Читать книгу Der Schatz von Ihrland - Jörg Bothe - Страница 17
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Die Treppe
„Und nun?“, fragte ich in die schweigende Menge. Wir saßen immer noch in Marks Zimmer und bestaunten den mysteriösen Gegenstand vor uns.
„Tja, wie der Kaiser sagen würde: Schaun mer mal!“, witzelte Mark.
„Dann sag es doch“, entgegnete Patsy lächelnd.
„Schaun mer mal“, machte Mark Franz Kaiser Beckenbauer nach und lächelte zurück. Dann stand er auf. „Ich halt es nicht mehr aus, ich will jetzt wissen, was hinter der Tür ist.“
„Nicht nur du“, war die einstimmige Antwort.
Wir gingen wieder in den Raum des Kellers, in dem wir die Tür entdeckt hatten. Mark hatte mir eine Taschenlampe in die Hand gedrückt, um ihm den Weg zu leuchten. Vorsichtig legte er den Schlüssel in die Öffnungen der Steintür.
Als er es beim dritten Versuch endlich schaffte, sagte er geheimnisvoll: „Meine Damen und Herren, die wohl größte Entdeckung seit dem alten Tut Senf Am Rum.“
„Der hieß Tutanchamun, der gute Mann“, berichtigte ich ihn, „und nu mach hin!“
„Tut mir leid, großer Meister-Archäologe!“, maulte Mark gespielt beleidigt zurück.
„Jetzt mach doch endlich. Der Tach is kurz“, schimpfte Greg ungeduldig los.
„Okay, dann wollen wir mal sehen ...“ Langsam drückte Mark den Schlüssel in die Öffnung der Tür, bis er auf einen Widerstand traf. Dann drehte er ihn vorsichtig gegen den Uhrzeigersinn. Unter lautem Knacken und Knirschen rieb ein Eisenriegel in der Tür gegen die Steinwände. Wir stemmten uns mit aller Kraft dagegen, bis sie endlich langsam nachgab. Ein kühler muffiger Luftzug streifte unsere zitternden Körper.
„Puh, das stinkt“, sagte Martha angewidert mit einer Hand vor dem Mund.
„Du hast ja gar keine Ahnung“, fauchte Mark sie künstlich aufgeregt an. „Das ist der Geruch der Geschichte, der Geruch des Altertums. Das riecht wie ... äh ... wie ... in unserem Wohnzimmer.“
„Laber nicht rum“, antwortete ich und warf einen Blick hinter die Tür. „Nicht mal einen Lichtschalter gibt es hier.“
„Tja, als diese Tür das letzte Mal geschlossen wurde, war Edison noch nicht mal in Planung“, sagte Mark wissend.
„Wer?“, fragte Melissa mit schmatzenden Geräuschen.
„Edison, der Erfinder der Glühbirne, Baby. Und nimm doch den Finger aus dem Mund, is ja widerlich“, maulte Mark sie an.
„Ich hol schnell für jeden eine Taschenlampe. Mit einer Lampe sieht man ja nicht genug. Nichts unternehmen, bis ich wieder da bin, klar?“ Und schon lief er davon.
„Ich glaub, ich fall gleich um“, stotterte Patsy, „Was ist, wenn’s da spukt?“
„Ich hab gelesen, dass grundsätzlich hinter verschlossenen Steintüren die Obergespenster zu Hause sind“, sagte ich und strich ihr mit meiner Hand langsam über ihre Schultern und ihren Hals.
„Iiiihhh! Lass das, du Ekel! Du weißt doch, wie schreckhaft ich bin“, schrie sie mich hysterisch an.
„Bleib mal auf’m Teppich, Patsy. War nur ’n Scherz, Okay? Du müsstest eigentlich wissen, dass es keine Geister gibt.“
„So, Leute! Da bin ich wieder!“, rief Mark völlig atemlos. Er hatte inzwischen den hauseigenen Werkzeugschrank geplündert. „Hier, für jeden eine. Ich wusste gar nicht, dass wir so viele Taschenlampen haben.“
„Hauptsache, die funktionieren“, murmelte Greg misstrauisch vor sich hin.
„Willst du etwa infrage stellen, was ich persönlich kontrolliert habe? Ist ja nicht zu glauben, ist das ja nicht“, meckerte Mark gespielt empört drauflos.
„Bei dir weiß man das ja nie so genau“, bemerkte ich augenzwinkernd.
„Es lohnt sich nicht, mit euch Minderheiten zu kommunizieren. Lasst uns losgehen“, sprach Mark mit hochgerecktem Kinn und ging durch die Tür. Die Lichtkegel wanderten von einer Seite des Raumes zur anderen. Mit zitternder Stimme sagte er: „Das ist ja, als würde man so ein altes Pharaonengrab öffnen.“
„Mit dem Unterschied, dass hier nichts ist, außer kahlen Steinwände“, meckerte Martha.
„Ach komm, Lady, du zerreißt die Melancholie hier“, maulte Greg mein Schwesterchen an.
Aber irgendwie hatte sie auch recht. Die Steinwände waren einfach aus dem Fels gehauen und hier und da mit Moos bewachsen. Man konnte noch Halterungen an den Wänden erkennen, an denen wohl einmal Fackeln befestigt waren. Die waren allerdings bereits vor Jahren durch den Rostbefall teilweise abgefallen.
