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f) Versuch

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Straflos ist der Versuch der grundtatbestandsmäßigen Aussetzung.[312] Daraus folgt trotz vollständiger Erfüllung des objektiven Tatbestandes Straflosigkeit, wenn die Tat objektiv gerechtfertigt ist, der Täter die Erfüllung der objektiven Merkmale eines Rechtfertigungsgrundes aber nicht erkennt (z.B. Versetzung eines Angreifers durch eine objektiv erforderliche Verteidigung i.S.d. § 32 StGB in eine hilflose Lage[313]). Die Qualifikationen des § 221 Abs. 2 und Abs. 3 StGB sind Verbrechen i.S.d. § 12 Abs. 1 StGB. Gemäß § 23 Abs. 1 StGB folgt daraus die Versuchsstrafbarkeit. Unbestritten ist das in Bezug auf § 221 Abs. 2 Nr. 1 StGB.[314] Sehr kontrovers ist die Position der Strafrechtslehre zur Versuchsstrafbarkeit bei § 221 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 StGB. Grund des Streits ist die Straflosigkeit des Grunddeliktsversuchs. Nach h.M. kann die Verursachung einer schweren Folge durch den Versuch des Grunddelikts strafbar nur sein, wenn schon der grunddeliktische Versuch strafbar ist. Denn die schwere Folge müsse Voraussetzung für eine „schwerere Strafe“ sein. Dem Erfolg „schwere Gesundheitsschädigung“ (§ 221 Abs. 2 Nr. 2 StGB) und „Tod“ (§ 221 Abs. 3 StGB) wüchse hingegen strafbarkeitsbegründende Wirkung zu, wenn die Strafbarkeit des erfolgsqualifizierten Aussetzungsversuchs anerkannt würde. Das widerspräche § 18 StGB, wonach die schwere Folge eine „schwerere Strafe“ begründen müsse, was nur möglich sei, wenn schon das Grunddelikt strafbar ist.[315] Diese rechtlichen Konsequenzen lassen sich aus § 18 StGB aber nicht herleiten. Die Formel „Knüpft das Gesetz an eine besondere Folge der Tat eine schwerere Strafe“ hat lediglich gesetzestechnische Verweisungsfunktion und ist Ersatz für die Aufzählung der BT-Vorschriften, auf die § 18 StGB anwendbar sein soll: §§ 176b, 221 Abs. 3, 226 Abs. 1, 227, 235 Abs. 5 StGB usw. Die gesetzliche Festlegung, dass der Eintritt der schweren Folge nicht die Strafbarkeit eines per se straflosen Versuchs begründen dürfe, lässt sich dem § 18 StGB nicht entnehmen. Daher ist die Möglichkeit eines strafbaren Aussetzungsversuchs mit der schweren Folge des § 221 Abs. 2 Nr. 2 oder § 221 Abs. 3 StGB anzuerkennen.[316] Fraglich ist allerdings, ob der bloße Aussetzungsversuch Grundlage des erforderlichen Gefahrverwirklichungszusammenhangs sein kann. Das hängt davon ab, ob sich in der schweren Folge die Aussetzungserfolgsgefahr verwirklicht haben muss oder ob es reicht, wenn sich in der schweren Folge die Aussetzungshandlungsgefahr verwirklicht. Da die schwere Gesundheitsschädigung oder der Tod stets auf einem Kausalverlauf beruht, der das Durchgangsstadium der konkreten Gefahr der schweren Gesundheitsschädigung oder des Todes durchlaufen hat, reduziert sich das Problem auf Fälle, in denen die tatsächliche konkrete Gefahr nicht vom Vorsatz des Täters erfasst war. Hier stellt sich die Frage, ob der Anknüpfungspunkt für den Gefahrverwirklichungszusammenhang vorverlagert werden kann auf die Aussetzungshandlung. Dafür spricht vor allem die frühere Fassung des § 221 Abs. 3 StGB, in der ausdrücklich die „Handlung“ als Ursache von schwerer Körperverletzung oder Tod und zudem das Opfer als „ausgesetzte oder verlassene Person“ bezeichnet wurde. Dies trägt die Deutung, dass schon der Zustand des Ausgesetzt- oder Verlassenseins als relevante Quelle der schweren Folge anerkannt war und es auf den Zwischenerfolg der konkreten Gefährdung nicht ankam. Als strafbarer Aussetzungsversuch mit Todesfolge könnte demnach z.B. der Fall bewertet werden, dass das in hilfloser Lage verlassene, aber noch nicht konkret gefährdete Opfer in Panik durch den finsteren Wald irrt und dabei einen steilen Abhang hinabstürzt.

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