Читать книгу Archäologische Denkmalpflege - Jürgen Kunow - Страница 3
1 Einleitung
ОглавлениеEs mag ein etwas ungewöhnlicher Anfang für ein Buch sein, zunächst zu betonen, was es nicht sein will: Dieses Buch ist keine allgemeine Einführung in die hiesige Archäologie. Dies liefern eher andere Publikationen, die zu diesem Thema in Deutschland bereits erschienen sind. Dabei sind die erst- und die letztgenannte Publikation als Einstieg besonders geeignet (Eggers 1959; Müller-Karpe 1975; Eggert 32008; Trachsel 2008; Eggert/Samida 22013). Es liefert auch keine umfassende Darstellung in Methoden und Anwendungsmöglichkeiten der Feldarchäologie (Gersbach 1989), auch wenn diese natürlich überblicksartig angesprochen werden (siehe Kap. 3.1). Vielmehr bietet das Buch – und dieses erstmalig auf dem deutschsprachigen Buchmarkt – eine Einführung in das Berufsfeld ‚Archäologische DenkmalpflegeDenkmalDenkmalpflege‘ bzw. ‚Bodendenkmalpflege‘.
Was bedeutet dies aber konkret? Was erfahren Studierende eigentlich über die Arbeit der Archäologischen DenkmalpflegeDenkmalDenkmalpflege im Rahmen ihres mehrjährigen archäologischen Universitätsstudiums und warum könnte das Wissen, das diese Publikation vermittelt, für eine spätere Berufswahl relevant sein (siehe Kap. 4)? Sieht man von der praktischen Teilnahme – häufig in den Semesterferien – an Projekt- und LehrgrabungenLehrgrabung, Feldbegehungen oder Vermessungsarbeiten eines Universitätsinstitutes einmal ab, gibt es in der Regel keine Veranstaltungen, die in das Berufsfeld der Archäologischen Denkmalpflege einführen. Die Umsetzung und Ausgestaltung von DenkmalschutzDenkmalDenkmalschutz und Denkmalpflege für untertägige Fundplätze und obertägige Geländedenkmäler, aber auch der denkmalgerechte Umgang bei der Bergung und Erstversorgung von Funden oder die Anwendungsmöglichkeiten des Denkmalrechts für das archäologische KulturerbeKulturerbe werden in der Regel nicht thematisiert. Es sei denn, ein Mitarbeiter eines Denkmalamtes kann als Dozent oder Honorarprofessor für einschlägige Übungen und Seminare gewonnen werden. Weiterhin recht selten ist in Deutschland zudem der Fall, dass ein Mitarbeiter eines Landesdenkmalamtes zu einem späteren Zeitpunkt an die Universität auf Dauer zurückkehrt und dort Lehrveranstaltungen über die berufliche Praxis anbietet. Diese Darstellung gibt die reale Situation in Deutschland wieder – auch die Verfasser dieser Publikation haben unter diesen Voraussetzungen den Einstieg in das Berufsleben finden müssen.
