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Kapitel 9

Ortsausgang Dallas, Highway

29. August 2012, 10:30 Uhr

Der Weg zum Luftwaffenstützpunkt führte über einen Highway, dessen Gegenfahrbahn von hunderten Fahrzeugen blockiert wurde.

Neugierig beobachteten Ivy und Sebastian die verstopfte Schnellstraße.

»Schau mal«, staunte Ivy und deutete auf die gegenüberliegende Fahrspur. »Warum fährt da niemand weiter?«

»Hmm … Vielleicht gab es weiter vorn einen Unfall oder sie werden nicht mehr in die Stadt gelassen«, vermutete Sebastian, der sich angespannt auf die Lippe biss.

Die Reisenden auf der parallelen Fahrstrecke hatten ihr Gepäck aus ihren Autos genommen und versuchten sich in Richtung der Ortschaft durchzuschlagen.

Aufmerksam horchten die Leute auf der Straße wie im Bus auf, als sie die donnernden Rotorblätter der Helikopter hörten, die in Richtung der Stadt flogen.

Mit gemischtem Gefühl sah Ivy den Hubschraubern nach, ehe sie sich seufzend Sebastian zuwendete. »Vielleicht ist es gar nicht so verkehrt, aus der Stadt zu fahren.«

»Ich denke auch«, stimmte Sebastian ihr zu. Zuversichtlich tätschelte er ihr die Hand.

*

Geraume Zeit später verließen sie den Highway und erreichten nach drei Stunden Fahrt den Luftwaffenstützpunkt. Die Urlauber stiegen aus den Bussen, holten ihr Gepäck und mussten sich auf dem Appellplatz in mehreren Reihen aufstellen. Am Eingang zum Camp warteten schon Militärmitarbeiter mit Klemmbrettern in den Händen.

»Wir sollten versuchen, zusammen zu bleiben«, flüsterte Klaas Sebastian zu, der vor ihm lief.

Besorgt nickte er ihm stumm zu und schaute nach den anderen.

»Ich komm mir gerade vor wie in Schindlers Liste«, scherzte Christoph leise, der hinter Melanie und Thomas lief.

Melanie sah ihn entsetzt an, während Thomas ihm kopfschüttelnd den Vogel zeigte.

»Na, stimmt doch! Das ist hier wie im Ghetto, als die Juden ihre Namen angeben mussten!«

»Halt einfach die Schnauze!«, fauchte Melanie ihn an. »Das ist überhaupt kein guter Zeitpunkt, um zu scherzen!«

*

Nachdem sie ihre Namen und Nationalitäten angegeben hatten, wurde die Reisegruppe über einen knapp einen Kilometer langen Feldweg in eine Zeltstadt geführt. Zum Glück blieben sie zusammen. Hunderte provisorische Unterkünfte standen auf dem Gelände, welches durch Bauzäune in mehreren Quadranten eingeteilt war. Der unbefestigte Weg wurde mit hohen Gittern von der Zeltstadt abgeriegelt. Sie fühlten sich wie erschlagen vom Ausmaß dieser Evakuierung.

Die Menschen, die schon eher angekommen waren, standen vor ihren Zelten und versuchten, die Situation zu verstehen. Viele weinten und lagen sich apathisch in den Armen. Andere probierten ihre Angehörigen zu erreichen. Sie hielten mit verzweifeltem Blick ihre Smartphones in die Höhe, um Empfang zu bekommen.

Ivy hörte klagende Stimmen, weinende Kinder und Säuglinge.

Ein Sergeant führte die Gruppe zu einem der olivgrünen Unterkünfte, an dessen Eingang eine Zweiundzwanzig stand. Bis zu fünfundzwanzig Bewohner fanden darin Platz.

Mit zaghaften Schritten folgte Ivy Elmar und Christoph, die als Erstes in das stickige dunkle Zelt gingen. Die heiße Luft brannte regelrecht in ihren Augen und Nasen.

In dem Zelt riecht es, als hätte man in die Ecke gebrochen und nie gelüftet! Das werden ja tolle Nächte!, dachte Ivy und rümpfte angewidert die Nase.

»Boah! Hier stinkt es voll nach Kotze!«, posaunte Christoph heraus und hielt sich angeekelt die Hände vor Mund und Nase.

