Читать книгу Der Schatz von Ihrland - Jörg Bothe - Страница 7
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Vorwort
Ich muss es einfach erzählen. Mir wird wohl wieder mal keiner glauben, aber ich erzähle es jetzt trotzdem. Zuerst stelle ich euch mal meine Clique und mich vor.
Mein Name ist Thorsten Schmidt, meine Freunde nennen mich Torte – ihr dürft das natürlich auch. Ich bin gerade fünfzehn geworden, spiele gerne Darts und höre mit Begeisterung irische Musik. Außerdem spiele ich leidenschaftlich gerne Fußball. Na ja, so gut wie es geht, aber es hält mich wenigstens fit. Die blonden Haare und blauen Augen soll ich von meiner Mutter geerbt haben, was man auch nicht verleugnen kann. Ich wohne mit meinen Eltern und Geschwistern in einem alten Arbeiterviertel am Stadtrand. Das kleine rote Backsteinhaus ist typisch für die Gegend, die in den Fünfzigerjahren aus den Trümmern der alten Gebäude wieder aufgebaut wurden. „Klein aber fein“, sage ich immer. Was soll’s, wir fühlen uns hier wohl.
Nun zu den anderen.
Da wäre als Erstes meine Schwester Martha. Sie ist vierzehn und wird bei uns Lady genannt, weil sie immer nur in den neuesten Klamotten auf die Straße geht. Eine Jeans mit Löchern, wie ich sie meistens trage, würde sie nicht einmal anfassen, obwohl die gar nicht so schlecht aussieht. Eine schwarze Lockenmähne, ihre schlanke Figur und die übliche Kriegsbemalung im Gesicht runden das Klischee eines Amateur-Models voll ab.
Dann hab ich da noch einen Bruder, der aber nicht zählt.
Na gut, der Gerechtigkeit wegen. Er heißt Max. Wir nennen ihn Snoopy. Warum, weiß niemand. Wahrscheinlich, weil er genauso vertrottelt ist wie der Hund aus dem Comic. Wir haben öfter mal leichte Meinungsverschiedenheiten, wie das so ist bei Brüdern.
Dass ich aber immer recht habe, muss ich ihm dann mit etwas Nachdruck in Form von körperlichen Erziehungsmaßnahmen beibringen. Er ist acht Jahre alt und ganz stolz, dass er in die Schule geht. Das wird sich wohl noch ändern ...
Nun zum Rest der Clique.
Patrizia Thormann, genannt Patsy. Sie ist ein Jahr jünger als ich und mein heimlicher Schwarm. Sie hat so schöne, grüne Augen und lange blonde Haare. Eine Traumfrau, ein Engel, ein ... hach ... äh, wo war ich gleich? Ach ja! Sie wohnt gleich neben uns bei ihren Eltern in einem fast baugleichen Haus.
Eine Straße weiter im gleichen Wohnviertel lebt Gregor Steinberg, auch fünfzehn Jahre alt wie ich. Das Interessante dabei: Ich bin drei Tage älter als er, was ihn tierisch nervt. Damit kann man ihn richtig gut aufziehen, wie ihr euch bestimmt vorstellen könnt. Wir nennen ihn Greg – hört sich cooler an.
Seine Schwester heißt Melissa, in unserer Runde natürlich nicht Melissa, wie ihr euch sicher schon gedacht habt, sondern Baby. Aus einem einfachen Grund. Wir erwischen sie öfter beim Nuckeln. Und das macht man doch als Vierzehnjährige nicht mehr, oder? Sie wirkt immer ziemlich gedankenverloren und dabei ängstlich und zurückhaltend. In allen Dingen sehr vorsichtig und abwartend. Mit ihren langen rötlichen Haaren und den kleinen Sommersprossen auf der Nase kann der Eindruck aber auch täuschen. Sie kann auch schon mal sehr direkt werden. Ihre Familie ist eine der wenigen in unserer Stadt, die noch mit ihren Kuttern rausfahren und den frischen Fang dann im Hafen verkaufen.
