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Kapitel 2

San Francisco, Frühstückssaal des Hotels

27. August 2012, 9:15 Uhr

Im Frühstückssaal des Hotels saß ihre Reisegruppe an einer für sie eigens gestellten großen Tafel.

Sebastian und Ivy gingen erst an das üppige Buffet und suchten sich etwas aus.

Sie gönnte sich Rührei und Speck, mit etwas Obst dazu, wie jeden Morgen auf dieser Reise. ›Low Carb‹, erinnerte sie sich still an ihren Ernährungsvorsatz. Zumindest am Morgen. Sie fühlte, dass sie dadurch schon das eine oder andere Kilo abgenommen hatte.

Zusammen gesellten sie sich zu der Gruppe, die bester Laune war.

Es wurde ausführlich über den gestrigen Abend gelacht, den sie vorzeitig verlassen hatten.

»Hallo ihr Zwei! Ihr hättet gestern Abend ruhig noch etwas bleiben können. Ihr habt was verpasst!«, begrüßte Rupert lachend die beiden und trank seinen Kaffee.

»Ja, Christoph hat nackt im Pool gebadet und der Typ von der Bar hat ihm damit gedroht die Cops zu holen, wenn er da nicht augenblicklich rauskommt«, platzte es aus Elmar heraus, und die Gruppe verfiel in allgemeines Gelächter.

»Scheint ja wirklich ein lustiger Abend gewesen zu sein. Aber wir waren echt müde«, erwiderte Sebastian und schmunzelte Ivy zu.

*

Sie lernten die Gruppe über ein Reiseportal im Internet kennen. Sebastian war dagegen mit unbekannten Leuten in den Urlaub und auch noch in ein fremdes Land zu fliegen.

Ivy war da offener. Sie brauchte lange, um ihren Mann zu überreden.

Sie fanden am Ende neue Freunde unter den Unbekannten.

Jerome und Ava kamen aus Frankreich und studierten beide in Berlin. Sie waren auf ihrer sehr untypischen Hochzeitsreise.

Ava, die einunddreißigjährige Französin, hatte eine Modelfigur und war eher der zurückhaltende Typ. Jedoch konnte auch sie zur Furie werden, vor allem wenn Jerome ihr durch den blonden Bob fuhr. Penibel frisierte sie jeden Morgen ihre Haare und schminkte dezent ihre zarten Gesichtszüge, bevor sie zum Frühstück gingen. Sie legte stets großen Wert auf perfekt sitzende, modisch abgestimmte Kleidung. Schlabberlook kam für sie nie in Frage. Nicht mal am Wochenende. Neben ihrem Studium der Wirtschaftsinformatik modelte sie für kleine Modezeitschriften.

Jerome trug einen ›Undercut‹ als Frisur und seine schwarzen Haare stets zum Zopf zurückgebunden. Der zweiunddreißigjährige Franzose, der sich erst spät für ein Studium von Sozialmanagement entschieden hatte, mochte am liebsten enganliegende Jeans in dunkelblauem ›Used-Look‹ und seine schwarz-weißen ›Convers Chucks‹. Scheinbar hatte er sich im Laufe der Jahre den modischen Geschmack seiner Frau angeeignet. Seine Oberteile passten stets zum Gesamtkonzept seines Kleidungsstils. Auf seinen Unterarmen konnte man großflächige Tätowierungen im japanischen Stil bestaunen. Vom Äußeren schienen sie nicht zueinander zu passen. Sie, das feine Supermodel und er ein gepflegter ›New Metal‹-Verschnitt á la ›Linkin Park‹. Aber charakterlich ergänzten sie sich in jeglicher Weise. Es bedürfte nur ein Blick und beide wussten, wie es dem anderen ging.

Ivy hörte den beiden unheimlich gern beim Erzählen zu. Sie mochte deren französischen Akzent.

Rupert und Evelyn waren ein älteres Ehepaar, welches sich die Reise nach Jahren harter Arbeit endlich gönnten. Ivy schätze beide auf Anfang sechzig. Seit dreiundvierzig Jahren waren sie verheiratet und vor zwanzig Jahren wanderten sie nach England aus. Rupert war dort als Hausarzt tätig und seine Frau war Apothekerin. Er war für Ivy der Inbegriff eines Hausarztes. Da war zum einen sein markantes Gesicht, mit dem ergrautem Vollbart, zu dem der peppige Kurzhaarschnitt so gar nicht passen wollte. Seine gütig dreinblickenden Knopfaugen verbarg er hinter einer Hornbrille. Zum anderen der nicht unerhebliche Bauchumfang, der, in Verbindung mit seinem drolligen Gang, alle zum Lächeln brachte. Es erinnerte an einem vom Stolz aufrecht marschierenden Gänserichs, wenn er umher watschelte.

