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II. Menschenwürde

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Verfassungswidrig sind Eingriffe in Leben oder körperliche Unversehrtheit, wenn sie die von Art. 1 GG geschützte Menschenwürde verletzen; nicht jede Tötungshandlung berührt oder verletzt aber die Menschenwürde, sondern vielmehr kann sich ein Verstoss nur aus den konkreten Umständen der Eingriffshandlung ergeben.[16] Damit stellt etwa die Beendigung des eigenen Lebens in Form einer Selbsttötung aufgrund eines selbstverantwortlichen freien Willensentschlusses keinen Verstoss gegen die Menschenwürde dar, sondern findet vielmehr in ihr eine Grundlage.[17] Die Menschenwürde umfasst auch das Recht, am Lebensende über die Einleitung oder Fortsetzung lebensverlängernder Massnahmen zu entscheiden.[18] Dasselbe gilt für die Verabreichung schmerzlindernder Medikamente an einen Todkranken oder Sterbenden, deren unvermeidliche, aber auch unbeabsichtigte Folge ein früherer Todeseintritt ist (sog. indirekte Sterbehilfe).[19] Da die Menschenwürde dann verletzt ist, „wenn der konkrete Mensch zum Objekt, zu einem blossen Mittel, zur vertretbaren Grösse herabgewürdigt wird“[20], ist nicht erstaunlich, dass gerade die Menschenwürde als Argument für eine Entkriminalisierung der Sterbehilfe angeführt wird, da gerade durch die Respektierung des Sterbewunsches und damit der Selbstbestimmung das Individuum nicht als beliebiges Objekt behandelt wird.[21]

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In der EMRK findet sich der Begriff der Menschenwürde nicht, wobei das Folterverbot gemäss Art. 3 EMRK, das Verbot von Sklaverei und Zwangsarbeit gemäss Art. 4 Abs. 1 EMRK sowie das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäss Art. 8 EMRK als Konkretisierung des Menschenwürdesatzes verstanden werden.[22] Auf der Basis dieser Normen wurde mit der Rechtsprechung des EGMR ein konventionsrechtlicher Menschenwürdeansatz herausgebildet und mit der Entscheidung Pretty vs. United Kingdom nochmals präzisiert: Art. 3 EMRK verbietet Handlungen, welche es an „Achtung für die Menschenwürde fehlen“ lassen.[23] Wenn sich die Schmerzen und Qualen einer sterbenden Person nicht auf eine „Behandlung“ i.S.v. Art. 3 EMRK zurückführen lassen, kann die Vorschrift zwar nicht direkt angewendet und deshalb dem Staat nicht die Verpflichtung auferlegt werden, ärztliches Handeln mit dem Ziel, Menschen gemäss deren Willen von als menschenunwürdig empfundenen Schmerzen und Qualen zu befreien, zuzulassen, jedoch solches Handeln immerhin legitimiert werden.[24]

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