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3. Formen des Romans

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Legitimität/Illegitimität

Die für den Roman charakteristische soziale Durchmischung der Leserschaft war sicherlich eine der wichtigsten Ursachen für die Entwicklung von Romantypologien. Jedenfalls spiegeln manche dieser Typologien offensichtlich den Versuch wider, die verschiedenen Unterarten des Romans gemäß ihrer ‚Legitimität‘ (vgl. Bourdieu 1987, S. 153f.) zu hierarchisieren, d.h. zwischen legitim-anspruchsvollen und illegitim-anspruchslosen Unterarten des Genres zu unterscheiden. Die Literaturtheorie kennt deshalb eine Reihe von bei anderen Gattungen fehlenden pejorativen Komposita wie etwa Schundroman, Groschenroman, Trivialroman oder Hintertreppenroman, denen poetologisch aufgewertete, positiv konnotierte Begriffe wie z.B. Bildungsroman, Entwicklungsroman, Zeitroman oder Künstlerroman gegenüberstehen. Darüber hinaus dienen die diversen Formtypologien aber auch der wissenschaftlichen Klassifikation nach Stoffen, Themen, Erzählhaltungen, Publikationsformen oder Gestaltungstechniken (z.B. Arztroman, Liebesroman, Ichroman, Fortsetzungsroman, Montageroman).


Abb. 1 Die Grafik veranschaulicht die Häufigkeit der in Google-Books zu findenden Bezeichnungen für Untergattungen des Romans.

Keine dieser Typologien ist jedoch speziell auf die Romangattung zugeschnitten, denn den Arztstoff gibt es auch in Dramen, das Liebesthema auch in Liedern, die Ich-Erzählsituation auch in Kurzgeschichten, die Publikation in Fortsetzungen auch bei Novellen, die Montagetechnik auch bei Gedichten usw. Die bisherigen Typologien genügen deshalb nicht systematischen, sondern bloß pragmatischen Ansprüchen, d.h. sie erfassen bestimmte Textkorpora, die innerhalb spezieller Rezipientengruppen zeitweise den Status literarischer Institutionen erreichten (vgl. Engel 1996, S. 1672). So ist z.B. der Räuberroman erst innerhalb der Kolportageliteratur des 19. Jahrhunderts, die sich an Arbeiter und Kleinbürger richtete, ein klar konturiertes Genre geworden, das bestimmten Regeln folgte, bestimmte Erwartungen befriedigte und bestimmte Wirkungen erzeugte, d.h. zu einer festen Institution im Leben der Kolportageabnehmer wurde.

Auf einen Blick

1. Was unterscheidet den Roman vom höfischen Epos?

2. Nennen Sie typische Fiktionssignale!

3. Was unterscheidet den Vortrag eines Epos vom Abspielen eines Roman-Hörbuchs?

4. Nach welchen Kriterien können die verschiedenen Untergattungen des Romans klassifiziert bzw. in eine Typologie eingeordnet werden?

5. Warum gibt es beim Roman – anders als bei anderen literarischen Gattungen – eine Vielzahl von pejorativen Bezeichnungen wie ‚Schundroman‘, ‚Groschenroman‘ usw.?

Einführung in die Roman-Analyse

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