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Unfreie in den homerischen Epen

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Charakter der Sklaverei

Die Sklaverei in den homerischen Epen wird oft als „patriarchalische Sklaverei“ bezeichnet. Sie scheint durch eine enge persönliche Bindung zwischen Herren und Sklaven gekennzeichnet. Freilich schrieb der Dichter, der selbst aus der Oberschicht kam, diese Epen für ein Publikum der (sklavenbesitzenden) Oberschicht, wodurch einerseits Details des Lebens einfacher Menschen und der Sklaven nicht ausführlich geschildert werden, da sie nicht relevant waren, und andererseits das Verhältnis zwischen Herren und Sklaven vielleicht positiver geschildert wurde, als es in Wirklichkeit war.

Herkunft der Sklaven

Was die Herkunft der Sklaven betrifft, lassen sich zwischen den beiden Epen klare Unterschiede aufzeigen. Während in der älteren Ilias der Sklavenhandel noch keine bedeutende Rolle spielt und die Kriegsgefangenschaft die wesentliche Ursache der Unfreiheit darstellt, was auch daran liegen mag, dass die Ausnahmesituation eines großen Krieges geschildert wird, sind in der jüngeren Odyssee Menschenraub und Kaufsklaverei üblich.

Kriegsgefangenschaft in der Ilias

Die Kriegsgefangenschaft als Grund für den Verlust der Freiheit in der Ilias wird in dem düsteren Zukunftsbild deutlich, das der troianische Prinz Hektor im Gespräch mit seiner Frau Andromache im 6. Buch der Ilias (6, 450–461; Fischer, Quellenreader Nr. 21) für den Fall entwirft, dass Troia falle: Die Achaier würden ihr die Freiheit entreißen und sie als Sklavin nach Griechenland bringen, wo sie niedrige Dienste verrichten müsse. Als Hektor dann im Zweikampf mit Achilleus fällt, beklagt Andromache den Tod des Gatten und das Los der Frauen von Troia, denen nun die Versklavung droht:

Quelle

Klage der Andromache und der Hekabe

Homer, Ilias 24, 723–759; Übersetzung: J.H. Voss/H. Rupé

Jammernd begann die zarte Andromache jetzt vor der Menge,

Hektors, des männerverderbenden, Kopf mit den Armen umfangend:

Gatte, so jung verlorst du dein Leben und lässt mich als Witwe

Hier im Palaste zurück; so zart und jung ist das Söhnchen,

Das wir Unseligen, ich und du, erzeugten, und schwerlich

Kann es zur Blüte noch reifen; zuvor wird die Stadt hier vom Gipfel

Niedergeschmettert; verlor sie in dir doch den Hort, der sie ständig

Schützte, sie selbst und die ehrbaren Frauen und unmündigen Kinder.

Bald wohl werden sie fort nun geschleppt in gebuchteten Schiffen,

Und mit ihnen ich selbst. Auch du aber wirst mich begleiten,

Du, mein Kind, um dort im Dienst eines grausamen Herren

Sklavenwerk zu verrichten. Vielleicht aber wirft ein Achaier

Oben vom Turm dich herab am Arm ins finstre Verderben,

Einer, der zürnt, weil Hektor vielleicht ihm den Bruder getötet

Oder den Vater oder den Sohn; gar viele Achaier

Haben durch Hektors Faust in die ewige Erde gebissen.

Nicht versöhnlich pflegte dein Vater zu sein im Gefechte;

Drum bejammern ihn auch in der Stadt so schmerzlich die Völker.

Unaussprechlichen Kummer und Gram erleben die Eltern,

Hektor, mir aber bleibt der allerbitterste Jammer.

Sterbend hast du mir nicht die Hände gereicht aus dem Bette,

Hast kein tröstliches Wort mir gesagt, daran ich beständig

denken könnte bei Tag und bei Nacht mit fließenden Tränen!

Also klagte sie weinend, und mit ihr stöhnten die Weiber.

Jetzt erhob vor dem Volk auch Hekabe jammernd die Stimme:

Hektor, du warst mir im Herzen der liebste von all‘ meinen Söhnen!

Immer, solang du mir lebtest, auch warst du geliebt von den Göttern.

Darum sorgten sie selbst für dich beim Todesverhängnis.

