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Kapitel 7:

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Zur gleichen Zeit gab es in Lämmerbach ein weiteres konspiratives Treffen.

Bürgermeister Baum stand mit verlegen wirkender Miene kurz nach halb neun vor dem Arzthaus. „Servus Anne.“

„Servus Onkel Edwin, was machst du denn hier? Ich hoffe, du bist nicht krank?“

„Des grad net, aber ich sollt amol mit dir redn.“

Wenn die Hausherrin nicht alles täuschte, fühlte sich ihr Besucher unwohl in seiner Haut. Er wischte sogar seine Hände an der Lederhose ab bevor er ihr die Hand reichte. Allein an den lauen Abendtemperaturen konnte das kaum liegen. Hatte sein Erscheinen etwas mit den Leipold-Kindern oder deren Vater zu tun? Sie warteten schon seit Wochen auf die Stellungnahme des Fürsorgeamtes. „Komm doch rein.“

Anne begleitete den Besucher nach oben ins Esszimmer. Als ihr Vater noch gelebt hatte, war Onkel Edwin ein gern und häufig gesehener Gast gewesen. Er kam vorzugsweise montags, wenn die Gastwirtschaft geschlossen hatte. Die zwei Herren saßen dann gemeinsam am Esszimmertisch, politisierten, tranken einen Wein zusammen oder spielten Schach und manchmal, wenn Herr Schaup mittat, auch eine Runde Skat.

Im Wohnzimmer nebenan schauten gerade alle Kinder fern. Sogar Nicole saß einträchtig dabei und wirkte für ihre Verhältnisse ungewöhnlich zahm.

Der Bürgermeister wurde traditionsgemäß mit einem Glas Wein versorgt, das er, um seinen Mut zu steigern, in einem Zug leerte. Allerdings löste das keineswegs seine Zunge. Er saß einfach nur da und starrte trübselig vor sich hin. Erst als er sich immer mehr von einem blauen Augenpaar fixiert fühlte, kam etwas Leben in seine Lippen. „Du wirst dich bestimmt wundern, warum ich hier bin?“, begann er und schielte zur Weinflasche hinüber.

Die Hebamme schenkte nach. Er trank dankbar einen weiteren Schluck und schwenkte dann seinen Blick zur Tür. Es war offensichtlich, dass er sich wo anders hinsehnte. „Also, des was ich sagn soll, is net so einfach und ich hoff, du verstehsts richtig, Anne. Ich selber wollt ja gar net kommn“, beeilte er sich zu versichern, „aber die Hilde hat gmeint… und als Bürgermeister hat ma schließlich a Verantwortung.“

Annes Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, denn der Bürgermeister redete unbeirrt immer um den heißen Brei wie eine Katze, die sich schon einmal die Zunge verbrannt hatte. „Es is ja sonst net so mei Art, die Dinge von hintn anzugehn, aber in dem Fall, weiß ich net, ob’s anders was bringt und wenn jemand jetzt noch was bewirkn kann, dann du.“

„Um was geht es denn?“, erkundigte sich die Gastgeberin irgendwann höflich, aber doch bestimmt.

„Ach so, des weißt du ja noch gar net.“ Er räusperte sich und nahm einen weiteren Schluck, den er denkbar lange im Mund behielt, bevor er ihn ganz langsam den Hals hinunter rinnen ließ. Sein Gesicht war krebsrot und er setzte mehrfach zum Reden an bis endlich ein Ton herauskam. „Ich hoff, du bist mir net bös, Anne, und der selige Josef mag mir auch verzeihn, wenn ich des jetzt so klar und deutlich sag: Aber so was wie mit der Petra darf hier in Lämmerbach net noch amal vorkommn und schon gar net mit unserm Fräulein Müller.“

Nun folgte eine längere, ziemlich unangenehme Pause.

„Was meinst du damit, Onkel Edwin?“, fragte Anne, die noch mit ihrer Überraschung und ein paar anderen Gefühlen kämpfte.

Die Hände des Besuchers zuckten vor Erregung. Er umklammerte schutzsuchend sein Glas. „Ich mag die altn Gschichtn net aufgwärmn, aber du weißt ja, wie die Leut sind und wie schnell gschwätzt wird. Eigentlich wollt ich mit dir gar net do drüber redn, du hast schließlich gnug andere Sorgn, mit de kleine Leipolds und deim Gschäft und so. Aber mei Hilde hat de Dani angrufn.“

Seine Gesprächspartnerin riss vor lauter Schreck die Augen auf. Sie glaubte sich im ersten Moment verhört zu haben, aber die Miene des Bürgermeisters sprach Bände. „Warum um alles in der Welt das?“ Hilde Baum traute sie eine Menge zu. Und erst recht, wenn man ihr die Möglichkeit gab, Unheil zu stiften. Mehrere mögliche Varianten, von dem, was bei dem Gespräch vorgefallen sein könnte, schossen ihr gleichzeitig durch den Kopf. Keine davon hatte das Zeug zum Happy End. Daniel in Kombination mit Hilde Baum konnte eigentlich nur in einer Katastrophe enden.

