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Kapitel 10:

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Paulas Leben war durch Daniel keineswegs leichter geworden. Es hatte sich sogar ungemein verkompliziert. Ihre Gedanken wanderten in den kommenden Tagen ständig in verschiedene Richtungen, wie eine Herde Schafe, die aufgestöbert worden waren und nun wild und kopflos auseinanderbrachen.

Dennoch schaffte sie es, einen ordentlichen Unterricht hinzubekommen. Schließlich sollten die Kinder und Jugendlichen nicht unter ihrem emotionalen Ausnahmezustand zu leiden haben.

Zwei Dinge fielen ihr seit den Pfingstferien auf: Christine entwickelte sich langsam zur Musterschülerin und Nicole hängte vollends ab. Sie saß ganze Vormittage lang auf ihrem Platz und kritzelte vor sich hin oder starrte aus dem Fenster. Wenn sie etwas gefragt wurde, gab sie bestenfalls schnippische Antworten oder schwieg. Sie trug trotz zunehmender Temperaturen stets langärmelige Oberteile, äquivalent zu der kühleren Jahreszeit, in der sie mit den knappen Tops herumgelaufen war. Als einmal einer dieser Ärmel ein Stück weit nach oben verrutschte, entdeckte Paula blutige Kratzspuren über dem linken Handgelenk. Nicole lief rot an, als sie den erschrockenen Blick ihrer Lehrerin bemerkte und zog mit finsterer Miene den Ärmel nach unten. Den Rest des Vormittags kam kein Wort mehr über ihre Lippen.

Bei Paula begann ihre berühmte Alarmglocke zu läuten. Sie hatte von solchen Fällen gehört und gelesen. Vor allem junge Mädchen mit problematischem familiärem Hintergrund waren gefährdet. Es war eine Form, den Schmerz, der in ihrem Innern herrschte, auszudrücken. Irgendwie verstand sie ihre Schülerin sogar ein bisschen. Das letzte halbe Jahr hatte es für Nicole wirklich in sich gehabt. Ihr komplettes Leben war umgekrempelt worden. Zuerst starb der geliebte Opa. Dann tauchte Phillip auf und ihre Mutter verliebte sich in ihn. Anschließend mieteten sich drei zusätzliche Kinder dauerhaft in ihrem Elternhaus ein. Hannes bevorzugte Christine und ließ sie deswegen links liegen und zu guter Letzt musste ihr einziger Onkel auch noch mit der Lehrerin anbandeln. Wenn man sich dazu vorstellte, dass Nicole mitten in der Pubertät steckte, brauchte man sich über ihre Reaktionen eigentlich nicht weiter zu wundern.


Paula wagte einmal mehr einen Versuch, ihre Freundin für dieses Thema zu sensibilisieren und stattete am Freitag gleich nach dem Nachmittagsunterricht dem Arzthaus einen Besuch ab. Deren Tochter war am Morgen heulend aus dem Klassenzimmer gelaufen, als sie eine 5-6 in ihrem Englischtest herausbekommen hatte, und bis zum Unterrichtsende nicht mehr aufgetaucht.

Anne wirkte allerdings abgelenkt, während Paula ihre Bedenken vorbrachte. Sie schaute sie kein einziges Mal direkt an und freute sich offensichtlich auch nicht sonderlich über ihren Besuch.

Zum Schluss sagte sie nur: „Danke für deine Mitteilung. Ich werde mich drum kümmern.“ Dann wechselte sie einfach das Thema: „Du weißt sicher, dass Dani heute Abend kommt.“ Ihr Blick bekam etwas Flehendes und Paula spürte, dass es besser war, nicht weiter nachzuhaken.

Deshalb nickte sie und versuchte ebenfalls umzuschalten. „Ich hoffe, dass das mit der Käsedokumentation am Montag und Dienstag hinhaut. Julia will morgen auch anreisen. Dein Bruder hat sie dazu überredet und ihr gesagt, dass er sie unbedingt als dekoratives Hintergrundbild braucht.““ Mit etwas Mühe schlug die Besucherin einen leichteren Tonfall an. Sie musste lernen, ihre Finger aus den Angelegenheiten anderer Leute herauszulassen.

Als sie sich kurz darauf verabschiedete, machte Anne an der Haustür den Eindruck, als wolle sie ihr doch noch etwas mitteilen. Sie öffnete den Mund und wirkte seltsam bedrückt. Doch bevor sie einen Ton herausbringen konnte, knallte eine Tür im oberen Geschoss. Die Hebamme drehte sich daraufhin ruckartig um und stürzte ins Haus zurück.

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