All‘ meine anderen Söhne verkaufte der schnelle Achilleus

Über das rastlose Meer so oft er einen gefangen,

Weit nach Samos, nach Imbros und Lemnos, der dampfenden Insel.

Dich aber, als er das Leben mit ragendem Erz dir entrissen,

Schleifte gar oft der Pelide ums Grab seines lieben Gefährten

Patroklos, den du erschlugst – doch ohne ihn wieder zu wecken.

Menschenraub in der Odyssee

Typisch für die Verhältnisse in der Odyssee ist die Lügengeschichte, die der von der Göttin Athena getarnte Odysseus dem Sauhirten Eumaios erzählt. Odysseus gibt vor, der Sohn einer Sklavin und deren reichen Besitzers zu sein. Durch Beutezüge sei er zu Reichtum gekommen. Als aber seine Gefährten Dörfer geplündert, die Männer getötet und die Frauen gefangengenommen hätten, sei er selbst von den Ägyptern gefangengenommen worden. Nach acht Jahren in Ägypten habe er sich einem Phoiniker angeschlossen, der ihn als Sklaven verkaufen wollte. Als dessen Schiff sank, sei er zu den Thesproten in Nordwestgriechenland gekommen, deren König ihn heim nach Ithaka habe schicken wollen; wiederum sei er aber schlechten Menschen in die Hände gefallen, die ihn versklaven wollten. In Ithaka sei ihm aber dann die Flucht gelungen.

Phoinikische Sklavenhändler

Dass ausgerechnet ein Phoiniker in der Erzählung des Odysseus diesen in die Sklaverei verkaufen will, ist typisch. Auch in der Lebensgeschichte des Sklaven Eumaios spielen Phoiniker eine entscheidende Rolle. Dieser schildert im 15. Buch der Odyssee (15, 403–483; Fischer, Quellenreader Nr. 27), wie er in die Unfreiheit geraten ist: Geboren wurde er als Sohn eines Königs auf der Insel Syrie. Eines Tages kamen dorthin phoinikische Händler. Diesen übergab eine ebenfalls phoinikische Sklavin am Hof von Eumaios Vater, die gleichfalls einst durch Menschenraub in die Unfreiheit geraden war, den kleinen Eumaios, auf den sie hätte aufpassen müssen. Die Phoiniker segelten mit ihm nach Ithaka und verkauften ihn dann an Laertes, den Vater des Odysseus. Bis zu einem Alter von 15 oder 16 Jahren lebte Eumaios dann am Hof des Laertes, anschließend wurde er als Schweinehirt aufs Land geschickt. Seitdem Laertes den Hof an seinen Sohn Odysseus übergeben hat, ist Odysseus der Herr des Eumaios.

Wert der Sklaven

Die homerischen Epen entstanden vor der Erfindung des Münzgeldes. Preise und Werte werden daher in Naturalien angegeben, in der Regel wird als Äquivalent der Wert eines Rindes genannt. So ist in der Odyssee etwa die Rede davon, dass Laertes, der Vater des Odysseus, die Sklavin Eurykleia einst für zwanzig Rinder erworben habe (Odyssee 1, 428–431). Dass dies ein sehr hoher Preis war, verdeutlicht eine Stelle in der Ilias (23, 700–705), in der ebenfalls vom Wert einer Unfreien die Rede ist. Es handelt sich um eine Passage aus dem 23. Buch, in der von Siegespreisen im Rahmen der Leichenspiele für den gefallenen Patroklos die Rede ist: Der Besiegte im Ringen soll als Trostpreis eine Sklavin erhalten, die den Wert von vier Rindern hat, der Sieger dagegen einen Bronzedreifuß im Wert von zwölf Rindern. Im Vergleich zum Preis für Eurykleia fällt der große Unterschied auf, ohne dass man dem allzu viel Bedeutung beimessen sollte. Mit der Preisangabe von 20 Rindern für Eurykleia wollte der Dichter nur zum Ausdruck bringen sollte, dass Laertes für die junge Sklavin eine „ganze Menge“ bezahlt hat.

