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aa) Allgemeines

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Der Strafwürdigkeitsgehalt, der die Straftatermöglichungsabsicht und Straftatverdeckungsabsicht befähigt, in die Kategorie der Mordmerkmale aufgenommen zu werden, wird als besonders verwerfliche Zielsetzung oder Zweckverfolgung charakterisiert.[202] Obwohl der Gesetzeswortlaut das Wort „Absicht“ nicht verwendet, ist diese Bezeichnung zutreffend, da „um zu“ eine im Strafgesetzbuch übliche Ausdrucksform für Absichten ist, z.B. die Bereicherungsabsicht in § 253 Abs. 1 und § 259 Abs. 1 StGB und die Leistungsverschaffungsabsicht in § 265 Abs. 1 StGB. In § 315 Abs. 3 Nr. 1 lit. b StGB hat der Gesetzgeber die Straftatermöglichungs- und Straftatverdeckungsabsicht mit den Worten „in der Absicht“ umschrieben. Es handelt sich um subjektive Merkmale, die überwiegend dem subjektiven Tatbestand des Mordes,[203] von anderen der Schuld zugeordnet werden. Praktische Konsequenzen hat diese Verortung auf bestimmten Stufen des Straftataufbaus für die Anwendbarkeit des § 28 StGB oder des § 29 StGB bei Taten mit mehreren Beteiligten.[204] Wie immer, wenn eine Strafvorschrift die Strafbarkeit von einer Absicht des Täters abhängig macht, ist die Erreichung dessen, worauf die Absicht gerichtet ist, keine Strafbarkeitsvoraussetzung. Zur Erfüllung des Mordtatbestandes ist es daher nicht erforderlich, dass der Täter durch die Tötung eine andere Straftat tatsächlich ermöglicht oder verdeckt.[205] Ausreichend ist also eine Tötung, die ein Ermöglichungs- oder Verdeckungsversuch ist. Die subjektive Sicht des Täters ist auch maßgeblich für die Bestimmung des Absichtsgegenstandes „Straftat“. Der Täter muss sich vorstellen, dass die Tat, die er durch Tötung ermöglichen oder verdecken will, eine Straftat ist. Es kommt nicht darauf an, dass die Tat nach objektivem Maßstab Straftatqualität hat. Stellt er sich eine Tat vor, die durch Notwehr gerechtfertigt ist, hat er keine Ermöglichungs- oder Verdeckungsabsicht, unabhängig davon, ob die Notwehrvoraussetzungen tatsächlich erfüllt sind oder nicht. Im Fall der Verdeckungsabsicht ist nicht einmal erforderlich, dass es die zu verdeckende Tat überhaupt gegeben hat. Im Fall der Ermöglichungsabsicht ist es ebenfalls nicht notwendig, dass die Begehung der beabsichtigten Tat möglich ist.[206] Auch ein objektiv untauglicher Versuch kann Bezugstat der Ermöglichungsabsicht sein, wenn der Täter die Untauglichkeit nicht kennt und deshalb an die Realisierbarkeit seiner Absicht glaubt.[207]

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„Straftat“ ist eine Tat, die einen Straftatbestand erfüllt, rechtswidrig und schuldhaft ist. Eine Ordnungswidrigkeit ist von dem Begriff nicht erfasst, § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB.[208] Es trifft allerdings zu, dass es bei Inkrafttreten der die beiden Absichtsmerkmale beinhaltenden Fassung des § 211 StGB das Ordnungswidrigkeitenrecht noch nicht gab. Erstmalig im Jahr 1949 tauchte in dem Text eines deutschen Gesetzes der Terminus „Ordnungswidrigkeit“ auf.[209] Viele Delikte, die später in Ordnungswidrigkeiten umgewandelt wurden, waren bei Inkrafttreten des § 211 StGB im Jahr 1941 Straftaten, überwiegend Übertretungen. Solange waren sie auch taugliche Bezugsdelikte der Ermöglichungs- und Verdeckungsabsicht.[210] Allerdings kann daraus nicht geschlossen werden, dass pauschal alle Ordnungswidrigkeiten diesen Mordmerkmalen zugeordnet werden können. Das ist allenfalls in Bezug auf solche Tatbestände erörterungswürdig, die ursprünglich Straftaten waren und später ins Ordnungswidrigkeitenrecht verschoben wurden. Aber auch insofern ist die Ausgrenzung aus dem Mordtatbestand die vorzugswürdige Behandlung. Die Herabstufung zur Ordnungswidrigkeit ist eine Rechtsänderung, die den Täter besser stellt. Deshalb müssten in konsequenter Umsetzung des Gedanken des § 2 Abs. 3 StGB sogar Tötungen, die der Ermöglichung oder Verdeckung von Taten galten, die zur Zeit der Tötung noch Straftaten waren, im Falle der Umwandlung in Ordnungswidrigkeiten den Mordmerkmalen Ermöglichungs- und Verdeckungsabsicht entzogen werden. Große praktische Auswirkungen hat die Kontroverse nicht. Denn Tötungen, mit denen der Täter die Ermöglichung oder Verdeckung einer Ordnungswidrigkeit anstrebt, werden in der Regel wegen der Niedrigkeit des Beweggrundes Mordqualität haben.[211]

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Die Straftat, die der Täter ermöglichen oder verdecken will, kann eine eigene oder eine fremde sein.[212] Entscheidend ist, dass die vorgestellte Tat bei objektiver Würdigung alle Voraussetzungen einer Straftat erfüllt. Handelt es sich z.B. um ein Sonderdelikt und erfüllt der Täter das vom Gesetz vorausgesetzte besondere Tätermerkmal nicht, ist Ermöglichungs- oder Verdeckungsabsicht nur möglich, wenn der Täter sich die Erfüllung des besonderen Tätermerkmals irrig vorstellt. Relevant ist nur ein tatsachenbezogener Irrtum, wie er dem untauglichen Versuch zugrunde liegt. Bildet sich der Täter auf Grund fehlerhafter rechtlicher Wertung ein, die zu ermöglichende oder zu verdeckende Tat sei eine Straftat („Wahndelikt“), ist das Absichtsmerkmal nicht erfüllt. Umgekehrt ist die irrtümliche Annahme, die Tat sei nicht strafbar, nur im Fall fehlerhafter tatsächlicher Vorstellung beachtlich. Rechtsirrtümer entlasten nicht, z.B. die nicht auf der Vorstellung eines rechtfertigenden Sachverhalts beruhende Annahme, die Tat sei nicht rechtswidrig.

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