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cc) Zur Verdeckung einer anderen Straftat

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Dieses Mordmerkmal steht in einem nicht unproblematischen Spannungsverhältnis zu dem Selbstbegünstigungsprinzip, dem im Strafrecht grundsätzlich täterprivilegierende Relevanz zukommt.[215] Jedenfalls wenn der Täter eine eigene Straftat verdecken will, geht es ihm darum, durch die Tötung die ihm drohenden strafrechtlichen Konsequenzen der anderen Tat abzuwenden. Er begeht also den Versuch einer Strafvereitelung zu eigenen Gunsten, die den objektiven Tatbestand des § 258 Abs. 1 StGB nicht erfüllt. Letzteres ist Ausfluss des Selbstbegünstigungsprinzips. Beim Verdeckungsmord überwiegt hingegen die besondere Verwerflichkeit und auch Feigheit des Täters, der nicht für seine Verfehlung einstehen will und ein anderes Menschenleben opfert, um sich der Verantwortung zu entziehen:[216] „§ 211 StGB will bestimmte, ob des Beweggrundes, der Ausführungsart oder des Zwecks besonders verwerfliche Fälle der Tötung als Mord geahndet wissen. Als besonders verwerflich sieht das Gesetz auch die Vernichtung eines Menschenlebens zum Zwecke der Verdeckung einer anderen Straftat an (der eigenen des Täters oder einer fremden), weil eine solche Tat im höchsten Maße gewissenlos und verabscheuungswürdig ist.“[217] Die Lebenswirklichkeit zeigt, dass dies nicht stimmt, jedenfalls trifft das Urteil „verabscheuungswürdig“ nicht in jedem Fall zu. Schon die mangelnde Differenzierung zwischen der Verdeckung einer eigenen Tat und der Verdeckung der Tat eines Dritten[218] hält der Abscheu-Probe nicht stand. Unverhältnismäßig ist die lebenslange Freiheitsstrafe vor allem bei Taten, deren Täter in einem Näheverhältnis zum begünstigten Vortäter steht. Tötet der Vater, um die Straftat seines Sohnes zu verdecken, ist das zweifellos vorwerfbares Tötungsunrecht und deshalb als Totschlag strafbar. Höchststrafwürdig ist diese Tat aber nicht. Daher ist dieses Mordmerkmal im Lichte der absoluten lebenslangen Freiheitsstrafe neben der Heimtücke den stärksten Bedenken ausgesetzt. Eine restriktive Auslegung ist geboten. Dafür gibt es eine Reihe von Ansätzen, z.B. bei der Bestimmung dessen, was durch die Verdeckung verhindert werden soll. Nach zutreffender Ansicht bedeutet „Verdeckung“ die Verhinderung der Kenntniserlangung anderer von der Straftat oder der Identität des Täters. Relevant sind allerdings nur Kenntniserlangungen, von denen der Täter fürchtet, dass sie Auslöser einer Strafverfolgung sein können. Eine Straftataufdeckung, die der Täter vermeiden will, weil ihn der drohende Verlust gesellschaftlichen Ansehens stört, reicht nicht.[219] Aber auch hier ist zu bedenken, dass Gerichte auf die sonstigen niedrigen Beweggründe zurückgreifen könnten.[220]

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Hochumstritten ist, ob Mord mit Verdeckungsabsicht als unechtes Unterlassungsdelikt begangen werden kann und von welchen Voraussetzungen das abhängt.[221] Der BGH hatte in einer früheren Entscheidung die Verwirklichung dieses Mordmerkmals in einem Fall verneint, in dem der Verursacher eines Verkehrsunfalls sich vom Unfallort entfernt hatte, um auf diese Weise der Strafverfolgung zu entgehen. Das schwer verletzte Unfallopfer, dem gegenüber der Täter aus Ingerenz eine Garantenstellung hatte, verstarb infolge der schweren Verletzungen. Höchstwahrscheinlich wäre der Verletzte auch gestorben, wenn der Täter sich pflichtgemäß sofort um Rettung bemüht hätte.[222] Der Täter hatte es für möglich gehalten, dass unverzügliche Rettungsmaßnahmen lebenserhaltend gewesen wären. Der BGH interpretierte das Mordmerkmal „Verdeckungsabsicht“ so, dass der Tod des Opfers für den Täter das Mittel zur Verdeckung der anderen Straftat sein müsse. Daran fehle es, wenn es dem Täter zur Vermeidung der Tataufdeckung nicht unbedingt auf den Tod des Opfers ankomme, weil dieses keine ihn belastende Beobachtungen hatte machen können: „Er hat demgemäß den als möglich vorausgesehenen Tod des Verunglückten nicht als Mittel zur Verdeckung des Unfalls eingesetzt, sondern nur als Folge der Flucht in Kauf genommen. Solche pflichtwidrige Gleichgültigkeit gegenüber fremdem Leben ist zwar wie jeder Tötungsvorsatz verwerflich; ihr mangelt aber die Kennzeichnung besonderer Verwerflichkeit, die sich im Sinne des Gesetzes dann ergäbe, wenn sich der Täter gerade durch die Vernichtung des Lebens strafrechtlicher Verantwortung hätte entziehen wollen. Der innere Tatbestand des Mordes ist auch deshalb nicht erfüllt, weil der Angeklagte die Hilfeleistung nicht unterlassen hat, um die fahrlässige Tötung zu verdecken. Der Täter, der sich – wie der Angeklagte – bloß vom Tatorte entfernt, verdeckt dadurch noch nicht die Tat. Der Begriff des Verdeckens hat nämlich einen anderen Inhalt als den des Nichtaufdeckens. Zu ihm gehört, wie die Grundbedeutung des Wortes richtig erkennen lässt, ein Zudecken der Tat, also ein Unkenntlichmachen von Tatspuren oder ein Unschädlichmachen von Menschen, die zur Aufdeckung beitragen könnten. Wer die Pflicht zur Abwendung des tödlichen Erfolges seiner eigenen Straftat nur deshalb verabsäumt, um seine Täterschaft nicht selbst aufzudecken, will somit die Tat nicht verdecken, sondern bloß dem Geschehen seinen Lauf lassen. Sein pflichtwidriges Unterlassen, Hilfe zu leisten und damit sich selbst der Strafverfolgung zu überantworten, erreicht nicht den Unrechtsgehalt der besonderen Verwerflichkeit, der den Begehungsformen des Mordes insgesamt eigen ist.“[223]

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Die Entscheidung ist in der Literatur überwiegend auf Ablehnung gestoßen[224] und auch der BGH selbst ist von ihr später abgerückt. Die Verneinung der Verdeckungsabsicht in diesem Fall ist aber richtig, wenngleich dies vom BGH missverständlich begründet worden ist. Der wahre Grund ist, dass der Straftatverdeckungserfolg nach der Vorstellung des Täters nicht auf einer „Tötung“ (durch Unterlassen) beruht.[225] Es fehlt also der Kausalzusammenhang zwischen dem todesverursachenden Verhalten und dem erstrebten Verdeckungserfolg. Im subjektiven Tatbestand genügt dolus eventualis bezüglich der Tötung. Mit dem Erfordernis des dolus directus 1. Grades hinsichtlich des Verdeckungserfolges ist das nicht unvereinbar. Der Täter kann den Verdeckungserfolg unbedingt erstreben und dennoch den Tod des Opfers nur billigend in Kauf nehmen, wenn dieser Erfolg für ihn nicht als unverzichtbare Bedingung der Straftatverdeckung erscheint.[226]

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