Читать книгу Bergdorf sucht... Lehrerin - Josie Hallbach - Страница 9
Kapitel 6:
ОглавлениеDen Rest des Tages verbrachten sie mit Einräumen und Schweigen. Hannes war nicht gewillt etwas außer seinem dauervorwurfsvollen Blick von sich zu geben, erprobte sich aber dafür umso eifriger an der Inbetriebnahme des Computers. Fast schien es, als hinge sein zukünftiges Lebensglück davon ab, das Gerät schnellstmöglich zum Laufen zu bringen.
Paula war dankbar für die Ruhe. Ihr ging einiges durch den Kopf und Hannes wäre ohnehin nicht der richtige Gesprächspartner für ihre Überlegungen gewesen. Sie hatte zwar damit gerechnet, in ein kleines Dorf zu kommen. Doch dass es derart abgeschiedene Winkel in Deutschland überhaupt gab, hätte sie vorher nie gedacht. Außerdem hatten die Worte der alten Frau vom Nachbarort unwillkürlich Misstrauen in ihr geschürt. Obwohl sie die Warnung natürlich nicht ernst genommen hatte, war dennoch etwas bei ihr hängen geblieben. Schließlich konnte man nie mit Sicherheit sagen, ob nicht ein Funken Wahrheit in den Aussagen gelegen haben könnte? Sie würde auf alle Fälle scharf beobachten und vorsichtig sein. In letzter Not packte sie einfach wieder ihre Koffer und verschwand.
Aber gefährlich wirkte der Großteil der Bewohner auf keinen Fall, eher konservativ und fast ein bisschen einfältig. Der übertrieben feierliche Empfang, das ländliche Ambiente mit den blond bezopften Kindern und der gewöhnungsbedürftigen Trachtenmode machten den Eindruck, als wäre die Zeit hier in den letzten Jahren stehen geblieben, als hätte sie nicht nur eine geographische, sondern gleichermaßen eine Zeitreise unternommen. Sie zog unwillkürlich Vergleiche zwischen diesem Tal und der Stadt, aus der sie am Morgen aufgebrochen war. Es lagen nicht nur dreihundertfünfzig Kilometer, sondern gefühlsmäßig ein halbes Universum dazwischen. Einige Überraschungen waren also unvermeidbar.
Zum Glück gab es aber gleich eine durchweg positive. Im Kühlschrank befanden sich Butter, selbst gemachte Marmelade und Käse, frische Milch und sogar Cola, wie Hannes befriedigt entdeckte, ein weiteres Zeichen für Zivilisation. Im handbemalten Buffet daneben waren Schwarzwälder Schinken, Äpfel und sauer eingelegte Gurken untergebracht. Die nächsten Tage würden sie wenigstens nicht verhungern, das stand fest.
Es schmeckte vorzüglich, zumindest Paula. Hannes begnügte sich mit der Cola und einer Tüte mitgebrachter Chips.
Um neun Uhr fiel Paula vor Müdigkeit mehr oder weniger ins Bett. Sie kam sich darin ein wenig verloren vor und rückte deshalb so weit wie möglich an die Wand. Ihr Kopf sank in das prall gefüllte Federkissen und unter die schwere Bettdecke hätte sie locker zweimal gepasst.
Trotz der fremden Umgebung wachte sie aber nur einmal auf, etwas irritiert über die Stille und Dunkelheit in ihrem Schlafzimmer. In der Stadt hatten immer irgendwelche Lichter gebrannt und der nie endende Straßenlärm war bis in ihren Schlaf eingedrungen. Die einzig hörbaren Geräusche hier waren zirpende Grillen, ein bellender Hund in der Ferne, blökende Schafe und ein paar Katzen im Paarungs- oder Revierkampfmodus.
Sie konnte sich hinterher nicht erinnern, etwas geträumt zu haben. Ob das jedoch als Bestätigung genügte, dass ihr in Lämmerbach nichts Schlimmes passieren würde, erschien ihr fraglich.
Um sechs Uhr in der Frühe wurden die Stille und ihr Schlaf allerdings laut und unerbittlich von den Kirchenglocken unterbrochen. Im ersten Moment dachte Paula, ihr Wecker würde klingeln, aber nach sieben weiteren Minuten dämmerte ihr, dass dies nun jeden Morgen zu ihrem Leben gehören und durch nichts in der Welt außer einem Erdbeben oder einer Feuersbrunst abstellbar sein würde.
Anschließend erwachte auch der Rest des Ortes zum Leben. Kühe muhten, Eimer schepperten, eine Tür quietschte. Der Tag hatte lautstark begonnen.