Die Feuchtigkeit an den Wänden spiegelte hier und da das Licht der Taschenlampen wider. Da war sonst nichts an den Wänden, nichts an der Decke und noch weniger auf dem Fußboden. Oder besser – auf dem Fußboden, der nicht da war. Der Boden ragte nur etwa zwei Meter in den Raum hinein, ansonsten war da nur ein schwarzes Nichts. Am Ende des Mauervorsprungs begann das rostige Geländer einer Wendeltreppe, die in die Dunkelheit nach unten führte. Wir gingen langsam auf die Treppe zu und testeten die Festigkeit des Geländers.
„Wer geht zuerst?“, fragte Mark.
„Tja, wenn keiner was dagegen hat, würde ich gerne. Irgendwelche Einwände?“, fragte ich und kletterte schon die ersten Stufen vorsichtig nach unten.
Die anderen folgten in kurzen Abständen. Leises Quietschen der Stufen begleitete uns abwärts. Unsere Taschenlampen konnten das Ende der Treppe nicht erreichen. Wir leuchteten immer wieder die Wände ab und suchten nach irgendwelchen Zeichen, aber da war nichts außer moosbewachsenen, glitschig-grün schimmernden Felssteinen.
„Mann, ist das unheimlich“, zischte Melissa durch die Stille. „Was uns da unten wohl erwartet?“
„Bestimmt keine Empfangsgesellschaft, Baby! Von wegen: Willkommen in der Unterwelt!. Und: Bedienen Sie sich am Buffet!, oder so. Brauchst gar nicht darauf zu warten“, flachste Mark.
„Mensch, wie weit geht das denn noch? Ich hab schon ’nen Drehwurm“, beschwerte sich Patsy.
„Hey, da unten ist was, Jungs“, platzte es aus mir heraus.
„Und Mädels“, berichtigte Melissa mich noch aufgeregter.
Nach ungefähr 15 Metern abwärts auf der rostigen Treppe erreichten die Lichtkegel unserer Lampen das Ende der Stufen. Doch so richtig erkennen konnte man immer noch nichts.
Als wir unten ankamen, sahen wir auch nicht viel mehr vom Fußboden als von oben.
„Wo kommt denn das viele Wasser her?“, fragte Patsy dann plötzlich. „Und warum wackelt der Fußboden so?“
Wir standen auf einem Holzfloß, das mit einer Kette an der Wand befestigt war. Das Wasser reichte links, rechts und hinter uns bis an die Wände. Nach vorne hörte die Wand etwa zwei Meter über dem Wasser auf und bildete so einen mit Wasser gefüllten Tunnel, dessen Ende die Taschenlampen nicht erreichen konnten.
„Jetzt stehen wir hier wie bestellt und nicht abgeholt“, maulte Mark enttäuscht. „Was hat das für einen Sinn, hier eine Treppe ins Wasser zu bauen?“
„Tja ... bekommt ihr das Floß irgendwie von der Wand?“, fragte ich Greg und Martha, die die Wand untersuchten.
„Nix zu machen, Torte, die Ketten sind fest in der Wand verankert“, sagte Martha mit trauriger Stimme.
„Hat jemand Lust, zu schwimmen?“, fragte Mark scherzhaft in die Runde.
„Brrrr, das Wasser ist bestimmt viel zu kalt“, gab Melissa zurück.
„Oh, Mann! Das sollte ein Witz sein, Baby, und nimm den Daumen aus dem Mund, ist ja fürchterlich“, geiferte Mark sie an.
„Bla, bla, bla. Hier.“ Sie streckte ihm den Mittelfinger und ihre Zunge entgegen. „Du kannst mich mal.“
„Klasse“, applaudierte Mark. „Jetzt und hier?“
„Ach, geh doch“, sagte Melissa und drehte sich beleidigt um.
„Ja, was machen wir denn jetzt? Wir können doch nicht stundenlang hier rumlabern“, maulte Greg.
„Richtig. Wir holen einen Bolzenschneider, äh, ihr habt doch einen, Mark?“, fragte ich ihn.
„Ja, sicher! Und Paddel von unserem alten Kanu bring ich auch gleich mit.“ Er lief sofort die Treppe hoch.
Wir setzten uns alle auf den Holzboden und blickten in die Dunkelheit. Alle hatten nur einen Gedanken: Was war hinter der Dunkelheit? Was erwartet uns da?
Es sollte nicht mehr lange dauern, bis wir es erfahren würden. Das leise Plätschern und Glucksen des Wassers war für mich wie eine Aufforderung, unbedingt weiter nach dem Sinn dieses Bauwerks zu suchen. Irgendetwas lockte mich regelrecht an. In Gedanken ließ ich meine Hand durch das Wasser gleiten. Nach einigen Sekunden gewöhnte ich mich an die Temperatur. Mein Blick kreuzte sich kurz mit dem von Patsy. Im Schein der Taschenlampen konnte ich ein leichtes Lächeln erkennen. Oder täuschte ich mich? Vielleicht hatte sie ja doch Gefühle für mich ...