Читать книгу Ketzerei und Inquisition im Mittelalter - Jörg Oberste - Страница 25

Q

Оглавление

Aus dem Brief Papst Gregors des Großen an König Theudebert, 601

(Reg. XI, Nr. 50, hg. v. L. Hartmann, MGH. Epist. II, S. 323).

Daher sollt Ihr auf Befehl unseres Gottes mit Eifer darauf hinwirken, eine Synode einzuberufen, damit von den Priestern das körperliche Laster und die Ketzerei der Simonie, die zuerst in der Kirche durch neidische Missgunst entstanden sind, durch eure Allgewalt und den Spruch des Konzils weggenommen und an den Wurzeln gänzlich abgeschnitten werden. […] Denn in eurem Königreich wird alles gut gedeihen, wenn das, was gegen Gott in diesen Gebieten gerichtet ist, durch eure Vortrefflichkeit gebessert wird.

Laienreligiosität

Neben disziplinarischen Problemen im Klerus bildeten Einzelgänger mit laikalem Anhang eine weitere Konstante der frühmittelalterlichen Kirchengeschichte, auch wenn daraus dem Westen noch keine größeren Ketzerbewegungen erwuchsen. In verschiedenen Zeugnissen des kirchlichen Alltags im Frankenreich begegnen solche Einzelgänger, oft verbunden mit der Ablehnung von Gebräuchen der Kirche oder mit Motiven des Heiligen- und Wunderglaubens. Die Briefe des angelsächsischen Missionars Winfrid-Bonifatius (†754) geben Auskunft über zweifelhafte Wanderprediger, die im Frankenreich Gehör und Anhang fanden. In den Predigten eines gewissen Aldebert, eines Galliers niederer Herkunft, werde die Heilswirkung guter Werke wie Wallfahrten und Beichten geleugnet. Er selbst zeige bei seinen Predigten einen Himmelsbrief vor. Die zumeist bäuerliche Menge verehre ihn wie einen Heiligen; er selbst verteile Fingernägel und Haarsträhnen von sich als Reliquien, wie Bonifatius kritisch vermerkte (Brief 77). Gemeinsam mit Aldebert ließ Bonifatius im Oktober 745 in Rom den „Pseudopropheten“ Klemens verurteilen. Dieser war ein irischer Wanderprediger, der sich selbst als Bischof bezeichnete und im offenen Konkubinat mit der Witwe seines Bruders lebte. Über Sündenvergebung und Prädestination soll er „schreckliche, glaubenswidrige Lehren“ verbreitet haben (Briefe 57, 59). Zeitgleich war die Laienreligiosität noch immer stark von paganen Vorstellungen und Bräuchen durchsetzt. In Spanien waren vor der muslimischen Eroberung Quellenkulte, magische Praktiken und heidnische Totenriten an der Tagesordnung, wie die Provinzialkonzilien von Toledo zwischen 589 und 693 bezeugen. Auch im Frankenreich waren solche Riten nicht ausgestorben, wie die Aufzählungen der Synode von Estinnes und des Indiculus superstitionum aus der Mitte des 8. Jahrhunderts dokumentieren.

Die christologischen Auseinandersetzungen, die in der Nachfolge der ersten vier allgemeinen Konzilien (325–451) dem Thema der Häresie in der östlichen Welt eine bleibende Aktualität sicherten, stießen im lateinischen Westen nicht auf dieselbe Resonanz. Der Prozess der Abtrennung und Germanisierung des westlichen Reichsteils erschwerte die Kommunikation und orientierte die westliche Kirche unter Leitung der Bischöfe von Rom zunehmend auf ihre eigenen Probleme und Bedürfnisse. Gleichwohl haben sich westliche Stimmen nach dem Vorbild Papst Leos I. immer wieder auch in dogmatische Debatten eingeschaltet. Spürbare Konsequenzen für die westliche Kirche hatte zuerst der von Byzanz ausgehende Drei-Kapitel-Streit (s. Kap. II.2.a). Aus Protest gegen Papst Vigilius (537–555), der einer umstrittenen Disziplinarentscheidung Kaiser Justinians I. gegen drei angeblich nestorianische Bischöfe in Syrien zustimmte, hatten sich in Afrika und Italien eine Reihe von Bischöfen vom Gehorsam gegenüber dem Papst losgesagt. Erst eine Versöhnungssynode zu Pavia vermochte es, am Ende des 7. Jahrhunderts, die westliche Kircheneinheit wiederherzustellen.