Seine Frau Evelyn, liebevoll Evi genannt, hätte genauso gut in einem Märchen der Gebrüder Grimm das alte Mütterchen spielen können. Ihre weißen Locken saßen stets perfekt und ihre Kleidung war modern und spritzig. Ihr Gang war elegant und vornehm und ihre Figur für das Alter bewundernswert. Neben Rupert wirkte sie wie ein schlankes junges Reh. Sie avancierte schnell zu einer Art Mutter-Figur in der Gruppe. Das warmherzige Mütterchen, welches immerzu ein offenes Ohr für alle Sorgen hatte, die an sie herangetragen wurden.

Ivy bewunderte die Ehe der beiden. Sie nahm sich vor, auch mit Sebastian in dem Alter noch so jugendlich zu sein.

Ivys Blick wanderte zu den aus Nürnberg stammenden Klaas und Elmar. Die beiden waren seit mehr als zehn Jahren zusammen und vom Äußeren her vollkommen gegensätzlich. Klaas war ein kleiner schüchterner Mann, ein Mittdreißiger, zierlich, beinahe drahtig, der mit seinem kurzen, blonden Haaren wie ein kleiner frecher Schuljunge wirkte. Elmar war gut zehn Jahre älter. Ein kräftig gebauter Hüne mit sanftem Gemüt, neckischem Kinnbart, der für jeden Blödsinn zu haben war. Der Schalk saß ihm wahrlich im Nacken.

In ihrer Beziehung zueinander hatte Klaas den Part des Besonnenen angenommen. Er war die Stimme der Vernunft, damit Elmar sich nicht in allzu große Schwierigkeiten brachte. Für manch einen war es offensichtlich, wer den Platz des weiblichen Parts eingenommen hatte. Der zierliche ›Bodyguard‹ wurde auf der Reise schon des Öfteren belächelt, wenn er seinen Partner wieder einmal zurückhalten musste.

Melanie war eine pragmatisch eingestellte Single-Frau, die mit ihrer feurigen, temperamentvollen Art schon so manchem in der Gruppe Paroli bieten konnte. Ihre halblangen rötlichen Haare passten zu ihrem Charakter wie die Faust aufs Auge. Die vierunddreißigjährige war ein sportlicher Typ, gönnte sich im Urlaub den einen oder anderen Hamburger mit Pommes, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.

Scheinbar zählten Ava, Melanie und Sarah zu den Frauen, die bedenkenlos schlemmen konnten, ohne gleich zuzunehmen.

Wenn ich mir das doch auch mal leisten könnte. Einfach nur genießen, was ich jetzt gern essen möchte. Aber ich brauche ja nur hinzusehen und habe schon drei Kilo mehr auf den Rippen!, beneidete sie Ivy.

Thomas war einer der ruhigen Personen in der Reisegruppe. Ein stiller Beobachter, der schon kurz vor seinem Vierzigsten eine Halbglatze sein Eigen nannte, was ihn aber keinen Deut scherte. Er wirkte introvertiert und überließ Entscheidungen, die die Reise betrafen, lieber den anderen. Man merkte es ihm an, wenn der Tag anstrengend für ihn war. Er zog sich zurück in sein Hotelzimmer und wollte für sich sein.

Ivys Blick schwenkte zu dem zweiunddreißigjährigen Sven, der großen Wert auf perfekt sitzendes Haar legte. So stand er stundenlang im Badezimmer, um seine Matte zu frisieren. Penibel legte er jede einzelne Strähne in Form und sein Fundus an verschiedenen Haarpflege- und Styling-Produkten überstieg den einer Frau. Am Ende betrachtete er sich mit selbstverliebtem Blick im Spiegel und zwinkerte seinem Ebenbild keck zu. Es war allgemein bekannt, dass er Fußballer war. Sie hatten ihn schon häufiger dabei beobachtet, wie er sich am Strand sorgfältig seine muskelbepackten Arme und seinen stählernen Oberkörper einölte, um bei den heißen US-Girls Eindruck zu schinden. In der Gruppe nannten sie ihn deshalb spöttisch ›Die Sardine‹.

Ivy schätze ihn als einen kleinen Schwerenöter ein.

Ein lautes Gelächter in der Runde machte Ivy auf Christoph aufmerksam, der mitdreißigjährige Witzbold der Gruppe, der zu allem und jedem einen dummen Spruch auf den Lippen hatte. Manchmal passend, zeitweise unpassend. Sein großes Mundwerk hatte ihn auf der Reise schon einige Male in Schwierigkeiten gebracht, sodass er beinahe aus einem der Hotels geflogen wäre. Seine mollige Figur und der Igelhaarschnitt erinnerten Ivy an einen der Realität entfremdeten Online-Rollenspieler. Ein Kellerkind, der noch nie das Tageslicht erblickt hatte. Einen typischen ›Nerd‹, der offensichtlich noch bei seiner Mutter wohnte. Die die einzige Frau war, zu der er je Kontakt pflegte.

Christoph und Thomas waren alte Freunde, die ein Abenteuer erleben wollten und durch Christophs Bruder zusammengebracht worden waren.

