realistischen Basis wie die Bühnenstücke der römischen Komödie, als deren wichtigster Vertreter Plautus gelten kann. Sein Sklavenbild spiegelt in vielen Belangen eher die griechische Tradition als die römischen Verhältnisse wider, doch hat Plautus (ca. 342–184 v. Chr.) nicht nur seine Vorbilder reproduziert, sondern durchaus auch seinem Publikum und deren Lebenswelt angepasst, vor allem wenn es um die sozialen Verhältnisse im Hintergrund geht. Wenn also in seinem Stück Menaechmi der Sklave Messenio über seine Befindlichkeiten spricht, dann hat das seine Zuschauer, von denen viele selbst Sklaven besaßen, durchaus an ihre eigenen Unfreien erinnert.
Quelle
Ein unfreier Diener berichtet über das Sklavenlos
Plautus, Menaechmi V6; Übersetzung: nach W. Binder
MESSENIO: Den braven Diener, welcher Hab und Gut des Herrn
Verwaltet, drüber wacht und alles wohl besorgt,
Erkennet man daran, dass er, was dem Herrn gehört,
Auch wenn der Herr nicht da ist, treulich überwacht,
Ja, treuer noch, als wäre dieser selber da.
Mehr muss der Rücken, mehr die Beine gelten dem,
Der’s Herz am rechten Fleck hat, als der Schlund und Bauch.
Vergegenwärtige doch sich jeder, welcher Lohn
Den Taugenichtsen, den faulen Schlingeln, von dem Herrn
Zuteilwird. Prügel, Fußblock, Frohnen in der Mühle,
Hinschmachten, Hunger, bittere Kälte: dieses ist
Der Lohn der Faulheit; solche Übel scheue ich sehr.
Drum will ich lieber brav als schlecht sein.
Denn lieber dulde ich Mahnungen als Ahndungen,
Auch hab ich’s lieber, wenn man mir Gemahlenes bringt,
Als wenn ich selbst zum Mahlen mich hergeben muss.
Drum führ ich auch des Herrn Befehle pünktlich aus
Und diene ihm ohne Murren: es kommt mir selbst zugut.
Die anderen mögen sein, wie’s ihnen dienlich scheint:
Ich will mich so verhalten, wie die Pflicht es heischt.
Die stete Furcht hält von Vergehen mich fern, daher
Will ich des Herrn allüberall gewärtig sein.
Die Knechte, die, Bestrafung fürchtend, nichts versehen,
Sind ihren Herren nützlich. Denn wer sich sonst nicht fürchtet,
Fürchtet sich, sobald er etwas Schlimmes angestellt.
Ich hab nicht viel zu fürchtet. Bald wird mein Herr
Für das, was ich geleistet, mir den Lohn erteilen.
Das mach ich mir in meinem Dienst zur Regel, dass
Mein Rücken stets sich wohl dabei befindet.
Roman
Eine besonders ergiebige Quelle sind antike Romane. Die Gattung entstand in hellenistischer Zeit, die uns erhaltenen Werke stammen jedoch aus den nachchristlichen Jahrhunderten. Griechische Romane erzählen in der Regel die Geschichte eines jungen, schönen Liebespaares, das nach einer Reihe von Abenteuern glücklich zusammenkommt. Auf Latein verfasst wurden das nur in Teilen erhaltene Satyricon des Petronius (16–44 n. Chr.), dessen Hauptteil die cena Trimalchionis, das Gastmahl beim neureichen Freigelassenen Trimalchio, bildet, sowie die Metamorphosen (oft auch als Der goldene Esel bezeichnet) des Apuleius, die von den Abenteuern des irrtümlich in einen Esel verwandelten Lucius berichten. Die Schicksale der Hauptpersonen in den Romanen sind oft phantastisch, der allgemeine Rahmen der Geschichten ist trotz aller Verzerrungen und Übertreibungen recht lebensnah. Phänomene wie die Kindsaussetzung und das Aufziehen von Findelkindern als Sklaven, die Kriegsgefangenschaft und der Menschenraub kommen jedenfalls immer wieder vor, und der Verlust der Unfreiheit ist ein Schicksal, das die Protagonisten der Romane immer wieder erleiden, so etwa die junge Tarsia, die in der Geschichte von Apollonius, dem König von Tyros (3. Jh. n. Chr.) von Seeräubern geraubt und an einen Bordellbesitzer verkauft wird (Hist. Apoll. Tyr. 33).
Inschriften
Besonderen Quellenwert für das Studium der antiken Sklaverei besitzen epigraphische Zeugnisse. Die zahlenmäßig größte Gruppe von Inschriften, in denen Sklaven auftauchen, sind Grabinschriften. Unfreie werden dabei sowohl als Stifter dieser Inschriften als auch als Verstorbene, derer gedacht wird, genannt.
Quelle
Kaiserzeitliche Grabinschrift für den Sklaven Kalokairos aus Patara
TAM II 466, Übersetzung: J. Fischer
Für den verstorbenen Kalokairos, einen guten Mann; die Mitsklaven Elpidephoros, Heraklides, Zosimos, Nauklerikos, Marion, Kerdon, Eugamos, Metaboliko, zur Erinnerung an einen guten und seinen Herrn liebenden und außergewöhnlichen Mann.
