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2.1.3 Dualismus und Synonymität bei archäologischen Termini technici

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Um eine Kommunikation mit dem Leser überhaupt zu ermöglichen, muss man sich zunächst zu einigen archäologischen Grundbegriffen und ihrer Verwendung und Ausdeutung verständigen. Dieser Abschnitt widmet sich also der Fachsprache. Der Begriff ‚Archäologie‘ (in recht wörtlicher Übersetzung: ‚Altertumskunde‘ oder ‚Altertümerkunde‘) leitet sich aus dem Altgriechischen archaiologia ab und meinte seinerzeit so etwas wie eine erzählerische ‚Darstellung vom Alten‘ oder „Kunde von den [mythischen] Anfängen“ (Eggert 2006, 3f.; Eggert/Samida 2013, 6f.). Als einer der Begründer der modernen und ‚gegenständlichen‘ Archäologie, die ihre Anfänge im Zeitalter der Aufklärung nimmt, gilt Johann Joachim Winckelmann$Winckelmann, Johann Joachim (1717–1768). Seine 1764 in erster Auflage erschienene Geschichte der Kunst des Altertums gilt noch heute als epochales Standardwerk. Im Winckelmannschen Sinne, der in seinem berühmt gewordenen Zitat von ‚edler Einfalt und stiller Größe‘ der Objekte sprach, wurde nach Beginn des 19. Jahrhunderts bald an mehreren deutschen Universitäten die Klassische Archäologie als eine vor allem kunstgeschichtlich orientierte Wissenschaft gelehrt. Man bezog die Archäologie dabei – Winckelmann folgend – begrifflich und kulturgeschichtlich auf Stätten und Objekte aus dem mediterranen Raum. Die heimischen Hinterlassenschaften hingegen bezeichnete man als ‚vaterländische Altert(h)ümer‘ und sprach von der ‚heidnischen Vorzeit‘ (siehe Kap. 2.3.2).

Eine neue Begrifflichkeit tauchte nach der Mitte des 19. Jahrhunderts zuerst in England und Frankreich auf: Prehistory bzw. Prehistoric Times und Archéologie Préhistorique (Hoika 1998, 52f.). Dieser Terminus wurde als Lehnwort ‚Prähistorie‘ übernommen oder eingedeutscht in ‚VorgeschichteVorgeschichte (Begriff)‘, die zugleich den älteren und mythisch aufgeladenen Begriff einer hiesigen ‚Vorzeit‘ verdrängte. Prähistorie bzw. prähistorisch konnte sich jedoch zunächst nicht durchsetzen, auch wenn manches wichtige Museum wie das Völkerkundemuseum in Berlin eine auch internationalen Ansprüchen genügende imposante ‚Prähistorische Abteilung‘ unterhielt – ihre offizielle Bezeichnung ‚Sammlung vaterländischer und anderer vorgeschichtlicher Altertümer‘ wich allerdings davon ab. Im Jahr 1880 präsentierte man dort die große ‚Ausstellung prähistorischer und anthropologischer FundeFund (Begriff) Deutschlands‘ und erstellte einen begleitenden Katalog. Später wurde die Sammlung bzw. Abteilung ausgegründet und 1931 in das heutige Staatliche Museum für Vor- und Frühgeschichte Berlin umbenannt.

