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aa) Stärkung der Hochschulleitung

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Problematisch ist zunächst die von allen Reformmodellen befürwortete – und inzwischen mehrfach vom BVerfG geprüfte – Stärkung der Hochschulleitung. Daraus resultiert eine Hierarchisierung, die mit dem Gedanken einer Selbstverwaltung als Betroffenenpartizipation und auch mit der wissenschaftlichen Eigengesetzlichkeit (d. i. Freiheit von Fremdbestimmung) fast schon notwendig in Konflikt geraten muss. Die gestärkte Hochschulleitung muss außerdem auch in der Lage sein, ihre neuen Kompetenzen effektiv wahrzunehmen. Dafür muss der Rektor bzw. Präsident,[184] der in der Ordinarien- und auch noch in der klassischen Gruppenuniversität vorwiegend primus inter pares war, sich zum „Hochschulmanager“ weiterentwickeln. Dies erfordert Fähigkeiten, die im Rahmen der wissenschaftlichen Qualifizierung zum Hochschullehrer kaum erworben werden können. Mit der Verlagerung von Kompetenzen auf die Leitungsebene geht außerdem ein Transparenzverlust einher, weil die Beratung der Entscheidungen nicht mehr (wie früher) in Kollegialorganen und damit zumindest eingeschränkt öffentlich stattfindet.[185] Transparenz fordert jedoch gerade die Funktion der Selbstverwaltung als Betroffenenpartizipation.

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Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat in einem Urteil vom 7.5.2008 die Kompetenzen der gestärkten Hochschulleitung nach Art. 21 Abs. 7–13 des neuen BayHSchG als mit Art. 108 und 138 Abs. 2 BV vereinbar beurteilt.[186] Eine strukturelle Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit sei nicht erkennbar. Aus Art. 108 BV folge kein Anspruch des einzelnen Wissenschaftlers auf bestimmte Organisationsstrukturen, auf die Verfolgung bestimmter hochschulpolitischer Zielsetzungen o. Ä. Außerdem sehe Art. 3 Abs. 2 und 3 BayHSchG vor, dass Entscheidungen der Hochschulleitung in Fragen der Forschung und Lehre nur eingeschränkt möglich seien und die Wissenschaftsfreiheit nicht beeinträchtigen dürften. Damit lag der Gerichtshof ganz auf der im Brandenburg-Urteil vorgezeichneten Linie des BVerfG.

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Ob der Gerichtshof bei Würdigung der aktuellen (2008 noch nicht ergangenen) Rechtsprechung des BVerfG zum gleichen Ergebnis gekommen wäre, ist zweifelhaft: Das BVerfG verlangt – wie bereits dargelegt (s.o. Rn. 201–208) –, dass je mehr die Hochschulleitung zu wissenschaftsrelevanten Entscheidungen ermächtigt wird, desto größer die Kontrollrechte des (mit Professorenmehrheit besetzten) Kollegialorgans sein müssen.[187] Problematisch ist insoweit zum einen, dass die Hochschulleitung nach Art. 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BayHSchG die Zielvereinbarungen mit dem Staat schließt, ohne dabei an ein Votum des Senats oder auch nur des Hochschulrats (letzterer ist nach Art. 26 Abs. 5 S. 2 BayHSchG lediglich anzuhören) gebunden zu sein.[188] Zum anderen kann der Präsident nach Art. 21 Abs. 3 BayHSchG nur mit einer Mehrheit von zwei Drittel der zwanzig Hochschulratsmitglieder, von denen nach Art. 26 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayHSchG nur sechs Hochschullehrer sein müssen, abgewählt werden.[189]

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Gegen eine Verfassungswidrigkeit des Organisationsmodells nach dem BayHSchG spricht andererseits, dass der Senat maßgeblichen Einfluss auf die Zusammensetzung des Hochschulrats hat (die Bestellung der nicht hochschulangehörigen Mitglieder bedarf nach Art. 26 Abs. 3 S. 1 BayHSchG seiner Bestätigung) und dass er in Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung für die Forschung beschließt (Art. 25 Abs. 3 Nr. 3 BayHSchG). Das letztere Recht kann im Lichte des Art. 108, 138 Abs. 2 S. 1 BV bzw. Art. 5 Abs. 3 GG verfassungskonform so ausgelegt werden, dass die Hochschulleitung an entsprechende Senatsbeschlüsse im Zweifel gebunden ist. Zu berücksichtigen ist außerdem die Rolle der Erweiterten Hochschulleitung (in dieser haben i.d.R. die ihrerseits nach Art. 28 Abs. 1 S. 1 BayHSchG aus dem Kreis der Professoren vom mit Professorenmehrheit besetzten Fakultätsrat gewählten Dekane die Mehrheit)[190] bei der Steuerung der Hochschule nach Art. 24 BayHSchG. Die Erweiterte Hochschulleitung stellt insbesondere den Entwicklungsplan der Hochschule auf und berät und unterstützt die Hochschulleitung bei der Erfüllung ihrer Aufgaben.

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