Dann kommen wir mal zu Mark Wetterfest. Er ist mein Blutsbruder, seit wir uns damals mit acht Jahren in die Handflächen geschnitten und mit einem Handschlag unsere Brüderschaft besiegelt haben. Er ist ein Kumpeltyp, wie er im Buche steht. Immer da, wenn man ihn braucht, und immer weg, wenn es brenzlig wird (kleiner Scherz). Sein rundes Gesicht und die kurzen braunen Haare – kombiniert mit seiner kompakten kräftigen Figur – passen zu seinem gesamten Auftreten. Ein quirliger aufgeweckter Kerl. Sein Nachname schreit geradezu nach einer Verarschung. So sind wir zu einem super genialen Namen für ihn gekommen. Was bietet sich mehr an als Schlecht-Wetter? Er lässt es sich ja auch gefallen. Selbst wenn er es sich nicht gefallen lassen würde, könnte er uns nicht davon abhalten. Also, weiter geht’s. Er ist fünfzehn Jahre alt und von Beruf Witze-Erzähler. Ich kenne niemanden außer ihm, der es schafft, einer Gruppe von dreißig Leuten innerhalb von fünfzehn Minuten über einhundert Witze zu erzählen und diese dazu zu bringen, ihren Stuhl zu verlassen, sich auf den Boden zu legen und dort vor Lachen herumzurobben wie die Schlammcatcher in Aktion. Er hat einen Papagei, der einige dreckige Witze kennt, natürlich von Mark beigebracht. Sein Name ist Purple. Ich habe Mark einmal gefragt, warum der Vogel Purple heißt. Er meinte, wegen der Farbe natürlich. Ich fragte weiter nach dem Warum, weil ich keine Farbe erkennen konnte, die an violett oder lila erinnerte. „Eben darum“, antwortete Mark grinsend. Na ja, nicht meine Sache. Sein Vater hat schon vor fünfzehn Jahren das Zeitliche gesegnet. Er sagt immer, sein Pa wäre gestorben, als er seinen Sohn das erste Mal gesehen hat. Natürlich stimmt das nicht. Er ist auf dem Weg zum Krankenhaus in einen Autounfall verwickelt und tödlich verletzt worden. Marks Mutter Peggy hatte seitdem keinen anderen Mann. In letzter Zeit kommt allerdings öfters jemand zu Besuch, der sich ganz schön an sie ranmacht. Mark gefällt das natürlich überhaupt nicht. Er versucht dann, diesen Schleimbolzen, wie er ihn nennt, aus dem Haus zu ekeln. Aber dazu später mehr ... Die beiden wohnen direkt neben den Steinbergs, allerdings in einem der ältesten Häuser der Gegend, das ziemlich unbeschadet die Kriegswirren überstanden hat.
Unsere kleine Stadt liegt im Norden in einer Küstenregion, wo es gefühlt öfter regnet, als dass einmal die Sonne scheint. Egal, es zählt, was man daraus macht. Eigentlich fehlt es hier an nichts. Wir haben hier ein Kino, kleine Bistros, Kneipen und einen Irish-Pub, wo wir uns ab und zu treffen – der Wirt drückt dann mal ein Auge zu, er kennt unsere Familien schon sehr lange. Ein kleiner Fischereihafen wird hauptsächlich nur noch für den Tourismus betrieben. Unglaublich, wie viele Leute aus den unterschiedlichsten Ländern deswegen hierherkommen.
Wir haben uns gesucht und gefunden, glaube ich. Nachdem einige von uns Probleme durch das Internet in den sogenannten sozialen Netzwerken gehabt hatten, beschlossen wir eines Tages, weitestgehend auf Mobiltelefone zu verzichten. Zuerst war es echt schwierig, da uns die Teile vorher doch schon sehr viel Zeit unseres Tages geklaut haben. Dadurch wurden viele andere Sachen vernachlässigt, die man dann aber erst recht wieder zu schätzen gelernt hat. Besonders schwer fiel es vor allem unseren Mädels, Lady ganz besonders. Sie verpasst dann ja die letzten Meldungen über irgendwelche Neuigkeiten aus der Modewelt, meinte sie. Aber nach kurzer Zeit war auch sie darüber hinweg. Baby und Patsy waren genauso schnell überzeugt. Wir Jungs sowieso, weil es genügend andere Dinge zu erleben gibt. Wenn man miteinander redet und sich dabei in die Augen sehen kann, anstatt anonym zu schreiben, ist es eine Unterhaltung auf einer ganz anderen Ebene. Dazu kommt noch, dass man glaubt, die vielen Unwahrheiten kommentieren zu müssen, die über diese asozialen Netzwerke verbreitet werden. Die Leute, die so viel Langeweile haben, sollen sich da gerne mit beschäftigen und sich ihre persönlichen Daten aus der Tasche ziehen lassen, um sich anschließend mit Werbung zuballern zu lassen. Ihr Problem, nicht mehr unseres.
Tja, das also ist unsere Clique. Ein ganz lustiger Haufen. Aber genug vorgestellt! Auf geht’s in eine Geschichte, die euch hoffentlich so schnell nicht wieder loslässt ...