Will man ‚Kustode‘ und ‚Anwalt‘ – selbstverständlich erfasst das generische Maskulinum hier und im Folgenden alle Geschlechter – für das archäologische KulturerbeKulturerbe sein, bedarf es besonderer Eigenschaften und mancher spezifischen Kenntnisse, darunter auch solche rechtlicher Natur. Beginnen wir mit einigen persönlichen Eigenschaften, die in der Darstellung vielleicht selbstverständlich, möglicherweise sogar ‚trivial‘ erscheinen, aber durchaus einen seriösen Hintergrund besitzen und im mittlerweile üblichen Sprachgebrauch zu den ‚außerfachlichen Kompetenzen‘ respektive ‚soft skills‘ zählen. In der Archäologischen DenkmalpflegeDenkmalDenkmalpflege bzw. Bodendenkmalpflege – beide Begriffe sind üblich und beschreiben das gleiche Berufsfeld (siehe Kap. 2.1.3) – hat man es weit stärker als Mitarbeitende in den Universitäten und selbst in den Museen mit quasi allen gesellschaftlichen und beruflichen Gruppen und deren Interessenslagen zu tun, insbesondere der Politik auf allen Ebenen sowie mit Entscheidungsträgern in Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen, den Denkmaleigentümern, Investoren und ‚Häuslebauern‘, Medienvertretern, Touristikern, Richtern und Anwälten, Bürgerinitiativen, Ehrenamtlern oder ‚Citizen Scientists‘ (Verband der Landesarchäologen in der Bundesrepublik Deutschland 2004). Die umfangreichste Gruppe ist jedoch eine andere: die ‚interessierte Öffentlichkeit‘. In der Fremdwahrnehmung (siehe Kap. 5) wird man bisweilen als ‚Behördenvertreter‘ gesehen, der Ver- und Gebote im Umgang mit dem archäologischen Kulturerbe erlässt. Das ist allerdings eher selten der Fall, da für die behördliche Umsetzung gesetzlicher Regelungen zumeist nicht die archäologischen Landesämter als Denkmalfachbehörden verantwortlich sind, sondern DenkmalschutzbehördenDenkmalDenkmal(schutz)behörde in den Kommunen und Bundesländern (siehe Kap. 2.6). Mögen sich die Archäologen mit ihrer fachlichen Expertise nicht immer gegenüber anderen öffentlichen Belangen oder wirtschaftlichen Investitionen in konkreten Verfahren durchsetzen, so gehen sie doch eher selten aus derartigen Auseinandersetzungen, ohne nicht wenigstens RettungsgrabungenRettungsgrabung bei drohender Zerstörung eines archäologischen Fundplatzes erfolgreich einfordern zu können. Mit anderen Worten: Staatliche Fürsorge und gesellschaftliche Akzeptanz für archäologische Belange haben auch in Konfliktfällen in den letzten Jahrzehnten zugenommen, selbst wenn man in der öffentlichen Wahrnehmung noch nicht mit Umweltbelangen oder dem Natur- und Landschaftsschutz ‚gleichziehen‘ konnte. Wichtig bei allen externen Verhandlungen, die man als Bodendenkmalpfleger diesbezüglich führt, sind eine gute Vorbereitung und eine Vorstellung, was man erreichen will bzw. kann. Dabei sind neben dem Fachwissen Überzeugungskraft verbunden mit Dialogbereitschaft und Verlässlichkeit gegenüber der ‚Gegenseite‘ wichtige Eigenschaften, denn man sieht sich bekanntlich mehrmals im (Arbeits-)Leben … Natürlich stellt sich im Laufe der beruflichen Tätigkeit auch eine situative Routine ein, aber ‚Learning by Doing‘ bleibt ‚bis zum Schluss‘ wichtig. Leider wird man während des Studiums überhaupt nicht auf die Alltagssituationen als Kustode des archäologischen Kulturerbes vorbereitet und trainiert. Hier ist durchaus Eigeninitiative gefordert (siehe Kap. 4).
Vorweg einige Erkenntnisse, wobei es hier zunächst weniger um solche fachlicher Natur im engeren Sinne gehen soll. Eine möglichst breite und solide Ausbildung über Methoden des Faches und die Zeitepochen hinweg sollte das Studium gewährleisten und spezifisches Wissen zum landesweiten bzw. regionalen archäologischen KulturerbeKulturerbe lässt sich am neuen Arbeitsplatz vertiefen. Erfahrungsgemäß ist es leichter, sich im Laufe eines Berufslebens in Spezialgebiete oder einzelne Zeitepochen einzuarbeiten als umgekehrt allgemeine Grundlagen nachzuholen. Für beide vorrangig anzutreffende berufliche Typen, den ‚Generalisten‘ und den ‚Spezialisten‘, gilt zudem ‚Lifelong Learning‘. Die Autoren dieses Buches haben als Landesarchäologen und Direktoren von Landesämtern bei Einstellungen von jungen Kollegen immer wieder die Erfahrung gemacht, dass die späteren beruflichen Anforderungen fast immer unklar waren. Einer der beiden Autoren hat es auf Nachfrage seines eigenen beruflichen Werdegangs später einmal selbst auf den Punkt gebracht. „Mit der Bibliothek des Hauses kam ich vom ersten Tag an zurecht, alles andere war neu …“.
