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i) Täterschaft und Tatbeteiligung

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Für die strafbare Beteiligung am Mord gelten die allgemeinen Regeln der §§ 25 ff. StGB. Eine herausragende Bedeutung hat das umstrittene Zusammenspiel der §§ 28, 29 StGB mit den verschiedenen Mordmerkmalen des § 211 Abs. 2 StGB. Alleintäter eines Mordes ist, wer die Tötungshandlung selbst begeht und dabei auch ein Mordmerkmal selbst verwirklicht, § 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB. Mord in mittelbarer Täterschaft (§§ 211, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB) ist die Veranlassung einer Tötung durch einen Menschen, der die Eigenschaften hat, die ihn nach den Regeln über die mittelbare Täterschaft zum „Werkzeug“ oder „Tatmittler“ machen. Wer von den beiden Beteiligten – mittelbarer Täter und Tatmittler – das Mordmerkmal erfüllen muss, hängt von dem konkret erfüllten Mordmerkmal ab. Die Mordmerkmale der 1. und der 3. Gruppe muss der mittelbare Täter selbst erfüllen, die Mordmerkmale der 2. Gruppe kennzeichnen die Art der Tatausführung und sind deshalb mit dem todesursächlichen Handeln des Werkzeugs verknüpft. Allerdings sind die Gesinnungskomponenten „feindselige Willensrichtung“ (Heimtücke) und „rohe, unbarmherzige Gesinnung“ (Grausamkeit) Strafbarkeitsvoraussetzungen, die der mittelbare Täter persönlich erfüllen muss. Die Rolle des „Werkzeugs“ kann ein Totschläger einnehmen, der selbst aus § 212 StGB strafbar ist, aber kein Mordmerkmal erfüllt. Man spricht bei einer solchen Konstellation vom „Täter hinter dem Täter“.[229] Die „Überlegenheit“ des Hintermannes ergibt sich in einem solchen Fall daraus, dass er allein das erhöhte Unrecht des Mordes verwirklicht.[230] Die Konstellation des Zusammenwirkens eines Mörders mit einem Totschläger kann jedoch auch als Mord in Mittäterschaft (§§ 211, 25 Abs. 2 StGB) behandelt werden. Denn selbst die Rechtsprechung hält es für möglich, dass jemand Mittäter eines Mordes ist, obwohl sein Komplize nur den Tatbestand des Totschlags erfüllt. „Mittäter begehen gemeinschaftlich ‚die Straftat‘ (§ 25 Abs. 2 StGB). Hierunter ist nicht ein bloßer einheitlicher geschichtlicher Vorgang, eine Tat im prozessualen Sinne zu verstehen; gemeint ist der Straftatbestand des sachlichen Rechts. Aber Mittäterschaft ist nicht akzessorisch, die rechtliche Beurteilung der einzelnen Tatbeiträge kann auseinanderfallen. Die gemeinsame Straftat im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB setzt deshalb nicht notwendig die Verletzung (nur) des gleichen Strafgesetzes voraus. Bei Verletzung unterschiedlicher Strafnormen kann es sich um die gleiche Straftat handeln, wenn von jenen die eine vollständig in der anderen enthalten ist, die Täter insoweit also (auch) gemeinsam einen identischen Straftatbestand verletzen. Wird der von beiden Beteiligten erfüllte Tatbestand bei einem Täter, dem zusätzliche Merkmale zuzurechnen sind, durch einen weitergehenden Tatbestand verdrängt, so bedeutet das nicht, daß auch bezüglich des gemeinsam erfüllten Delikts verschiedene ‚Straftaten‘ begangen worden sind – es handelt sich vielmehr um einen Fall von Gesetzeskonkurrenz. Die in beiden Tatbeständen gleichermaßen enthaltene einheitliche Straftat kann demnach in Mittäterschaft begangen werden. Wenn das Zusammenwirken insoweit auf gegenseitigem Einverständnis beruht, wird bei arbeitsteiliger Tatbegehung ein Mangel im objektiven Tatbestand durch die Zurechnungsnorm des § 25 Abs. 2 StGB ausgefüllt. Jede rechtsverletzende Handlung eines Beteiligten, die über dieses Einverständnis hinausgeht, ist nur diesem (als Einzeltäter) zuzurechnen.“[231]

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Ist an der Tötungstat ein Anstifter oder Gehilfe beteiligt, kommt bei einigen Mordmerkmalen § 28 StGB zur Anwendung. Da die verschiedenen Mordmerkmale in einem unterschiedlich stark ausgeprägten Bezug zur Person des Täters oder zur Ausführung der Tötungstat stehen, erfasst der Anwendungsbereich des § 28 StGB nicht alle Mordmerkmale. Nach h.M. sind „besondere persönliche“ Merkmale i.S.d. § 28 StGB die Mordmerkmale der 1. und der 3. Gruppe.[232] Die Mordmerkmale der 2. Gruppe sind tatbezogen und unterfallen daher dem § 28 StGB nicht.[233] Verwirklicht der Täter das Mordmerkmal „heimtückisch“, „grausam“ oder „mit gemeingefährlichem Mittel“, ist auch der Anstifter oder Gehilfe aus § 211 StGB strafbar, sofern sein Vorsatz die Mordmerkmalserfüllung durch den Täter umfasst.[234] Kompliziert ist die Rechtslage, wenn der Teilnehmer von der Erfüllung des tatbezogenen Mordmerkmals durch den Täter keine Kenntnis hat, aber selbst ein personenbezogenes Mordmerkmal erfüllt (dazu unten). Bei den personbezogenen Mordmerkmalen kommt dem Anstifter und Gehilfen § 28 StGB zugute, wenn er ein solches Mordmerkmal nicht persönlich erfüllt. Immer noch ist zwischen Rechtsprechung und Lehre streitig, ob § 28 Abs. 1 oder § 28 Abs. 2 StGB die richtige Norm ist. Der Bundesgerichtshof steht auf dem Standpunkt, dass Mord und Totschlag zwei eigenständige Tatbestände seien, die von der Dogmatik nicht in eine Grundtatbestands-Qualifikations-Beziehung gedrängt werden könnten.[235] Konsequenz dieser Sichtweise ist die Einschlägigkeit des § 28 Abs. 1 StGB. In der Literatur herrscht demgegenüber schon lange die Auffassung vor, dass Totschlag der Tötungsgrundtatbestand sei, auf dem Mord als Qualifikation aufbaue.[236] Daraus folgt, dass Mordmerkmale die Strafbarkeit nicht begründen, sondern schärfen und somit § 28 Abs. 2 StGB anzuwenden sei.[237]