Neben Christoph saßen Piet und Sarah. Die beiden Österreicher hatten einen Abenteuertrip gebucht, um ebenfalls ihre Hochzeitsreise etwas anders zu gestalten.

Sarahs Haare waren schwarz mit violett gefärbten Strähnchen, die sie stets zu einem wilden Dutt zusammenknotete. Sie war ein ›Hipster‹. Ihr Kleidungsstil war so individuell, wie sie es gerade wollte: Hautenge Jeans oder Röcke mit T-Shirts oder Tops, kombiniert mit Holzfällerhemden in verschiedenen Farben und ihre weißen Turnschuhe. Die Gläser ihrer schwarzen Hornbrille waren aus Fensterglas und sie trug stets ihren großen Jute-Beutel locker über die Schulter. An kalten Tagen zog sie den roten Filzmantel ihrer Großmutter an, der riesige schwarze Knöpfe angenäht hatte.

Piet war das komplette Gegenteil von ihr. Als Versicherungsmakler war er eher schick und gediegen. Aber im Urlaub trug er locker sitzende Jeans, weite T-Shirts und die schwarzen Sneakers, die er sich für fünfzehn Euro bei ›Deichmann‹ gekauft hatte. Beide waren dreiunddreißig. Auch wenn beide für jeden Spaß zu haben waren, so hatte Ivy den Eindruck gewonnen, dass Piet der erwachsenere Part in der Beziehung war.

Ihre Gruppe bestand aus vierzehn völlig unterschiedlichen Menschen, die sich zum Großteil nur über das Internet kennengelernt hatten. Sie waren Freunde auf einer abenteuerlichen Reise geworden, die sich ihrem Ende näherte.

*

»Ich habe eine Liste gemacht, in der sich jeder mit seiner Nummer und Adresse eintragen kann«, sagte Ava und hielt einen Zettel und einen Stift in der Hand.

»Aber wir können doch die Nummern gleich ins Handy eintragen«, erwiderte Piet forsch und nahm ihr das Blatt ab.

»Ich habe kein Handy«, gab Evelyn preis und erntete dafür spöttische Blicke der anderen.

»Pff, … dass man heutzutage kein Handy haben kann.«, höhnte Christoph und schüttelte in seiner Technikbesessenheit belächelnd den Kopf. »Das ist schon echt krass. Wie habt ihr überhaupt diese Reisegruppe gefunden?«

»Ich habe einen Laptop zu Hause«, erwiderte sie schnippisch. »Also, trage ich meine E-Mail-Adresse und unser Festnetz ein. Rupert kann seine Handynummer eintragen.«

Während das Papier herum gereicht wurde, war es still am Tisch.

Als Ivy die Tabelle bekam, las sie sich die Namen und Adressen durch und schrieb ihre Kontaktdaten in eine der Spalten.

»Wisst ihr, was zurzeit hier in San Francisco los ist?«, erkundigte sich Elmar nach einer Weile. Stutzig sahen Sebastian und Ivy ihn an. »Ihr hättet das doch mitbekommen müssen!«, empörte er sich mit großen Augen ihnen gegenüber.

Verblüfft sahen sich die beiden an und lächelten beschämt.

»Wir haben geschlafen«, gab Sebastian leise zur Antwort und zuckte lächelnd mit den Schultern.

»Was meinst du?«, wollte Ivy, die peinliche Situation überspielend, von Elmar wissen.

Er trank seinen Kaffee aus, steckte hastig den letzten Streifen Speck in seinen Mund und wischte sich mit der Serviette das Fett von den Lippen. »Als ich morgens um vier in mein Zimmer hochging, wollte ich noch eine rauchen. Plötzlich rumpelten Panzer die Straße entlang!«, berichtete Elmar von dem, was er beobachtet hatte.

»Echt? Ich habe nichts gehört«, wunderte sich Klaas.

»Du hast ja geschlafen wie ein Stein!«, empörte sich Elmar sogleich.

»Bei uns fahren die auch meistens nachts, um den allgemeinen Straßenverkehr nicht zu behindern. Ist ganz normal«, erwiderte Christoph. »Vielleicht gibt’s eine Militärparade?«

Aufgeregt holte Jerome sein Smartphone aus der Hosentasche und suchte in seiner ›Reise-App‹ nach entsprechenden Veranstaltungen. Nach einer Weile schüttelte er enttäuscht den Kopf. »Es gibt keine Parade!«, schnaufte er ernüchternd.

Ein kurzes Schweigen breitete sich am Tisch aus.

»Egal! Wir sollten jetzt alle packen. Der Shuttlebus ist pünktlich und wir müssen noch alle auschecken«, gab Rupert zu bedenken und tätschelte dabei zärtlich die Hand seiner Frau.

»Na los! Zeit zum Aufbruch!«, bekräftigte Ivy seinen Vorschlag und erhob sich als erste. Sie nahm ihr Geschirr und brachte es zu dem dafür vorgesehenen Transportband, während es ihr die anderen gleichtaten.

***

Lethal Vacation

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