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Kapitel 9:

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Am nächsten Morgen fühlte sie sich nicht wesentlich zuversichtlicher, aber sie besaß zumindest so viel Energie, dass sie sich mit einem Blatt Papier an den Esszimmertisch setzte und eine To Do-Liste erstellte.

Sie brauchte in erster Linie vernünftiges Arbeitsmaterial. An wen wandte man sich diesbezüglich? Wohl am ehesten an den Bürgermeister. Kurz entschlossen machte sie sich auf den Weg. Sie fand ihn im Gasthaus, wo er den Tresen wischte.

„Ja, do schau her. Des is aber nett“, meinte er freundlich, wobei sein linkes Auge nervös zu zwinkern begann. „Darf ich Sie zu nem Getränk einladn? En Kaffee oder lieber was Kaltes?“

„Danke, vielleicht ne Apfelsaftschorle.“

„Jawoll. Dös hammer glei.“ Er schob kurze Zeit später das schäumende Glas vor sie hin, während Paula krampfhaft überlegte, was es mit diesem erwähnten Hammer auf sich hatte. Auf ihre vorsichtige Nachfrage hin, bekam sie die verwundert wirkende Erklärung, dass dies nur eine Redensart darstelle, die so viel wie „ein kleiner Moment noch“ oder eben „das haben wir gleich“ bedeute.

Ob sie diese Sprache je richtig verstehen würde?

„Habet Sie sich schon a wenig einglebt?“, versuchte er die Konversation in geschmälertem Dialekt fortzuführen.

„Im Moment bin ich noch am Sortieren und Einräumen.“

„Jo mei, des braucht halt sei Zeit.“ Er nickte zustimmend. „Aber wir sind froh, dass Sie hier sind. Sie werdet schon sehn, wir Lämmerbacher sin besser als unser Ruf.“ Er zwinkerte ihr, dieses Mal mit dem rechten Auge, verschwörerisch zu.

Paula grübelte darüber nach, ob er irgendwie von ihrem Gespräch mit der Frau aus dem Nachbarort erfahren haben könnte, traute sich aber nicht nachzufragen. Deshalb nippte sie an ihrer Apfelsaftschorle und überlegte, wie sie ihm ihr Anliegen am besten verkaufen konnte. Schließlich nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und sagte: „Eigentlich bin ich wegen der Schule da, Herr Baum. Kann ich mich deswegen an Sie als Bürgermeister wenden?“

„Aber sicher.“ Sein Lächeln wurde krampfhafter und das linke Auge begann wieder zu zucken, „Gibt’s denn a Problem? Ich hoff, die Anne hat Ihnen alles zeigt und Sie sind gut behandelt wordn.“

„Alle sind sehr freundlich zu mir“, beeilte sich Paula zu erwähnen, „es ist nur wegen der Lehrmittel.“

„Ach wenns weiter nix is.“ Der Wirt schien etwas aufzuatmen. „Ich dacht schon, es wär was Schlimmes.“

Paula wollte lieber nicht wissen, was er unter schlimm verstand. Vermutlich hatte er angesichts der harten Tatsachen vor Ort bereits mit ihrer sofortigen Kündigung gerechnet. „Herr Baum, mit derartigen Schulbüchern kann man heutzutage nicht mehr unterrichten.“

„Vielleicht könnt ma ja a bissel improvisiern“, schlug er vor und kratzte sich an seinem graumelierten Haaransatz, der igelartig in die Höhe stand, „des sind mir hier gwohnt.“

„Ich fürchte so weit reicht mein Improvisationstalent nicht“, gestand Paula und versuchte so energisch wie möglich dreinzublicken. „Die Bücher sind größtenteils zwanzig Jahre alt und dazu unvollständig.“

„Da wendet Sie sich am besten an die Anne. Die is gscheit und weiß in solche Fälle was zu tun is. Aber ich will Ihnen net viel Hoffnung machn. Mir habet schon des eine oder andere mal ans Ministerium und sogar an den Schulbuchverlag gschriebn, aber die tätet halt am liebsten die Schul glei ganz dicht machn.“

Diesen Wunsch konnte Paula nach dem gestrigen Abend durchaus nachvollziehen.