Gelehrte Dispute in der Karolingerzeit

Die Förderung schulischer Studien und klösterlicher Gelehrsamkeit befruchtete die theologische Debatte in der westlichen Kirche der Karolingerzeit. In der spanischen Mark brachten die Bischöfe Felix von Urgel (†816/18) und Elipandus von Toledo (†um 802) in die chalkedonische Formel von den zwei Naturen in einer Person eine adoptianistische Vorstellung ein: Von den beiden Naturen des Sohnes sei die menschliche Natur durch gnadenhafte Adoption des Vaters in göttlichen Rang erhoben worden. Auf Synoden in Frankfurt (794) und Aachen (799) verurteilte der fränkische Episkopat mit päpstlicher Billigung die neue Lehre aus Spanien als Ketzerei. Alkuin, der angelsächsische Lehrmeister am Hof Karls des Großen, und Paulinus von Aquileja veröffentlichten um 800 ihre Widerlegung des Adoptianismus. Felix von Urgel starb in fränkischer Klosterhaft. Auf der Frankfurter Synode von 794 wurde nicht nur der Adoptianismus als Häresie abgestempelt, sondern auch Stellung zum vorläufigen Ende des Bilderstreites in Konstantinopel bezogen. Hier war während des 8. Jahrhunderts eine scharfe bilderfeindliche Strömung (Ikonoklasmus) von den Kaisern gegen westlichen Einspruch gefördert worden (s. Kap. II.2.a). Erst das von Kaiserin Irene einberufene allgemeine Konzil von Nizäa (787) fand in der Frage einen Kompromiss, indem man zwischen der ‚Anbetung‘ und ‚Verehrung‘ der Bilder unterschied. Letztere wurde mit Hinweis auf die Heiligkeit der dargestellten Personen erlaubt. Die als Gegenkonzil geplante Frankfurter Versammlung konnte sich allerdings mit ihrer eher verworrenen Position zur Bilderfrage bei Papst Hadrian I. (772–795) nicht durchsetzen.

Von der Eigenständigkeit der fränkischen Theologie unter dem Schirm Karls des Großen zeugt nicht zuletzt die Kontroverse um das Filioquezu Beginn des 9. Jahrhunderts. Die karolingischen Theologen Theodulf von Orléans und Smaragdus von St. Mihiel machten sich gegen die Positionen Konstantinopels und Roms eine alte westgotische Tradition zu eigen, nach welcher das nizäno-konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis um einen Zusatz ergänzt wurde. Dieser brachte zum Ausdruck, dass der Heilige Geist nicht nur vom Vater, sondern von Vater und Sohn (filioque) ausgehe. Trotz Karls Intervention zugunsten dieser Formel verweigerten Hadrian I. und sein Nachfolger Leo III. (795–816) ihr die päpstliche Anerkennung. Im späteren 9. Jahrhundert brach diese Kontroverse als Ausdruck der Konkurrenz zwischen der lateinischen und griechischen Kirche erneut aus. Anklänge an die griechische Theologie lassen sich auch in den Schriften des Bischofs Claudius von Turin (†827), eines Günstlings Kaiser Ludwigs des Frommen (814–840), finden. Claudius verwarf nicht nur den Gebrauch von Bildern im Gottesdienst, sondern er äußerte auch Zweifel an der Verehrung des Kreuzes, der Heiligkeit von Reliquien und der Wirksamkeit von Wallfahrten. Die Autorität des Papstes machte er von der guten Erfüllung seiner Amtspflichten abhängig. Zumindest die rationalistische Kritik am Reliquienund Pilgerwesen verband Claudius mit anderen führenden Gelehrten seiner Zeit, so etwa Alkuin oder Erzbischof Agobard von Lyon (†840). Dies mag erklären, warum der Bischof nicht wegen Ketzerei angeklagt wurde, auch wenn spätere Häretiker, so etwa die Waldenser des 12. Jahrhunderts, in ihm einen ihrer Vordenker sahen.

Abendmahlstreit

Im weiteren Verlauf des 9. Jahrhunderts kamen in der karolingischen Theologie Debatten um das Abendmahl und die Prädestination auf. Der Leiter der Klosterschule von Corbie, Paschasius Radbertus (†um 859), legte im Jahre 831 einen Traktat Über Leib und Blut des Herrn vor. Diese „erste dogmatisch bedeutsame nachantike Abhandlung zur Eucharistie“ (A. Angenendt) beantwortete die Frage nach dem Wesen von Brot und Wein im Abendmahl im Sinne einer Gleichsetzung mit dem historischen Fleisch und Blut Christi.

Ketzerei und Inquisition im Mittelalter

Подняться наверх