Die 1909 erstmals erschienene Prähistorische ZeitschriftPrähistorische Zeitschrift steht hingegen unmittelbar in dieser Namenstradition und hat bis heute ihre ursprüngliche Bezeichnung behalten, was, wie noch zu zeigen sein wird, im Zuge zahlreicher Namensänderungen beinahe schon eine Ausnahme darstellt. Nicht Prähistorie, wohl aber VorgeschichteVorgeschichte (Begriff) hatte als neue Bezeichnung Konjunktur. So übernahm sie das erste, ausschließlich für heimische Bodenfunde noch vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs konzipierte Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle (Kunow 2017a, 22f.). Einen wesentlichen Anteil an der Popularisierung des Begriffs über akademische Kreise hinaus hatte Gustaf Kossinnas$Kossinna, Gustaf (auch Gustav) (1858–1931) etwa gleichzeitig vorgelegte Monographie Die deutsche Vorgeschichte, eine hervorragend nationale Wissenschaft, die eine Vielzahl von Auflagen erzielte, wobei die achte und letzte noch im Kriegsjahr 1941 erschien (Grünert 2002, 232–236). Auch die von Kossinna gegründete mitgliederstarke Gesellschaft für Vorgeschichte suchte ihren Zuspruch vor allem ‚außerhalb des Faches‘ (ebd. 237f.). Obwohl ‚Vorgeschichte‘ natürlich kein Nazi-Begriff war und bereits früher Anwendung fand – erinnert sei ebenfalls an das 1927 gegründete Vorgeschichtliche Seminar an der Universität Marburg mit dem ersten diesbezüglichen Ordinariat in Deutschland (siehe Kap. 2.3) –, bekamen im ‚Dritten Reich‚Drittes Reich‘‘ neu entstandene Denkmalämter, einschlägige Museen und Universitätsinstitute zumeist das Attribut ‚vorgeschichtlich‘ (Pape 2002a; 2002b). Die Reichspropaganda sekundierte dieses und verlautbarte: „Die Ergebnisse der vorgeschichtlichen Forschung sind das alte Testament des deutschen Volkes“ (siehe Kap. 2.4.2). Das führte dazu, dass nach Ende des Zweiten Weltkriegs die Begriffe ‚Vorgeschichte‘ oder ‚vorgeschichtlich‘ als diskreditiert galten und bald aus dem aktiven Sprachgebrauch verschwanden. Nur noch ältere Institutionen hielten daran fest.

Aber bereits früher, nämlich schon im 19. Jahrhundert, hatte man an diesem Begriff inhaltlich Anstoß genommen. ‚VorgeschichteVorgeschichte (Begriff)‘ markierte aus Sicht der Kritiker einen (wie auch immer definierten) Zeitraum ‚vor‘ der Geschichte. Sie verwendeten für diesen ältesten Zeitabschnitt stattdessen den Terminus ‚UrgeschichteUrgeschichte (Begriff)‘ (Urban 1996), der nicht zuletzt durch Rudolf Virchows$Virchow, Rudolf Gesellschaften für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte gerade in akademischen Kreisen im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts Zuspruch fand (siehe Kap. 2.3.3). Etwa zeitgleich kam nun auch für jüngere Zeitabschnitte die Etikettierung ‚Frühgeschichte‘ auf, die eine vergleichsweise schriftarme jüngere Epoche (grob gesprochen für Deutschland der Zeitraum bis zum Ende der Karolingerzeit zu Beginn des 10. Jahrhunderts) zum Gegenstand hat und sich bei ihrer Erforschung weitgehend auf archäologische Methoden und Quellen stützt (Hoika 1998, 53; 69). Heutzutage bezeichnen sich die meisten universitären Fachinstitute in Deutschland als ‚ur- und frühgeschichtlich‘ oder auch ‚vor- und frühgeschichtlich‘ (ebd. 58 mit Abb. 2). An aktuell zwei Universitäten in Deutschland (Berlin und Halle) hat man sich davon abweichend für ein ‚Institut für Prähistorische Archäologie‘ entschieden und die alten Institutsschilder entfernt. Egal welche konkrete Bezeichnung ein derartiges Institut begrifflich auch gewählt hat, ein Unterschied im Lehrplan gegenüber anderen lässt sich dadurch nicht ableiten; die Begriffe werden synonym verwendet (Ament 1996). Inhaltliche Unterschiede bestehen indessen gegenüber den Instituten für Provinzialrömische ArchäologieArchäologieProvinzialrömische Archäologie oder ArchäologieNeuzeitarchäologieMittelalterArchäologieMittelalterarchäologie-/Neuzeitarchäologie, wo man andere archäologische Einzelfächer lehrt (Eggert 2006, 3ff.; 135ff.; 170ff.).

