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Der Keller

Wir saßen schon eine ganze Weile in Marks Zimmer, hörten irischen Folk-Rock und überlegten, was wir als Nächstes ausfressen konnten.

„Wir könnten eine Katze einfangen und in die Mikrowelle stecken!“, schlug Mark nach einiger Zeit vor.

„Du bist unmöglich, Mark Wetterschlecht, weißt du das?“, schimpfte Melissa wie ein Rohrspatz.

„Hey, Baby, war doch nur ein Scherz!“, brachte Mark cool zurück. „Aber was haltet ihr davon, wenn wir unseren alten Keller mal ’n bisschen durchstöbern? Vielleicht finden wir da irgendwas Interessantes.“

„Ok, alte Sachen haben mich schon immer interessiert. Vielleicht finden wir eine Mumie oder so was“, gab ich als Antwort und musste selbst lachen.

Wir gingen in den größten Raum des Kellers rüber und Mark betätigte den Lichtschalter. Eine einzelne Birne hing an einem Kabel von der Decke in der Mitte des Raumes und warf unheimliche Schatten in die Ecken. Alles, was wir erkennen konnten, waren ein riesiger Schrank an der einen Wand und jede Menge Gerümpel, das auf dem Boden verteilt war.

„Na herzlichen Kniestrumpf!“, sagte ich vor mich hin. „Hier hat seit Kolumbus keiner mehr aufgeräumt!“

„Mann, was hier alles rumliegt. Und so viel Staub! Ich glaub, ich muss mich übergeben“, platzte es aus Melissa raus. Sie hielt sich die Hände schützend vor den Mund.

„Halt die Klappe, Baby“, raunzte Mark sie an. „Du hast ja keine Ahnung. Hier liegt der Staub von Jahrhunderten! Das ist Geschichte, klar? Jetzt lasst uns mal ein wenig herumstöbern.“

„Hier, ich hab was!“, rief Greg. „Ein uraltes Fotoalbum. Mal sehen ... ha! Guckt mal, ein kleiner Junge sitzt auf seinem Töpfchen und schlürft Joghurt! Hahaha, ist ja urkomisch!“

Wie scharten uns um ihn und fingen alle an zu lachen. Das war wirklich ein Bild für die Götter. Nur Mark fand das irgendwie nicht so lustig.

„Was soll die Scheiße? Mann, da wusste ich doch noch nicht, was ich da mache.“

„Du bist das?“, fragte Greg und das Gelächter wurde noch lauter. Mark riss Greg das Album aus der Hand und schleuderte es an die Wand. Nachdem sich alle wieder beruhigt hatten, sahen wir uns weiter um.

„Was ist das denn?“, fragte Patsy nach einer Weile. Sie hielt etwas langes Gebogenes in der Hand. Mark sah es sich etwas genauer an und erkannte darin ein lang vermisstes Familienerbstück.

„Hey, das ist der alte Säbel von meinem Ur-Ur-Urgroßvater. Er war so ’ne Art Pirat, müsst ihr wissen. Es wird erzählt, dass er mehrere Flotten des englischen und spanischen Königs besiegt und tonnenweise Gold erobert hat. Doch von einem auf den anderen Tag waren er, seine Mannschaft und sein Schatz verschwunden. Die offizielle Version ist, dass er mit seinem Vermögen an Bord in einen Sturm geraten und das Schiff gesunken ist. Und die Schande ist ja, keiner weiß, wo! Na ja, wenigstens haben wir seinen Säbel.“

Wir blickten erst ihn und dann uns gegenseitig an, dann schüttelten wir mit den Köpfen und tippten uns an die Stirn.

„Moment mal“, stoppte ich seine Fantastereien, „wieso sollte ein so großer Pirat, der angeblich alle besiegt hat, ohne seinen Säbel aufs Meer fahren? Ich glaube nicht, dass ausgerechnet einer deiner Vorfahren ein stinkreicher Seeräuber gewesen ist. Wie hieß er denn? Störtebeker oder was?“

„Nein. Klaus.“

„So hieß Störtebeker auch ...“

„Nein. Klaus Wetterfest natürlich. Ihr müsst es ja nicht glauben. Ich weiß, dass es stimmt!“, regte Mark sich auf.

„Nu beruhig dich mal wieder“, besänftigte Greg ihn und streichelte ihm über den Kopf. „Wir glauben dir doch.“

Mark steckte sich den Säbel durch den Gürtel und kletterte zum Schrank, um ihn zu öffnen. Er zog nur kurz an der Tür, da polterte auch schon der gesamte Inhalt heraus und begrub ihn unter sich.

„Hilfe, Hilfe!“, schrie er von unten durch das Gerümpel, „holt mich hier raus! Ich werde von bösem Monstermüll angegriffen! Hilfe!“

„Moment, Moment, wir kommen ja“, beruhigte Greg ihn.

Wir arbeiteten uns zu ihm durch und befreiten ihn aus seinem unfreiwilligen Gefängnis.

„Mann, das ganze Zeug kann unmöglich aus diesem Schrank gekommen sein“, staunte Greg, „das würde nicht mal in einen Lkw passen.“

„Halt die Klappe, Greg“, grunzte Mark ihn an, „kletter doch in den Schrank, dann siehst du, wie groß er ist. Der ist mehrere Hundert Jahre alt. Das ist noch massive Arbeit.“

„Alter Falter. Das Holz ist mindestens zehn Zentimeter dick“, entfuhr es Patsy. „Wie haben die den bloß damals bewegt?“ Sie ging den Schrank einmal ab und zählte acht Schritte.

