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Kapitel 8:

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Am gleichen Abend zu noch späterer Stunde klingelte das Telefon im Schulhaus.

„Wohnt hier die Lehrerin des Ortes? Da gibt es jemand, der dringend Nachhilfebedarf verspürt“, kam es mit tiefer, prickelnder Stimme aus der Leitung.

Paulas Herzschlag setzte für einen Moment aus. Sie hatte in den letzten Tagen alle Gefühlsstadien eines verliebten Herzens durchlaufen, von Sehnsucht über Unsicherheit bis hin zur Verzweiflung. Unzählige Male hatte sie mit dem Gedanken gespielt, einfach den Hörer in die Hand zu nehmen und sich bei ihrem Freund zu melden. Aber mit jedem Tag der verrann, wuchsen ihre Zweifel. Vielleicht war ja alles nur ihre Einbildung gewesen, oder Daniel hatte längst eine andere gefunden und die Kurz-Episode mit ihr inzwischen zutiefst bereut.

Sie brachte vor lauter Aufregung auf Anhieb erstmal nichts Sinnvolles heraus.

„Fehle ich dir wenigstens ein kleines bisschen?“

Wie konnte er das nur fragen?

Zum Glück erwartete er keine Antwort, sondern redete brav weiter. „Ich habe gerade Nachtdienst und wollte deine Stimme hören.“ Wieder war da dieses Knistern, das ihren Puls um weitere dreißig Schläge pro Minute in die Höhe katapultierte, sofern das überhaupt noch ging.

„Herr Tannhauer hat mir gestern eine neue Badezimmertür eingebaut, mit funktionierendem Schloss.“ Wenigstens war ihr etwas eingefallen, das sie zur Unterhaltung beisteuern konnte.

„Nein so was. Da habe ich aber Glück gehabt, dass er nicht schon früher auf diese Idee gekommen ist.“

„Er kam nicht ganz von allein drauf.“ Sie berichtete von dem aktuellen Ortsgespräch, für dessen Entstehung Hannes die Verantwortung trug.

Daniel lachte herzhaft. „Ist das nicht süß? Die Lämmerbacher erwarten ernsthaft, dass wir demnächst heiraten.“

Vermutlich sollte Paula nun in dieses Lachen einstimmen, aber sie brachte nicht einmal ein Lächeln zustande. Das Thema erschien ihr zu ernst.

Das ließ auch ihn verstummen. „Na gut, auch wenn mir dieses Thema nicht ganz so unter den Nägeln brennt, habe ich gedacht, ich sammle mal ein paar Argumente, warum ich finde, dass wir beide wunderbar zusammenpassen.“

„Ach, gibt es dafür tatsächlich Gründe?“, brachte sie immerhin gespielt erstaunt hervor.

„Natürlich. Möchtest du sie hören? Ich habe sie nämlich gestern aufgeschrieben, während ich eigentlich Patientenberichte hätte diktieren sollen.“

„In Ordnung.“

„Es sind augenblicklich sieben Argumente. Doch vielleicht fallen mir im Lauf der Zeit noch mehr ein.“ Er räusperte sich theatralisch. „Erstens: ich liebe dich und bin gern mit dir zusammen sein. Zweitens: meine Schwester kocht miserabel und das Arzthaus bevölkert sich trotzdem. Zudem hasse ich die Gästeliege. Drittens: dein Bett wäre groß genug für zwei. Viertens: ich bin ein ungeduldiger Mensch und kann mit Abfuhren nur schlecht umgehen. Fünftens: ich schiebe Panik, dass jemand kommt und dich mir wegschnappt. Ich habe von Phillip gehört, dass es in seinem Kollegium mindestens drei Junggesellen geben soll. Sechstens: Du bist ein disziplinierter und konsequenter Mensch und ergänzt mich dadurch vorzüglich. Siebtens: Ich bin überzeugt, dass wir eine Menge Spaß miteinander haben werden, in jeder Hinsicht.