Anzahl der Unfreien

Die Anzahl der in den Epen erwähnten Sklaven, unter denen unfreie Frauen überwiegen, ist überschaubar. Fünfzig Sklavinnen dienen im Palast des Odysseus (Odyssee 22, 421), die gleiche Anzahl ist im Palast von König Alkinoos zu finden (Odyssee 7, 103). Diese Übereinstimmung ist auffällig, und es handelt sich hier wieder um eine Zahl, die nicht als exakt zu nehmen ist, sondern nur eine große Anzahl von Sklavinnen verdeutlichen will. Die Anzahl der männlichen Sklaven des Odysseus wird nie genau genannt. Im 14. Buch der Odyssee (14, 100–104) berichtet Eumaios, dass Odysseus zwölf Rinderherden und genauso viele Schafherden, Schweineherden und Ziegenherden besitze und dass diese teils von unfreien Hirten, teils aber von Tagelöhnern gehütet würden. Freie Lohnarbeit existiert also in den Epen, doch das Verhältnis von unfreien zu freien Beschäftigten ist nur schwer abzuschätzen.

Arbeit der Sklaven

Das Sklavenleben, wie es in den homerischen Epen geschildert wird, ist kein Idyll. Die Unfreien müssen hart arbeiten und profitieren kaum von ihrer Arbeit Das Betätigungsfeld der Sklaven in der Odyssee ist die Landwirtschaft, das der Sklavinnen der Haushalt. Sie müssen Mehl mahlen, sie spinnen Wolle und sie weben Gewänder. Andere Tätigkeiten umfassen die Reinigung des Hofes, das Vorbereiten von Gastmählern oder das Holen von Wasser, wie es etwa in einer Passage geschildert wird, wo die schon erwähnte Eurykleia die Arbeiten aufträgt.

Quelle

Vorbereitung eines Gastmahls

Homer, Odyssee 20, 147–163; Übersetzung: J.H. Voss/E.R. Weiß

Aber den Mägden rief die Göttliche unter den Weibern,

Eurykleia, die Tochter des Ops, des Sohnes Peisenors:

Hurtig ihr Mädchen! Kehrt mir den Saal geschwind mit dem Besen,

Sprengt aber auch zuvor! Dann legt die purpurnen Decken

Auf die zierlichen Stühle! Ihr andern wascht mit den Schwämmen

Sämtliche Tische im Saale rein und spült mir die Krüge

Und die doppelten Becher aus die künstlichen! Ihr dort

Lauft und holt Wasser vom Brunnen, und dass ihr mir schleunig zurückkommt!

Denn heut bleiben die Freier nicht lange vom Saale,

Sondern kommen bald; denn heut ist für alle ein Festtag!

Sprach’s; und die Mägde hörten sie wohl und folgten ihr willig.

Zwanzig gingen hinaus zum dunkel quellenden Brunnen,

Und die andern besorgten geschickt im Saale die Arbeit.

Bald erschienen auch die Diener der Freier im Hause,

Spalteten fein und geschickt das Holz; da kamen die Weiber

Von der Quelle zurück; auch kam mit ihnen der Sauhirt,

Der drei Schweine zum Hof trieb, die besten von allen.

Sklavenhierarchie

Unter den Sklaven herrscht eine eindeutige Hierarchie. Unter den unfreien Männern gibt es Aufseher: Eumaios, den Schweine-Oberhirten, Melantheus, den Ziegen-Oberhirten, und Philoitios, den Rinder-Oberhirten. Diese genießen offensichtlich eine besondere Vertrauensstellung und überwachten die Arbeit ihrer Schicksalsgenossen. Diese Oberhirten können selbstständig leben und arbeiten. Sie wohnen außerhalb des Hofes auf dem Land. Interessant ist, dass Sklaven selbst auch als Besitzer von Sklaven auftreten: so ist Eumaios der Besitzer eines Sklaven namens Mesaulios (Odyssee 14, 449–52). Bei den weiblichen, im Haushalt tätigen Sklavinnen des Odysseus erfüllen die Verwalterin Eurynome und die Amme Eurykleia die Funktion der Aufseherinnen.

Sklavenbeziehungen

Manche Sklaven können Besitz erwerben und feste sexuelle Beziehungen eingehen. So lebt etwa der Sklave Dolios mit einer sizilischen Sklavin zusammen, die ihm schon viele Kinder geboren hat (Odyssee 24, 383–90). Dass solcher Sklavenbesitz genauso wie Beziehungen und Familien der Erlaubnis durch die Herren bedarf, zeigt eine Passage in Odyssee, in der Eumaios die Güte seines totgeglaubten Herrn Odysseus schildert (Odyssee 14, 61–67).

