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8.Entwicklung 1869 bis 1879
Оглавление8Die weitere Entwicklung schildert eindringlich die amtl. Begründung zur Novelle der Gewerbeordnung von 1879:21
„Pfandleiher und Rückkaufshändler betreiben, der rechtlichen Form nach, verschiedene Geschäfte; wirthschaftlich stehen beide Gewerbe sich nahe, sie sind auf die Befriedigung gleicher Bedürfnisse gerichtet und für den Verkehr mit denselben Bevölkerungsklassen bestimmt.
Der gewerbsmäßige Ankauf von Sachen unter Gewährung des Rückkaufsrechts für eine gewisse, in der Regel kurze Zeit und gegen einen gewissen, den Ankaufspreis in der Regel beträchtlich übersteigenden Preis, ist nach den übereinstimmenden Berichten der Behörden zur besonderen Entwickelung seit der Zeit gelangt, als das Gesetz vom 14. November 1867 die Höhe der vertragsmäßigen Zinsen im Allgemeinen freigegeben hatte.
Diese freiere Stellung hat es ermöglicht, das Rückkaufsgeschäft ungewöhnlich gewinnbringend zu gestalten; beispielsweise pflegt nach den aus größeren wie kleineren Städten vorliegenden Mittheilungen der Rückkaufshändler für die in Form des Kaufpreises dargeliehene Summe in der Gestalt des höheren Rückkaufspreises eine Vergütung zu beziehen, welche sich, für das Jahr berechnet, auf 60 bis über 100 Prozent stellt. So ist es denn zu verstehen, daß alle auf diesem Gebiete thätigen Gewerbetreibenden, welche in der möglichsten Freiheit des Geschäftsbetriebes ihren Vortheil erblickten, von dem Pfandleihgeschäfte ab und zu dem Rückkaufsgeschäfte übergingen und dass die Zahl der Rückkaufshändler rasch und beträchtlich stieg. In Berlin wird die Zahl der Rückkaufshändler zur Zeit bereits auf das Sechsfache von derjenigen der Pfandleiher angenommen. Ueberall, wo diese Entwickelung zu Tage getreten ist, darf man sagen, daß das Pfandleihgewerbe hauptsächlich unter der Form des Ankaufs von Sachen mit der Gewährung des Rückkaufsrechts betrieben wird.
Die hier geschilderte Entwicklung ist nicht allerwärts hervorgetreten. In Landesteilen, in welchen das Pfandleihgewerbe Beschränkungen in Ansehen der Vergütung für die gewährten Darlehen nicht unterlag und wo auch die sonstigen Betriebsbeschränkungen weniger empfindlich waren, fehlte der dringende Anlaß, diese Betriebsform mit einer anderen zu vertauschen. Demgemäß hat sich dort das Rückkaufsgeschäft weniger entwickelt. Statt dessen hat aber das Pfandleihgewerbe, seitdem die Gewerbeordnung die Zulassung zu demselben im wesentlichen freigegeben hat, einen Aufschwung genommen, welcher der unverhältnismäßigen Entwickelung des Rückkaufsgeschäfts in anderen Gegenden durchaus zur Seite tritt.
Seit Einführung der Gewerbeordnung ist das Pfandleihgewerbe von einer solchen Genehmigung nicht mehr abhängig, damit aber auch von allen materiellen Beschränkungen des Geschäftsbetriebes befreit und nur noch der Kontrolle unterworfen, welche nach § 38 der Gewerbeordnung den Polizeibehörden eingeräumt ist. Die Freiheit, welche auf diese Weise dem Pfandleihgewerbe zu Teil wurde, brachte dasselbe in den Genuss aller derjenigen geschäftlichen Vorteile, welche in anderen Landesteilen nur das Rückkaufsgeschäft besaß. Wie dieses dort, wurde das Pfandleihgewerbe hier sehr bald in besonderem Maße gewinnbringend. Die von den Pfandleihern genommenen Zinsen betragen gegenwärtig in München durchschnittlich 10 Prozent, in anderen Städten noch mehr, für den Monat.
Die Landesgesetzgebung gab früherhin meistenteils den Behörden die Befugnis, alle Personen von diesem Gewerbebetrieb auszuschließen, von welchen nach ihrem Ruf oder ihrer Vergangenheit eine Ausbeutung des die Pfandleihgeschäfte angehenden Publikums oder die Begünstigung des Vertriebes gestohlener und unterschlagener Sachen besorgt werden durfte. Die Gewerbeordnung gestattet dies nur solchen Personen gegenüber, welche wegen eines aus Gewinnsucht begangenen Vergehens oder Verbrechens gegen das Eigentum bestraft worden sind. Die dadurch geschaffene größere Freiheit konnten sich namentlich Unternehmer zu Nutzen machen, welche nicht bedenklich waren und das Geschick besaßen, die durch Not oder Leichtsinn geschaffene Zwangslage der sie angehenden Geldbedürftigen zu eigenem Vorteil möglichst auszubeuten. Aus einer größeren Stadt Preußens ist die Tatsache berichtet, dass von den dort vorhandenen 15 Rückkaufshändlern und Pfandleihern 8 wegen solcher Handlungen bestraft sind, welche zwar nicht unter die Begriffsbestimmung des § 35 Abs. 2 der Gewerbeordnung fallen, gleichwohl aber diese Personen für den fraglichen Geschäftsbetrieb als nicht geeignet erscheinen lassen. Anderwärts haben Dirnen, welche wegen gewerbsmäßiger Unzucht bestraft worden sind, diesem Gewerbebetrieb sich zugewendet.“