So das wäre es in ungefähr. Fällt dir noch etwas zur Ergänzung ein?“

Paula brauchte einige Sekunden, um das Gehörte bis zu ihrem Gehirn weiterzuleiten. Dabei waren einige mahnende Stimmen in ihrem Kopf aufgetaucht. Daniels Vorstellungen von einer Beziehung deckten sich ganz offensichtlich nicht mit ihren, vor allem was den sexuellen Bereich anbelangte. Wie sollte sie ihm klarmachen, dass sie diesbezüglich ähnlich konservativ veranlagt war, wie ihre Umgebung?

Ein Notruf im Hintergrund enthob sie zum Glück einer Antwort.

„Sorry, ich muss kurz ein paar Leben retten. Bis bald, mein Schatz.“


Anschließend lag sie bis zwei Uhr früh wach in ihrem Bett und überlegte sich, was sie nun machen sollte.

Bei Daniel würde sie mit ihrer altmodischen Haltung garantiert keinen Blumentopf gewinnen, so viel stand fest. Dass es zwischen ihnen oben bei der Maiershütte zu keinen detaillierteren Annäherungen gekommen war, hatte weniger an seinem Wunsch als an dem plötzlichen Auftauchen der Familie Zauner gelegen. Was wäre gewesen, wenn es keine Unterbrechung gegeben hätte? Hätte sie den Mut gehabt, sich ihm zu verweigern? Sie war sich plötzlich gar nicht so sicher. Daniel wusste nur allzu gut, wie man Frauen herumbekam und hatte darin sicher reichlich Übung. Sie wusste ja nicht einmal, wie viele verschiedene Freundinnen es bisher in seinem Leben gegeben hatte. Würde sie mit seiner Vergangenheit auf Dauer zu Recht kommen? Sie sah vor ihrem inneren Auge Dr. Svenja Hausmann und die blonde Psychologin, zwei von Danis Ex-Geliebten, die sie persönlich in Augenschein hatte nehmen können und bekam sofort handfeste Minderwertigkeitskomplex. Mit diesen Frauen konnte sie sich in keiner Weise messen, weder optisch noch intellektuell. Also was reizte Daniel überhaupt an ihr? Würde sie ihm nicht irgendwann langweilig werden, sobald seine Verliebtheit etwas nachließ oder sich bessere Alternativen auftaten?

Und falls er doch ernste, dauerhaftere Absichten hegte: Konnte sie sich vorstellen, Daniel zu heiraten und bis ans Ende ihrer Tage mit ihm zusammenzuleben? Eignete er sich überhaupt für eine so enge Lebensgemeinschaft? Daniel als Persönlichkeit war nicht einfach. Das wusste sie trotz ihrer romantischen Schönfärberei. Die Spannungen zwischen ihnen hatten schon in der Vergangenheit stattgefunden und waren für die Zukunft mehr oder weniger vorprogrammiert. Er hatte einen Dickkopf und konnte schrecklich launisch sein. Andererseits war sie seinem Charme hilflos ausgeliefert. Er brauchte sie nur anzulächeln.

Doch war er auch auf treu und verlässlich? Irgendwie konnte sie sich das bei ihm nicht so recht vorstellen. Zumindest hatte er seine Psychologengeliebte damals wegen ihrer Freundin abserviert. Das hatte ihr diese persönlich und brühwarm erzählt. Konnte man auf ein derart unsicheres Fundament eine tragfähige Beziehung aufbauen?

Und dann war da noch die Glaubensfrage.

Paula empfand sich zwar keineswegs als Superchrist, aber sie rechnete fest mit Gottes Hilfe in ihrem Leben und betete auch regelmäßig. Und sie versuchte sich so gut es ging, an die Bibel zu halten. Daniel konnte mit dieser Art von Frömmigkeit vermutlich wenig anfangen.

Diese Überlegungen reichten, um ihren emotionalen Höhenflug merklich abzubremsen. Falls es je mit Daniel und ihr funktionieren sollte, würde es harte Arbeit bedeuten. Das ahnte sie unwillkürlich. Gleichzeitig hatte sie Angst, ihn zu verlieren und die Sehnsucht nach ihm war beinahe übermächtig.

Die nächsten Wochen würden also alles andere als leicht werden, das war so sicher wie Pfarrer Ebershäusers „Amen“ in der Kirche.


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