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Im Einzelnen sind folgende Kombinationen zu unterscheiden:[238] (1) Der Täter verwirklicht ein personenbezogenes Mordmerkmal (z.B. Habgier), der Teilnehmer nicht. Nach der Rechtsprechung ist der Teilnehmer aus § 211 StGB strafbar, wobei gemäß § 28 Abs. 1 StGB seine Strafe zu mildern ist. Die h.M. in der Literatur legt der Bestrafung des Teilnehmers § 212 StGB zugrunde, § 28 Abs. 2 StGB.[239] (2) Der Täter verwirklicht kein Mordmerkmal, der Teilnehmer verwirklicht ein personenbezogenes Mordmerkmal. Nach der Rechtsprechung sind Täter und Teilnehmer aus § 212 StGB zu bestrafen. Die Literatur bestraft den Täter aus § 212 StGB und den Teilnehmer aus § 211 StGB.[240] (3) Der Täter verwirklicht ein tatbezogenes Mordmerkmal, wovon der Teilnehmer keine Kenntnis hat. Der Teilnehmer verwirklicht ein personenbezogenes Mordmerkmal. Die Rechtsprechung kann den Teilnehmer nur aus § 212 StGB bestrafen, obwohl er selbst ein Mordmerkmal verwirklicht. Stellt sich der Teilnehmer irrtümlich vor, der Täter verwirkliche ein personenbezogenes Mordmerkmal, soll nach der Rechtsprechung versuchte Teilnahme (Anstiftung, § 30 Abs. 1 StGB) am Mord gegeben sein.[241] Die Literatur hat wegen § 28 Abs. 2 StGB keine Probleme mit der Strafbarkeit des Teilnehmers aus § 211 StGB. (4) Täter und Teilnehmer verwirklichen unterschiedliche personenbezogene Mordmerkmale. Hier operiert die Rechtsprechung mit der gekünstelten Konstruktion „gekreuzter Mordmerkmale“[242] und vermeidet so die Strafmilderung gemäß § 28 Abs. 1 StGB.[243] Voraussetzung dafür sei aber, dass der Teilnehmer Vorsatz bezüglich des vom Täter verwirklichten – anderen – personenbezogenen Mordmerkmals hat.[244] Bei Fehlen dieser Kenntnis kommt demnach nur Strafbarkeit aus § 212 StGB in Betracht. Das vom Teilnehmer selbst verwirklichte Mordmerkmal könne nur bei der Strafzumessung berücksichtigt werden.[245] Die Literatur bestraft den Teilnehmer in jedem Fall aus § 211 StGB.[246]

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Die unterschiedliche dogmatische Behandlung der persönlichen Mordmerkmale durch Rechtsprechung und Literatur wirkt sich auch in Fällen des § 30 StGB aus. Nach der Rechtsprechung ist der Versuch einer Anstiftung zu einer Tötung, die nur der Täter aus Habgier begehen soll, versuchte Anstiftung zum Mord, die aus einem Strafrahmen geahndet wird, der wegen § 28 Abs. 1 StGB und § 30 Abs. 1 S. 2 StGB zweimal gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3 StGB zu mildern ist: sechs Monate bis elf Jahre und neun Monate Freiheitsstrafe.[247] Nach der Literatur ist der Anstifter aus §§ 212, 30 Abs. 1 StGB zu bestrafen. Der zugrunde liegende Strafrahmen beruht auf einer einmaligen Milderung gemäß § 30 Abs. 1 S. 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 StGB und reicht von zwei Jahren bis elf Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe, § 49 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 StGB. Im umgekehrten Fall – nur der Anstifter handelt aus Habgier – kommt die Rechtsprechung zur Strafbarkeit aus §§ 212, 30 Abs. 1 StGB mit einem – gemäß § 30 Abs. 1 S. 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 StGB einmal gemilderten – Strafrahmen von zwei Jahren bis elf Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe. Nach der Literatur ist der Anstifter hingegen wegen versuchter Anstiftung zum Mord (§§ 211, 30 Abs. 1 StGB) aus einem – gemäß § 30 Abs. 1 S. 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB einmal gemilderten – Strafrahmen von drei bis 15 Jahren Freiheitsstrafe zu bestrafen, § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Den offenkundigen Wertungswiderspruch – bei §§ 212, 30 Abs. 1 StGB höhere Mindeststrafe als bei §§ 211, 30 Abs. 1 StGB – versucht die Rechtsprechung mittels einer „Sperrwirkung“ der Strafrahmenuntergrenze der versuchten Anstiftung zum Totschlag zu verhindern.[248]

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