Grabinschriften ermöglichen Aufschlüsse über die Sklavennamen, oft auch über die Herkunft der Unfreien, über deren soziales Leben oder ihr früheres Berufsleben. Gesetzesinschriften informieren über die rechtlichen Rahmenbedingungen des Sklavenlebens, Kultvorschriften über Einschränkungen des religiösen Lebens der Sklaven. Aufschluss über die Religiosität der Sklaven geben Weihungen von Unfreien oder Orakelanfragen von Sklavenhand. Mentalitätsgeschichtlich besonders interessant sind magische Texte, wie etwa Fluchtäfelchen, die von Sklaven geschrieben wurden oder Sklaven nennen. Verkaufsurkunden, die etwa auf Wachstäfelchen erhalten sind, erlauben nicht nur Erkenntnisse über das Verfahren beim Sklavenhandel, sondern informieren auch über die Preise, welche für Unfreie zu bezahlen waren. Viele Inschriften befassen sich auch mit Freilassungen. Besonders interessant sind Briefe, die von Sklaven erhalten geblieben sind, so etwa ein auf einem Bleitäfelchen geschriebener Brief des 4. Jh. v. Chr., in dem sich ein Knabe, wohl ein Unfreier, direkt über ihm angetane Misshandlungen beklagt (Fischer, Quellenreader Nr. 53).
Papyri
Besondere Einblicke in das antike Sklavenleben erlauben auch Papyri, die in Ägypten erhalten geblieben sind. Sie ermöglichen Erkenntnisse zum alltäglichen Leben, die aus anderen Regionen nicht zur Verfügung stehen. Hier sind etwa Sklavenkaufverträge, Steckbriefe entlaufener Sklaven, Ausbildungsverträge für Unfreie oder Privatbriefe, in denen von Unfreien die Rede ist, zu nennen (s. Abschnitt IV. 3.).
Sklavendarstellungen
Unfreie haben auch in der materiellen Überlieferung Spuren hinterlassen. Freilich sind diese archäologischen Quellen in ihrer Interpretation oft schwierig und umstritten. Dies wird schon bei der Suche nach bildlichen Darstellungen von Unfreien deutlich. Zweifelsohne besitzen wir zahlreiche Darstellungen von Sklaven, diese im konkreten Einzelfall aber sicher zu identifizieren ist schwierig. Der rechtliche Status einer Person ist den Bildern kaum zu entnehmen, zumal Sklaven ja auch im realen Leben nicht auf den ersten Blick von Freien zu unterscheiden waren. Einen Hinweis kann etwa die unterlebensgroße Darstellung der Betroffenen geben, barbarische Kleidung oder bestimmte Kennzeichen, wie etwa Tätowierungen. Oft sind Sklaven aber nur an ihrer dargestellten Tätigkeit zu erkennen. Zwar gibt es keinen Beruf, der ausschließlich von Unfreien ausgeübt wurde, doch bildeten Unfreie in manchen Professionen die Mehrheit. Darstellungen von Hetären, Mundschenken, Tänzerinnen, Begleitsklaven, Ammen, Pädagogen oder Gladiatoren sind daher in der Regel als Bilder von Unfreien zu interpretieren.
Sklavenquartiere
Wiederholt hat man auch den Versuch unternommen, Sklavenquartiere im archäologischen Befund festzumachen. Auf griechischen Gehöften hat man die ab dem 4. Jh. v. Chr. verbreiteten Steintürme mit Sklavenunterkünften in Verbindung gebracht. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat man Sklavenquartiere in großen römischen Villen, wie etwa in Settefinestre nahe Cosa oder in Boscoreale, identifizieren können. Ebenso hat man wohl Sklavenunterkünfte in den Minen von Chemtou in Tunesien festgestellt. Vielfach wären aber auch andere Verwendungsmöglichkeiten der so interpretierten Räume denkbar.
Arbeitsverhältnisse
Einen Eindruck von den Arbeitsbedingungen der Sklaven geben etwa die archäologischen Untersuchungen der antiken Silberbergwerke im Laureion-Gebirge in Attika, wo Zehntausende Unfreie im Einsatz waren. Die Stollen waren dort so eng und niedrig, dass vermutet wurde, dass man für die Förderarbeit auch Kinder einsetzte. Eine Schicht dauerte dort zehn Stunden, wie die Brenndauer der speziell angefertigten Grubenlampen belegt.
Sklavengräber
Ohne Zweifel sind in vielen der zahllosen antiken Gräber, die bisher aufgedeckt wurden, Sklaven bestattet. Solche Sklavenbestattungen sind aber schwierig zu identifizieren, wenn nicht gerade eine Inschrift den Status des Begrabenen verrät. Mit großer Wahrscheinlichkeit konnte allerdings eine Nekropole aus der Mitte des 5. Jh. v. Chr. von über 200 Gräbern nahe Laureion mit Sklaven in Verbindung gebracht werden, da die Gräber auffallend beigabenarm und die Bestattungen ohne großen Aufwand vorgenommen worden waren. Auffallend sind hier die geringe Anzahl von (kostspieligeren) Kremationen und die unübliche Häufigkeit von (billigen) Steinkistengräbern. Auch ein Massengrab bei Pydna aus der Mitte des 4. Jh. v. Chr. wurde mit Unfreien in Verbindung gebracht. Auf jeden Fall haben bioarchäologische Untersuchungen ergeben, dass die hier Bestatteten zu Lebzeiten einen nur eingeschränkten Zugang zu Nahrung hatten und hart arbeiten mussten. Manche der Toten wurden auch gefesselt bestattet. Derartige Bestattungen von Gefesselten gibt es in der griechischen Welt mehrere, doch ist im Einzelfall natürlich unklar, ob es sich um einen Sklaven handelte, oder ob es für die Fesselung eine andere Erklärung gibt. Das gleiche gilt für die Funde von Handschellen oder Fußfesseln, die einst dazu gedient haben könnten, Sklaven zu fesseln, die aber genauso für Kriminelle verwendet worden sein können.