Die Begeisterung über den muffigen, stickigen Geruch der Unterkunft hielt sich bei den anderen spürbar in Grenzen.

Auf den Feldbetten lagen olivgrüne Decken. Rupert stellte zwei von ihnen zusammen.

Ivy und Sebastian folgten dem Beispiel und konnten so von ihrem Nachtlager aus durch das Fenster schauen.

Die Koffer stellten sie darunter und Ivy legte sich kurz auf das Bett. Für den ersten Moment war es gemütlicher, als auf dem Fußboden der Wartehalle. Schnaufend setzte sie sich wieder auf und sah, wie die beiden Franzosen ebenfalls die Liegen zusammenstellten.

Elmar und Klaas zögerten.

»Es sollte immer jemand hierbleiben, damit niemand an unsere Sachen geht!«, schlug Rupert vor und bekräftigte seine Aussage mit einem eindringlichen Nicken. »Das ist das Beste«, meinte er zu Evelyn und gab ihr einen Kuss.

»Wir sollten uns umsehen«, warf Christoph ein und schob seinen Koffer unter sein Bett. »Mal checken, wo sich alles befindet. Duschen, Toiletten und so weiter.«

»Ich komme mit«, meldete sich Ivy und hob bereitwillig die Hand.

Sebastian schaute sie voll Argwohn an.

»Alles gut. Ich muss mir die Beine vertreten.«, besänftigte Ivy ihren Mann mit einem Kuss auf die Wange.

Er nickte ihr zu, doch begeistert war er nicht.

»Ich komme auch mit«, antwortete Melanie und zog ihre leichte Jacke an.

Als sie zum Ausgang des Zeltes gingen, sahen sie die anderen Leute, denen ihr Zelt zugewiesen wurde: eine Familie mit zwei Kindern, ein weiteres Pärchen und zwei Männer, die sich im vorderen Bereich des Zeltes einrichteten. Die Fremden stellten sich zwei oder drei Feldbetten zusammen und verstauten ihr Gepäck ebenfalls darunter.

*

Christoph schob das Vorzelt zur Seite und trat mit Melanie und Ivy aus ihrem neuen Zuhause.

Die Zelte waren penibel in reih und Glied aufgebaut. Jedes von ihnen war mit einer Nummer versehen.

Christoph zog einen Zettel aus seiner Gesäßtasche, auf dem die Verhaltensregeln im Camp auf Englisch gedruckt waren.

»Was hast du da?«, erkundigte sich Melanie, während sie einen Blick auf die Liste warf.

»Der lag auf meinem Bett«, seufzte er und räusperte sich. »Geben Sie immer die Zeltnummer im Versorgungszelt an, um Ihre Lebensmittel abzuholen. Bei Krankheitsanzeichen gehen Sie unverzüglich zu den Krankenstationen. Verboten sind Handel mit Waffen und Drogen. Bei Verstoß erfolgt der sofortige Ausschluss vom Camp. Bewahren Sie Ruhe.« Prustend und mit hochgezogenen Augenbrauen schaute er die beiden an, während er Ivy die Verhaltensregeln reichte.

Ivy faltete das Papier zusammen, ohne es nochmal gelesen zu haben. Sie steckte es in die Gesäßtasche ihrer Hose und blickte angespannt umher.

Sie liefen auf dem mittlerweile plattgetretenen Rasen zwischen den Zelten entlang, als sie die Dusch- und Toilettencontainer fanden. Gut, dass sie nicht so weit laufen mussten. Es gab einzelne Dixies, aber als Festival-Besucherin wusste Ivy, wie unappetitlich diese nach zwei Tagen aussahen.

Der breite Mittelweg führte zu einem großen Zelt, indem Lebensmittelpakete ausgeteilt wurden. Andere Menschen standen schon parat, um ihre Ration abzuholen. Man spürte, dass jeder in dieser Umgebung mehr als angespannt war. Die Luft war regelrecht elektrisiert. Rechts daneben befanden sich Fahrzeuge mit großen Wassertanks und anderen Sachen, wie Decken und Windeln.

»Wir sollten uns zwei Kanister Wasser und ein paar dieser Pakete mitnehmen«, schlug Ivy vor.

Christoph und Melanie nickten zustimmend.