„Wow!“, stieß Martha lauthals aus. „Wie viele Klamotten da reinpassen würden. Da könnte ich einen ganzen Laden reinstecken.“

„Halt dich mal still, Lady“, maulte ich sie an. Irgendwie konnte das Schwesterchen ganz schön nerven.

„He, was ist denn das?“, rief Patsy plötzlich. Sie hatte etwas hinter dem Schrank entdeckt. „Ich glaub, hier ist ’ne Tür oder so was! Kommt mal her.“

Wir kletterten zur anderen Seite des Schranks und blickten dahinter. Man konnte eine Vertiefung in der Wand erkennen, die wie eine in die Wand eingelassene Tür aussah.

„Lasst uns versuchen, den Schrank zu verschieben, dann können wir sehen, was dahinter ist“, schlug ich vor.

Sofort stemmten wir uns gemeinsam gegen das Ungetüm, doch es knackte nicht einmal. Das ging ungefähr zehn Minuten so, aber der Kasten hatte sich nicht einen Millimeter bewegt. Schließlich kamen wir auf die Idee, ihn genauer zu untersuchen.

„Vielleicht hat der Schrank eine doppelte Wand oder so was“, meinte Melissa.

„So ein Quatsch! So was gibt’s doch nur in schlechten Filmen“, sagte Greg. „Außerdem ist die Rückwand genauso dick wie die anderen Wände. Aber seht mal hier. Hier oben in der Ecke sind mehrere Kerben ins Holz geschlagen. Ob das was zu sagen hat?“

„Lass mal sehen ...“ Mark untersuchte die Stelle ein wenig genauer. „Keine Ahnung, sieht aus wie wild draufgehauen. Das kann nix bedeuten.“

„Schade eigentlich“, meinte Patsy bedrückt.

„Moment mal“, unterbrach ich die miese Stimmung, „was hast du gerade gesagt, Mark? Sieht aus wie wild drauf gehauen? Die Einschnitte sehen aus, wie von deinem Säbel verursacht. Probier doch mal aus, was passiert, wenn du da draufschlägst.“

„Schwachsinn! Aber wenn du meinst ...“, war sein einziger Kommentar. Dann zielte er auf die linke obere Schrankecke, wo die Kerben ein wildes Geflecht zeichneten. Mark holte weit mit Opas Säbel aus und schlug kräftig in die Richtung des Winkels. Die Wucht des Aufpralls schleuderte ihn nach hinten auf den Boden. Der Schrank rührte sich nicht.

„So eine Scheiße!“, schrie Mark laut auf. „Ich brech mir hier die Haare und der scheiß Schrank steht einfach so da.“

Ich begutachtete die Einschlagstelle und stellte fest: „So kann das auch nicht klappen, du Lusche. Das war knappe zwanzig Zentimeter zu tief. Los! Noch mal!“

„Okay, aber diesmal ins Schwarze“, munterte er sich selbst auf, holte aus und schlug mit voller Wucht genau in die Ecke. Durch einen versteckten Mechanismus in der Holzverbindung der Schrankwände wurde eine Kettenreaktion ausgelöst. Nach und nach klickten metallische Schlösser in verschiedenen Bereichen des Schrankes und er fiel unter einem großen Ächzen und Knacken wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Zum Vorschein kam eine Steintür, wie wir sie vorher noch nicht gesehen hatten. Da war keine Schnörkel, kein Türgriff dran, sondern einfach nur eine glatte, polierte Steinplatte. In der Mitte war eine Vertiefung in der Tür, was wohl früher einmal ein Schloss gewesen sein könnte.

„Mann, was soll denn da für ein Schlüssel reinpassen?“, fragte Greg erschrocken. „Sieht mehr aus wie ein Strichcode.“

„Also mein Haustürschlüssel passt da nicht, das seh ich so“, sagte ich vor mich hin.

Die Öffnung für den Schlüssel bestand aus einem langen waagerechten und zwei jeweils darunter und darüber liegenden senkrechten Schlitzen. In diesen Schlitzen waren wiederum kleine Kerben eingearbeitet, sodass es irgendwie Ähnlichkeit mit einem Kamm hatte.

„Das Schloss wurde nicht allzu oft benutzt, würde ich sagen“, meinte Patsy, „es sind kaum Spuren zu erkennen.“

„Da könntest du recht haben“, stimmte Mark ihr zu, „lasst uns schnell den Schlüssel suchen, ich komme um vor Neugierde.“

Schnell und wild durcheinander durchstöberten wir den ganzen Raum. Jedes einzelne Stück wurde genau begutachtet und umgedreht, noch einmal gewendet und wieder untersucht. Nach ungefähr einer Stunde gaben wir auf.

„Hat keinen Sinn“, sagte meine Schwester, „hier ist nix.“

„Scheiße“, murmelte Mark.

„Das trifft die Nägel auf die Köpfe“, stimmte ich ihm zu.

„Und nun?“, fragte Melissa enttäuscht.

„Tja, ich hab nichts mehr zu bieten, Leute“, gab Mark von sich. „Lasst uns für heute Schluss machen.“

„Okay, ich bin sowieso völlig fertig“, sagte Melissa mit vollem Mund.

„Nimm den Daumen aus dem Mund und halt den Selbigen, Baby“, fuhr Mark sie an.

„Arschloch!“, gab sie zurück.

Wir machten uns alle auf den Heimweg. Trotzdem ging uns der Gedanke, was hinter der Tür sein könnte, nicht aus dem Kopf.

Und außerdem: Wer hatte diese Tür damals bauen lassen und benutzt? Und zu welchem Zweck?

Der Schatz von Ihrland

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