Читать книгу Konstruktive Rhetorik - Jürg Häusermann - Страница 17

5Reden entstehen geplant

Оглавление

Der Chirurg Ferdinand Sauerbruch hatte keine Probleme damit, seine Kollegen und Mitarbeiter im direkten Gespräch zu beeindrucken. Bevor er aber seine Vorlesung an der Universität Zürich hielt, war er so aufgeregt, dass er um das Hörsaalgebäude laufen musste, um sich zu beruhigen.33 Loriot, der Humorist, der jede Alltagssituation souverän karikieren konnte, entwickelte vor seinen Bühnenauftritten ein so starkes Lampenfieber, dass er gegen Ende seiner Laufbahn seinen guten Freund Otto Sander bat, für alle Fälle als Ersatz bereitzustehen.34 Es half weder Sauerbruch noch Loriot, zu wissen, dass ihre Zuhörenden sie fast bedingungslos akzeptierten, wenn sie am Rednerpult oder auf der Bühne standen. Dennoch nahmen sie die Schwelle zum öffentlichen Auftritt immer wieder auf drastische Weise wahr.

Lampenfieber und Redeangst bestimmen viele Berichte über das öffentliche Reden. Wenig beachtet wird dabei die Tatsache, dass wir in den allermeisten Redesituationen frei von Lampenfieber sind: beim Reden im Gespräch von Gleich zu Gleich. „Im Gespräch mit ihm fühle ich mich wohl“, heißt es oft. Und in den meisten Fällen denkt man nicht einmal darüber nach. Klar, denn im Alltagsgespräch braucht man keine Sorge zu haben, ob das Gesagte „gut“ oder „korrekt“ formuliert ist. Die anderen werden nicht als Publikum verstanden, sondern als Gesprächspartner. Sie helfen bei Bedarf auch aus, vervollständigen einen Satz oder Gedanken und nehmen dadurch der Situation den Druck, den man allenfalls empfinden könnte. Es ist ein dialogisches Sprechen, ein Miteinander.

Öffentliches Reden aber behindert Spontaneität. Reden entstehen unter dem Vorzeichen eines zu erreichenden Redeziels und sind deshalb immer zu einem gewissen Grad vorbereitet. Vier wichtige Aspekte, in denen sich die Redeproduktion vom nichtöffentlichen Gespräch unterscheidet, sollen hier behandelt werden:

der psychische Übergang vom Unauffälligen des Alltäglichen zum Exponierten der Ausnahmesituation, der sich in Lampenfieber äußert,

die geistige Vorbereitung, die notwendig ist, damit die Rede ein Publikum verdient,

der Einfluss früherer Texte auf die eigene Sprache und Redeweise,

die Ausrichtung der Rede auf ein einziges Ziel.

Konstruktive Rhetorik

Подняться наверх