Ivy blieb für einen Moment stehen und ließ alles auf sich wirken. Das ist ein absoluter Albtraum!, dachte sie und sah sich mit fassungslosem Blick um. Bitte lasst mich endlich aufwachen!

Es schrien Babys und Kleinkinder in den Armen ihrer Eltern, die nur etwas zu Essen haben wollten. Helikopter donnerten über das Areal. Aufgebrachte Menschen diskutierten mit den Mitarbeitern des Militärs aufgrund der Ausgabe der Versorgungspakete oder der Aufteilung der Zelte. Andere lagen sich weinend in den Armen. Überall nur ratlose und verängstigte Blicke.

»Holen wir unsere Rationen und gehen zurück!« Selbst Christoph, der sonst keine Kosten und Mühen scheute, zu jeder Situation einen unüberlegten Kommentar von sich zu geben, war überwältigt und betäubt vom Ausmaß der Gesamtlage.

Viele Gestrandete warteten an den Tresen. Gegen Vorlage ihrer Zeltnummer bekamen sie Kartons mit der Aufschrift ›MRE‹ ausgehändigt. Frauen, die mit Kindern zur Ausgabe kamen, wurde ein Extrakarton gegeben.

Christoph wandte sich mit skeptischem Blick an Ivy. »Wieso kriegen die einen extra Karton?«

»Wahrscheinlich sind dort Windeln und Milchpulver für die Babys drin«, mutmaßte sie.

Nach langem Warten gaben sie ihre Zeltnummer an, die auf einer Liste aufgeführt war. Entsprechend bekamen sie drei Kartons, auf denen ebenfalls das Kürzel gedruckt war. Mit den Paketen und zwei zwanzig Liter Kanistern Wasser ging sie zurück.

*

Als sie wieder ins Zelt kamen, sah sie einen jugendlich aussehenden Mann mit neckischem drei Tage Bart fragend an. Er sah fix und fertig aus.

»Wir sollen das an alle verteilen«, meinte Ivy auf Englisch und reichte ihm eines der Pakete.

»Danke. Mein Name ist Bryan.« Mit einem Lächeln streckte er ihr die Hand entgegen. »Ich komme aus Chicago und naja … bin hier gestrandet. So wie alle Leute.«

»Ivy. Wir kommen aus Europa«, erwiderte sie und schüttelte seine Hand.

»Nett, dich kennenzulernen. Wir sehen uns ja jetzt öfters«, lachte er und stellte den Karton auf das Feldbett.

Ivy lächelte freundlich zurück und ging zu den anderen.

Christoph setzte sich auf sein Bett und packte eines der kleinen Pakete, die in dem Karton mit der gleichen Aufschrift zu finden waren, aus.

»Dann wollen wir doch mal schauen, was sich hinter ›MRE‹ verbirgt.«

Gespannt schauten die anderen ihm zu, wie er das Päckchen öffnete.

»Unser Fünf-Sterne-Menü beinhaltet ein Hauptgericht, in diesem Fall ›Chili con Carne‹, Erdnussbutter, Marmelade und Süßigkeiten.« Argwöhnisch betrachtete er die ›Tootsie Roll‹ Tube und legte sie zu den anderen Sachen aufs Bett. Jede kleine Packung hielt er kurz nach oben und schmiss sie lapidar zu den anderen. »Besteck, Hartkekse, Tee, Dosenfleisch, Instantkaffee, isotonisches Getränkepulver und Dosenbrot … Was auch immer Dosenbrot ist.« Seufzend betrachtete er die Lebensmittelauswahl und sah noch einmal in den Karton.

»Oh! Ich vergaß die Streichhölzer, das Zitronenerfrischungstuch und zu guter Letzt: Das einlagige Klopapier … Es wird eine Kunst sein, sich den Arsch abzuwischen, ohne dass das Papier reißt.«

Thomas, Elmar und Rupert begannen kopfschüttelnd zu schmunzeln, während Melanie ihn lächelnd auf den Oberarm boxte. Sven nahm sich einen der Kartons, zählte die Portionen ab und reichte die übrigen an die Bewohner im vorderen Zelt.

»Wir sollten für ein bisschen Ordnung sorgen«, schlug Ivy lächelnd vor. »Das ist wie Camping auf dem Festival, oder Basti?«

Sebastian brachte nur ein kurzes, gequältes Lächeln zustande.

***

Lethal Vacation

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