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ОглавлениеKapitel 4. Ein steiniger Weg bis zur ersten Amerika-Reise
Nach Beendigung der Volksschule fing ich eine Lehre als Maschinenbauer an. Da mein Vater Handwerker war und ich gegenüber technischen Dingen auch recht aufgeschlossen war, gab es für mich eigentlich keine Alternative zu einem handwerklichen Beruf.
Ich begann also planmäßig, dem Wunsch meines Vaters folgend, eine Lehre in einem relativ kleinen Betrieb, der aber einen sehr guten Ruf bezüglich seiner Lehrlingsausbildung hatte. Ich war mit meiner Volksschulausbildung nur über den Freund meines Vaters an diese Lehrstelle gekommen, da sonst nur Lehrlinge mit mittlerer Reife oder Abitur eingestellt wurden, also gab es damals auch schon Vitamin B. Das waren die Kandidaten, die fast alle nach der Lehre ein Ingenieurstudium absolvierten.
Mit fortschreitender Lehrzeit und dem Umgang mit diesem erlauchten Kreis begann bei mir die Vorstellung zu reifen, dass ich eigentlich den Rest meines Lebens nicht im Blaumann verbringen wollte, sondern es entstand der Wunsch, auch Ingenieur werden zu wollen. Die Frage war nur, wie ich das anstellen sollte, denn mit meinem Volksschulabschluss konnte ich die Ingenieurschule nicht besuchen.
Ich hatte davon gehört, dass man auf dem zweiten Bildungsweg zur Ingenieurschulreife kommen konnte.
Dies bedeutete damals 6 Semester lang, also 3 Jahre neben der eigentlichen Lehre mit wöchentlicher Berufsschulzeit, dreimal in der Woche abends und zusätzlich am Samstag zum Bremer Berufsbildungszentrum zu fahren, um dort stramm zu pauken und auch noch Hausaufgaben zu machen und natürlich zusätzlich noch für Klausuren zu pauken. Nicht genug der Strapazen kostete das Ganze auch noch Gebühren, die ich von meinem geringen Geld, das ich während der Lehre zur Verfügung hatte, bezahlen musste und da Straßenbahnfahren Geld kostete und zeitaufwendig war, wurde der komplette Einsatz mit dem Fahrrad durchgeführt.
Natürlich spielte ich damals wie die meisten meiner Freunde Fußball im Verein. Um spielen zu können, war regelmäßiges Training angesagt und das kollidierte zwangsläufig mit der Abendfachschule.
Ich lernte damals dann auch noch ein Mädchen kennen (meine heutige Frau) und damit war das Maß an Durchhaltevermögen überschritten. Das Ende vom Lied war, dass ich meine Abendfachschule schmiss, was bei meinem Vater die aufbauende Bemerkung erzeugte: „Ich habe ja schon immer gewusst, dass du nicht genug Mumm hast, so etwas durchzustehen.“ Er lehnte eine finanzielle Unterstützung jeglicher Art für zukünftige Flausen klar ab.
Da stand ich nun mit meinen knapp 18 Jahren, kurz vor Abschluss meiner 3,5 Jahre währenden Lehre, und musste feststellen, dass es bis zum Ingenieur noch viele, durchaus menschliche, Hindernisse, zu überwinden galt.
Mein damaliger und auch heute noch bester Freund Manfred hatte während unserer Lehrzeit ganz ähnliche Gedanken gehabt wie ich, mit dem einzigen Unterschied, dass er erst gar nicht die Strapazen der Abendfachschule auf sich genommen hatte, keinen Fußball spielte und auch keine Freundin hatte. Er war also in einer unvergleichbar besseren Position damals.
Mein Freund Manfred hatte einige interessante Neuigkeiten zu berichten, die bei mir auf offene Ohren stießen. Er erzählte mir, dass man die Ausbildung zum Schiffsingenieur machen konnte, indem man einige Jahre als Ingenieurassistent zur See fuhr, dann ein Vorsemester absolvierte und bei erfolgreicher Abschlussprüfung gleichzeitig die Aufnahmeberechtigung für die Ingenieurschule erhielt.
Da Personal bei der wachsenden Deutschen Handelsmarine knapp war, wurde einem auch noch die Bundeswehr erspart, was ein zusätzlicher Bonus war.
Er erzählte mir, dass man als Ingenieurassistent schon ganz gut bezahlt wurde und da an Bord eines Schiffes sämtliche Verpflegung kostenlos war, man gut das nötige Geld für das Studium zusammensparen konnte.
Da ich ohnehin jegliche finanzielle Unterstützung von zu Hause ausschließen konnte, schien mir dies der einzig gangbare Weg zu sein, im Leben voranzukommen, ohne völlig abstinent zu leben.
Das erforderliche Vorsemester und das eigentliche Studium waren ja noch ein paar Jahre hin und bis dahin würde sich schon manches von alleine regeln.
Es kehrte Frieden in meiner Seele ein, hatte ich doch jetzt einen klaren Weg vor mir, vom Maschinenbauer zum Ingenieur zu avancieren.
Es galt nur noch eine Kleinigkeit zu regeln, nämlich meiner Freundin meine Pläne nicht nur mitzuteilen, sondern sie auch noch davon zu überzeugen.
Ich hatte zwischenzeitlich die fehlende Werftlehre, die erforderlich war, um diese Ausbildung zu machen, durch eine einjährige Tätigkeit in einer Schiffspumpenfirma in Bremen kompensiert und es war der Sommer 1962, als es ernst wurde. Ich war in diesem Sommer heimlich 3 Wochen mit meiner Freundin nach Österreich gefahren, um ihr nochmals meine Liebe zu beteuern und ihr beizubringen, dass die Trennungen ja nur von kurzer Dauer seien und einer Liebe wie unserer nichts anhaben könnten.
Ich hatte mich zwischenzeitlich beim Norddeutschen Lloyd als Ingenieurassistent beworben, einen Vorstellungstermin gehabt und auch schon die Zuweisung eines Schiffes, dass in Kürze in Hamburg einlaufen würde und auf dem ich dann anheuern sollte.
Meine Freundin und ich machten dann unmittelbar vor der Anmusterung auf dem Schiff an einem stürmischen Sonntag einen Tagesausflug nach Helgoland mit einem Seebäderschiff, um meine Seestandfestigkeit nachzuweisen. Diese Probe habe ich im Gegensatz zu meiner Freundin mehr schlecht als recht überstanden. Ihr ging es so dreckig, dass sie sich auch nach dem Ausbooten an Land noch übergeben musste. Nun hatte sie eigentlich gar nichts mehr für meine neue Berufswahl übrig und fragte mich nur, ob ich mir das alles richtig überlegt hätte, was ich bejahte.
Im August 1962 kam dann der Tag, Tschüss zu sagen und nach Hamburg zu fahren und auf der MS Saarstein anzuheuern.
Als ich an Bord kam, erfuhr ich dann auch die anstehende Reiseroute unseres Schiffes: Es war die sogenannte Golf-Reise, also der Golf von Mexiko, und somit ging es das erste Mal in meinem damals knapp 20-jährigen Leben nach Amerika. Ich war glücklich und gespannt.