„’s wird schon alles gut gehn, machet Sie sich keine Sorgn“, fügte der Wirt aufmunternd hinzu, „so a intelligente junge Frau wie Sie, macht des mit links. Und unsere Kinder sin brav und willig, des werdet Sie schon merkn.“ Ob da der Wunsch als Vater des Gedankens herhalten musste?


Paula machte anschließend einen Abstecher in das kleine Lädchen gleich gegenüber.

Auf vielleicht fünfzig Quadratmetern gab es nahezu alles, was man zum Überleben brauchte. Frau Tannhauer, in eine weiße, gestärkte Kittelschürze gekleidet und mit straff nach hinten frisiertem Haar, versprach jederzeit Bestellungen entgegen zu nehmen. Ihr Mann fahre ein bis zweimal jede Woche in die Stadt und besorge was nötig wäre, auch ausgefallene Wünsche. Dann brächte er zusätzlich die Post und die Tageszeitungen oder nähme Briefe zum nächsten Postamt mit.

„Einen Geldautomaten gibt es hier wohl nicht“, wagte Paula zu fragen. Dass Kreditkarten als Zahlungsmittel unbekannt waren, sah man ohnehin.

„Oh noi“, Frau Tannhauer brach in ein Kichern aus, das nervös klang, „aber wenn Sie a Postbankkonto hättn, könntens sich des Geld bei uns abholn, des machens eigentlich alle so. Oder aber Sie schreibn meim Mann a Vollmacht und er holt des Geld dann für Sie bei Ihrer Bank, wenn er des nächste Mal in der Stadt is, falls Sie net jedes Mol selber hinfahrn wolln.“

Paula glaubte sich verhört zu haben, aber sie wagte nicht weiter nachzuhaken und beschloss, Anne diesbezüglich bei Gelegenheit anzusprechen. Vielleicht konnte sie ihr dann gleich die gängigsten Redewendungen beibringen, ein Crashkurs in bayrischem Dialekt sozusagen.


Sie traf ihren Bruder in gleicher Position vor dem Computer an, wie sie ihn vor etwas über einer Stunde verlassen hatte, nur sein Spielstand hatte sich inzwischen merklich verschlechtert. Aber sie empfand es als Fortschritt, dass er bereits um zehn Uhr aufgestanden war.

„Möchtest du nicht ein bisschen an die frische Luft gehen?“, wagte sie ihn zu fragen. „Es ist richtig warm draußen. Wir könnten uns heute Nachmittag zum Beispiel zusammen etwas die Gegend anschauen.“

Hannes warf ihr bloß einen verächtlichen Blick zu.

In diesem Moment läutete es draußen. Paula ging die schmale Treppe hinunter zur Vordertür.

„Hallo. Ich hoffe, du hast den gestrigen Tag ohne bleibende Schäden überstanden“, begrüßte Anne sie.

„Ich bin mir nicht ganz sicher. Zumindest hätte ich einige weitere Fragen.“

„Das habe ich befürchtet. Wenn es dir nichts ausmacht, kannst du mir die nachher beim Mittagessen stellen. In einer Stunde bei mir zu Hause. Aber ich muss dich gleich vorwarnen: Ich bin eine miserable Köchin und nur meine Sympathie für dich konnte mich dazu bewegen, dich einzuladen.“

„Oh, ich werde alles essen, was du mir vorsetzt“, sagte Paula vertrauensvoll.

„Gut, und bring deinen Bruder mit, notfalls mit Gewalt. Er kann sich mit Nicole unterhalten, die brennt schon darauf, ihn kennenzulernen… Und hier ist die versprochene Liste mit den Schülern. Bis nachher also.“

Paula nahm den Zettel mit nach oben und beschäftigte sich die nächste Stunde damit. Alles in allem waren darauf dreizehn Kinder beziehungsweise Jugendliche vermerkt, immer höchstens zwei in einer Klassenstufe. Das war nicht gerade effektiv. Ungefähr die Hälfte davon musste die letzte Klasse wiederholen, Friedel Tannhauer sogar zum zweiten Mal. Gedanklich versuchte sie mit diesen Kindern Lerngruppen zusammenzustellen. Anhand der Lehrpläne konnte sie heute Nachmittag die benötigten Schulbücher, und was sonst an Lehrmaterial sinnvoll war, herausschreiben und sich dann konkret Gedanken machen, wie man dies alles beschaffen könnte.


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