Zweifellos bestehen die größten Defizite bei Berufsanfängern beim Denkmalrecht und verwandten Rechtsgebieten. Natürlich ändern sich Gesetze im Laufe der Zeit und man muss schauen, ob zwischenzeitlich Änderungen oder wichtige Gerichtsurteile ergangen sind. Auch im Land Nordrhein-Westfalen, wo die beiden Autoren als Landesarchäologen tätig sind bzw. waren, befasst sich aktuell der Landtag mit einer Novellierung des Denkmalschutzgesetzes. Der Ausgang ist noch offen und mancher Bezug auf einen hier im Buch zitierten Gesetzesparagraphen (siehe Kap. 2.6) mag demnächst überholt sein. Doch geht es uns in dieser Einführung weniger um konkrete Paragraphen, sondern um die Kenntnis des ‚Baukastens‘, aus dem sich die Gesetze des Kulturgutschutzes in Grundfragen hierzulande (aber auch über Deutschland hinaus) bedienen. Da gibt es zu Einzelthemen in aller Regel verschiedene, allerdings zahlenmäßig beschränkte Alternativen, wobei tatsächlich wenig grundlegend Neues in den letzten Jahren an Einzelmodulen hinzugekommen ist. Ebenfalls eher nebulöse Vorstellungen bestehen zum vielseitigen Arbeitsalltag eines Bodendenkmalpflegers, etwa zu den Gutachten und Stellungnahmen, die er verfasst und die nicht selten eine erhebliche LangzeitwirkungLangzeitwirkung aufweisen, oder zu Abstimmungsgesprächen mit Bürgermeistern und Landräten, Bauherren und Landwirten. Wesentliche Fragen und die Antworten darauf bilden die Basis der Archäologischen DenkmalpflegeDenkmalDenkmalpflege in Deutschland und auch dieses Buches:
Was beinhaltet DenkmalschutzDenkmalDenkmalschutz, was DenkmalpflegeDenkmalDenkmalpflege?
Welche Bedeutung über die Forschung hinaus haben archäologische Denkmäler für die Gesellschaft?
Wodurch sind archäologische Denkmäler gefährdet und welche Gegenstrategien wurden bzw. werden seitens der amtlichen DenkmalpflegeDenkmalDenkmalpflege entwickelt?
Wie werden archäologische Denkmäler geschützt?
Welche praktischen Maßnahmen und Verfahren im Umgang mit ortsfesten und beweglichen archäologischen Denkmälern lassen sich unterscheiden?
Wem gehören ArchaeologicaArchaeologica nach ihrer Entdeckung bzw. Freilegung?
Wer bezahlt bzw. kommt bei RettungsgrabungenRettungsgrabung und Forschungsgrabungen für die Kosten auf?
Welche unterschiedlichen Schutzgesetze für das archäologische Kulturgut gibt es auf welcher staatlichen Ebene?
