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Kapitel 5:

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Als Paula Montag früh aus ihren wirren Träumen aufwachte, brauchte sie erst einmal geraume Zeit, um zwischen Wirklichkeit und Hirngespinsten zu sortieren.

Hatte ihr Daniel tatsächlich seine Liebe gestanden, oder war das nur ein Trugbild ihrer Phantasie gewesen, genau wie die Kühe, die sie letzte Nacht zur Pflege anvertraut bekommen hatte und die im Materialraum der Schule untergebracht worden waren.

Ihre Schüler halfen ihr unwissentlich dabei. Paula hatte kaum das Klassenzimmer betreten, als ganz gegen alle Gewohnheit die Kinder augenblicklich verstummten. Zudem waren sie geradezu überpünktlich erschienen. Bevor ihre Lehrerin sie allerdings durch die Lernhölle jagen konnte, gab es Gesprächsbedarf.

„Fräulein Müller, sind Sie jetzt eigentlich mit dem Dr. Martin befreundet oder net?“, erkundigte sich Franz.

„Natürlich ist sie des“, wusste Fritz mit gewichtiger Miene zu verkünden.

Die anderen Kleinen nahmen diese Nachricht mit einem eifrigen Nicken auf.

Luisa streckte und berichtete stolz: „Ich hab genau gsehn, wie der Doktor Sie fast aufessn wollt und ihr Blus dabei ganz hoch grutscht is.“

„Und der Papa hat zur Mama gsagt: ‚Donnerwetter, geht der ran, da sind ma grad no rechtzeitig kommen.“, ergänzte Julia. Sie schien bei Bedarf über ein vorzügliches Gedächtnis zu verfügen, zumindest was heimische Zitate anbelangte. Beim schulischen Lernstoff dagegen haperte es manchmal. „Und irgendwas von Feuer hat er gsagt und von gefährlich und verbrennen.“

Paula wurde allein vom Zuhören heiß und sie hatte Mühe, zum dringend zu wiederholenden Lehrstoff zurückzufinden. Wenn die Kleinen schon so drauf waren, was erwartete sie dann erst am Nachmittag bei den Großen? Vermutlich würde Josepha sie aus lauter Eifersucht lynchen.


Doch seltsamerweise gab es von ihrer Seite keinerlei Ausfälle. Sie bedachte ihre Lehrerin sogar mit einer Spur Mitleid.

„Mei Schwester is jetzt an echter Fan von Tokio Hotel“, erklärte Georg bereitwillig. „Sie war in de Pfingstferien auf em Konzert von dene langhaarign Affn und hat a Autogramm von eum kriagt.“

Josepha war gern bereit, ausführlich von diesem prägnanten Erlebnis zu berichten. Ihre Kusine, bei deren Familie sie die Pfingstferien verbracht hatte, hatte Karten für das Konzert bekommen, und sie dazu eingeladen. Der Bill habe ja so eine tolle Ausstrahlung. Sie könne morgen gern mal ein Poster von ihm mitbringen und besäße auch eine CD von ihnen. Und er wäre kein bisschen eingebildet, obwohl er doch so berühmt sei. Sie summte etwas von einem „Taifun“ vor sich hin und behauptete, dieses Lied müsse selbst Paula kennen, weil es ständig auf MTV gesendet würde. „Jetzt wo ich de Bill kennenglernt hab, find ich de Dr. Martin dann doch a bissel alt“, gestand sie schließlich freimütig.

Davon wollte Nicole nichts hören. Sie schoss einen feindseligen Blick in Richtung Klasse ab und meinte: „Von wegen alt. Der hats noch voll drauf. Für meinen Onkel sind Frauen sowieso bloß ein netter Zeitvertreib. Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass er sich in Sie verliebt hat?“ Die letzten Worte mündeten direkt an Paulas Adresse.

„Das zu beurteilen überlassen wir doch besser ihm, nicht wahr?“, versuchte diese klarzustellen und hielt ihrem Blick stand. Sie durfte sich von dieser wild gewordenen Göre nicht alles gefallen lassen. Persönliche Probleme hin oder her, sie untergrub ihre Autorität.

Leider gab die Nichte keineswegs klein bei, sondern fuhr unbeirrt fort: „Pah, ich kenne meinen Onkel schon länger als Sie. Er hat ständig irgendwelche Affären. Neulich ist zum Beispiel diese Frau Kochendörfer aus seinem Schlafzimmer gekommen. Es war früh morgens und sie trug nur ein dünnes Nachthemd. Es gibt eine Menge Frauen, die vollkommen verrückt nach ihm sind und alles für ihn tun würden.“

Diese Nachricht versetzte Paula einen beträchtlichen Rückschlag, denn sie hatte eigentlich gedacht, dass die Beziehung zwischen der blonden Psychologin und Daniel sich auf die Studienzeit begrenzt hätte. Aber sie schluckte ihre Verletztheit hinunter. Nicole sollte nicht den Eindruck bekommen, gepunktet zu haben. „Ich glaube nicht, dass es deinem Onkel sehr Recht ist, wenn er mitbekommt, was du alles über sein Privatleben in der Schule herumerzählst.“ Ihr blieb nur noch ein Warnschuss übrig.

Nicole funkelte sie daraufhin verächtlich an und zischte: „Petze“, wagte aber den Rest der Stunde nichts mehr zu sagen.

Hannes machte während dieser aufschlussreichen Konversation ausnahmsweise einmal keinen auf unbeteiligt, sondern gluckste ununterbrochen erheitert und reichlich idiotisch vor sich hin. Paula wusste danach, was ihr lieber war.

Als sie Georg Ausdrücke wie „Schaumbad“ und „Kerzenlicht“ in Friedels Richtung flüstern hörte, erwachte jedoch schlagartig neues Misstrauen. Bis gerade eben hatte sie noch gehofft, dass wenigstens dieser Teil ihres Zusammentreffens mit Daniel nicht der Öffentlichkeit preisgegeben worden wäre, aber nun sah sie sich auch in dieser Hoffnung bitter getäuscht. Sie hatte einen schweren Verdacht, was die undichte Stelle anbetraf.


Als sie Hannes am Abend deswegen zur Rede stellte, meinte er nur harmlos: „Die Sache mit dem Badezimmer weiß doch ohnehin der ganze Ort. Es wurde am Sonntagabend im „Roten Baum“ diskutiert.“ Paula meinte dabei ein unterdrücktes Feixen in seinem Gesicht zu erkennen.

Sie überlegte einen kurzen Moment, ob sie lieber in Ohnmacht fallen oder sich auf ihren Bruder stürzen sollte und entschied sich für das Letztere. Es war eh längst überfällig.

„Ich konnte ja nicht ahnen, dass der Georg gleich alles ausplaudert“, gestand er, als er wieder halbwegs zu Atem kam „aber die meisten dort fanden die Idee wohl richtig geil.“


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