Sklaventugend

In Bezug auf seine Tugend wird ein Sklave im Vergleich zum Freien als minderwertig betrachtet. Freilich ist er das nicht von Natur aus, sondern wird erst durch seine Versklavung dazu gemacht. Dies wird in einer Passage deutlich, wo es heißt, dass Zeus einem Manne die Hälfte seiner Tugend nimmt, wenn er die Freiheit verliert (Odyssee 17. 318–323; Fischer, Quellenreader Nr. 4).

Rechte der Herren

Der Eigentumsanspruch der Herren an seinen Sklaven ist absolut. Die Herren können mit ihren Unfreien nach Gutdünken verfahren. Sie können die Sklaven zu Arbeiten im Haushalt oder auf dem Feld einteilen, ohne dass wir je davon hören, dass die Unfreien einen Lohn bekommen. Herren können die Sklaven weggeben (z.B. Ilias. 19, 245; 23, 509–13; Odyssee 4, 735) oder verkaufen (Ilias 7, 467–75; 21, 33–44; Odyssee 15, 425–9; 483 f.).

Bestrafung von Sklaven

Sklaven haben stets zu gehorchen und sind in allen Belangen von ihren Herren abhängig. Bei Fehlverhalten drohen harte Strafen. Sklaven müssen ständig damit rechnen, von ihren Herren bestraft zu werden. Sie konnten sie zur Strafe schlagen (Odyssee 4, 244–46) oder sogar töten (Ilias 18,336f.; 23, 175 f.). Besonders deutlich wird das bei der Schilderung des grausamen Strafgerichts, das nach der Tötung der Freier über die untreuen Mägde, die eine sexuelle Beziehung mit den Freiern eingegangen waren, und über Melantheus, der ebenfalls gemeinsame Sache mit den Freiern gemacht hatte, gehalten wird (Ilias 22, 419–479). Dabei fordert Odysseus die Eurykleia auf, ihm jene Sklavinnen zu nennen, die mit den Freiern verkehrt hatten. An der Bereitwilligkeit, mit der Eurykleia diese verrät wird deutlich, dass unter den Unfreien keine Solidarität herrschte. Auch wenn solche Gewaltexzesse nie an der Tagesordnung waren, liegt das Leben des Unfreien in den homerischen Epen stets in den Händen seines Herrn. Der Grund für die exzessive Bestrafung der Mägde liegt in der Illoyalität ihrem Herrn gegenüber. Denn auch über das Geschlechtsleben seiner Unfreien bestimmte der Herr, und aus mehreren Passagen ist ersichtlich, dass Sklavinnen in der homerischen Welt grundsätzlich ihren Herren sexuell zur Verfügung zu stehen hatten (Ilias 8, 286–91; 9, 128–40; 9, 658–68; 24, 675f.; Odyssee 1, 425–33).

Belohnung von Sklaven

Während Illoyalität hart bestraft wird, wird Treue hingegen belohnt (vgl. Odyssee 21, 212–216). Von Freilassung ist freilich an keiner Stelle die Rede. Eine Beendigung des Sklavenstatus ist in der Welt der homerischen Epen nicht vorgesehen. Ebenso fehlt jede Kritik an der Rechtmäßigkeit der Institution der Sklaverei.

Auf einen Blick

Die Existenz von Sklaven und der Handel mit Unfreien sind bereits für die mykenische Epoche belegt. In den homerischen Epen ist die Sklaverei fest etabliert. Die Sklaven haben ihre Freiheit in der Regel durch Kriege oder Menschenraub verloren. Skrupellose Menschenhändler treiben mit ihnen ihre Geschäfte. Die Herren haben absolute Gewalt über die Unfreien – einschließlich des Rechts über Leben und Tod. Die Sklaven mussten hart arbeiten, für Verfehlungen werden sie unbarmherzig bestraft, für Treue belohnt. Eine Freilassung wird jedoch an keiner Stelle direkt erwähnt.

Sklaverei in der Antike

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