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Ikonoklasmus

Der byzantinische Ikonoklasmus (griech. eikon: ‚Bild‘ – klasis: ‚zerbrechen‘) hatte eine lange Tradition. Das Alte Testament hielt eine große Anzahl eindeutiger Bilderverbote bereit: „Du sollst dir kein Gottesbild machen und kein Bild von irgendetwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde“ (Exod. 20, 4–5). Auch in der frühchristlichen Theologie waren immer wieder Zweifel und Kritik an der religiösen Bildkunst geäußert worden, so bei Klemens von Alexandria oder Epiphanios von Salamis. Doch erst als die aufblühende Bilderverehrung im östlichen Mönchtum des 6. und 7. Jahrhunderts polemische Gegenreaktionen hervorrief, wurde die Bilderfrage zu einem offenen Politikum. Auf Kritik östlicher Bischöfe reagierend, erließ Kaiser Leon III. im Jahre 730 ein Edikt gegen den reichen Bilderkult in den Klöstern und Gemeinden. Realistische Christusdarstellungen hielten die Ikonoklasten für nestorianische oder monophysitische Häresie. Den gemäßigten Patriarchen Germanos I. von Konstantinopel (717–730, †733) drängten bilderfeindliche Bischöfe aus dem Amt. Unter Kaiser Konstantin V. (741–775) trat eine Synode von über 300 östlichen Bischöfen zusammen, die sich gemeinschaftlich auf das Programm des Ikonoklasmus festlegten und die Bilderverehrung allgemein dem Häresievorwurf aussetzten. Den Widerstand von Mönchen und Gemeindemitgliedern, die gegen die Vernichtung ihrer Heiligenbilder protestierten, brachen kaiserliche Truppen mit Gewalt. Da Heiligenreliquien oft in kostbaren Ikonen untergebracht waren, geriet bei den radikalen Ikonoklasten auch die Reliquien- und Heiligenverehrung in Misskredit. Unterdessen vermochte sich das römische Papsttum, das von Beginn an gegen den Ikonoklasmus Stellung bezogen hatte, im Osten kein Gehör zu verschaffen.

Die bedeutendste theologische Stellungnahme gegen die Bilderfeindlichkeit stammte aus der Feder des Syrers Johannes von Damaskus (†um 750), der in einem Handbuch über die Häresien auch die Ikonoklasten abhandelte. Erst unter dem Schutz der Kaiserin Irene (780–802) erreichten päpstliche Legaten auf dem siebten allgemeinen Konzil in Nizäa (787) einen Kompromiss in der Bilderfrage: Die ‚Verehrung‘ von Heiligenbildern blieb erlaubt, aber ihre ‚Anbetung‘ wurde als Götzendienst (Idolatrie) verworfen. Im Ergebnis muss man die Beschlüsse des Konzils von 787 als Sieg der bilderfreundlichen Partei ansehen, da sie der Zerstörung oder Übermalung von Fresken, Plastiken und Ikonen Einhalt geboten und den radikalen Ikonoklasmus als Häresie verurteilten. Die innenpolitischen Probleme der Kaiserin Irene, seit 780 zunächst Regentin für ihren unmündigen Sohn und nach dessen ihr selbst zur Last gelegten Ermordung 797 Alleinherrscherin, legten ihr eine ausgleichende Politik gegenüber dem römischen Papsttum nahe, das ihre Position in der Bilderverehrung unterstützte. Doch bereits unter Kaiser Leon V. (813–820) setzte sich die bilderfeindliche Politik in Konstantinopel erneut durch. Eine weitere Welle gewaltsamer Verfolgungen und Bilderzerstörungen beunruhigten die östliche Kirche bis zum Regierungsantritt der Kaiserin Theodora und ihres Sohnes Michael III. im Jahre 842.

Gewachsene Bedeutung des Papsttums

Vertretern des östlichen Mönchtums wie dem gelehrten Theodoros Studites erschienen die byzantinischen Kaiser dieser Epoche nicht mehr als die Hüter der Rechtgläubigkeit. Konstantinopel sei „der Nährboden der Häresie, da es daran gewöhnt ist, im Bruch mit den anderen Kirchen zu leben“, schrieb Theodoros aus seinem italienischen Exil um 820. Folglich richteten sich die Hoffnungen nicht nur des Westens, sondern auch bilderfreundlicher Kreise im Osten auf eine verstärkte Initiative des Papsttums, das mehr und mehr in die Rolle des wahren Hüters der Orthodoxie gelangte. Bezeichnenderweise ging es in dem 867 ausbrechenden Streit um das Filioque zwischen Papst Nikolaus I. (858–867) und Patriarch Photius von Konstantinopel (858–867 und 877–886) primär um die alte Frage des Vorrangs der römischen Kirche. Das schroffe Schreiben des Papstes an Kaiser Michael III., das im Jahre 865 unmissverständlich die römischen Ansprüche verteidigte und die Kaiserherrschaft auf weltliche Angelegenheiten festlegte, signalisierte das neue päpstliche Selbstverständnis im Zeichen der fränkischen Schutzherrschaft. Der Abstand zwischen Ost und West hatte sich erneut vergrößert:

Auszug aus dem Brief Papst Nikolaus’ I. an Kaiser Michael III., 28. September 865

(R. Mokrosch/H. Walz, Kirchen- und Theologiegeschichte in Quellen: Mittelalter, S. 47f.)

Wenn Ihr aber unsere Belehrung gering achtet und nur die Vorrechte der Römischen Kirche angreifen wollt, dann seht Euch vor, dass sie nicht gegen Euch gerichtet werden! […] Denn die Vorrechte der Römischen Kirche sind durch den Mund Christi dem seligen Petrus gegenüber bestätigt, in der Kirche selbst verankert, von alters her beachtet, von den heiligen allgemeinen Konzilien verkündet und von der ganzen Kirche zu allen Zeiten in Ehren gehalten worden. […] Ihr aber hört bitte auf, die Kirche Gottes zu schädigen. […] Wir verstehen absolut nicht, wie diejenigen, denen nur verliehen ist, menschliche Angelegenheiten zu lenken, aber keine göttlichen, sich das Recht herausnehmen können, über die zu richten, die für das Göttliche sorgen.

Der Ikonoklasmus des 9. Jahrhunderts war die letzte der großen dogmatischen Auseinandersetzungen in der östlichen Kirche des frühen Mittelalters, in deren Verlauf sich die Grundzüge eines orthodoxen Lehrgebäudes und eine Vielzahl davon abweichender Häresien herausgebildet hatten. Die Frage der Häresie wurde in diesem Prozess mit immer genaueren Definitionen und feineren Differenzierungen überfrachtet, die Sprache der Theologie nahm einen beinahe juridischen und technischen Charakter an. Vor den großen christologischen Debatten der zurückliegenden Jahrhunderte war die alte dualistische Häresie des Manichäismus zunehmend in den Hintergrund getreten. In den Kaisergesetzen Justinians noch mit der Todesstrafe bedroht, fanden sich in den folgenden Jahrhunderten nur noch an der östlichen Peripherie des byzantinischen Reiches gelegentliche Hinweise auf das Fortleben dualistischer Religionsvorstellungen. Für Anhänger des Dualismus hat sich in den mittelalterlichen Quellen – übrigens in Ost und West – der Sammelbegriff ‚Manichäer‘ erhalten, auch wenn an der Kontinuität zur Bewegung des Mani Zweifel angebracht sind. Solche ‚Neu-Manichäer traten seit dem 9. Jahrhundert wieder verstärkt in der östlichen Welt in Erscheinung.

Ketzerei und Inquisition im Mittelalter

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