„Sie hat ihm klipp und klar gsagt, dass mir net duldn, dass er mit unserer Lehrerin so umspringt, wie mit seine sonstign Weiber“, brachte der Bürgermeister heraus.

„Und wie hat Daniel darauf reagiert?“

„Na ja, ich möcht des net wortwörtlich wiederholn, aber vielleicht könnst du dein Bruder wieder zur Vernunft bringn.“

„Wie praktisch.“ Sie brauchte nicht viel Phantasie, um sich den Verlauf dieses Telefonats vorzustellen. Daniel und Lämmerbach waren ein sensibles Thema, das in der Vergangenheit schon für genug Sprengstoff gesorgt hatte. Am liebsten hätte sie die Bürgermeistersfrau kräftig durchgeschüttelt, wenn sie zur Hand gewesen wäre. Hilde Baum wusste folglich, warum sie ihren Mann zu dieser Mission beauftragt hatte und nicht selbst gekommen war.

„A schwangere Lehrerin, die sitzn glassn wird, möcht hier niemand, am wenigsten unser Fräulein Müller selber, da bin ich mir sicher. Mir müssn se also unter alle Umständ schützn. Zur Not vor sich selber“, versuchte der Bürgermeister zu erklären, als er von der anderen Seite nur Schweigen erntete. „Mei Hilde hats nur gut gmeint. In de Not sind sich die Weiber halt einig und klebn zammn wie Pech und Schwefel.“

„Und was heißt das jetzt? Wollt ihr etwa dem Dani verbieten, weiterhin ins Tal zu kommen oder dürfen er und Paula sich in Zukunft nicht mehr sehen? Es sind schließlich erwachsene Menschen.“

Der Bürgermeister kratzte sich am Kopf und ein paar Schweißperlen tauchten auf seiner Stirn auf. Außerdem begann sein linkes Augenlid zu zucken. „Ich weiß ja selbst, dass es net so eufach is. Sonst wär ich schließlich net hier. Ich selber hätt au gar nix gegn a Beziehung, so langs de Daniel halt ernst meint. Aber a unmoralische Gschicht oder a wilde Ehe duldn mir hier net und schon gar net bei unserer Lehrerin. Was gäb des für a Vorbild?“ Er räusperte sich. „Mir habet eumal den Fehler gmacht und bei der Petra zuguckt, obwohl mir wusstet, wo’s hinläuft. A zweits Mal machn ma den Feher aber nimmer.“

„Mein Bruder war damals achtzehn“, warf sie dazwischen.

Der Bürgermeister schüttelte traurig den Kopf. „Ja, aber ich seh net, dass sich da grundlegend was gändert hätt.“ Er seufzte schwer. „Mir könnet ihn zwar dringend als Doktor brauchn, aber mir brauchn auch unser Lehrerin und wenn ich die Wahl hab…“ Er schaute angestrengt auf den Esszimmertisch. „Sei mir net bös, aber glaubst du, dass der Dani hier lang durchhält? Dem werdn bald sei Krankenhaus und seine Weiber fehln.“

Anne atmete tief durch. Sie wagte nichts dazu zu sagen, denn sonst hätte sie Onkel Edwin vielleicht Recht geben müssen.

Im Zimmer herrschte nun Stille, die nur von dem nebenan laufenden Spielfilm unterbrochen wurde. Gerade fand wohl eine wilde Autojagd auf dem Bildschirm statt, die mit Sirenengeheul untermalt wurde.

„Du kriegst des schon hin.“ Onkel Edwin schwenkte auf das Hoffnungsprinzip um und schaute die Hebamme bittend an. „Ruf de Dani an und erklär ihm alles mit deine Worte. Auf dich hört er bestimmt. Sag ihm, mei Frau hätt a bissel übers Ziel nausgschossn.“

Anne zog eine Grimasse, was der Bürgermeister jedoch als Ermutigung auffasste. „Vergiss aber net zu erwähnen, dass uns a baldige Heirat sehr am Herzn läg.“ Er leerte das zweite Glas vollends und schickte sich dann zum Gehen an. Anscheinend empfand er seinen Auftrag als erledigt.

Du liebe Zeit, sie wusste, was sie ganz sicher nicht erwähnen würde. Daniel und Heiraten! Davon konnten die armen Lämmerbacher nur träumen. Anne war sich nicht mal sicher, ob er dieses Wort überhaupt in seinem Wortschatz führte.


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