In den Jahren 2006 bis 2008 wurde eine umfassende Erhebung zur Situation von Archäologen in Europa von der Europäischen Union im Rahmen des Programms Leonardo da Vinci II gefördert (Aitchison 2010). An der Studie Discovering the Archaeologists of Europe (DISCO) beteiligten sich zwölf EU-Staaten (https://www.discovering-archaeologists.eu/DISCO_Transnational_Report.pdf.). Auch Deutschland – koordiniert vom Verband der Landesarchäologen, der hierzu zeitnah auch ein internationales Kolloquium veranstaltete (Verband der Landesarchäologen in der Bundesrepublik Deutschland 2010) – war darunter. Der umfassende Report liegt veröffentlicht vor (https://www.discovering-archaeologists.eu/national_reports/Disco-D-dt-korr-05-final.pdf). Analysen für Deutschland insgesamt (Krausse/Nübold 2010) und einige Bundesländer (Kunow et al. 2010) ergänzen diesen Report. Im Rahmen des Leonardo-Programms der EU wurde erfolgreich eine Fortschreibung der ‚DISCO-Studie‘ (2012–2014) beantragt, an der sich neben einigen der bisherigen Länder sieben weitere beteiligten. Die Ergebnisse wurden 2014 ebenfalls in einem Report vorgelegt und berücksichtigen nicht nur weitere Länderbeteiligungen, sondern zudem auch neue Abfragen und Aktualisierungen. Deutschland beteiligte sich wiederum an der Studie; federführend waren das Universitätsinstitut für Klassische Archäologie in Bonn und der Deutsche Archäologen-Verband (DArV) (https://www.discovering-archaeologists.eu/national_reports/2014/DE%20DISCO%202014%20Germany%20national%20report%20german.pdf). Auffällig ist beim Studienvergleich von 2008 und 2014 ein massiver Einbruch, der in Folge der großen Weltwirtschaftskrise insbesondere die südeuropäischen Länder und auch die dortigen Archäologen ereilte und sich etwa in Entlassungen oder Gehaltskürzungen niederschlug. Die eingetretene Ernüchterung wurde als ‚After the Goldrush‘ treffend charakterisiert und so konnte, ohne dass zwischenzeitlich im nennenswerten Umfang bessere Arbeitsbedingungen und Stellen hinzugekommen waren, die Bundesrepublik Deutschland ihren früheren Mittelfeldplatz im europäischen Vergleich, der unterschiedliche Faktoren wie ‚Archäologendichte‘ im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung, Alters- und Geschlechtsverteilung, Qualitätsstandards und Qualifikation der Grabungsleiter, Organisationsgrößen, Vertragsdauer und Stellensicherheit etc. einbezog, erheblich verbessern.
Wir können auf die vielen wichtigen Abfragen und Statistiken, die eine Fundgrube nicht nur für Arbeitsmarktforscher, sondern für die Archäologie in Deutschland insgesamt sind, nicht eingehen; diese sind andernorts bequem nachzulesen. Unser Augenmerk richtet sich nur auf die einzelnen Berufsfelder und die unterschiedlichen Chancen, hier als Universitätsabsolvent ‚unterzukommen‘. Danach wird die Archäologische DenkmalpflegeDenkmalDenkmalpflege (unter Einbeziehung der Landes- und KommunalarchäologienArchäologieKommunalarchäologie sowie der Grabungsfachfirmen) für weit mehr als die Hälfte der Universitätsabgänger das spätere berufliche Tätigkeitsfeld sein, das erheblich mehr feste Beschäftigungsverhältnisse generiert als Universitäten (eine Vielzahl der dortigen Arbeitsverträge sind als Projektstellen zeitlich befristet) oder Museen (siehe Kap. 4). Es ist also durchaus sinnvoll, sich während des Studiums mit der Archäologischen Denkmalpflege zu beschäftigen, auch wenn man später eine abweichende persönliche Berufswahl trifft. Häufig nehmen allerdings andere oder auch der Zufall einem die Entscheidung ab. Die Auswahl an Angeboten für Berufseinsteiger ist zumeist nicht wirklich groß. Wohl eher selten findet man den Traumjob auf Anhieb, aber ebenfalls nicht selten erlebt man doch im Laufe der Zeit eine gewisse Erfüllung am eingenommenen Arbeitsplatz. Eine gute Vorbereitung darauf will diese Einführung in die Archäologische Denkmalpflege liefern.
Bonn und Münster, August 2021