Was geschah nun außerhalb der Universitäten, also bei den Bezeichnungen der Landesämter und einschlägigen Fachmuseen? In der DDR behielten die Landesmuseen in Halle und Dresden ihre Traditionsbezeichnung aus der Vorkriegszeit bei, nämlich ‚Landesmuseum für VorgeschichteVorgeschichte (Begriff)‘; in den Städten Potsdam, Schwerin und Weimar unterhielt man hingegen ein ‚Museum für Ur- und Frühgeschichte‘, wobei diese fünf Häuser nicht nur die mit Abstand umfangreichsten Sammlungen an Bodenfunden aufwiesen, sondern mit ihren angegliederten Forschungsstellen auch die Gebietsbodendenkmalpflege für die DDR-Bezirke versahen (siehe Kap. 2.3.5). Nach dem Zweiten Weltkrieg bekam hingegen in der alten Bundesrepublik Deutschland die Bezeichnung ‚Archäologie‘, die man bis dahin insbesondere mit der Klassischen Archäologie und dem mediterranen Raum verband, nun auch einen heimischen Bezug. So wurde als Dachverband der Landesämter im Jahr 1949 der Verband der westdeutschen Landesarchäologen gegründet (siehe Kap. 2.5.1). Nach der WiedervereinigungWiedervereinigung setzte dann ein großer Namenswechsel vielerorts ein. Manches Landesamt (etwa Hamburg, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein sowie etwas früher bereits Westfalen) führt seitdem die Bezeichnung ‚Archäologie‘ im Amtstitel; überregional bedeutende Museen mit hiesigen Bodenfunden etwa in Brandenburg, Chemnitz, Frankfurt, Herne (früher Münster), München oder Schleswig schlossen sich dem an und legten ihren in der Regel Jahrzehnte alten Namen ab. Die Intention dahinter war und ist immer die gleiche. Mit dem Begriff ‚Archäologie‘ können Öffentlichkeit und Politik etwas anfangen. Diese verbinden mit Archäologie die Vorstellung von einer ‚ausgrabenden‘ Wissenschaft, die mit gegenständlichen historischen oder kulturhistorischen Quellen (aufgelassenen Stätten und zugehörigen Bodenfunden) arbeitet, die illiterat, also nicht-schriftlich, sind und als authentische Zeugnisse einer vergangenen Epoche gelten (Eggert 2006, 189–192; Eggert/Samida 2013, 5–9). Bewusst und mit Kalkül haben sich die Herausgeber des großen populärwissenschaftlichen Magazins Archäologie in DeutschlandArchäologie in Deutschland (Zeitschrift) im Jahr 1984 bei der Gründung der Zeitschrift diesbezüglich entschieden. ‚Archäologie‘ hat sich im Laufe der Jahrzehnte sprachlich auch für die Feldaktivitäten hierzulande etabliert – selbst wenn etwa die ‚Bodendenkmäler der Neuzeit‘ (Verband der Landesarchäologen in der Bundesrepublik Deutschland 1995) oder ‚Archäologie der ModerneArchäologieder Moderne‘ (siehe Kap. 2.2.4) vielleicht dem ein oder anderen als contradictio in adiecto aufstößt. Bezeichnungen wie UrgeschichteUrgeschichte (Begriff), Vorgeschichte oder Prähistorie hingegen sind (fast) nur noch im akademischen Milieu üblich.

Gleiches gilt im Grunde für den Begriff ‚Bodendenkmalpflege‘, der erstmals in den 1930er Jahren Verbreitung fand (siehe Kap. 2.3.4). Elf unserer sechzehn Denkmalschutzgesetze sprechen zwar von der Schutzkategorie ‚Bodendenkmal‘ und von daher liegt es nahe, auch weiterhin Bodendenkmalschutz und Bodendenkmalpflege als Begriffe zu verwenden. Allerdings finden wir in drei unserer Denkmalschutzgesetze (Sachsen, Sachsen-Anhalt sowie Schleswig-Holstein) stattdessen die Kategorien ‚Unbewegliche und bewegliche archäologische Sachzeugen‘ ‚Archäologische KulturdenkmaleKulturdenkmal und FlächendenkmaleFlächendenkmale‘ sowie ‚Archäologische Denkmale‘. Auch in der juristischen Diktion sehen wir also diese Synonymität. Daher verwundert es nicht, wenn statt ‚Bodendenkmalpflege‘ immer häufiger in Deutschland auch im amtlichen Kontext (und hier ebenfalls für den Buchtitel gewählt) der Begriff ‚Archäologische DenkmalpflegeDenkmalDenkmalpflege‘ auftaucht, der im Gegensatz zur Bodendenkmalpflege in der Öffentlichkeit auf keinerlei Verständnisschwierigkeiten stößt und an Akzeptanz sicherlich zunehmen wird. Dynamisierung charakterisiert demnach nicht nur die vielfältigen Arbeitsinhalte, die unsere ‚Einführung‘ in den folgenden Kapiteln darstellt, auch Begriffe und sprachliche Bezeichnungen sind einem Wandel unterworfen.

Archäologische Denkmalpflege

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